Parlamentskorrespondenz Nr. 830 vom 07.10.2009

Dienstleistungsgesetz: ÖVP und SPÖ suchen Zweidrittel-Mehrheit

Beratungen im Wirtschaftsausschuss auf 1. Dezember vertagt

Wien (PK) - Der Wirtschaftsausschuss befasste sich in seiner heutigen Sitzung zunächst mit dem Zweiten Bericht des Biopatent Monitoring Komitees, der positive Auswirkungen der Biopatent-Richtlinie auf Österreichs Biotechnologie-Unternehmen und auf heimische Forschungseinrichtungen dokumentiert. Der Ausschuss nahm den Bericht mit S-V-G-B-Mehrheit zur Kenntnis. Er ist somit enderledigt. An das Plenum weitergeleitet wurden EU-Anpassungen im Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und bei der Abfallbewirtschaftung im Bergbau. Die Debatte über ein Dienstleistungsgesetz wurde vertagt, um Zeit für die Suche nach der dafür notwendigen Zweidrittel-Mehrheit zu gewinnen.  Vertagt wurden auch Initiativen der FPÖ für ö kologisch differenzierte Lkw-Mautgebühren sowie der Grünen für eine Energiewende nach dem Motto "Raus aus Öl, Kohle und Gas".

In der Debatte über den Bericht des Biopatent Monitoring Komitees begründete Abgeordneter Christian Höbart (F) die Ablehnung der FPÖ mit Kritik an der organisatorischen Konstruktion des Komitees, das erst 67 Patente begutachtet und nur zwei Berichte, teilweise auf Basis externer Studien, vorgelegt habe. Höbart sprach von einer "saft- und kraftlosen Organisation".

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) kündigte hingegen die Kenntnisnahme des Berichts durch seine Fraktion an, merkte aber seinerseits kritisch an, der Bericht gehe nicht auf Auswirkungen der Richtlinie in der Landwirtschaft, etwa auf dem Futtermittelsektor, ein. Dort ziehen nämlich gentechnische Kontaminationen immer höhere Kosten für Qualitätskontrollen nach sich, auch mangle es weltweit an gentechnikfreiem Saatgut. Stärker beachtet sehen möchte Pirklhuber auch die starken Monopolisierungstendenzen in der Saatgutproduktion.

Abgeordneter Robert Lugar (B) schloss sich der Kritik der Grünen an und drängte zudem auf Teilnahme jener ehrenamtlich arbeitenden Vertreter im Komitee, die dazu berufen seien, die Auswirkungen der Biopatentrichtlinie auf den Schutz der Konsumenten zu prüfen. Ein diesbezüglicher Antrag Lugars auf Ausschussfeststellung blieb bei der Abstimmung in der Minderheit.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sah keine großen Probleme bei der Umsetzung der Biopatentrichtlinie, regte aber an, nicht nur die Auswirkungen von Patenten zu überprüfen, die beim österreichischen Patentamt angemeldet werden, sondern auch die Auswirkungen europäischer Patente auf Österreich. Hinsichtlich der Probleme ehrenamtlich tätiger VertreterInnen im Komitee bat Matznetter um Vorschläge des Ressorts. Ein Vertreter des zuständigen Infrastrukturministeriums sagte diesbezüglich Gespräche mit den Organisationen zu. Bei der Berichterstattung sei das Biopatent Monitoring Komitee "im Plan", erfuhren die Abgeordneten.  

Strengere Qualitätsstandards für Abschlussprüfer

Anpassungen im Berufsrecht der Abschlussprüfer durch Änderungen im Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz und im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz zielen auf eine EU-Harmonisierung mit streng überprüften Standards und Strafbestimmungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Prüfer und der Prüfungsqualität. Die Regierungsvorlage wurde mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen. Ein V-S-Abänderungsantrag stellte zum Anforderungsprofil eines Qualitätsprüfers klar, dass er mehrere Abschlussprüfungen pro Jahr zu erlassen habe, Abschlussprüfungen müssten den Schwerpunkt seiner Tätigkeit darstellen.

Abgeordneter Bernhard Themessl (F) kritisierte scharf, die vorgesehenen Qualitätsstandards könnten von KMU nicht erfüllt werden, weil sie schon jetzt hohe Prüfungsstandards erfüllen müssten. Ihnen jetzt auch noch einen zusätzlichen Qualitätsprüfer zu geben, würde für viele KMU den Ruin bedeuten. Diese Anforderungen seien allenfalls für Aktiengesellschaften, Banken und Versicherungen sinnvoll, keinesfalls aber bei kleinen und mittleren Unternehmen.

