Parlamentskorrespondenz Nr. 630 vom 08.07.2009

Opposition beklagt parlamentarischen Stil der Koalition

Umfangreiche Einwendungsdebatte im Nationalrat

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung erhob Abgeordneter Werner KOGLER (G) Einwendungen gegen diese und verlangte, die UVP-Novelle von der Tagesordnung abzusetzen, weil sie im Wirtschaftsausschuss statt im zuständigen Umweltausschuss behandelt worden sei.

Diesem Verlangen schlossen sich die Abgeordneten Josef Bucher (B) und Norbert HOFER (F) an, der auf das Recht der WählerInnen hinwies, dass eine Vorlage jeweils in jenem Gremium behandelt werde, in dem die besten SpezialistInnen für die Materie sitzen. Im Falle des UVP-Gesetzes sei dies der Umweltausschuss. Hofer forderte eine Absetzung des UVP-Gesetzes von der Tagesordnung und eine Verweisung an den Umweltausschuss. Die Vorgangsweise der Regierung, diese Materie im Wirtschaftsausschuss zu beraten, habe nur dazu gedient, den Umweltminister aus der Verantwortung zu nehmen, sagte er. Im Allgemeinen bezeichnete Hofer den Umgang der Koalition mit Oppositionsanträgen als "mehr als schäbig", wobei er SPÖ und ÖVP insbesondere Vertagung, Vertuschung und Zuweisung an falsche Ausschüsse vorwarf.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) schloss sich der Forderung seines Vorredners an und vermutete, der Antrag auf Änderung des UVP-Gesetzes sei nur deshalb im Wirtschaftsausschuss gelandet, weil der Obmann des Umweltausschusses nicht aus den Reihen der Koalitionsparteien stammt. Scheibner sah darüber hinaus in der Vorgangsweise der Regierungsparteien einen krassen Widerspruch zu den Versprechungen der SPÖ, die Rechte der Opposition stärker zu berücksichtigen.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) sprach von einem geschäftsordnungswidrigen Prozedere und argumentierte, der UVP-Antrag stehe in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang mit dem Dampfkesselbetriebsgesetz, an das er anknüpft. Auch habe die Opposition nicht ausreichend Zeit gehabt, sich mit der in letzter Minute eingebrachten Initiative zu beschäftigen. Fest stand für Kogler jedenfalls, dass im Auftrag der Industrie ein schlechtes Gesetz als Umweltgesetz verkauft werde.

Abgeordneter Josef CAP (S) erwiderte, das UVP-Gesetz bezwecke vielmehr, im Interesse von Umweltschutz, Wirtschaft und Arbeitsplätzen Klarheit über Genehmigungsverfahren zu schaffen. Der Opposition warf Cap vor, mit kleinlichen Streitereien wichtige Gesetze, die heute ebenfalls auf der Tagesordnung stehen, zu verdecken. Der SP-Klubobmann versicherte, die Regierungsparteien seien um die Einbindung der Opposition sehr wohl bemüht, räumte aber ein, dies wäre bisher noch nicht immer im vollen Ausmaß gelungen.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) stellte fest, die Rechte der Opposition würden mit Füßen getreten, von dem von der SPÖ angekündigten neuen Parlamentarismus könne da keine Rede sein. Er beklagte insbesondere, Ausschüsse würden auf Betreiben der Regierungsparteien immer häufiger mit wichtigen Themen vollgepfercht, sodass keine Zeit für eine seriöse Diskussion bleibe.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) erklärte, heute gehe es darum, eine wichtige Materie, die auch unter Einbeziehung des Umweltministers ausgearbeitet wurde, zur richtigen Zeit zu behandeln. Angesichts der Wirtschaftskrise sei es wichtig, UVP-Verfahren von unnötigen Verzögerungsfaktoren zu entschlacken, um Investoren noch vor dem Sommer Sicherheit über ihre Projekte zu geben. So werde dieses Gesetz auch bewirken, dass Hochwasserschutzbauten schneller fertig gestellt werden können. Der Opposition gehe es bloß darum, zu behindern und aufzuschieben, doch dafür werde die Bevölkerung kein Verständnis haben, meinte Schultes. Denn Politiker erhielten ihre Gage nicht fürs Reden, sondern vielmehr dafür, dass sie Entscheidungen treffen, stand für Schultes fest.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) meinte, wenn es um Termine und um Anträge der Opposition gehe, werde seitens der Regierungsparteien blockiert. Den Umgang der Regierungsparteien mit den Oppositionsfraktionen bezeichnete Widmann als "ungeheuerlich". Dass die Vorlage im Wirtschaftsausschuss auf der Tagesordnung stand und nicht dem Umweltausschuss zugewiesen wurde, sah der Redner als geschäftsordnungswidrig an. Daher forderte er erneut die Absetzung der UVP-G-Novelle von der Tagesordnung. Im Umweltausschuss könnte man mit Experten und Betroffenen diese Materie behandeln.

Abgeordnete Gisela WURM (S) erklärte, der Nationalrat habe in den nächsten Tagen 80 Tagesordnungspunkte zu erledigen und in diesem Zusammenhang viele Verbesserungen zu beschließen. Das UVP-Recht sei eine Querschnittsmaterie. Die Fraktionen könnten jederzeit die Abgeordneten im Ausschuss umnominieren, konstatierte sie, das sei bei anderen Materien - wie beim Gewaltschutzpaket und beim Familienpaket - auch der Fall gewesen.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) nannte die Vorgangsweise von SPÖ und ÖVP einen "ungeheuerlichen Affront" gegenüber allen Menschen, die meist ehrenamtlich in ihrer Freizeit für die Umwelt kämpfen. Das UVP-Gesetz soll für einen Interessenausgleich zwischen Umwelt und Wirtschaft sorgen, aber die Abgeordneten der Regierungsfraktionen haben sich auf die Seite der Wirtschaft geschlagen und gegen die Umwelt gestellt. Man habe das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz zu einem "Wirtschaftsverträglichkeitsprüfungsgesetz" gemacht, betonte sie.

