Parlamentskorrespondenz Nr. 819 vom 06.10.2009

Unterrichtsausschuss gibt grünes Licht für standardisierte Matura

Schmied: Paradigmenwechsel zu Kompetenzorientierung und Qualität

Wien (PK) – Der Unterrichtsausschuss gab heute grünes Licht für die Einführung der standardisierten Matura. Die Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen stimmten der entsprechenden Novelle zum Schulunterrichtsgesetz mehrheitlich zu. Damit wird ab dem Schuljahr 2013/14 die Matura an den allgemein bildenden höheren Schulen an einem Termin mit teilweise einheitlichen Aufgabenstellungen erfolgen. Die Phase der Erprobung beginnt mit kommendem Schuljahr. An den berufsbildenden höheren Schulen sowie an den höheren Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung ist die neue Form der Reifeprüfung in den Schuljahren 2010/11 bis 2013/14 zu erproben, spätestens ab dem Haupttermin 2015 soll sie auch in den BHS ins Regelschulwesen übernommen werden.

Die "standardisierte kompetenzorientierte Reifeprüfung mit zentralen und schulspezifischen Elementen unter Berücksichtigung schulautonomer pädagogischer Schwerpunkte", so die Definition in den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage, wird damit zunächst flächendeckend an den AHS eingeführt.

Die neue Matura wurde von allen Fraktionen grundsätzlich begrüßt, die FPÖ bezweifelte jedoch den Sinn der vorwissenschaftlichen Arbeit. Demgegenüber stellte Bundesministerin Claudia Schmied fest, mit der standardisierten Reifeprüfung sowie mit den Bildungsstandards nehme man einen Paradigmenwechsel in Richtung Kompetenzorientierung und Qualitätssicherung im Schulwesen vor.

Durch den im Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossenen Abänderungsantrag wird eine Bundes-Reifeprüfungskommission eingerichtet, die zur Aufgabe hat, alle zentralen Elemente der abschließenden Prüfung auf Grundlage der vom BIFIE vorgelegten Auswertungs- und Evaluierungsergebnisse begleitend zu evaluieren und die Unterrichtsministerin bezüglich der Abwicklung der Prüfung strategisch zu beraten. Dieser Kommission gehören unter anderem die Schulpartner an, was laut Bundesministerin Claudia Schmied dazu beitrage, die Akzeptanz der neuen Matura unter allen Beteiligten zu erhöhen.

Die Opposition bezeichnete dies als eine überbordende Verwaltung, zumal gemäß der geplanten Änderung des BIFIE-Gesetzes das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) als Kernaufgabe die Entwicklung, Implementierung, Auswertung und begleitende Evaluierung der geplanten standardisierten, kompetenzorientierten Reifeprüfung an allen höheren Schulen dazubekomme.

Mit der gegenständlichen Änderung des BIFIE-Gesetzes wird weiters das Gebot verankert, die Grundsätze des Datenschutzes zu wahren, nachdem in der Öffentlichkeit eine kritische Debatte darüber geführt worden war, welche Daten das BIFIE von SchülerInnen erheben darf. Diese Vorlage passierte den Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich.

In einer von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen mehrheitlich angenommenen Ausschussfeststellung werden Klarstellungen zu den einzelnen Teilen der neuen Reifeprüfungsform vorgenommen. Demnach soll die Hauptprüfung aus einer 4.500 bis 6.000 Worte umfassenden vorwissenschaftlichen Arbeit bestehen, die sich auf einzelne Bereiche des Lehrstoffs bezieht und von den einzelnen SchülerInnen zu präsentieren ist. Bei drei Klausurarbeiten sind alle Fächer aus standardisierten Prüfungsgebieten - Deutsch bzw. Ungarisch, Slowenisch oder Kroatisch sowie Mathematik und lebende Fremdsprache – zu wählen, bei vier Klausurarbeiten kann ein Gebiet aus einem nicht standardisierten Fach gewählt werden. Bei der mündlichen Prüfung haben die KandidatInnen einen Themenbereich zu ziehen, wodurch man die Objektivität erhöhen will.

