Parlamentskorrespondenz Nr. 825 vom 07.10.2009

Frauen in der Politik - mehr Frauen in die Politik

Parlamentarische Enquete zur Frauensache Politik

Wien (PK) – Unter dem programmatischen Titel "Frauen in der Politik – mehr Frauen in die Politik" beschäftigte sich heute eine Parlamentarische Enquete mit der Rolle der Frauen und insbesondere ihrer Vertretung in der Politik. Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER gab in ihren einleitenden Worten zu bedenken, dass der Frauenanteil im österreichischen Nationalrat nunmehr nur noch 27,9 % beträgt. Damit sei Österreich, das in diesem Bereich im internationalen Vergleich immer unter den Top 10 lag, auf Platz 30 abgesunken, klagte sie. Das Argument, die Frauen würden es eben "nicht anders können" und seien deshalb derart unterrepräsentiert, war für die Nationalratspräsidentin absolut inakzeptabel. Die Ursachen, die Frauen von der Teilnahme am politischen Leben abhalten, liegen anderswo, stand für sie fest. Von der Enquete erwartete sich Prammer Lösungsansätze, wobei sie bemerkte, ihr sei fast jedes Mittel recht, das dazu diene, Frauen eine bessere Vertretung in der Politik zu ermöglichen.

Marek: Vertretung von Männern und Frauen zu gleichen Teilen auf allen Ebenen der Gesellschaft

Staatssekretärin Christine MAREK sah die Enquete als Startschuss für einen breiten Diskussionsprozess, bei dem "Nägel mit Köpfen" gemacht werden sollen. Das Ziel sei jedenfalls klar: Vertretung von Männern und Frauen zu gleichen Teilen auf allen Ebenen der Gesellschaft. Marek begrüßte vor allem auch, dass die Frauen heute parteiübergreifend miteinander diskutieren, und meinte, dies sei die einzige Möglichkeit, etwas zu verbessern. Tatsache war für die Staatssekretärin, dass Österreich mit seiner unterdurchschnittlichen Repräsentanz von Frauen in Politik und Wirtschaft auf sehr viel Talent und sehr viel Potenzial verzichte. Ein kleines Land, das im internationalen Wettbewerb steht, könne sich dieses Defizit längerfristig nicht mehr leisten, warnte Marek.

Heinisch-Hosek für verpflichtende Quotenregelungen in Führungspositionen von Unternehmen

Bundesministerin Gabriele HEINISCH-HOSEK eröffnete ihr Statement mit den Worten "Es passt einfach noch nicht" und betrachtete die heutige Diskussion als längst überfällig. Frauen seien nach wie vor noch nicht entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung in den politischen Gremien vertreten. Aber nicht nur das: Auch im Berufsleben sei der Frauenanteil bei den Vollerwerbstätigen geringer und variiere von Bundesland zu Bundesland. Für die Ministerin ging es nun darum, jene Faktoren und Zusammenhänge zu erkennen, die zu dieser unterschiedlichen Repräsentanz führen. Unumgänglich war für Heinisch-Hosek dabei das Thema Kinderbetreuung, bei dem sie zu einem Umdenken aufrief. Die Betreuung sei nicht Aufbewahrung, sondern Bildung, betonte sie und forderte Betreuungseinrichtungen in den Bundesländern, die auf die Lebensrealität von berufstätigen Eltern abgestimmt sind. Weiters bekannte sich Heinisch-Hosek zu verpflichtenden Quotenregelungen in Führungspositionen von Unternehmen.

"Frauen gegen Männer" sei aber der falsche Weg, es gehe nur gemeinsam in Seilschaften, die beide Geschlechter mit einbeziehen, stand für sie fest.