Dem gegenüber hielt Abgeordneter Christoph Matznetter (S) fest, die Qualität von Abschlussprüfungen werde immer wichtiger, weil immer mehr Menschen von der Qualität dieser Prüfungen abhängen. Daher sei es für Wirtschaftsprüfer selbstverständlich, sich im Umfang von 30 bis 40 Stunden jährlich fortzubilden. Es sei sinnvoll, dies nun zu kodifizieren. Kein Wirtschaftsprüfer dürfe sich vor externen Qualitätskontrollen fürchten müssen. Die Einhaltung der Standards, die die Qualitätskontrolle überprüfe, sei ohnehin selbstverständlich.

Auch Abgeordneter Robert Lugar (B) sprach sich eher für eine Verschärfung denn für eine Aufweichung der Qualitätsstandards bei Abschlussprüfungen aus und machte darauf aufmerksam, dass die letzte Finanzkrise wesentlich auch auf sorglose Prüfungen zurückgeführt werden könne. Daher wandte sich Lugar gegen den vorgesehenen Dreiervorschlag bei der Auswahl des Qualitätsprüfers; er präferiere das Zufallsprinzip bei der Auswahl der Prüfer.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) war bereit, die Bedenken der FPÖ ernst zu nehmen, trat aber dennoch für eine Reform der Qualitätsprüfung bei Abschlussberichten ein, weil es gelte, Finanzkrisen zu vermeiden, die aus Mangel an Kontrolle entstünden.

Für eine bessere Kontrolle bei der Abschlussprüfung sprach sich mit Nachdruck auch Bundesminister Reinhold Mitterlehner aus. Von der vorliegenden EU-Anpassung seien lediglich 250 Abschlussprüfer in Österreich betroffen. Bei der Qualitätsprüfung handle es sich nicht um eine zusätzliche Prüfung der Qualifikation, sondern um die Dokumentation absolvierter Fortbildung, stellte der Ressortleiter klar. Gegenüber der FPÖ konnte der Minister keine überschießende Regulierung, keine Schlechterstellung von Betrieben und keine zusätzlichen Kosten feststellen. Das Gesetz bringe lediglich eine Objektivierung der Qualitätssicherung.

Abgeordneter Christiane Brunner (G) kündigte Mitterlehner einen Bericht über die Lage der Buchhaltungsberufe an.  

EU-konforme Abfallbewirtschaftung im Bergbau  

Anpassungen an die EU-Richtlinie zur Bewirtschaftung von Bergbau-Abfällen bringt der Entwurf für ein "Bergbauabfallgesetz" mit Änderungen im Mineralrohstoffgesetz und im Abfallwirtschaftsgesetz, das den Wirtschaftsausschuss mit S-V-Mehrheit passierte. Verlangt wird ein obligatorischer Abfallbewirtschaftungsplan schon im Vorfeld bergbaulicher Tätigkeiten, Sicherheitsleistungen zur Erfüllung der Bewilligungsauflagen, die Wiedernutzbarmachung der für die Abfallentsorgung in Anspruch genommenen Fläche, für die Stilllegung der Anlage und die Beteiligung der Öffentlichkeit am Bewilligungsverfahren.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) kritisierte den Entwurf, weil er unnötige Bürokratie für Bergbaubetriebe mit sich bringe, und sprach von einem Kniefall vor der EU. Bergbaubetriebe bedürften keiner Abfallbestimmungen, weil es sich bei deren Restmaterialien um völlig natürliche Substanzen handle. "Steine bleiben Steine, auch wenn sie zerkleinert werden", so Zanger.

Abgeordneter Robert Lugar (B) schloss sich seinem Vorredner an, kritisierte die hohen zusätzlichen Kosten für die Betriebe und sprach von einer überschießenden Regelung.