Darüber hinaus wird mittels eines S-V-Entschließungsantrags, der einstimmig angenommen wurde, die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur aufgefordert, dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die Ergebnisse der begleitenden Evaluierung der neuen Reifeprüfung vorzulegen.

Auf der Tagesordnung des Ausschusses stand schließlich eine Novelle zum Unterrichtspraktikumsgesetz sowie zum Prüfungstaxengesetz -Schulen/Pädagogische Hochschulen, durch die es AbsolventInnen von Lehramtsstudien ermöglicht wird, auch nach Vollendung des 45. Lebensjahres zum Unterrichtspraktikum zugelassen zu werden. Die Zustimmung dazu erfolgte einstimmig. Abgeordnete Sonja Ablinger (S) wies auf die Notwendigkeit dieser Änderung angesichts zahlreicher Härtefälle hin. Bundesministerin Claudia Schmied ergänzte, man öffne damit QuereinsteigerInnen und Spätberufenen den Weg zum Lehrberuf, was im Hinblick auf die kommende Pensionierungswelle wichtig sei.

Der Antrag der Grünen, einen Rechtsanspruch auf kostenlosen Förderunterricht im Ausmaß von zwei Wochenstunden einzuführen, wenn SchülerInnen in der Schulnachricht zumindest ein Nicht-Genügend in der Schulnachricht aufweisen, wurde einstimmig dem bestehenden Unterausschuss des Unterrichtsausschusses zugewiesen, in dem unter anderem der Nationale Bildungsbericht ausführlich diskutiert wird.

Am Beginn der Sitzung wurde Abgeordneter Werner Amon (V) als zweiter Obmannstellvertreter gewählt, nachdem Abgeordnete Beatrix Karl (V) auf diese Funktion verzichtet hat. Obmann des Unterrichtsausschusses ist Abgeordneter Walter Rosenkranz (F). Weitere ObmannstellvertreterInnen sind Ursula Haubner (B) und Elmar Mayer (S).

Standardisierte Matura lässt schulautonome Schwerpunkte zu

Sowohl die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP als auch die oppositionellen Fraktionen von BZÖ und Grünen befürworteten die drei Säulen der standardisierte Matura – vorwissenschaftliche Arbeit, Klausurarbeiten und mündliche Prüfung – und zeigten sich zufrieden damit, dass es für die Schulstandorte möglich sein wird, spezifische Schwerpunkte zu setzen. Unisono vertrat man die Auffassung, dass man damit einen weiteren Schritt zu einer besseren internationalen Vergleichbarkeit setze, aber auch den Schülerinnen und Schülern mehr Sicherheit über ihre Leistung gebe (Abgeordnete Ursula Haubner – B, Elmar Mayer, Franz Riepl, Rosa Lohfeyer, Ewald Sacher – alle S, Hermann Gahr, Anna Franz – beide V, Harald Walser – G).

Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) bezweifelte jedoch den Sinn der vorwissenschaftlichen Arbeit. Man sollte zwischen Schule und Universität unterscheiden, sagte er. Wissenschaftliche Arbeiten seien Sache der Universitäten. Er befürchtete, dass die Arbeiten ein Konglomerat aus dem Internet sein könnten und machte darauf aufmerksam, dass die Begleitung und Beurteilung der Arbeiten einen enormen Zeitaufwand für die Lehrerinnen und Lehrer darstellen. Rosenkranz anerkannte die Bemühungen, die mündliche Prüfung durch das Ziehen einer Frage zu objektivieren, meinte aber, dass den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben werden sollte, drei Fragen zu beantworten.

