Parlamentskorrespondenz Nr. 615 vom 02.07.2009

Konsumentenschutzausschuss: EU-Recht entschärft Roaming-Probleme

Transparente Stromrechnungen, Mehrwertnummern, sicheres Internet

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Konsumentenschutzausschusses stand eine breite Palette an Themen auf der Tagesordnung. Zunächst wurde in Anträgen von FPÖ und Grünen auf die zahlreichen Probleme mit Mehrwertnummern und hohen Handy-Rechnungen aufgrund unerwarteter Roamingkosten hingewiesen. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen und ein Antrag des BZÖ hatten das Ziel, bei Strom- und Gasrechnungen mehr Transparenz zu schaffen. Einstimmig sprachen sich alle Fraktionen für einen weiteren Ausbau der Safer-Internet-Initiative im Sinne des Schutzes der Kinder und Jugendlichen aus. Vertagt wurden sodann die Vorschläge der Grünen, ein freiwilliges Gütesiegel für Finanzprodukte einzuführen sowie die Reiseveranstalter zu mehr und transparenterer Information bei den "Ab-Preisen" und Frühbucherboni zu verpflichten. Die Anträge der Grünen und der FPÖ, bei denen es vor allem um die Senkung des Stand-by-Stromverbrauchs von Geräten ging, wurden zurückgezogen bzw. vertagt, da auf EU-Ebene bereits entsprechende Regelungen beschlossen wurden.

Hundstorfer: Kaum mehr Probleme mit Mehrwertnummern

Aufgrund der zunehmenden Probleme mit unseriösen SMS-Praktiken forderten die FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger und Manfred Haimbuchner die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die vorsieht, dass Handys nur so abgegeben werden dürfen, dass die 090er-Nummern von Herstellerseite gesperrt sind und nur auf ausdrückliche Aufforderung ("opting-in") der Konsumenten freigegeben werden. Es sei nämlich nicht einzusehen, warum die Kunden von sich aus tätig werden müssen; überdies seien allfällige Rechtsansprüche schwer durchzusetzen. G-Abgeordnete Birgit Schatz unterstützte – ebenso wie die B-Mandatarin Martina Schenk - den Antrag, da es ihrer Meinung nach nicht angehen könne, dass die Konsumenten etwas für Dinge bezahlen müssen, die sie gar nicht wollen; die "opting-in"-Regelung sei ihrer Ansicht nach daher viel schlüssiger.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V), die einen Vertagungsantrag stellte, gab zu bedenken, dass auch sehr nützliche Dienste (wie Wetter- und Verkehrsinfos) über 090er-Nummern abgerufen werden können.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer wies auf einen Bericht der Regulierungsbehörde hin, in dem festgestellt wurde, dass im heurigen Jahr kaum mehr Probleme mit den Mehrwertnummern gemeldet wurden. Das Mehrwertdienste-Monitoring habe offenbar gegriffen und dazu geführt, dass es fast keine Beschwerden mehr bezüglich unseriöser Anbieter gibt. Er gab auch zu bedenken, dass bei einer Umstellung auf die "opting-in"-Regelung sehr viele seriöse Geschäftsmodelle verhindert würden, z.B. die Bezahlung der Parkscheingebühr über das Handy.

Abgeordneter Johann Maier (S) schloss sich den Ausführungen des Ministers an. Während es in den Jahren 2007 und 2008 noch zu Massenbeschwerden wegen der Mehrwertnummern kam, gab es aufgrund der schärferen Vorgangsweise der RTR (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH) heuer kaum Problemfälle. Aus diesem Grund trete er derzeit auch für eine Vertagung ein. – Mit S-V-Mehrheit vertagt.

EU-Verordnung soll Probleme mit "Inlands- und Datenroaming" lösen

In einem weiteren FPÖ-Antrag ging es Abgeordnetem Wolfgang Zanger vor allem darum, dass Mobilfunkbetreiber für Gespräche, die im Inland mit Gesprächspartnern geführt werden, die sich ebenfalls im Inland befinden, nur Inlandstarife verrechnen können. Hintergrund dieser Initiative ist die Tatsache, dass Handy-Besitzer, die in Grenzgebieten wohnen, mitunter eine böse Überraschung bei der Monatsrechnung erleben, da sie sich rein systemtechnisch im Ausland befinden können, ohne dass sie es gemerkt haben. Ein ähnlicher Antrag wurde von der grünen Fraktion eingebracht, wobei bei ihnen das ungewollte Datenroaming in Grenznähe durch mobiles Internetsurfen im Mittelpunkt stand.

Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) informierte über einen Beschluss auf EU-Ebene, der die Mobilfunkbetreiber dazu verpflichtet, die User per SMS zu informieren, falls sie sich in einem ausländischen Netz befinden. Außerdem wies er darauf hin, dass ab 2010 die Roaming-Kosten beträchtlich reduziert werden. Abgeordneter Johann Maier (S) merkte zudem noch an, dass die entsprechende EU-Verordnung gestern in Kraft getreten ist.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) zeigte sich trotzdem unzufrieden, da es ihm nicht darum gehe, dass die Konsumenten ein SMS erhalten. Es müsse einfach automatisch gewährleistet werden, dass sie bei Inlandsgesprächen auch nur Inlandstarife zahlen.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) war der Ansicht, dass es sich bei den Handybesitzern um mündige Bürger handle, denen wohl auch bekannt ist, dass es die Möglichkeit einer manuellen Netzwahl gibt.