Abgeordneter Peter HAUBNER (V): Die Menschen, die mit dem Hochwasser kämpfen und Sorgen um ihren Arbeitsplatz haben, hätten wenig Verständnis dafür, dass im Nationalrat darüber debattiert wird, ob eine Vorlage in einem oder in einem anderen Ausschuss beschlossen wird. Die Menschen, sagte er, wollen, dass wir rasch handeln. Die Naturschutzverfahren werden von der Opposition nur von der Seite der Umwelt betrachtet, eine Interessenabwägung im Sinne der wirtschaftlichen Weiterentwicklung lehne sie ab; es werde vergessen, dass in Österreich viele Regionen mit der Ressource unserer Natur wirtschaften müssen, so Haubner.

Abgeordneter Manfred HAIMBUCHNER (F) warf seinem Vorredner vor, mit niederen Emotionen zu spielen, wenn das Hochwasser zum Anlass genommen wird, um die Debatte in eine falsche Richtung zu führen. Da manche Raumordnungsgesetze "schlampige" Gesetze seien, weil es keine ordentlichen Bauordnungen gibt und weil manche Bürgermeister mit Baugenehmigungen nicht sorgfältig umgegangen seien, so Haimbuchner, gebe es in manchen Bereichen derartige Überschwemmungen. Der Abgeordnete warf den Regierungsparteien vor, es sei ihnen unangenehm, die Vorlage in einem Ausschuss mit einem oppositionellen Vorsitzenden behandeln zu müssen, da man die Vorlage nicht ohne Debatte "durchschwindeln" könne.

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) meinte, die UVP-G-Novelle wäre im Umweltausschuss gut aufgehoben gewesen, aber man könne dem Wirtschaftsausschuss nicht die Kompetenz absprechen, zumal es sich um eine Materie handle, die derartig komplex mit Umwelt- und Wirtschaftsmaterien verknüpft sei. Heute und in den nächsten zwei Tagen habe man mehr als 80 Tagesordnungspunkte zu behandeln, in denen es u.a. darum gehe, Antworten auf die Wirtschaftskrise zu finden, Arbeitsplätze zu sichern, die Wirtschaft zu stärken, der Jugend Chancen zu geben und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B): Der Nationalrat diskutiere ein weiteres Mal, wie die Regierung mit dem Parlament, mit der Demokratie und dem Parlamentarismus umgehe, nur weil sie im eigenen Chaos versinke. Wenn ein Unternehmer in diesem Land so ein Chaos hätte wie die Bundesregierung und die Regierungsparteien, könnte er zusperren. Jeder Haushalt habe mehr Ordnungsmäßigkeit, so Grosz. Seit neun Monaten erlebe man die "Abgehobenheit der großen Koalition". So werde etwa heute zur mitternächtlichen Stunde das Antikorruptionsgesetz beschlossen, damit die Öffentlichkeit nicht erfahre, dass dieses Gesetz nicht einmal im Ansatz seinen Namen verdiene, weil man wichtige Manager von staatsnahen Betrieben, in denen Korruption möglich ist, ausnehmen will.

Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Abgeordneter Konrad STEINDL (V), strich heraus, dass Umweltverträglichkeit eine Querschnittsmaterie sei, die Wirtschaft und Umwelt gleichermaßen betrifft. Man habe einen "gelungenen Kompromiss" gefunden, der die Umweltstandards nachweislich ausweitet, damit die Wirtschaft Planungssicherheit habe und die Verfahren beschleunigt werden. Wenn man in der heutigen Zeit um jeden Arbeitsplatz kämpft, sei es "recht und billig", auch dafür zu sorgen, dass die Menschen in Beschäftigung bleiben. Gerade im Wirtschaftsausschuss werde darauf geachtet, dass genügend Zeit zur Verfügung steht, um die Materie zu studieren, betonte Steindl.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) meinte, es sei notwendig, dass das UVP-Gesetz im "qualifizierten Fachausschuss" behandelt werde und nicht im Wirtschaftsausschuss. Steindl konnte nämlich nicht argumentieren, warum ein UVP-Gesetz in einem Ausschuss diskutiert werden muss, das in erster Linie die Interessen der Wirtschaft und nicht die Interessen der BürgerInnen vertritt. Die Argumentation der Regierungsparteien sei nicht sachlich und fachlich fundiert. Die Husch-Pfusch-Gesetzgebung führe dazu, dass Vorhaben "nicht regulär und ordentlich" geprüft werden und sich im nachhinein als "höchst unwirtschaftlich" herausstellen.

Die Absetzung des Tagesordnungspunktes 11 betreffend UVP-Gesetz-Novelle fand keine Mehrheit.

Wie der Vorsitz führende Präsident Fritz NEUGEBAUER mitteilte, werde es um 15 Uhr eine Kurze Debatte über den Grünen Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 644/A betreffend Änderung des B-VG und des Geschäftsordnungsgesetzes eine Frist bis zum 9. Juli 2009 zu setzen, geben.

(Schluss Einwendungsdebatte/Forts. Finanzvorlagen)