Bundesministerin Claudia Schmied unterstrich, die standardisierte Matura werde neben den Bildungsstandards zu mehr Qualität und Kompetenzorientierung führen. Die internationale Vergleichbarkeit sei auch im Zusammenhang mit dem internationalen Qualitätsrahmen für die Universitäten wichtig. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass an den Schulstandorten die Lehrerinnen und Lehrer die Neuerungen mit großem Engagement annehmen und vorbereiten. Derzeit würden Fortbildungskurse angeboten und die Lehrpläne kompetenzorientiert abgefasst, informierte sie. Auch die Schulbücher würden entsprechend adaptiert, bestätigte sie den Abgeordneten Hermann Gahr, Anna Franz (beide V) und Rosa Lohfeyer (S).

Sollten Schülerinnen und Schüler die Klausur negativ abschließen, so werde ihnen die Möglichkeit einer schriftlichen oder mündlichen Wiederholung gegeben, antwortete sie auf eine entsprechende Frage des Abgeordneten Franz Riepl (S). Die Ministerin verteidigte die vorwissenschaftliche Arbeit, indem sie feststellte, diese diene der Heranführung zum wissenschaftlichen Arbeiten. Bereits jetzt gebe es Projektarbeiten, fügte sie hinzu.

Den Einwänden gegen die Bundes-Reifeprüfungskommission begegnete sie mit dem Argument, man wolle dadurch eine völlige Trennung von LehrerInnen und SchülerInnen vermeiden. Sie teilte die Auffassung von Abgeordneter Anna Franz (V), durch die Einbeziehung der LehrerInnen in die Beurteilung schaffe man vertrauensbildende Maßnahmen. Im Gegensatz dazu bezeichnete Abgeordnete Ursula Haubner (B) die Bundes-Reifeprüfungskommission als eine aufgeblähte und überbordende Verwaltung, mit der man nur die verschiedenen Interessen zufriedenstellen wolle.

Den Bedenken der Abgeordneten Katharina Cortolezis-Schlager (V), Anneliese Kitzmüller (F), Ursula Haubner, Stefan Markowitz (beide B) und Dieter Brosz (G), das BIFIE würde finanziell und personell im Vergleich zu anderen Forschungsinstitutionen so stark aufgewertet, dass es eine Monopolstellung in der angewandten Bildungsforschung erringen könnte, begegnete die Ministerin mit dem Hinweis, sie beabsichtige, nur die Aufträge ihres Ressorts im Zusammenhang mit angewandter Bildungsforschung dem BIFIE zu überantworten. Selbstverständlich würden an den pädagogischen Hochschulen die organisatorischen und dienstrechtlichen Vorschriften zur Verankerung der Forschungstätigkeit geschaffen. Keineswegs wolle man den kooperativen Wettbewerb zwischen den Forschungseinrichtungen, wie dies Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) bezeichnete, ausschalten.

Abgeordneter Helene Jarmer (G) sagte sie zu, für SchülerInnen mit Behinderung Spezialangebote zu entwickeln, um ihnen gleichberechtigte und ihren speziellen Bedürfnissen entsprechende Chancen zu bieten.

Die Zuweisung des Antrags der Grünen betreffend eines Rechtsanspruchs auf Förderunterricht in den bestehenden Unterausschuss wurde von allen unterstützt. Abgeordnete Edith Mühlberghuber (F) kritisierte in diesem Zusammenhang, dass Schülerinnen und Schüler für den Förderunterricht oft von den Turnstunden weggeholt würden. Sie forderte auch, nicht nur die Schwachen, sondern auch die Begabten besonders zu fördern. Ausschussvorsitzender Walter Rosenkranz (F) sowie Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) thematisierten das Problem, dass einige Eltern ihre Kinder nicht zum Förderunterricht schicken, obwohl diese es nötig hätten. Daraufhin informierte die Unterrichtsministerin, dass man daran denke, den Förderunterricht verpflichtend zu gestalten. Ihr Ressort habe die Evaluierung des Förderunterrichts in Auftrag gegeben und man werde dabei besonders auch auf den Ressourceneinsatz Bedacht nehmen. Es solle in Hinkunft vermieden werden, dass andere Stunden ausfallen. (Schluss)


Themen