Parlamentskorrespondenz Nr. 661 vom 10.07.2009

Grundsätze und Details in Punkto Landwirtschaft

Agrarrechtsänderungsgesetz vom Nationalrat beschlossen

Wien (PK) – Der Tagesordnung spunkt Agrarmarktänderungsgesetz bot den Abgeordneten die Gelegenheit, sich nicht nur zu der in Verhandlung stehenden Vorlage zu äußern, sondern auch grundsätzliche Feststellungen zum Thema Landwirtschaft zu treffen. Mit verhandelt wurden ein Antrag der Grünen, ein Antrag des BZÖ und ein Antrag, den die FPÖ eingebracht hatte.

Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) bekannte sich zur heimischen Landwirtschaft: "Wir brauchen keine Agrarfabriken, keine Gentechnik und kein Profitdenken", sagte der Abgeordnete. Österreich brauche Maßnahmen, damit die Bauern auf ihren Höfen bleiben und dort von ihren Wirtschaften wieder anständig leben können. Es gehe auch darum, die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden heimischen Produkten zu gewährleisten. Statt die Agrarförderungen in den Rachen der Industrie zu stopfen, sollte man das Geld den Bauern geben. "Unsere Enkelkinder sollen nicht nur noch von Kunstkäse und Kunstfleisch leben müssen", schloss der Abgeordnete.

    

Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) sah keinen Anlass, von Agrarfabriken zu sprechen, denn in Österreich gebe es solche nicht. Grillitsch legte ein Bekenntnis zur klein strukturierten Landwirtschaft ab und zeigte sich froh zeigte sich darüber, dass es nach monatelangen Verhandlungen nunmehr gelinge, das Agrarechtsänderungsgesetz noch vor dem Sommer zu beschließen. Rechtssicherheit für die Bauern ist laut Grillitsch wichtig, außerdem seien die Health-Check-Maßnahmen umzusetzen, das sichere auch die Finanzgrundlage der Bauern. Wichtig seien auch die Maßnahmen für die Milchbauern. Die Lage auf dem Milchmarkt sei schwierig, daher sei es richtig, die Quoten nicht aufzustocken, sondern die Aufstockung auszusetzen. Richtig sei es auch, die Saldierung zu verschärfen, um nicht jenen zu helfen, die stark überliefern, sondern den kleinen Produzenten Hilfe zu bieten, die in auf ihren Höfen bleiben und sich um ihre Existenz sorgen. Sichergestellt seien auch die Mutterkuh-Prämien, die Milchkuh-Prämie werde eingeführt und alles Geld aus Brüssel abgeholt, das dort für Österreich bereitsteht. Ein gutes Paket, insbesondere für die Milchbauern, resümierte Grillitsch.

      

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) sprach von einem "parlamentarischen Trauerspiel", berichtete von der Ohnmacht der Abgeordneten und warf SPÖ und ÖVP vor, die Chance verschlafen zu haben, die Fördermittel gerecht umzuschichten. Respekt zollte der Redner Abgeordnetem Gaßner, der von einer Einigung zwischen den Klubobmännern Cap und Kopf gesprochen habe. Offenbar gehe es darum, Raiffeisen und die Großbauern zu fördern und die Pfründe der Großbauern abzusichern. Die Vorschläge der Opposition würden hingegen niedergestimmt, erinnerte der Redner und bezeichnete die Milchkuh-Prämie als völlig unzureichend. Ein gerechter Sockelbetrag wäre wichtig gewesen, kritisierte der Abgeordnete, lehnte es ab, dass der Minister per Verordnung alles bestimmen können solle und kündigte eine Verfassungsklage der Opposition an.

      

Abgeordneter Walter SCHOPF (S) kündigte die Zustimmung der SPÖ an, merkte aber an, dass seine Fraktion noch offene Punkt sehe, insbesondere hinsichtlich der Interessen der kleinen Bauern und Bäuerinnen. Darüber werde noch zu verhandeln sein. Zu klären sei auch das Recht der Menschen, in den Wäldern Schwammerl und Beeren zu sammeln, sagte Schopf und trat für eine Forstgesetz-Novelle zur Herstellung der Rechtssicherheit ein.

