Parlamentskorrespondenz Nr. 783 vom 23.09.2009

BZÖ ortet Chaos in der Gesundheitspolitik

Nur BZÖ für Misstrauensantrag gegen Gesundheitsminister Stöger

Wien (PK) – "Steuererhöhungen statt zukunftsweisender Gesundheitsreform" lautet der Vorwurf des BZÖ an Gesundheitsminister Alois Stöger, der in Form eines Misstrauensantrags im Zuge der Debatte über eine Dringliche Anfrage eingebracht wurde. Der Misstrauensantrag fand keine Mehrheit.

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B) führte in ihrer Begründung der "Dringlichen" aus, das BZÖ habe die Anfrage an Gesundheitsminister Stöger aus einem ganz einfachen Grund gestellt: Stöger beschäftige sich zu sehr mit Steuererhöhungen zur Sicherung des Gesundheitssystems und lasse viele Fragen in Bezug auf notwendige Reformschritte offen. Ihrer Ansicht nach gibt es ein "Chaos" in der Gesundheitspolitik, echte Reformen würden nicht angegangen. Haubner stellte in diesem Sinn einen Misstrauensantrag gegen den Minister in Aussicht.

Stöger schaffe es nicht, die Sozialpartner in Bezug auf nachhaltige Reformen in die Pflicht zu nehmen, führte Haubner aus. Stattdessen mache er mit Forderungen nach einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen Schlagzeilen. Politik könne, so Haubner, aber nicht heißen, Steuern zu erhöhen, wenn die Finanzmittel nicht reichten.

Ein Versagen Stögers ortet Haubner auch hinsichtlich der Informationskampagne zum Thema Schweinegrippe. Ebenso vermisst sie eine Lösungskompetenz des Ministers bei der Strukturreform der AGES und beanstandete die Verteuerung zahlreicher Medikamente trotz Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Unter der Führung Stögers stehe im Gesundheitsbereich alles auf rot, resümierte Haubner, es gehe "einfach nichts weiter".

Gesundheitsminister Alois STÖGER bekräftigte in seiner Beantwortung der Dringlichen Anfrage, im Mittelpunkt seiner Gesundheitspolitik und der Gesundheitspolitik der Regierung stünden die Patientinnen und Patienten. Es gehe darum, Gesundheit zu sichern und allen Menschen Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen, "unabhängig davon, wie dick das Geldbörsel ist".

Er wolle in der Gesundheitsdebatte einen neuen Weg gehen, erklärte Stöger, und machte in diesem Zusammenhang geltend, dass es vor zehn Monaten streikende ÄrztInnen, verunsicherte PatientInnen und einen Stillstand in der Gesundheitspolitik gegeben habe. Er hingegen sei bereit für einen konstruktiven Dialog und erwarte sich auch von Seiten des Hauptverbands, der Ärzte und der Pharmawirtschaft, "dass sie ihren Beitrag leisten".

Verteidigt wurde von Stöger das vereinbarte Kassensanierungspaket. Damit solle die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen verbessert werden, sagte er und betonte, dass die Teilentschuldung von drei Mal 150 Mio. € in Verknüpfung mit dem Sanierungskonzept des Hauptverbands freigegeben sei. Laut einer Studie begrüßen ihm zufolge auch 80 % der Bevölkerung die Vereinbarung, da es für sie zu keinen zusätzlichen Kosten und zu keiner Rationierung von Gesundheitsleistungen komme. Den Kassenstrukturfonds bezeichnete Stöger als wichtiges Element des Kassensanierungspakets.

Kritik an der Steigerung der Medikamentenkosten wies Stöger zurück. Bereinigt um die Umsatzsteuer habe zuletzt der niedrigste Wert seit vielen Jahren erzielt werden können, konstatierte er und führte das darauf zurück, dass das Kassensanierungspaket bereits Wirkung zeige.

Im Zuge der Beantwortung der einzelnen Detailfragen der Dringlichen Anfrage stellte Stöger auch klar, es gebe von ihm keinen Vorschlag bzw. keine Überlegungen, die Kapitalertragsteuer zu erhöhen. Er wolle die Bevölkerung nicht mit neuen Massensteuern belasten, auch nicht zur Finanzierung des Gesundheitssystems, versicherte er. Zum Thema Steuergerechtigkeit habe er allerdings eine klare Meinung.

