Parlamentskorrespondenz Nr. 784 vom 23.09.2009

Der Ökostrom einmal mehr im Zentrum der Debatte

S-V-F-Mehrheit für Änderung des Ökostromgesetzes

Wien (PK) – Im Anschluss an die Dringliche Anfrage und die Debatte über einen Fristsetzungsantrag beschäftigte sich der Nationalrat mit der Änderung des Ökostromgesetzes. Diese Änderung, die dem Nationalrat in Gestalt eines V-S- Antrags vorlag, dient der Ergänzung der letzten Ökostromgesetz-Novelle um eine formalrechtlich notwendige Änderung in der Kompetenzdeckungsklausel.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) bemerkte kritisch, das Ökostromgesetz habe den Anteil der erneuerbaren Energie nicht ausgebaut, sondern lediglich den Strompreis erhöht. Bevor man über ein neues Gesetz nachdenkt, sollten erst einmal die Hausaufgaben gemacht werden. Widmann forderte in diesem Sinne eine exakte Verrechnung des Ökostromanteils für jeden Haushalt, die Beschleunigung des Anbieterwechsels, die Weitergabe von Strompreissenkungen im Großhandel an die KMU sowie eine verstärkte Förderung von Zukunftstechnologien, um das Ziel der Energieautarkie zu erreichen.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) war auch der Meinung, dass man der Kritik des Regulators, wonach den ÖsterreicherInnen um 77 Mio. € zuviel für den Ökostrom verrechnet wurde, nachgehen müsse. Die neue Novelle könne nun endlich beschlossen werden, nachdem sich die EU besonders lange Zeit gelassen habe, um – zu 90 % - grünes Licht zu geben. Österreich könne sich in diesem Bereich in jeder Beziehung mit Deutschland messen, meinte Bartenstein, zumal ein Ökostrom-Anteil von 15 % bis 2015 erreicht werden soll. Damit werde ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Außerdem werden insgesamt 70 % des Stroms aus nachhaltiger Energie gewonnen. Was die Schätzungen bezüglich der Mehrkosten für die KonsumentInnen angeht, so rechne man mit 10 bis 15 € pro Haushalt. Positiv hob Bartenstein weiters hervor, dass die Förderungen für die Photovoltaik fast verdoppelt werden konnten.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) sprach von einem "schwarzen Tag für den Ökostrom, den Klimawandel und den Arbeitsmarkt in Österreich". Auch wenn nun vielleicht die völlige Behinderung der Öko-Energiebranche in Österreich beendet wird, so könne man noch lange nicht von einer Förderung sprechen. Die angesprochenen 35 Mio. € werden nämlich aus dem Klima- und Energiefonds kommen und stellen daher keine zusätzlichen Mittel dar. Auch der Vorschlag, den Förderdeckel bei der Photovoltaik innerhalb des Ökostromgesetzes aufzuheben, bedeute nur, dass dies zu Lasten der anderen Bereiche, also der Windkraft-, der Biomasse- und Wasserkraftanlagen, gehen wird. Die FPÖ sei ihrer Ansicht nach "liegend umgefallen" und habe alles andere als Umweltkompetenz bewiesen. Schließlich brachte sie einen G-Antrag betreffend "15.000 krisensichere grüne Arbeitsplätze im Jahr 2010" ein.

Abgeordneter Wolfgang KATZIAN (S) erinnerte daran, dass das Ökostromgesetz nur deshalb nicht früher in Kraft treten konnte, weil es ein langwieriges Prüfungsverfahren durch die EU-Kommission durchlaufen musste. Da der Punkt bezüglich der energieintensiven Betriebe noch einem Hauptprüfungsverfahren unterzogen wird, musste ein europarechtlich konformer Ersatz ausgearbeitet werden. Die vorliegende Übergangslösung, die eine Entlastung für die Industrie darstellt, betrachte er als einen Beitrag zur Standort- und Arbeitsplatzsicherung. Zusätzliche Mittel werden auch für den Fernwärme- und Fernkälteleitungsausbau zur Verfügung gestellt, informierte Katzian. Damit werde nicht nur ein wichtiges Signal zur Stärkung der Konjunktur gesetzt, sondern es werden auch Einsparungen bei CO2-Emissionen ermöglicht.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) begründete die Ablehnung der Vorlage mit der Tatsache, dass die Stromgesellschaften den KonsumentInnen rund 77 Mio. € pro Jahr (also 30 € pro Haushalt) unter dem Titel Ökostrom-Kosten zu viel verrechnet haben. Außerdem liefere der heutige Beschluss ein weiteres Argument für die Energieunternehmen, den Strompreis zu erhöhen, hielt Stadler vor allem den FPÖ-Mandataren entgegen. Schließlich ging der BZÖ-Redner noch auf das Thema Abtreibung ein. Er schäme sich für einen Landeshauptmann und Bürgermeister, "der einer Klinik eine Auszeichnung dafür gibt, dass sie 30 Jahre lang Kinder ermordet". Skandalös sei zudem, dass die Klinik am Fleischmarkt einer Dame gehöre, die "schlicht und einfach eine Nazi-Tante war".