  

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) bezifferte den Betrag, um den es bei der vorliegenden Agrarrechtsänderung gehe, mit 700 Mio. €. Eine schlechte Novelle, eine Tragödie, fasste der Redner pointiert zusammen, weil der Opposition jede Diskussion verweigert worden sei. Die Umsetzung der EU-Agrarreform sei konkret erst als Erläuterung zu einem technischen S-V-Initiativantrag wenige Stunden vor der Ausschusssitzung vorgelegt worden. Die Regierungsparteien seien nicht bereit, die Umsetzung der Agrarreform mit der Opposition und mit Experten zu diskutieren. Erforderlich wäre eine Reform der europäischen und der österreichischen Agrarpolitik, sagte Pirklhuber. Die politische und wirtschaftliche Situation erfordere Änderungen, wobei die Kommission mehr Gerechtigkeit bei der Aufteilung der Betriebsbeihilfen und eine angemessene Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung haben wolle - die ÖVP halte aber den agrarindustriellen Exportbetrieben die Stange. Das sei völlig unverständlich, es gehe nämlich um den Einstieg in ein gerechteres und sozialeres und ökologischeres Regionalmodell. Dass die SPÖ dem Stillstand zustimme, den der Bauernbund wolle, sei völlig unverständlich, weil es eine Mehrheit im Nationalrat für die Sicherung bäuerlicher Arbeitsplätze gebe. Die SPÖ sollte auch die Versprechungen einhalten, die sie der IG Milch gegenüber abgegeben habe, sagte der Abgeordnete, und kündigte den Weg zum Verfassungsgerichtshof an und legte einen Entschließungsantrag zur Verlängerung der Möglichkeit für ÖPUL-Betriebe vor, in den biologischen Landbau einzusteigen.     

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH (V) bekannte sich zu einer vernünftigen Hilfe für die Milchwirtschaft, die sich in einer dramatischen Situation befinde, weil Märkte wie China und Osteuropa wegbrechen und die Lebensmittelindustrie Milch aus der Rezeptur für Speiseeis verdrängt und Palmöl aus Übersee verwende. Der Marktverlust in diesem Bereich mache 30 % bis 40 % aus, sagte der Minister. Österreich habe erfolgreich auf EU-Marktinterventionen und Exporterstattungen gedrängt. Die EU werde ihre Interventionen verlängern, teilte der Minister mit und erinnerte daran, dass auch eine Exporterstattung für Käse eingeführt und die Schulmilchaktion erweitert werden soll. Das Agrarrechtsänderungsgesetz gebe ihm die Möglichkeit, den Milchbauern mit der Milchkuhprämie zu helfen, Mittel von 12 Mio. € in Brüssel anzusprechen. Dazu kämen Investitionsmaßnahmen von in Summe 50 Mio. €. Wichtig sei auch die Verschärfung der Saldierung, um mit Augenmass vorgehen zu können und jene stärker zur Kasse zu bitten, die extrem überliefern.

       

Abgeordneter Hermann GAHR (V) wertete das Agrarrechtsänderungsgesetz als Signal, dass die Koalitionsparteien hinter den österreichischen Milchbauern stehen. Das Thema sei sehr komplex, viele Faktoren wirkten auf den Milchpreis ein, sagte Gahr und bekannte sich zur Verschärfung der Maßnahmen gegen die Überlieferung. Nicht zu beeinflussen sei die Gebietskulisse, der Preis sei regional sehr unterschiedlich. Daher seien Pauschallösungen nicht zielführend. Es gehe um Förderung des regionalen Marktes und um eine bessere Kennzeichnung der Produkte.     

Abgeordneter Harald JANNACH (F) kritisierte das Zustandekommen des Gesetzes und hielt es für eine "Frechheit", zu verlangen, dass die Opposition einem Gesetz zustimmen solle, das ihr zur Gänze, mit allen Erläuterungen, erst wenige Minuten vor der Plenarsitzung vorgelegt wurde. So werde der Parlamentarismus untergraben, kritisierte der Redner. Man ignoriere aus Überheblichkeit den Ausschuss oder habe Angst vor einer ernsthaften Diskussion der Agrarpolitik in Ausschuss und Plenum. Leider lasse sich auch die SPÖ des Koalitionsfriedens wegen auf dieses Gesetz ein, das im Ausschuss nicht einmal richtig erläutert worden sei. "Dieses Gesetz wird die Milchbauern nicht retten", fasste Jannach zusammen. Die ÖVP stehe nur deshalb hinter den Bauern, um ihnen leichter in den Rücken fallen zu können, schloss der Abgeordnete pointiert.   

Abgeordneter Gabriele BINDER-MAIER (S) erinnerte an die Ankündigung des SPÖ-Agrarsprechers, es würden weitere Gespräche über offene Fragen geführt werden müssen, über faire Bedingungen und über Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Ob dieses Gesetz den Milchbauern helfen kann, werde sich zeigen. Offen seien auch die Frage des freien Zugangs zu den Wäldern, die Frage des Faktors Arbeitseinsatz bei der Vergabe von Fördermitteln und die Sicherung der AGES zum Schutz der Bauern und der Konsumenten. Man sollte eine Grundsicherung der Bauern und Bäuerinnen in Österreich andenken, schlug die Rednerin vor.      

