Parlamentskorrespondenz Nr. 827 vom 07.10.2009

Tradierte Rollenbilder und Frauen in den Medien

Enquete Frauen in der Politik - Mehr Frauen in die Politik!

Wien (PK) - Die Enquete wurde sodann mit dem zweiten Themenblock fortgesetzt, der sich vor allem mit den Frauen bzw. der Darstellung von Frauen in den Medien sowie mit den tradierten Rollenbildern in der Gesellschaft beschäftigte.

Hamann: Geschlechtergerechtigkeit ist keine Frauenfrage

Die Journalistin Sibylle HAMANN plädierte für eine stärkere Vertretung von Frauen in der Politik, und zwar nicht damit man ihnen einen Gefallen mache, sondern damit die Politik objektiv besser wird. Denn je vielfältiger Gremien besetzt sind, desto besser sind auch die Entscheidungen, die dort getroffen werden. Dies haben etwa amerikanische Konzerne schon längst erkannt. Auch die Muster, nach denen Parteien ihren Nachwuchs rekrutieren, müssten dringend hinterfragt werden, meinte Hamann, denn derzeit gehe es vor allem um Anwesenheit, Nähe, Gewohnheit, Loyalität und Freundschaft. Und in den Medien sei dies ganz ähnlich. Da offenbar gut Zureden und Abwarten nicht helfe, um eine Veränderung einzuleiten, sollten Quoten gesetzlich vorgeschrieben und bei Nichteinhaltung entsprechend sanktioniert werden, urteilte Hamann. Das Instrument der Quote sei vielleicht nicht elegant, aber es wirke. Es handle sich dabei um ein recht simples und hilfreiches Messinstrument, das objektiv zeige, wo der Normalwert im Geschlechterverhältnis liegt, nämlich bei ungefähr 50 zu 50. Erst wenn eine bestimmte kritische Masse erreicht sei, können die Frauen aus ihrer Frauenrolle heraustreten und als Individuen wahrgenommen werden, war Hamann überzeugt.

Rotraud Perner plädierte für Alternativen zur Quote 

Sie sei natürlich auch dafür, dass mehr Frauen am Gesetzgebungsprozess beteiligt sind, die Quoteneuphorie teile sie jedoch nicht, leitete Rotraud PERNER (Institut für Stressprophylaxe und Salutogenese) ihr Statement ein. Ein bewusster Akt struktureller Gewalt von oben sei nämlich keine adäquate Antwort auf eine gewachsene strukturelle Gewalt, argumentierte die Rednerin. Für sie sei die Quote eine Kampfmaßnahme, die notwendig werden kann. Zunächst müssten aber andere Wege beschritten und transparent gemacht werden, wie Frauen behindert werden, forderte sie. Als Instrumente schlug Perner die Durchführung von öffentlichen Monitorings vor, weil damit Diskriminierungen, die oft auf sehr subtile Weise stattfinden, aufgezeigt werden können. Weiters trat sie für die Aufhebung des Klubzwangs ein. Ein wichtiges Anliegen war ihr auch die Bildung und die Darstellung der Frauen in den Medien, weil in jungen Jahren die Sicht auf die Welt geprägt wird.

Rosenkranz forderte bessere Unterstützung von Müttern und Familien

Die niederösterreichische Landesrätin Barbara ROSENKRANZ befasste sich vor allem mit dem Verhältnis zwischen der realen und der in den Medien bzw. der Werbung gezeigten Lebenswelt von Frauen. Studien über die Darstellung von Frauen im Fernsehen zeigen, dass sich in den letzten Jahren einiges verändert hat und nun ganz andere gesellschaftliche Signale ausgesandt werden, konstatierte die freiheitliche Politikerin. So sind heute etwa 76,1 % der Frauen, die im Fernsehen vorkommen, berufstätig, was aber weit über dem realen Schnitt liege; Hausfrauen kommen fast gar nicht mehr vor. Ähnliche Differenzen gebe es auch hinsichtlich der Darstellung von Singles, der Anzahl der Kinder oder der verheirateten Partner. Während also in den siebziger und achtziger Jahren das in den Medien gezeigte Bild konservativer war als das in der Realität gelebte, ist es heute völlig umgekehrt. Was die Quote angeht, so befürchte sie, es könne damit nicht erreicht werden, dass die Wünsche und Bedürfnisse von Frauen besser berücksichtigt werden. Es müsse natürlich alles getan werden, um die Benachteiligung von Frauen, vor allem von Müttern, zu beseitigen. Deshalb forderte sie eine adäquate pensionsrechtliche Versorgung von Müttern, die Erleichterung des beruflichen Wiedereinstiegs und die Beseitigung der wirtschaftlichen Nachteile von Familien.

Salomon: Österreich-Spezifika der Frauendiskriminierung

Die Journalistin Martina SALOMON ("Die Presse") fragte sich, warum die Einkommensschere in Österreich so besonders hoch sei und warum so wenig Frauen in Führungspositionen zu finden sind. Sie glaubt, dafür gebe es ein paar landestypische Antworten, die viele vielleicht nicht so gerne hören werden. Salomon wies z.B. darauf hin, dass in amerikanischen und deutschen Informationssendungen im Fernsehen viele Moderatorinnen zu finden sind, die über 50 Jahre sind; und dies sei dort eine Selbstverständlichkeit. In Österreich hingegen werden 52-jährige Fernsehjournalistinnen in die Frühpension gedrängt. Ein Grund dafür sei auch das frühere Pensionsantrittsalter für Frauen, das Arbeitnehmerinnen früher alt mache und Karriereschritte verhindere, die 50plus-Männern noch offen stehen. Da Frauen nur eine kürzere Zeitspanne für den Beruf zur Verfügung steht, sei es auch nicht verwunderlich, dass in Österreich besonders viele Managerinnen keine Kinder haben, analysiert Salomon. Außerdem bemängelte die Rednerin, dass viel zu wenig Teilzeitjobs für Frauen mit Betreuungspflichten angeboten werden. Dennoch stehe sie dem Instrument der Quote im Wirtschaftsbereich negativ gegenüber; in der Politik wird es wahrscheinlich nicht ohne gehen. Eine wichtige Bedeutung haben ihrer Meinung nach jedoch Role-models (z.B. Angela Merkel), das Engagement in Frauennetzwerken sowie Solidarität über Parteigrenzen hinweg.