Zuerst befassten sich die TeilnehmerInnen mit dem Themenblock:

Frauen in den nationalen Parlamenten – ein internationaler Vergleich

Hauch: Sanktionen für Nichterreichen der Quote

Gabriella HAUCH (Institut für Frauen- und Geschlechterforschung/Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte) wies darauf hin, die Anerkennung, dass Frauen gleich wie Männer zu politikfähigen Staatsbürgerinnen erklärt wurden, habe international zu unterschiedlichen Zeiten stattgefunden. Neuseeland sei 1893 das erste Land gewesen, in dem das aktive Frauenwahlrecht eingeführt wurde, 1894 folgte Australien erstmals auch mit dem passiven Frauenwahlrecht. Erstes Land in Europa war Finnland 1906. Zu einer zweiten Welle der Einführung des aktiven und passiven Frauenwahlrechts kam es nach dem Zweiten Weltkrieg, wiederum in einer Phase gesellschaftspolitischer Umbrüche; nun waren Italien, Frankreich und die Staaten des so genannten real existierenden Sozialismus darunter. In Deutschland und Österreich kam es nach dem Nationalsozialismus quasi zu einem Anknüpfen an die untergegangenen demokratischen Zeiten, aber ohne den frauenemanzipatorischen Elan aus den zwanziger Jahren. Erst im dritten Jahrzehnt nach Kriegsende wurde nominell wieder die Anzahl von Parlamentarierinnen aus den 1920-er Jahren erreicht. In Österreich war das im Jahr 1975, als mit 14 weiblichen Abgeordneten erstmals die 12 Frauen im Nationalrat von 1920 bis 1923 übertroffen wurde.

Das Ziel einer geschlechterausgeglichenen Zusammensetzung müsse sich das Parlament selber setzen und bei Nichterreichen Sanktionen einführen, meinte Hauch.

Kletzing: Quote ist kein Allheilmittel

Uta KLETZING (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, Berlin) erklärte, Angela Merkel setze wichtige Signale dafür, dass Frauen in der Politik selbstverständlicher werden. Gleichzeitig werde gezeigt, dass "Frau im Amt" nicht gleichzusetzen ist mit Frauenpolitik. Damit Frauengleichstellungspolitik auf die politische Agenda gelangt, bedarf es vieler Frauen in vielen Ämtern, der so genannten kritischen Masse und idealerweise auch Bündnispartnern unter den männlichen Entscheidungsträgern.

Zum Stand von Frauenquoten in der deutschen Parteienlandschaft führte die Referentin aus: Die Grünen und die Linke haben eine sehr weitreichende Frauenquote von 50 %, beide Parteien haben die Quote mit Parteigründung eingeführt. Die Sozialdemokraten haben sich 1988 selbst verpflichtet, Listen für die Bundestags- und Europawahlen mit mindestens 40 % Frauenanteil im Reißverschlussprinzip aufzustellen, die CDU habe 1996 eine befristete und 2001 eine unbefristete Einführung eines Frauenquorums beschlossen; die Parteivorstände auf allen Ebenen haben durchzusetzen, dass Frauen an Parteiämtern der CDU und an öffentlichen Mandaten mindestens zu einem Drittel beteiligt sind. Die Vorstöße zu Quotierungsregelungen in der FDP blieben bisher erfolglos.

Wer ernsthaft und glaubwürdig mehr Frauen in die Politik bringen will, wird an gezielter innerparteilicher Frauenförderung nicht vorbeikommen, unterstrich Uta Kletzing. Die Quote stellt – das zeigen Studien – kein Allheilmittel dar, weil sie unterlaufen werden kann; sie sorge dafür, dass Frauen in politische Entscheidungspositionen kommen, sie könne aber nicht gleiche Bedingungen für Frauen und Männer, wenn sie in den Entscheidungspositionen sind, herstellen.

Brauneder: Gesetzliche Quotenregelung widerspricht der repräsentativen Demokratie

Die Kandidatenaufstellung durch die wahlwerbenden Parteien ist aus Sicht von Wilhelm BRAUNEDER (Universität Wien) eine Vorwahl. Der Wähler kann nur aus den aufgestellten Kandidaten auswählen oder er kann die Wahl unterlassen. Die Kandidatenauswahl offeriert dem Wähler seitens der Wahlparteien verschiedene Möglichkeiten der Auswahl, je nach Partei oder Wahlprogramm kann die Vorauswahl bestimmte Bevölkerungsgruppen bevorzugen. Eine gesetzlich fixierte Quotenregelung wäre aus Sicht von Brauneder verfehlt, da auch durch Streichungen und Reihungen das ursprüngliche Konzept verändert werden könne.

