Parlamentskorrespondenz Nr. 763 vom 17.09.2009

RH-Präsident Moser drängt auf Verwaltungsreform für die BürgerInnen

Hochwasserschutz und Schadensabgeltung viel zu kompliziert geregelt

Wien (PK) - Im weiteren Verlauf seiner Sitzung befasste sich der Rechnungshofausschuss mit den Kapiteln über die Umsetzung des Naturschutzprojekts "Natura 2000" sowie über den Schutz vor Naturgefahren und über Mittelflüsse des Katastrophenfonds im RH-Bericht III-19 d.B. Die Ausschussmitglieder begrüßten die Vorschläge von Rechnungshofpräsident Josef Moser zur Überwindung der Kompetenzzersplitterung, der viel zu komplizierten Rechtslage bei der Abwicklung von Katastrophenschutzmaßnahmen und der intransparenten, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Regelungen für die Bewertung von Hochwasserschäden und die Zuerkennung von Entschädigungen durch eine Verwaltungsreform im Interesse der BürgerInnen.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich reagierte mit dem Hinweis auf ein historisch gewachsenes System, das funktioniere, machte auf die ambitionierte Umsetzung von Hochwasserschutzprojekten in den letzten Jahren aufmerksam, räumte aber zugleich ein, dass Verwaltungsvereinfachungen und Verfahrungsbeschleunigungen in diesem Bereich notwendig seien und berichtete über diesbezügliche Bemühungen seines Ressorts, die bereits greifen würden. Bei der Umsetzung des Natura 2000-Programms registrierte RH-Präsident Josef Moser erfreut Fortschritte und die Behebung von Mängeln, die sein Haus aufgezeigt habe.         

Kompetenzzersplitterungen erschweren die einheitliche Abwicklung von Katastrophenschutzmaßnahmen, stellte der Rechnungshof bei der Beurteilung der Mittelflüsse und -verwendung des Katastrophenfonds  sowie von Entscheidungsgrundlagen, Aufgabenverteilung und Koordination zwischen Bundes-, Landes- und Gemeindestellen fest, und resümierte in seinem Bericht: Für den Schutz vor Naturgefahren fehlt in der österreichischen Rechtsordnung eine einheitliche Regelung. Infolge verzögerter Auszahlung von Katastrophenfonds-Mitteln entstünden in einigen umfangreiche Guthaben, kritisierte der Rechnungshof, und wies auf das Fehlen klar definierter Parameter für die Beihilfengewährung hin. Beim Schutz vor Naturgefahren vermissten die Prüfer eine optimale Koordination und Zusammenarbeit der zuständigen Organisationen und eine generelle Regelung für die Veröffentlichung von Gefahrenzonen im Internet.

Verzögerungen bei der Errichtung von Schutzwasserbauten führt der Rechnungshof auf die zahlreichen Interessenkonflikte zurück. Auch fehle eine durchgehende Registrierung von Überflutungs- und Hochwasserrückhalteflächen. Gefährdungsräume seien nicht bewertet und die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert. Der Rechnungshof empfiehlt konkret, personelle Ressourcen von Bund und Ländern zusammenzuführen und Synergieeffekte zu nutzen. Restrisikozonen sollten analysiert und die Gefahren öffentlich bewusst gemacht werden. Für den Lastenausgleich zwischen den Gemeinden sollten Modelle erarbeitet, die interkommunale Zusammenarbeit verbessert, die Sonderstellung einzelner Gewässer überprüft, Raumordnungspläne und Baurecht evaluiert werden. Hochwasserabflussgebiete seien gesamtheitlich zu erheben und obligatorisch freizuhalten. Für die Erstellung von Gefahrenzonenplänen sollten bundesweit einheitliche rechtliche Grundlagen geschaffen werden.            

In der Debatte räumte der Abgeordnete Ewald Sacher (S) ein, es würde in vielen Bundesländern viel zum Schutz vor Naturkatastrophen unternommen, unterstrich zugleich aber die Kritik des Rechnungshofs an überlangen Verfahren und drängte auf Maßnahmen zu ihrer Beschleunigung.