Die Gesamtausgaben für den Gesundheitsbereich haben sich Stöger zufolge im Jahr 2007 auf 27 Mrd. € belaufen. Dabei seien die Ausgaben in den letzten zehn Jahren, gemessen am BIP, stabil geblieben und konstant zwischen 9,9 % und 10,4 % gelegen. Die Reformmaßnahmen würden dazu führen, dass das Gesundheitssystem sehr gut abgesichert bleibe, zeigte er sich überzeugt. Wenn das BZÖ "das beste Gesundheitssystem der Welt" abschaffen wolle, solle es das, so Stöger, "laut und deutlich sagen".

Ausdrücklich bekannte sich Stöger zu einer solidarischen Finanzierung des Gesundheitssystems. Der Ausgleichsfonds habe den Zweck, den in Zahlungsschwierigkeiten befindlichen Krankenkassen zu helfen, unterstrich er. Ziel sei eine Entschuldung der Kassen bis zum Ende der Legislaturperiode. Die Regierung ist laut Stöger auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Zur "neuen Grippe" merkte Stöger an, es seien Zielgruppen für Impfungen festgelegt worden. Dazu gehören etwa das Gesundheitspersonal und bestimmte Personen mit chronischen Grunderkrankungen. Es sei ausreichend Impfstoff vorhanden, betonte der Minister, die unmittelbare Impf-Beratung müsse durch den Hausarzt erfolgen.

Die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) bezeichnete Stöger als hervorragendes, international anerkanntes Unternehmen. Er habe die Agentur mit einer Spezialuntersuchung von Käseprodukten beauftragt, skizzierte er, wobei nur bei vier von 60 Proben eine Verfälschung bzw. Irreführung festgestellt habe werden müssen.

Die seit einiger Zeit laufende Ernährungskampagne sah Stöger als Baustein auf dem Weg zu einer gesünderen Ernährung der österreichischen Bevölkerung. Es gehe darum, die häufigsten Ernährungsfehler aufzuzeigen und das Bewusstsein für gesunde Ernährung zu erhöhen. Die Kampagne wolle klarmachen, dass gesunde Ernährung auch im Rahmen traditioneller Essgewohnheiten möglich sei.

Abgeordneter Martin STRUTZ (B) brachte den von seiner Fraktionskollegin Haubner angekündigten Misstrauensantrag gegen Gesundheitsminister Stöger ein. Stöger agiere fahrlässig und stelle durch seine Untätigkeit eine große Gefahr für das Gesundheitssystem in Österreich dar, bekräftigte er die Kritik seiner Fraktion. Für ihn ist Stöger in vielen Bereichen "mehr als säumig".

Die Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch Stöger qualifizierte Strutz als enttäuschend und inhaltsleer. Diese "Art von Placebo" werde ihre Wirkung verfehlen, zeigte er sich überzeugt und sprach von einer Realitätsverweigerung Stögers. Dessen Sicht weicht seiner Auffassung nach elementar von der Sicht anderer Akteure und Experten im Gesundheitsbereich ab.

Das Gesundheitssystem stecke in einer Krise, betonte Strutz. Das zwischen Hauptverband und Ärztekammer ausverhandelte Sanierungspaket würde aber allen wirtschaftlichen Reformgedanken widersprechen und sei nicht tragbar. Strutz forderte einmal mehr die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger.

Für den Vorwurf der Lüge gegenüber Gesundheitsminister Stöger erhielt Strutz von Drittem Nationalratspräsidenten Martin GRAF einen Ordnungsruf.

Abgeordneter Wilhelm HABERZETTL (S) führte aus, er habe noch nie einen Misstrauensantrag mit einer derart leeren Begründung gesehen. Er selbst äußerte Lob für Stöger und erklärte, Österreich habe schon lange nicht mehr einen so kompetenten Gesundheitsminister gehabt. Diesem sei es etwa gelungen, das gestörte Gesprächsverhältnis mit der Ärzteschaft zu bereinigen. Der Minister verdiene Vertrauen, bekräftigte Haberzettl.