Im österreichischen Parteiengesetz gibt es eine Verweisung auf Art. 1 B-VG; dort steht, dass die Vielfalt der politischen Parteien ein Wesensbestandteil der demokratischen Ordnung Österreichs ist; die Vielfalt der politischen Parteien umfasst auch die Kandidatenaufstellung. Daher würde eine gesetzliche Quotenregelung – direkt oder indirekt über Parteienförderung – auch der Freiheit der politischen Parteien und durch die Verweisung auf Art. 1 B-VG auch der repräsentativen Demokratie widersprechen.

Partik-Pable: Mit der Quote erreiche ich keine Qualität in der Politik

Helene PARTIK-PABLE (BZÖ-Parlamentsklub): Große Politikerinnen achten viel zu wenig darauf, Frauen nachzuziehen. Vielleicht protegieren sie deshalb keine anderen Frauen, weil sie es genießen, dass sie "einzigartig" sind, mutmaßte sie. Vor 20 Jahren habe Johanna Dohnal gesagt, die Frauen befinden sich noch immer im Vorzimmer der Macht, der Satz gelte heute noch, denn Frauen sind überall – nicht nur in der Politik – unterrepräsentiert. Als sie, Partik-Pable, 1983 ins Parlament gekommen sei, war der Aufgabenbereich der Frauen auf Sozial- und Familienpolitik konzentriert, nun sind sie auch in anderen Ausschüssen vertreten. Ihrer Meinung nach geht es nicht nur darum, dass der Frauenanteil erhöht wird, sondern es müsse eine Selbstverständlichkeit werden, dass Frauen in allen Bereichen mitarbeiten. Das Mehrheitswahlrecht ist nach Meinung von Partik-Pable nicht so gut für die Frauen als das Verhältniswahlrecht. Sie deklarierte sich auch als Gegnerin der Quote. Man habe nichts davon, wenn im Parlament zur Hälfte Frauen sind, wenn sie nicht über die Grenzen des Parlaments hinauskommen, argumentierte sie. Auch ein Politiker muss Qualitäten aufweisen, mit der Quote erreiche ich diese Qualität nicht, sagte sie.

Jarosch: Quoten allein reichen nicht, begleitende Maßnahmen sind notwendig

Monika JAROSCH (Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft Innsbruck): Weltweit stellten Mitte 2009 Frauen 18,8 % aller Parlamentsmandate. Vor zwei Jahren betrug der Prozentsatz noch 17,4 %, vor vier Jahren 15,9 %. Es gibt auch große regionale Unterschiede, etwa zwischen den nordischen Staaten, Afrika, Asien und den arabischen Staaten. Die Prozentzahlen reichen von Null Prozent in Saudi-Arabien bis hin zu 56 % in Ruanda. Es gibt acht Staaten mit über 40 %-Anteil und 67 Staaten mit über 20 %-Frauenanteil in den Parlamenten und 50 Staaten, die weniger als 10 % Frauenanteil haben. Aufgrund der Quotenregelungen haben Länder wie Argentinien, Costa Rica, Mozambique, Ruanda und Südafrika Frauenanteile in ihren Parlamenten, die mit den nordischen Staaten, die bisher führend waren, konkurrieren und sie teilweise sogar übertreffen. Bemerkenswert sei laut Jarosch, dass Paradedemokratien wie Großbritannien, USA und Frankreich trotz Quotenrecht so weit hinten liegen - das liege an dem dort geltenden Mehrheitswahlrecht.

Österreich liegt heute auf dem 30. Platz. In seinen Bestzeiten 2006 mit kurzfristig 33,9 % Frauenanteil lag Österreich auf Platz 12, war im August 2007 auf Platz 13 und im August 2008 auf Platz 16. Das bedeutet, dass andere Länder zugelegt haben, während in Österreich seit der letzten Wahl der Frauenanteil zurückgegangen ist. Es werde weitgehend widerspruchslos akzeptiert, dass die politischen Vertretungen in Österreich zu mehr als 80 % durch Männer bestellt werden und dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung keine Mitgestaltungsrechte hat.