Auch Bundesminister Rudolf Hundstorfer gab bekannt, dass aufgrund der neuen EU-Regelungen die Provider verpflichtet sind, die Konsumenten darauf hinzuweisen, in welchem Netz sie sich gerade befinden. Erstmals davon erfasst ist auch das Datenroaming, hob der Minister gegenüber G-Mandatarin Birigt Schatz hervor. Ausgenommen von den Bestimmungen ist derzeit noch die Schweiz, aber es sei bereits geplant, ein entsprechendes Spezialabkommen auszuhandeln. Er glaube daher, dass die Problematik dadurch im wesentlichen entschärft ist. Zudem werde die Umsetzung der Regelungen durch die RTR kontrolliert.

Mehr Transparenz bei Strom- und Gasrechnungen

Ein Antrag der Koalitionsfraktionen und ein Antrag des BZÖ haben das Ziel, bei Strom- und Gasrechnungen mehr Transparenz zu schaffen. Abgeordneter Johann Maier (S) regte in der Debatte an, bis zur Zweiten Lesung im Plenum einen Abänderungsantrag zu erarbeiten, um weitere Verbesserungen zu erreichen, und lud die Oppositionsfraktionen zur Mitarbeit ein.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) brachte seinerseits einen Abänderungsantrag ein und sprach sich für Gespräche mit dem Ziel eines gemeinsamen Antrags aller Fraktionen aus. Dem schlossen sich auch die Abgeordneten Gabriele Tamandl (V) und Manfred Haimbuchner (F), Wolfgang Pirklhuber (G) und Johann Maier (S) an, Abgeordnete Birgit Schatz (G) äußerte den Wunsch nach möglichst konkreten Regeln.

Bei der Abstimmung wurde unter diesen Gegebenheiten der Koalitionsantrag einstimmig angenommen; der Antrag des BZÖ sowie der Abänderungsantrag des Abgeordneten Dolinschek fanden keine Mehrheit.

Mehr Transparenz bei speziellen Reise-Angeboten

Vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen, dessen Ziel es ist, Reiseveranstalter zu mehr und transparenterer Information bei den "Ab-Preisen" und Frühbucherboni zu verpflichten und die Bezeichnung "Last Minute-Angebote" nur zu gestatten, wenn diese tatsächlich billiger sind als die entsprechenden Katalogreisen.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) warb um Zustimmung zu ihrem Antrag und fand diese bei Abgeordnetem Bernhard Vock (F). Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) hingegen befürwortete den Weg über Verbandsklagen und wollte zuerst oberstgerichtliche Entscheidungen abwarten. Er stellte daher einen Antrag auf Vertagung. Abgeordnete Birgit Schatz (G) sprach sich dagegen aus, Entscheidungen an die Gerichte abzutreten.

Abgeordneter Franz Hörl (V) hingegen trat für eine Ablehnung des Antrags ein; die BürgerInnen seien mündig, Preisbildung erfolge über den Markt.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer räumte ein, dass die im Antrag angesprochenen Probleme bestünden, sprach sich aber ebenfalls für den Lösungszugang zunächst über Verbandsklagen des VKI aus und appellierte an die Abgeordneten, entsprechende Vorfälle zu melden. Ein Vorgehen mittels Gesetz hielt der Minister für unrealistisch. - Der Antrag wurde mit Koalitionsmehrheit vertagt.

"Safer Internet"-Initiative zum Schutz von Kindern 

Die Abgeordneten Johann Maier (S) und Gabriele Tamandl (V) weisen in einem Entschließungsantrag auf einen aktuellen Bericht hin, wonach  Kinder durch die Verbreitung der neuen Technologien und der sich ausweitenden Informationskompetenz zunehmend den Gefahren illegaler Inhalte und schädlicher Verhaltensweisen wie Belästigungen, Kinderpornografie, Verbreitung rassistischer Inhalte und Anstiftung zu Selbstverstümmlung, Anorexie und Selbstmord ausgesetzt sind. Die S-V-Initiative wurde unter Berücksichtigung eines Fünf-Parteien-Abänderungsantrags einstimmig angenommen.

Besondere Probleme stellen zwei neue Phänomene dar: Das Anfreunden mit Kindern (z.B. in Chats) zu sexuellen Zwecken (sog. "Grooming"), sowie Schikanen und Ausübung psychologischen Drucks (sog. "Cyber-Bullying"), erklärte Abgeordneter Gerhard Steier (S). Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, dass sich Österreich an dem EU-Gemeinschaftsprogramm zum Schutz von Kindern bei der Nutzung des Internets und anderer Kommunikationstechnologien (Safer-Internet) beteiligt, bestehende diesbezügliche nationale Projekte ausbaut (z.B. http://www.stopline.at) und allenfalls neue Projekte im Rahmen dieses Gemeinschaftsprogramms zur Finanzierung bei der EU-Kommission einreicht. Insgesamt stehen den Mitgliedstaaten 55 Millionen Euro im Zeitraum vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2013 für Projekte zur Verfügung.