Abgeordneter August Wöginger (V) erkundigte sich nach Fortschritten bei der Behebung der vom Rechnungshof angeführten Mängel und wollte wissen, warum Mittel des Verkehrsministeriums nicht eingesetzt wurden.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) meinte, die aufgezeigten Probleme sollten im Rahmen der geplanten Verwaltungsreform gelöst werden. Außerdem verlangte die Rednerin, die aufgezeigten Mängel bei den Gefahrenzonenplänen zu beseitigen sowie ausreichend Retentionsflächen und Raumordnungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Siedlungsflächen der tatsächlichen Gefahrensituation anzupassen.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) lobte den Bericht des Rechnungshofs und verlangte gesetzliche Änderungen, weil die Errichtung von Hochwasserschutzbauten nicht länger davon abhängen sollte, ob die betreffende Gemeinde ausreichend Geld zur Verfügung habe oder nicht. Für interessant hielt Gaßner die Frage, wie viele Zinserträge die Länder durch Vorschüsse für Schuldentilgungen lukrierten und wie viel Geld aus dem Katastrophenfonds übrig bleibe.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) schlug vor, den Mittelbedarf für die Zukunft besser zu erheben und gab zu bedenken, dass Mittel bei der Schadensabgeltung gespart werden könnten, wenn entsprechende Präventionsmaßnahmen rechtzeitig gesetzt werden.

Abgeordnete Martina Schenk (B) brachte eine Solidaritätsabsicherung nach Schweizer Vorbild zur Sprache.

Abgeordneter Erwin Kaipel (S) erinnerte an den Antrag des Burgenländischen Landtags auf einen höheren Bundesbeitrag beim Hochwasserschutz im Burgenland.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich wandte sich dagegen, nach Hochwasserereignissen nach Schuldigen zu suchen und sagte, einen hundertprozentigen Schutz vor Hochwasserkatastrophen könne es naturgemäß nicht geben, weil einzelne extreme Wetterereignisse nicht vorhersehbar seien.  

Die Dauer mancher Verfahren hänge mit dem partnerschaftlichen Ansatz zusammen, der in Österreich gelte, er halte dieses Modell aber nach wie vor für sinnvoll, setze sich aber dafür ein, die Verfahren zu beschleunigen, die Gefahrenzonenpläne in die Raumordnungen der Länder einfließen zu lassen und die Bewusstseinsbildung zu verbessern.

Zur Überwindung der Kompetenzzersplitterung wurde eine Stabstelle geschaffen, die erste Erfolge vorweisen könne. Auch berichtete der Minister von der ambitionierten Arbeit beim Hochwasserschutz in den letzten Jahren. Seit 2002 seien 6.000 Projekte umgesetzt worden, 1.200 Projekte seien derzeit in Bau. Ohne genaue Berechnungen vorlegen zu können, sei klar, dass sich solche Investitionen rechnen, weil Leib, Leben und Besitz der Menschen geschützt werden.

Hochwasserschutz-Mittel, die in einem Bundesland nicht eingesetzt werden, seien nicht verloren, weil sie in anderen Bundesländern Verwendung finden können, erklärte der Ressortleiter.

Die Machbarkeit einer Solidaritätsversicherung für Naturgefahren werde von einer diesbezüglichen Arbeitsgruppe geprüft. Zugunsten des Burgenlands seien beim Hochwasserschutz Umschichtungen vorgenommen worden. Die nächste Evaluierung des Schlüssels für die Aufteilung der Bundesmittel zwischen den Bundesländern werde 2010 vorgenommen und ein neuer Schlüssel 2011 festgelegt, erfuhr Abgeordneter Erwin Kaipel (S).

Rechnungshofpräsident Josef Moser plädierte nachdrücklich dafür die Kompetenzzersplitterung beim Schutz vor Naturgefahren im Interesse der Bürger zu überwinden und klare, überschaubare, nachvollziehbare und überprüfbare Regelungen zu schaffen - die Regierung sollte die in ihrem Programm angekündigte Verwaltungsreform rasch umsetzen.