Was die Krankenkassen betrifft, machte Haberzettl darauf aufmerksam, dass diese mit Ende 2009 einen Schuldenstand von 1,2 Mrd. € hätten. Dafür gibt es ihm zufolge viele Gründe, etwa die enorme technische Entwicklung im Gesundheitsbereich, aber auch die Pflicht zur Bezahlung versicherungsfremder Leistungen. Haberzettl begrüßte in diesem Sinn das Kassensanierungspaket, das dem System ihm zufolge einmal Luft zum Atmen gibt. Durch die Teilentschuldung würden auch die Zinszahlungen reduziert, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Erwin RASINGER (V) fragte sich: Was haben etwa die Schweinegrippe und die AGES, die Medikamentenpreise, das Papier des Hauptverbands oder Kapitalerträge mit einer umfassenden Gesundheitsreform zu tun? – Leider nicht genügend, setzen, lautete sein Urteil. Man kann ein System so lange krank reden, bis es wirklich krank ist. Seiner Ansicht nach geht es darum, eine hochqualitative Versorgung für alle, unabhängig von Alter und Einkommen, flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Wer das schafft, der hat eine Gesundheitsreform geschaffen - wir liegen nicht so schlecht, betonte Rasinger. Die ÖVP werde den Misstrauensantrag ablehnen, fuhr der Redner fort, Stöger habe sich Vertrauen verdient, er sei ein Minister, der sich gut auskenne und auch das Herz habe, das man braucht, denn 20 % der Patienten benötigen 80 % der Leistungen.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) war nicht klar, warum es einen Misstrauensantrag gegen den Gesundheitsminister gibt, genauso gut könnte man gegen jeden anderen Minister einen solchen stellen. Ein Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler wäre ihrer Meinung nach eher gerechtfertigt, weil er der Chef einer Regierung sei, die "überhaupt nichts zustande bringt". Vieles habe der Bundesminister nicht gemacht, die Finanzierung habe er halb über die Runden gebracht, aber sonst sehe es "eher traurig" im Gesundheitsbereich aus. Nichts sei hinsichtlich der Zusammenlegung der Krankenkassen passiert, es gebe nach wie vor in Österreich 19 Krankenkassen für 8 Mio. Einwohner; einen derartig massiven Verwaltungsaufwand könnte man einsparen. Auch die "Finanzierung aus einer Hand" wäre wichtig, dann gäbe es etwa keine Doppel- und Mehrfachuntersuchungen, die enorme Kosten verursachen. Auch hinsichtlich des Missbrauchs der E-Card sei nichts geschehen. Die FPÖ werde dem Misstrauensantrag nicht zustimmen, weil Minister Stöger sehr wohl bereit sei, in Sachfragen mit der FPÖ Gespräche zu führen bzw. die Opposition mit einzubeziehen.

Für Abgeordneten Kurt GRÜNEWALD (G) wäre es wichtig, eine richtige Diagnose zu stellen. Es sei bekannt, dass die Gebietskrankenkassen 1,3 Mrd. € Schulden haben und jährlich 40 Mio. € Zinsen zahlen. Wenn eine Regierung den Kassen vorschreibe, welche Leistungen sie den ÖsterreicherInnen zu bieten hat, nämlich dem medizinischen Fortschritt angemessene, und ihnen gleichzeitig vorschreibe, über welche Einnahmen sie verfügen dürfen, und bald daraufkommt, dass sich das nicht ausgehe, dann reiche es nicht, als Fazit sagen, es müssten Köpfe rollen. Der Rechnungshof stellte fest, den Krankenkassen würden weit über 100 Mio. € durch kassenfremde Leistungen entzogen, hinzu komme ein Einbruch der Kasseneinnahmen. Die Defizite würden weiter steigen, weil es durch die prekäre Wirtschafts- und Finanzlage mehr Teilzeitbeschäftigte geben wird, die Lohnniveaus niedriger werden und es mehr Arbeitslose und mehr prekär Beschäftigte geben wird. Die meisten Leute in Österreich würden "gerne" etwas mehr bezahlen, um die Sicherheit zu haben, die medizinischen Leistungen nicht aus ihrer Brieftasche bezahlen zu müssen, unterstrich Grünewald.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) meinte, das gute Gesundheitssystem stehe nicht in Frage, es gehe um die Art und Weise der Finanzierung, weil von Jahr zu Jahr die Defizite der Kassen zunehmen, obwohl es Möglichkeiten gebe, diese Kosten zu senken. Da sei der Minister säumig. Seiner Meinung nach könnte man u.a. die 22 Krankenversicherungsträger zusammenlegen, die Finanzierung aus einer Hand beschließen, eine Verrechnungsstelle österreichweit installieren, einheitliche Leistungskataloge umsetzen, eine bundeseinheitliche Honorarnote für Ärzte und Spitäler einführen, die E-Card neu gestalten, die Bettenzahl in den Krankenhäusern reduzieren, die Ambulanzen für die niedergelassenen Ärzte öffnen und die Packungsgröße der Medikamente ändern. Der Minister gehe seinen "neuen" Weg: Er habe Geld für die einstweilige Entlastung der Krankenkassen locker gemacht sowie den Hauptverband und die Ärztekammer dazu angehalten, Reformvorschläge auszuarbeiten. Der Minister hätte sich selbst etwas effektiv Wirksames überlegen müssen, erklärte der Abgeordnete.