Quoten werden weitweit immer populärer, immer mehr Staaten oder Parteien entscheiden sich für Quotenregelungen; dass es diese gibt, ist der Ausdruck der Ungeduld von Frauen, die nicht länger auf die versprochene Gleichheit warten wollen, so Jarosch. Quoten allein genügen aber nicht, um eine repräsentative Partizipation zu erreichen, vielmehr sind weitere begleitende Maßnahmen auch für andere Bereiche der Gesellschaft notwendig. Die gesamte politische Kultur muss geändert werden, so Jarosch.

Quotenregelung – Pro und Kontra

In der Diskussion meinte S-Abgeordnete Gisela WURM, Quotierung könne nur wirken, wenn sie mit Sanktionen verbunden ist; sie glaubt nicht, dass eine Quotenregelung verfassungswidrig ist.

V-Abgeordnete Ursula PLASSNIK erklärte, man müsse die Frauen ermutigen, ihnen ein besseres Selbstbewusstsein geben, den Männern klar machen, dass Frauenbeteiligung in der Politik einen Mehrwert bringt, und auch der Jugend mehr Mut vermitteln.

F-Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN betonte, Quoten seien kein Allheilmittel, sie diskriminieren in Wahrheit die Frauen, weil dann nur mehr das Geschlecht ausschlaggebend ist. Politik ist ein Bereich, der familienfeindlich ist, daher entscheiden sich viele Frauen dagegen.

Nach Meinung von B-Abgeordneter Ursula HAUBNER löst die Quote nicht das Problem; Frauen haben andere Lebenskonzepte als Männer und setzen andere Prioritäten, Netzwerke für Frauen wären wichtig. Außerdem müsse man Frauen das "Handwerkszeug" für die Politik mitgeben.

Für G-Abgeordnete Judith SCHWENTNER ist die Quote ein unelegantes Instrument, aber sie wirkt. Auch werde man sich mit Sanktionen auseinander setzen müssen, sagte sie.

V-Abgeordneter Karlheinz KOPF formulierte das Ziel: eine 50-prozentige Repräsentanz von Männern und Frauen und das Durchbrechen der gesellschaftlichen Hierarchien.

S-Abgeordnete Heidrun SILHAVY vertrat die Ansicht, man diskutiere eigentlich über eine Neuaufteilung der Macht, und meinte, eine Geschlechterquote bedingt Qualität – auch für Männer.

Die verpflichtende Quote allein bringt keine Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Machtfunktionen und Entscheidungsprozessen, aber die Quote ist eine wesentliche Voraussetzung, um in die Position zu kommen, hob Monika VANA (Frauenorganisation der Grünen) hervor.

S-Abgeordnete Sonja ABLINGER fragte: Ist es nicht verfassungswidrig, dass den Frauen dieses in der Verfassung stehende Recht auf Gleichstellung in den Parlamenten vorenthalten wird? – Wir brauchen Männerquoten, um die "überbordende Sehnsucht" der Männer nach Mandaten zu beschränken.

Brigitte RUPRECHT (ÖGB-Frauen): Wenn wir Frauen vor Diskriminierung, vor Gewalt und vor Schlechterstellung schützen wollen, dann geht das nur, wenn wir Frauen die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und auch am politischen Leben ermöglichen.

Laut Peter KAISER (Frauenreferent des Landes Kärnten) gibt es eine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen – auch in der Politik. Will man die Ansätze langfristig und nachhaltig verändern, wird man die Gesellschaftspolitik und den Zugang zur Gleichbehandlung verändern müssen. Bis dahin sei die Quote nicht das "Heil aller politischen Schlussfolgerungen", aber das einzige probate statistisch unterstützte und auch zu Erfolg führende Instrument.

Maria RAUCH-KALLAT (ÖVP-Frauenorganisation) bedankte sich bei ihrem Klubobmann, dass er ein Bekenntnis zur "Hälfte der Macht" abgegeben hat. Keine Frau soll zwangsbeglückt werden, es gibt genügend Frauen, die in die Politik wollen und die Qualifikation haben. Man brauche eine verpflichtende und mit Sanktionen ausgestattete Quote, damit sie wirkt, so Rauch-Kallat. (Forts.)