Abgeordneter Norbert HOFER (F) zeigte sich über den heutigen Beschluss nicht uneingeschränkt erfreut, da sich seine Fraktion sehr für ein Gesetz bezüglich erneuerbarer Energien einsetzt. Die Zustimmung der FPÖ sehe er als Notlösung, um zu verhindern, dass viele Betriebe in Österreich von der Pleite bedroht werden. Erfreulich sei jedoch, dass für den Bereich der Photovoltaik mehr Geld (plus 35 Mio. €) zur Verfügung gestellt wird; Hofer brachte diesbezüglich einen entsprechenden S-V-F-Ergänzungsantrag ein. Unglaubwürdig sei nach Ansicht von Hofer die Haltung des BZÖ, das für das Ökostromgesetz 2006 – "das schlechteste Gesetz, das wir je hatten"-  verantwortlich zeichne. Schließlich brachte Hofer noch einen Antrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, eine Regierungsvorlage vorzulegen, die eine vollständige Novellierung des derzeitigen Ökostromgesetzes hin zu einem Erneuerbaren-Energien-Gesetz nach deutschem Vorbild sicherstellt.

Bundesminister Reinhold MITTERLEHNER zeigte sich erfreut darüber, dass nun endlich mit der teilweisen Umsetzung des Ökostromgesetzes begonnen werden kann und mit dem Entschließungsantrag eine EU-konforme Lösung ermöglicht wurde. Damit würden wichtige Investitionen in Gang gesetzt, die sich bis 2015 auf etwa 3 Mrd. € belaufen werden. Außerdem werde ein wichtiger Beitrag im Sinne des Klimaschutzes geleistet.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) kritisierte das Gesetz als nicht ausreichend und meinte, die großen Mängel würden dadurch nicht behoben werden. Die heute von der Regierung gelobten 35 Mio. € an Förderung für die Photovoltaik würden den dringend notwendigen Sprung zur Energiewende nicht bringen, war sich die Rednerin sicher. Sie sprach von einen Stillstand in der Energiepolitik, der Österreich langfristig sehr teuer kommen werde.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) legte einen Abänderungsantrag der Regierungsparteien vor, der unter anderem Klarstellungen betreffend die Rückvergütung als Folge des EU-Prüfungsverfahrens bringt. Überdies dankte der Redner der FPÖ für deren Kompromissbereitschaft und meinte, bei dem neuen Gesetz gehe es nun darum, die Dinge mit Augenmaß weiterzutreiben und der Wirtschaft die notwendigen Impulse für Ökostrom zu geben.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) klagte, die FPÖ habe sich hinter dem Rücken von BZÖ und Grünen mit der Regierung geeinigt, obwohl ursprünglich Fünfparteiengespräche geplant waren und wesentliche Punkte noch offen blieben. So sei es nicht möglich gewesen, auf Forderungen des BZÖ nach Rückforderung des "Körberlgelds" der Energiegesellschaften, Durchforstung des Kompetenzdschungels bei den Förderungen sowie einer Verpflichtung zu inländischer Wertschöpfung der Projekte einzugehen.

Abgeordneter Franz KIRCHGATTERER (S) sprach in seiner Wortmeldung von innovativen Initiativen in Oberösterreich, wie etwa der Förderungsaktion beim Hausbau, die, wie er sagte, hohe Klimaziele und leistbares Wohnen für alle vereint. Eine klare Absage erteilte der Redner dem Import von Atomstrom durch die heimischen Energiegesellschaften.

Abgeordneter Gerhard HUBER (o.F.) meinte, Landwirte sollten Energiewirte werden, und stellte den Vorschlag der Ausstattung sämtlicher Scheunendächer mit Photovoltaikanlagen bei gleichzeitigen garantierten Einspeisetarifen zur Diskussion.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) forderte die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, die thermische Sanierung privater Haushalte zu forcieren, und argumentierte, angesichts des hohen Investitionsvolumens sei eine diesbezügliche Förderung ein Gewinn für den Staat und ein starker Impuls für die regionale Wirtschaft.

Abgeordneter Martin STRUTZ (B) konnte in dem Gesetz keinen Ansatz der versprochenen ökologischen Wende erkennen und warnte vor hohen Strafzahlungen an die EU, sollte Österreich die Kyoto-Ziele bis 2012 nicht erfüllen. Er warf der Regierung vor, diese Thematik zu verschweigen und über keinerlei Notfallsplan zu verfügen, und fürchtete, dass die hohen Kosten dann auf die Energiepreise umgelegt werden.

Abgeordneter Peter MAYER (V) erwartete sich vom neuen Ökostromgesetz mehr Wertschöpfung für die Landwirtschaft sowie zusätzliche Arbeitsplätze und hob insbesondere die Bedeutung der Biomasseanlagen hervor.