Abgeordneter Dietmar KECK (S) gab zu, dass die Krankenkassen ein finanzielles Problem haben. Minister Stöger werde dafür sorgen, dass Budgetmittel dazu verwendet werden, um die "angeblich so kranken" Kassen finanziell abzusichern. Stöger leiste damit Pionierarbeit, denn dem Gesundheitssystem werde zum ersten Mal Geld zugeführt. Bis 2012 werden dreimal je 150 Mio. €, das sind mehr als 2 Mrd. Schilling, investiert. Stöger wolle das hohe Niveau des Gesundheitssystems erhalten und erachte es, auch in seiner Zeit als Obmann der oberösterreichischen Krankenkasse, als oberste Pflicht, sich für die Menschen und ihre Gesundheit einzusetzen. "Wir wissen, was wir an ihm haben, und er wird Gesundheitsminister bleiben", sagte Keck abschließend.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) meinte, in der Gesundheitspolitik gebe es viele Ansichten, eine sei auf jeden Fall falsch, dass man die Gesundheitspolitik in parteipolitischen Farben sehe und nicht sachlich diskutiere. Zu der Kritik an vergangenen Regierungen erklärte Donabauer, orange-schwarz habe nicht nur die Kassen belastet, denn in den Jahren 2001 bis 2006 seien die Krankenkassen mit 2,7 Mrd. € entlastet und mit 1,7 Mrd. € belastet worden; der Gewinn habe also 953 Mio. € betragen. Wenn heute in Österreich 22 % der Bevölkerung über 60 Jahre sind und 2020 mehr als 26 % und 2030 mehr als 30 % sein werden, dann müsse man heute bereits beginnen, über diese Frage zu debattieren. "Ich habe heute so viele Besserwisser gehört, aber keinen Bessermacher angetroffen", strich Donabauer heraus. Alle seien aufgerufen, sich einzubringen.

Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) meinte, man wisse, dass die Grenze der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems erreicht sei, aber es werde keine Lösung gefunden. Der Grund, warum das System nicht funktioniere, liege darin, dass "viel zu viele Spieler am Spielfeld sind". Seiner Meinung nach ist die Proporzpolitik Schuld, weil sich Rot und Schwarz dieses Land aufgeteilt hätten, was zu den heutigen undurchschaubaren und hemmenden Strukturen führe. Das Proporzsystem nütze den Parteien, schade aber dem Staat, sagte der Redner. Der Gesundheitsminister lege probate Vorschläge vor und der "schwarze Ersatzgesundheitsminister", der Chef des Hauptverbands, präsentiere genau entgegengesetzte Vorschläge. Ein solches Vorgehen kann laut Karlsböck nicht funktionieren.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) gab seinem Vorredner recht, dass es in diesem "angeblich besten Gesundheitswesen der Welt" ein Mehrklassensystem gibt. Damit könne man nicht zufrieden sein. Das sei keine Kritik an Gesundheitsminister Stöger, sondern an der gesamten Bundesregierung, die die Krisenzeit nicht nutze, um das, was sie in normalen Zeiten kaum schaffen würde, in Angriff zu nehmen: die notwendige Strukturreform im Gesundheitswesen. Warum würden Vermögen in Österreich kaum bzw. nicht besteuert? Warum sollten nicht besonders Vermögende für das Gesundheitswesen und den Sozialbereich einen Beitrag leisten, wenn sie davon profitieren? Weitere Fragen von ihm waren: Was ist mit den Gesichtsschutzmasken? Was ist mit den Kosten für die Impfstoffe bei der Grippeimpfung? Das Gesundheitswesen in Österreich habe keine Transparenz, kam er zum Schluss. Da wären die Bundesregierung, aber auch Minister Stöger etwas mehr gefordert.