Die Aussage von Bundesminister Nikolaus Berlakovich, Gemeinden würden Hochwasserschutzprojekte zurückhalten, um Geld zu sparen, wies Abgeordneter Kurt Gaßner (S) in einer zweiten Verhandlungsrunde zurück und betonte die Notwendigkeit, Gefahrenzonenpläne bundeseinheitlich zu regeln.

Abgeordneter Ernest Windholz (B) brach eine Lanze für kleine Gemeinden, die sich die Errichtung von Hochwasserschutzbauten nicht leisten können.

Der Bundesminister erklärte das System des Hochwasserschutzes und der Abgeltung von Hochwasserschäden als ein historisch gewachsenes, das funktioniere, räumte aber ein, dass es das Ziel sein müsse, das System zu vereinfachen und die Verfahren zu beschleunigen. Er sei auch offen für ein gerechteres Ausgleichsmodell zwischen den Gemeinden, warnte aber davor, Gemeinden zu "bestrafen", die gut wirtschaften. Seine diesbezüglichen Überlegungen gehen in Richtung eines Ausgleichs durch Bedarfszuweisungen, sagte Berlakovich.

Fortschritte bei der Umsetzung des Natura 2000-Programms

Zwei EU-Richtlinien zielen auf die Errichtung des "Natura 2000-Netzwerks" und damit auf eine neue Dimension des Naturschutzes. Um die Überlebensbedingungen von Arten zu verbessern, sollen Lebensräume auch auf Flächen außerhalb klassischer Schutzgebiete geschützt werden. In diesem Sinne soll auch in Österreich ein "Natura 2000-Netzwerk" eingerichtet werden. Bei der diesbezüglichen Gebarungsüberprüfung hat der Rechnungshof in seinem Bericht Mängel festgestellt: Anfang 2007 war in sechs überprüften Ländern erst ein Teil der Schutzgebietsverordnungen erlassen. Schutzzwecke waren nur in Niederösterreich und Salzburg konkretisiert, Gebote und Verbote kaum festgelegt. Managementpläne liegen bislang erst als "Leitlinien" ohne Rechtsverbindlichkeit und ohne klare Prioritätenreihung vor. Zudem fehlte ein flächendeckendes Monitoring-System. Der Rechnungshof empfahl, die noch ausstehenden Schutzgebietsverordnungen zügig zu erlassen, Schutzgebiete zu definieren, Schutzzwecke zu konkretisieren und den Managementplänen mit klaren Prioritäten durch Beschluss der Landesregierungen Rechtsverbindlichkeit zu geben. Außerdem sollte bei der Finanzierung des Natura 2000-Netzwerks vermehrt auf EU-kofinanzierte Projekte zurückgegriffen und die Zusammenarbeit der Bundesländer verstärkt werden.

Seiner Antwort auf Detailfragen der Abgeordneten Ruth Becher (S), Ernest Windholz (B) und Josef Lettenbichler (V) nach dem Stand der Umsetzung des Natura 2000-Programms in den Bundesländern schickte Bundesminister Nikolaus Berlakovich zunächst voraus, dass die Umsetzung des Natura 2000-Programms alleinige Sache der Bundesländer sei und er daher auch über das Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EU keine Auskunft geben könne. Das Monitoring-Verfahren sei sinnvoll, aber sehr teuer, berichtete der Minister, und meinte zur Kritik des Abgeordneten Windholz an der Errichtung der Müllverbrennungsanlage Heiligenkreuz in der Nähe eines Natura 2000-Gebiets, wenn es nicht nur in, sondern auch "in der Nähe" von Schutzgebieten nicht mehr möglich sein soll,  Projekte zu realisieren, werde es fast unmöglich, notwendige Investitionen durchzuführen.

Rechnungshofpräsident Josef Moser vermerkte positiv, dass fehlende Verordnungen mittlerweile erlassen, Managementpläne in Ausarbeitung seien und rechtliche Mängel behoben wurden. Die Kooperation der Bundesländer beim Naturschutz sollte weiter verbessert werden, so der Rechnungshofpräsident abschließend. (Fortsetzung)