Luise Pusch analysierte den Sexismus in der Sprache und der Politik

Professorin Luise PUSCH (FemBio – Frauenbiographieforschung) konzentrierte sich in ihrem Referat vor allem auf die Themen sexistische Sprache, Sexismus in den Medien und sexistische Politik. Frauen wollen in der Sprache besser sichtbar sein und sie sind mit diesem Anliegen auch schon sehr erfolgreich, erklärte die Rednerin eingangs. In fast allen europäischen Sprachen werden hypothetische Personen und gemischtgeschlechtliche Gruppen, auch wenn nur ein einziger Mann dabei ist, maskulin definiert. Außerdem werden die meisten Bezeichnungen für Frauen aus denen für Männer abgeleitet (der Student – die Studentin). Der Mann als Norm und Standardversion des Menschen wird uns also von den Sprachen aufgezwungen, analysierte die Wissenschafterin. Somit werde bereits in der Grammatik die Geschlechterhierarchie etabliert. Empirische Forschungen haben den Beweis erbracht, dass das Maskulinum keineswegs neutral ist, sondern in den Köpfen der Menschen überwiegend männliche Bilder erzeugt. Was die Medien angeht, so hielt Pusch es für problematisch, dass Frauen kaum leitende Positionen in Medienunternehmen haben und dass ihre gesamte Lebenswelt kaum bzw. verzerrend dargestellt wird. Sie befürwortete daher mit Nachdruck die Quote, weil sie wirkt.

Politik muss frauen- und familienfreundlicher werden

Die Bundesrätin Susanne NEUWIRTH (S) trat für eine verpflichtende 50 %-Quote in den Parteien und allen politischen Gremien ein, die auch Sanktionen vorsieht. Außerdem seien dringend veränderte Rollenbilder für Frauen und Männer, Selbstbewusstseins-Schulungen und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erforderlich.

Eine moderne Politik sei ohne die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern nicht mehr möglich, meinte NR-Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V). Erst dann könne die Vielfalt von Lebenserfahrungen und Realitäten auch in den Entscheidungen wiedergespiegelt werden.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F) hielt es für besonders wichtig, dass Frauen in Leitungsfunktionen nicht darauf vergessen, weibliche Kolleginnen zu unterstützen. Bessere Rahmenbedingungen müssen nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik geschaffen werden, die derzeit besonders familienfeindlich gestaltet ist.

Mares ROSSMANN (Frauenorganisation des BZÖ) gab zu bedenken, dass Männer meist über viel bessere Seilschaften verfügen und ihre Arbeit viel besser verkaufen. Frauen leisten zwar oft dreimal soviel, genießen aber dann im Stillen, was sie geschaffen haben. Ein großes Problem sei auch, dass die politische Arbeitswelt sehr familienfeindlich ist.

Während das Interesse der Medien bezüglich der ORF-Enquete enorm war, hat bis gestern kein Medium etwas über die heutige Veranstaltung berichtet, gab Nationalratsabgeordnete Judith SCHWENTNER (G) zu bedenken. Sie hielt es für wichtig, dass es in ihrer Partei die Instrumentarien der Quote und des "gender-watch" gibt, was aber natürlich nicht heiße, dass die Grünen eine reine Frauenpartei sind.

Weiters meldeten sich noch folgende Rednerinnen zu Wort:

NR-Abgeordnete Gisela WURM (S) sprach vor allem die geringe Vertretung von Frauen in den Gemeinderäten an. Maria RAUCH-KALLAT (Frauenorganisation der ÖVP) thematisierte die Vorbildfunktion der Medien, die ganz wesentlich dazu beitragen, welche Rollenbilder vermittelt werden. Für Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G) war die Quote nicht ein Allheilmittel, aber ein ganz wichtiger und dringender erster Schritt. Nationalratsabgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) verteidigte die Quote, weil sie dazu beitrage, dass Frauen und Männer gleichberechtigt am politischen Leben teilhaben können. Bundesrätin Ana BLATNIK (S) war überzeugt davon, dass es genug kompetente und qualifizierte Frauen für alle politische Positionen gibt. Magdalena SCHWARZ von der Bundesjugendvertretung wies darauf hin, dass sich ihre Organisation vor vier Jahren dazu verpflichtet hat, alle Gremien geschlechterparitätisch zu besetzen. Seitdem gab  es nie ein Problem, engagierte und qualifizierte Frauen für die Positionen zu finden. Die Frauen- und Gleichbehandlungsbeauftragte des Landes Kärnten, Helga GRAFSCHAFTER, setzte sich dafür ein, dass das Bild der Frau in den Medien verändert wird. Die Frau soll nicht als diejenige dargestellt werden, die Unterstützung braucht, sondern als diejenige, die die Gesellschaft mitgestaltet. Der Fraktionsexperte der FPÖ, Robert BODER, plädierte für eine differenzierte Sichtweise und wies auf Diskriminierungen von Männern hin. (Fortsetzung)