Abgeordneter Kurt LIST (B) erklärte, jeder Österreicher habe ein Anrecht auf die bestmögliche medizinische Versorgung, und dieses Recht sei unter Minister Stöger ernsthaft gefährdet. Die Situation im Gesundheitsbereich sei Besorgnis erregend, der Minister trage dafür die Verantwortung. In einem Jahr sei nichts passiert, seine Fraktion verlange, dass hier endlich entsprechende Schritte im Interesse der Patienten gesetzt würden. In den Gesundheitsminister habe seine Fraktion kein Vertrauen mehr, er solle die Konsequenzen ziehen, zurücktreten und den Weg für eine neue Gesundheitspolitik freimachen.

Abgeordneter Johann MAIER (S) bezeichnete die Dringliche Anfrage als eine "Unverfrorenheit", seien doch gerade BZÖ-Vertreter für dieses Schlamassel im Gesundheitsbereich verantwortlich. Es brauche zwar neue Strukturen und neue Wege, doch müsse unmissverständlich klar gestellt werden, das Misstrauen könne nicht dem Minister gelten, sondern müsse dieser Anfrage entgegengebracht werden.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) meinte, eine wirkliche Gesundheitsreform könne man nicht ohne die Länder, die Kammern und die Interessenvertretungen durchführen, und genau hier werde die Regierung Probleme bekommen. Es sei daher abzusehen, dass diese Reform nicht von Erfolg gekrönt sein werde. Und insofern sei auch der Gesundheitsminister die falsche Adresse. Es brauche daher eine echte Reform mit einer Finanzierung aus einem Topf und einer effizienten Neustrukturierung. Schließlich brachte der Redner einen Antrag betreffend gesundheitsgefährdende Babyfläschchen ein.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) war der Ansicht, dass der Minister in der Frage der Transfette und auf veterinärmedizinischem Gebiet rasch und richtig reagiert habe, wofür ihm zu danken sei. Dennoch gebe es noch etliche Punkte, über die noch gesprochen werden müsste, etwa über die Lebensmittelsicherheit. Hier brauche es Klarheit und Transparenz. Schließlich befasste sich der Redner mit gesundheitsgefährdenden Stoffen und brachte einen Entschließungsantrag betreffend Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln ein.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) kritisierte, dass den BürgerInnen hohe Beiträge abgefordert würden, mit denen dann ein aufgeblähter Funktionärsapparat finanziert würde. Das derzeitige System sei völlig inadäquat und ineffizient, hier brauche es dringend eine neue Gesundheitspolitik. Im Lichte des Ist-Zustands spreche seine Fraktion dem Gesundheitsminister mit gutem Recht das Misstrauen aus.

Zu diversen Details der Thematik äußerte sich weiters die Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S). Sie erinnerte dabei an die Regierungsverantwortung des heutigen BZÖ, welche von zahlreichen Pannen und schmerzhaften Einschnitten in das Gesundheits- und Sozialsystem geprägt gewesen sei. Gerade in diesem Lichte spreche sie dem aktuellen Gesundheitsminister ihr volles Vertrauen aus.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) sagte, man brauche auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik Kontinuität, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit, und genau deshalb brauche man den Gesundheitsminister. Die Aufgaben, die vor ihm lägen, seien gewaltig, sie seien nur mit Beharrlichkeit zu bewältigen. Die Herausforderungen der Zukunft könnten nur gemeistert werden, indem man eine konstante Politik – auch in personeller Hinsicht – betreibe.

Abgeordneter Erwin SPINDELBERGER (S) mahnte vom BZÖ mehr Sachlichkeit ein und erinnerte dieses an seine Mitverantwortung für den aktuellen Zustand des Gesundheitswesens. Sodann brachte er einen Entschließungsantrag betreffend Produktsicherheit von Babyschnullern ein.

Abgeordneter Bernhard VOCK (F) unterstrich die Notwendigkeit von Reformen im Gesundheitsbereich. Das erwarte die Bevölkerung, hier müsse die Regierung handeln, und dazu brauche es mehr Mut seitens der Verantwortlichen.