Abgeordneter Bernhard Vock (F) wünschte sich weitergehende Schritte, zumal die Jugendlichen in den Schulen über die Google-Suchmaschine Zugang zu allen Inhalten im Internet haben. Er konnte sich vorstellen, dass speziell für die Schulen eine eigene Software entwickelt wird, wobei als Vorbild die Suchmaschine für kleinere Kinder (www.blindekuh.de) dienen könnte. Außerdem dürfen auch die Eltern nicht aus ihrer Pflicht genommen werden.

Abgeordneter Johann Maier (S) konnte sich in vielen Punkten seinem Vorredner anschließen, gab aber zu bedenken, dass es sich beim vorliegenden Antrag nur um eine Erweiterung des Safer-Internet-Projekts handle. Außerdem wollte man mit dem Antrag gewährleisten, dass zusätzliche EU-Mittel für die Stopline-Meldestelle nach Österreich geholt werden können.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer unterstrich zunächst die Bedeutung der Stopline-Meldestelle und wies sodann auf weitere Aktivitäten seines Ressorts, wie etwa die Kampagne gegen Internet-Abzocke, hin. In Hinkunft werde man auch weiters den Internet-Ombudsmann forcieren, bei dem es sich um eine tolle Einrichtung handelt, die auch sehr gut angenommen wird. – Der S-V-Entschließungsantrag wurde unter Berücksichtigung des Fünf-Parteien-Abänderungsantrags einstimmig angenommen.

Ein Gütesiegel für Finanzprodukte?

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise treten die Grünen in einem Entschließungsantrag (661/A[E]) für die Einführung eines freiwilligen Gütesiegels für Finanzprodukte ein, wobei dieses von einer öffentlichen Stelle zeitlich begrenzt vergeben werden soll. Dabei sollen alle für den Konsumenten wichtigen Schlüsselinformationen wie Kosten, Gewinnentwicklung und Risiken etc. des Produkts, zusammengefasst in Kategorien, auf einen Blick erkennbar sein.

Abgeordneter Erwin Kaipel (S) konnte zwar der Absicht des Antrags etwas abgewinnen, äußerte aber Bedenken hinsichtlich der Praxis: Wer sollte ein derartiges Siegel vergeben? Wie sehe es mit der Haftung aus? Würden nicht falsche Sicherheitsgefühle erzeugt? Sei in dieser Frage ein nationaler Alleingang sinnvoll und möglich? Ähnlich argumentierten auch die Abgeordneten Gertrude Aubauer und Gabriele Tamandl (beide V) sowie die Abgeordneten Johann Maier (S) und Wolfgang Zanger (F). – Der Antrag wurde mehrheitlich vertagt.

Abgeordneter Josef Jury (B) sah die Notwendigkeit, faule Finanzprodukte aus dem Markt zu filtern und plädierte für eine rasche Lösung auf europäischer Ebene. Abgeordneter Bernhard Vock (F) meinte, ein Gütesiegel könnte interessant sein, und es müsse auch nicht kostenlos sein.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) betonte, der Vorschlag betreffe ein freiwilliges Gütesiegel, das als "Auszeichnung" auch Marktvorteile bewirken könnte. Vor allem gehe es um mehr Transparenz, nicht zuletzt im Interesse von Menschen, die mit ihrem Geld nicht spekulieren, sondern es nur anlegen wollten.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer stellte klar, dass die angesprochenen Themen auf europäischer Ebene von den Finanzministern erörtert würden. Auch er sah große Probleme bei der praktischen Umsetzung des Vorschlags. Außerdem bliebe das Problem einer Differenz zwischen Prospekt und Beratungsgespräch bestehen.

EU-Regelungen bezüglich Stand-by-Strom-Verbrauch erübrigen Anträge

Schließlich befassten sich die Mandatare noch mit zwei Anträgen der Grünen und der Freiheitlichen, bei denen es vor allem um die Senkung des Stand-by-Stromverbrauchs von Geräten ging.

Die Grünen hielten es für dringend erforderlich, dass Hersteller, Händler und In-Verkehr-Bringer von Elektrogeräten verpflichtet werden, darauf hinzuweisen, wie hoch der Stromverbrauch eines Gerätes im Stand-by-Zustand ist und ob eine Netztrennung möglich ist. Da auf EU-Ebene bereits entsprechende Maßnahmen beschlossen wurden, zog die Abgeordnete Birgit Schatz (G) den Antrag zurück. Auf der Agenda stand auch eine FPÖ-Intiative zur Senkung des Stromverbrauchs im Stand-by-Betrieb. Da der Antragsteller, Abgeordneter Norbert Hofer (F), nicht anwesend war, dessen Unterschrift für die Zurückziehung des Antrags erforderlich gewesen wäre, entschied sich die freiheitliche Fraktion dazu, einen Vertagungsantrag zu stellen. – Einstimmig vertagt. (Schluss)


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