Abgeordneter Hubert KUZDAS (S) konstatierte, dem Ausbau der Ökostromanlagen würde nach dem heutigen Beschluss nichts mehr im Weg stehen, da es nun Planungssicherheit und eine Verlängerung der Förderzeiten gebe. Wind und Sonne seien zukunftssichere Energieträger, die kostengünstig zur Verfügung stehen und keine Rechnung schicken, stand für Kuzdas fest.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) sah in dem Gesetz keinen großen Wurf, sondern vielmehr eine Notlösung, bei der es darum gehe, Rahmenbedingungen für die Betriebe zu schaffen, die bei einer weiteren Verzögerung der Förderungen in ihrer Existenz gefährdet wären. 

Abgeordneter Konrad STEINDL (V) hingegen wertete die Novelle als großen Schritt in Richtung des Ziels von 34 % erneuerbarer Energie und sprach überdies von einem wichtigen Impuls für die so genannten Green Jobs.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) rief dazu auf, beim Ausbau des Ökostroms mit Augenmaß vorzugehen, und gab zu bedenken, dass beim heutigen Stand der Technik die Einspeisekosten für Photovoltaikanlagen eine enorme Belastung für die KonsumentInnen bedeuten. In einem Entschließungsantrag forderte er die Vorlage des Berichts der Bundeswettbewerbsbehörde betreffend erhöhte Ökostromaufwendungen an das Parlament.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) widersprach den Kritikern des Gesetzes und betonte, mit den neuen Bestimmungen werde es nun möglich sein, eine größere Anzahl von Projekten zu fördern. Jeder werde sich nun "ein Stück Freiheit" auf seinem Dach leisten können, lautete sein Resümee. 

Abgeordneter Franz HÖRL (V) wertete das Gesetz als einen weiteren Schritt in Richtung eines energieautarken Österreich. Insbesondere hob er die hohen Einspeisetarife für Strom aus Photovoltaik und die Verdoppelung der Förderung für private Photovoltaikanlagen hervor. Den Ausbau der Wasserkraft sieht Hörl, wie er sagte, als große Chance für die Zukunft Österreichs. In diesem Zusammenhang wandte er sich gegen seiner Ansicht nach unnötige "Umweltbürokratie", die Ausbaupläne im Bereich der Wasserkraft behindere.

Abgeordneter Christian HÖBART (F) erklärte, die FPÖ werde der vorliegenden Gesetzesnovelle deshalb zustimmen, weil sie der festen Meinung sei, dass es sich dabei um einen klaren Schritt in die richtige Richtung handle. Die Novelle sei zwar "nicht der große Wurf", meinte er, manchmal müsse man aber eben in Etappen denken. Detailliert setzte sich Höbart mit der Stromerzeugung aus Windkraftanlagen auseinander, die ihm zufolge häufig im Eigentum lokaler Gemeinschaften stehen und zahlreiche Arbeitsplätze sichern.

Abgeordneter Franz GLASER (V) hob das "Modell Güssing" als gelungenes Beispiel im Bereich erneuerbare Energie hervor. Dabei sei das Projekt, als es vor 20 Jahren initiiert wurde, zunächst belächelt und von manchen Seiten sogar bekämpft worden, skizzierte er. Erneuerbare Energie hat Glaser zufolge aber nicht nur bei der Stromerzeugung Bedeutung, auch Biogasanlagen sind für ihn eine wichtige Zukunftstechnologie. Generell erachtet er es für wichtig, bei Anlagen zur Energiegewinnung Augenmerk auf Energieeffizienz zu legen.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) wertete die Gesetzesnovelle als einen wichtigen Baustein zum Erreichen der Klimaschutzziele und zeigte sich über das Stimmverhalten der Grünen enttäuscht. Gleichzeitig brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner aufgefordert wird, bis zum September 2010 eine neuerliche Novelle zum Ökostromgesetz vorzulegen. Lettenbichler wünscht sich insbesondere eine Kostenbegrenzung der Ökostrom-Aufwendungen für energieintensive Betriebe, da er sonst Wettbewerbsnachteile vor allem für die Papier- sowie für die Stahl- und Zementindustrie befürchtet. Weiters werden im Entschließungsantrag transparente Endverbraucherrechnungen mit Ausweispflicht für Ökostromaufwendungen gefordert.

Die Novellierung des Ökostromgesetzes wurde unter Berücksichtigung des V-S-Abänderungs- bzw. Zusatzantrags in Dritter Lesung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit verabschiedet.

Einstimmig nahmen die Abgeordneten den V-S-Entschließungsantrag betreffend erhöhte Ökostromaufwendungen an, mehrheitliche Zustimmung erhielten der F-V-S-Entschließungsantrag betreffend weitere Förderung von Photovoltaik sowie der V-S-Entschließungsantrag betreffend Vorlage eines Novellierungsentwurfs zum Ökostromgesetz bis September 2010. In der Minderheit blieben hingegen der Entschließungsantrag des BZÖ betreffend Senkung der Strompreise, der Entschließungsantrag der Grünen betreffend 15.000 neue krisensichere grüne Arbeitsplätze und die Entschließungsanträge der FPÖ betreffend Einführung eines "Erneuerbaren Energie-Gesetzes" und betreffend Fortsetzung der Förderung thermischer Sanierung privater Haushalte.

(Schluss Ökostrom/Forts. NR)