Der Misstrauensantrag des BZÖ blieb in der Minderheit dieser Fraktion. Die Entschließungsanträge der Opposition fanden gleichfalls keine Mehrheit, wohingegen jener der Regierungsfraktionen und der Grünen einstimmig angenommen wurde.

Kurzdebatte über Fristsetzung für Antrag 760/A [E]

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) begründete die seines Erachtens evidente Wichtigkeit des Antrags und forderte das Plenum auf, dessen Anliegen entsprechend zu würdigen. Gleichzeitig übte er Kritik an der Abwesenheit des zuständigen Ministers, wie er auch beklagte, dass hier eine entsprechende Diskussion verweigert würde.

Die betroffenen Bauern stünden mit dem Rücken zur Wand und würden von der Politik sträflich im Stich gelassen. Dies könne nicht länger akzeptiert werden, unterstrich der Redner. Man müsse dringend im Ausschuss nach Auswegen suchen, denn das Thema dulde keinen Aufschub mehr.

Abgeordneter Kurt GAßNER (S) hielt es grundsätzlich für positiv, wenn die problematische Lage der Milchbauern auf parlamentarischer Ebene diskutiert wird. Die betroffenen Bauern dürften nicht im Regen stehen gelassen werden, unterstrich der SPÖ-Mandatar. Aus koalitionären Gründen könne er dem vorliegenden Antrag jedoch nicht zustimmen. Weiters wies Gaßner darauf hin, dass am 5. Oktober ein Sonder-Agrarministerrat der EU zur Milchkrise stattfinden werde und dass man sich heute auf einen Termin für einen Landwirtschaftsausschuss (8. Oktober) geeinigt habe.

Auch Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) räumte ein, dass die allgemeine Wirtschaftskrise Auswirkungen auf die Kaufkraft habe, wodurch auch die Einkommen der Bauern und Bäuerinnen betroffen seien. Die Situation bei den Milchbauern sei in der Tat ruinös, konstatierte Grillitsch. Er warne jedoch davor, diese Gruppe von Menschen, die große Sorgen habe, für politisches Kleingeld zu instrumentalisieren. Auch ein Streik könne keine Lösung sein, urteilte der ÖVP-Mandatar. Stattdessen müsse gemeinsam mit allen Betroffenen und mit Experten die Lage grundlegend analysiert und eine gute Lösung für die Bauern gefunden werden. In Richtung des Koalitionspartners wies Grillitsch nachdrücklich darauf hin, dass eine Landwirtschaft ohne Ausgleichszahlungen nicht möglich sei.

Die Freiheitlichen würden dem Antrag der Grünen heute zustimmen, erklärte Abgeordneter Harald JANNACH (F), da die Regierung für die Milchbauern bis jetzt viel zu wenig gemacht habe. Seit Mai stagniere der Literpreis für die Milch bei 27 Cent, was nur als Schande bezeichnet werden könne. Wirklich verdienen würden nur die Handelsketten, die für einen Liter Milch 36 Cent erhalten und zusätzlich noch mit EU-Agrarmitteln gefördert würden. So erhalte etwa die Hofer KG jährlich über 220.000 €, damit sie die Milch um 59 Cent an die Konsumenten verscherbeln könne.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) kündigte zunächst die Unterstützung des G-Antrags durch seine Fraktion an. Aufgrund der Untätigkeit der Regierung wären die Bauern gezwungen zu streiken, damit sie in Brüssel endlich einmal gehört würden. Spadiut trat dafür ein, die Saldierung auszusetzen, weil dann die Milchmenge zurückgehen und der Preis steigen würde.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) erinnerte ebenfalls daran, dass die Landwirte seit Mai nur mehr 27 Cent für einen Liter Milch erhalten. Die ÖVP, die sich immer die Vertretung der Bauern auf ihre Fahnen geheftet habe, habe sich offenbar in Brüssel zu wenig dafür eingesetzt, dass die Quote gesenkt werde. Damit werde in Kauf genommen, dass viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum verloren gehen, kritisierte Moser. Auf der anderen Seite werde aber etwa der Export von "Red Bull" in die USA subventioniert.

Bei der Abstimmung wurde der G-Antrag dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zur Berichterstattung über den Antrag 760/A[E] betreffend Sofortmaßnahmen für die Zukunft der Milchbetriebe eine Frist bis zum 20. Oktober 2009 zu setzen, abgelehnt.

(Schluss Dringliche und Kurzdebatte/Forts. NR)