Parlamentskorrespondenz Nr. 632 vom 08.07.2009

Kein Schnellschuss in Verfassungsfragen

Kurzdebatte über einen Fristsetzungsantrag der Grünen

Wien (PK) - Der von Abgeordnetem Harald WALSER (G) eingebrachte Antrag, dem Verfassungsausschuss zur Vorberatung des Initiativantrags 644/A, der die Abwahl der PräsidentInnen des Nationalrats vorsieht, eine Frist bis zum 9. Juli 2009 zu setzen, wurde mehrheitlich abgelehnt.

Abgeordneter Harald WALSER (G) warf in seiner Begründung für den Fristsetzungsantrag ÖVP und SPÖ vor, sie seien für die Rufschädigung des österreichischen Parlaments und des österreichischen Staates verantwortlich, weil sie die Wahl Martin Grafs zum Dritten Präsidenten des Nationalrats ermöglicht haben. Walser erinnerte daran, dass die Zweite Republik auf der Basis eines antifaschistischen Grundkonsenses gegründet worden sei und eine klare Trennlinie zum Nationalsozialismus gezogen habe. Graf stehe nicht zu diesem Grundkonsens, meinte Walser, und bei ihm sei auch die Abgrenzung zum Nationalsozialismus verschwommen. Der Abgeordnete zitierte in diesem Zusammenhang einige Aussagen Grafs, um seine Feststellung zu untermauern. Grafs Provokationen hätten System und seien nach dessen Wahl in das Präsidium des Nationalrats weitergegangen, so Walser. Er bedauerte daher, dass die ÖVP eine Abwahlmöglichkeit Grafs verhindert, und erinnerte daran, dass auch der Bundespräsident angeregt hat, über die Abwahlmöglichkeit hoher AmtsträgerInnen nachzudenken.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) bekräftigte die Position der SPÖ, wonach die NationalratspräsidentInnen mit Zweidrittelmehrheit abwählbar sein sollten. Er wiederholte auch den Vorschlag von Nationalratspräsidentin Prammer, vor der Abwahlmöglichkeit die schriftliche Zustimmung von mindestens 92 Abgeordneten einzuholen. Trotz dieses Zugangs zu dem Thema hielt Wittmann eine Fristsetzung für verfehlt. Es handle sich hier um eine sehr heikle Materie, argumentierte er, weshalb man darüber sehr gewissenhaft und ohne Druck diskutieren müsse. Außerdem gebe es für diesen Vorschlag derzeit keine Mehrheit. Wittmann plädierte weiters dafür, insgesamt Überlegungen über die Abwahlmöglichkeit hoher AmtsträgerInnen anzustellen.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) sagte ein klares Nein zur Fristsetzung, aber ein ebenso klares Ja zu einer weiterführenden Diskussion, unabhängig vom Anlassfall und ohne zeitlichen Druck. Auch er sprach sich für eine überlegte Vorgangsweise aus, da der Verfassungsgeber mit gutem Grund eine Abwahlmöglichkeit der NationalratspräsidentInnen nicht vorgesehen habe. Donnerbauer wies auf die Aussagen des Bundespräsidenten hin, der dafür eingetreten sei, klar zwischen den Äußerungen Martin Grafs und der Änderung der Verfassung zu trennen. Donnerbauer teilte die Auffassung des Bundespräsidenten, nun keinen Schnellschuss abzugeben, sondern VerfassungsjuristInnen beizuziehen und eine systematische Debatte über die Abwahlmöglichkeit von AmtsträgerInnen der Obersten Organe zu führen.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) führte ins Treffen, dass es sich bei der Wahl Martin Grafs um eine geheime Abstimmung gehandelt habe. Er bezichtigte die Grünen, rein parteipolitische Interessen zu verfolgen, denn es gehe ihnen lediglich um den Dritten Präsidenten. Eine solche Diskussion müsse jedoch breit geführt werden, und die Abwahlmöglichkeit auch anderer hoher FunktionsträgerInnen mit einschließen. Eine Verfassung dürfe nicht mit Schnellschüssen geändert werden und auch nicht aus parteipolitischer Taktik, stellte Rosenkranz abschließend fest.

Auch Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) vertrat die Auffassung, dass es den Grünen nur um den Dritten Nationalratspräsidenten gehe. Gerade hinsichtlich des B-VG und der Regelungen für Oberste Organe sollte man jedoch mit besonderer Vorsicht agieren, meinte Scheibner, der die Fristsetzung explizit ablehnte, weil er dahinter rein parteipolitische Gründe sah. Wie sein Vorredner befürwortete Scheibner eine Diskussion über die Abwahlmöglichkeit von RepräsentantInnen Oberster Organe und hielt beispielsweise die Abwahlmöglichkeit des Rechnungshofpräsidenten mit einfacher Mehrheit für problematisch. Grundsätzlich zeigte er sich jedoch skeptisch in Bezug auf die Abwahl von NationalratspräsidentInnen und bemerkte dazu, es gebe ja das Strafrecht.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) stellte aus seiner Sicht fest, die ÖVP sei in dieser Frage nicht glaubwürdig, wobei er gleichzeitig außer Streit stellte, dass die ÖVP eine antifaschistische Partei ist und keinerlei Affinität zum Rechtsextremismus hat. Die Wahl Grafs hielt Steinhauser für einen Fehler, er vermutete dahinter aber das Kalkül, sich zum damaligen Zeitpunkt eine Koalitionsmöglichkeit offen gehalten zu haben. Vielleicht wolle sich die ÖVP auch jetzt noch eine Koalitionsoption sichern, stellte er als Frage in den Raum, oder die ÖVP spekuliere damit, dass die FPÖ weiterhin erpressbar ist, wie beispielsweise beim Antikorruptionsgesetz. Der Vergleich zu 1933, den die ÖVP immer wieder anführe, ist nach Auffassung Steinhausers falsch, denn damals seien alle drei Präsidenten zurückgetreten und nicht abgewählt worden. Außerdem hätten Großdeutsche und Sozialdemokraten das Parlament wiederbeleben wollen, was jedoch die Dollfußregierung mit ihren Soldaten verhindert habe. Auch das Argument des Minderheitenschutzes funktioniere nicht, meinte Steinhauser, da das Nominierungsrecht der drei stimmenstärksten Parteien für das Nationalratspräsidium eine Usance, aber kein Recht ist.  

(Schluss Kurzdebatte/Forts. Justiz und Familie)