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) besprach die schwierige finanzielle Lage vieler bäuerlicher Betriebe. Hofübernahmen würden immer seltener, die Betriebe würden wegen der hohen Fixkosten immer häufiger im - extensiven - Nebenerwerb weitergeführt, wodurch der Arbeitsmarkt belastet werde. Um die bäuerlichen Arbeitsplätze zu sichern, müsste man die Arbeit der Bauern entsprechend entlohnen und ihnen ermöglichen, eine Familie zu ernähren. Hilfe könnte ein 7000 €-Sockelbetrag bei der Betriebsprämie geben, der durch gerechte Umschichtungen bei den Förderungen finanziert werden soll, sagte der Redner und legte dazu einen Entschließungsantrag vor.

Abgeordneter Franz ESSL (V) erwiderte auf die Kritik der Opposition, die vorliegenden Änderungen würden den Bauern sehr wohl zugute kommen, wobei er die Milchkuhprämie als wirksame Maßnahme für die von der Krise geplagten Milchbauern mit Nachdruck verteidigte. Der Redner gar allerdings in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass die Preisentwicklung am Milchmarkt nicht in Österreich, sondern in Europa stattfinde.

Abgeordneter Maximilian LINDER (B) plädierte dafür, den Verzicht auf die Eintragung des Ausgedinges ins Grundbuch zu ermöglichen, damit Kleinbauern im Alter ihre Ausgleichszulage nicht verlieren.

Abgeordnete Rosemarie SCHÖNPASS (S) forderte eine rasche, deutlich wirksame und marktentlastende Mengensteuerung für den Milchmarkt, beklagte aber, die ÖVP sei nicht bereit gewesen, eine derartige Maßnahme im Ausschuss gemeinsam mit der SPÖ zu beschließen. Ihre Fraktion werde heute zwar zustimmen, erwarte sich aber noch weitere Gespräche. An die Adresse des Koalitionspartners gerichtete bemerkte Schönpass im Übrigen, angesichts des Verhaltens der ÖVP könnte man fast glauben, dass das Sterben der Milchbauern von der Volkspartei gewollt sei.

Abgeordneter Peter MAYER (V) begrüßte die Milchkuhprämie und stellte fest, ein guter Parameter für die Akzeptanz der Agrarpolitik seien die Landwirtschaftskammerwahlen und das diesbezüglich schlechte Ergebnis der Grünen. Es gelte eben, Agrarpolitik nicht für politische Minderheiten, sondern für die Bauern zu machen, war Mayer überzeugt.

Abgeordneter Josef MUCHITSCH (S) beklagte eine Schieflage des österreichischen Systems der Agrarförderungen zu Lasten der kleinen Bauern und forderte eine grundsätzliche Neuordnung.

Abgeordneter Kurt GAßNER (S) erklärte, die SPÖ habe diesem eher bescheidenen Verhandlungsergebnis zugestimmt, um die Gelder aus Brüssel für die österreichische Landwirtschaft nicht zu verhindern. Er bekannte sich zur Förderung der kleinstrukturierten Landwirtschaft und warnte, vor allem die kleinen Milchbetriebe würden den freien Markt nicht überleben. Gaßner sprach sich ferner für weitere Verhandlungen aus, schränkte jedoch ein, wenn die Vorgangsweise grundsätzlich von Bauernbund, Landwirtschaftskammer und Raiffeisenverband festgelegt werde, dann könnten sich die zukünftigen Gespräche mit der SPÖ schwierig gestalten.

Abgeordneter Jakob AUER (V) bemerkte zur Kritik der Opposition, es sei leicht, agrarpolitischen Populismus zu betreiben, wenn es aber darum gehe, den Bauern wirklich zu helfen, dann seien doch wieder die Vertreter des Bauernbundes und der Genossenschaften gefragt. Das Gesetz begrüßte Auer als Hilfe für die schwer betroffenen Bauern.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zu Teilen des Gesetzes an, erwartete sich für den Herbst aber noch weitere Gespräche unter Einbeziehung von Experten.

Bei der Abstimmung wurde der Entwurf in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen, die Entschließungsanträge der Grünen und des BZÖ blieben in der Minderheit. Die negativen Ausschussberichte über weitere Anträge der Opposition wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

(Schluss Landwirtschaft/Forts. Umwelt)