Abgeordneter Franz Hörl (V) räumte zusätzliche Kosten für die Wirtschaft ein, die aber in einem Rahmen blieben, mit dem die Betriebe leben könnten. Als novellierungsbedürftig bezeichnete Hörl das Mineralrohstoffgesetz, etwa hinsichtlich des Abbaus von "Flussbausteinen", für den er ein vereinfachtes Verfahren vorschlug.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) begrüßte die neuen Bestimmungen für Abfallwirtschaftspläne und deren finanzielle Sicherstellung sowie die vorgeschriebene Wiederbegrünung und die Beteiligung der Öffentlichkeit. An dieser Stelle setzte aber auch ihre Kritik ein: Betroffene und Bürgerinitiativen hätten nach wie vor keine Parteienstellung im Bewilligungsverfahren. Und nach wie vor bestünden Umgehungsmöglichkeiten für Grundeigentümer, klagte Brunner.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) warnte hingegen davor, den Schotterabbau im Inland bürokratisch zu behindern, weil dies dazu führe, dass dieses schwere Material quer durch Europa herangeschafft werden müsste; die Ökobilanz solcher Transporte sei wesentlich schlechter als ein Abbau möglichst nahe am Ort der Verwendung.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner verteidigte den Entwurf mit dem Hinweis darauf, dass tatsächlich nur Abfälle von den neuen Bestimmungen betroffen seien; die Marktsituation heimischer Betriebe werde in keiner Weise beeinträchtigt.

Dienstleistungsgesetz: Suche nach der Zwei-Drittel-Mehrheit

Vertagt wurde die Regierungsvorlage eines Dienstleistungsgesetzes, mit der sich der Ausschuss erst in seiner Sitzung am 1. Dezember befassen wird. Die Rechtsanpassungen dieses Gesetzes sind vor dem Hintergrund der EU-Dienstleistungsrichtlinie zu sehen, deren Ziel die Schaffung eines echten Binnenmarkts für Dienstleistung ist. Zentrale Punkte der Vorlage sind dabei Verwaltungsvereinfachungen für grenzüberschreitend tätige Dienstleister und Regeln für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, wechselseitige Informationspflichten von Dienstleistern, Behörden und Dienstleistungsempfängern sowie eine Fülle materiellrechtlicher Anpassungen, etwa im Preisauszeichnungs- und Konsumentenschutzgesetz.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S), der den Vertagungsantrag einbrachte, erinnerte daran, dass für die Beschlussfassung dieses Gesetzes eine Verfassungsmehrheit notwendig sei, zumal es sich um eine "kleine Verwaltungsreform" handle. Es gelte daher, bis zur nächsten Sitzung des Ausschusses noch weitere 5-Parteien-Gespräche zu führen.

Abgeordneter Robert Lugar (B) äußerte sich grundsätzlich kritisch zur Dienstleistungsrichtlinie und meinte, es mache keinen Sinn, sich im Dienstleistungsbereich ausländische Konkurrenz ins Land zu holen. Dies sei vor allem in der derzeitigen Wirtschaftskrise kontraproduktiv und werde bloß zu Lohndumping führen, warnte er.

Die Abgeordneten Werner Königshofer und Alois Gradauer (beide F) meldeten ebenfalls schwerwiegende Bedenken gegen die Umsetzung der Richtlinie an und sahen insbesondere Gefahren für die heimischen KMU durch Lohn- und Sozialdumping ausländischer Konkurrenz. Angesichts der hohen Arbeitslosenrate gehe es nicht an, Verwaltungsvereinfachungen für ausländische Dienstleister zu beschließen, bemerkte Königshofer.

Abgeordneter Werner Kogler (G) begrüßte die durch diesen Vertagungsbeschluss nun noch möglichen Parteiengespräche, von denen er sich vor allem Klarheit über Details wie die Genehmigungsfiktion und das sogenannte Normen-Screening erwarte.

Ausschussobmann Abgeordneter Konrad Steindl (V) erhoffte sich von einer ausgewogenen Debatte Klarheit darüber, wie wichtig die Umsetzung dieser Richtlinie gerade für Österreich ist. Er trat vor allem der Kritik von FPÖ und BZÖ entgegen und meinte, Österreichs hochqualifizierte Handwerker brauchten keine Konkurrenz aus Osteuropa zu fürchten, sie würden vielmehr darauf drängen, nun endlich ohne Hindernisse im Ausland arbeiten zu dürfen.

Auch Bundesminister Reinhold Mitterlehner zeigte kein Verständnis für die Einwände von FPÖ und BZÖ und betonte seinerseits, dynamische, erfolgreiche Volkswirtschaften würden aus Export und Import bestehen. Protektionismus und Abkapselung führten letztlich zu Wohlstandsverlust. Er verwies überdies auf Studien, aus denen hervorgehe, dass die Dienstleistungsrichtlinie mit einem hohen Wachstumspotential verbunden ist, und meinte, gerade in der jetzigen schwierigen Zeit sei diese Materie ein Hoffnungsschimmer für die Wirtschaft und insbesondere für heimische KMU. Fest stand für Mitterlehner zudem, dass die Zukunft Österreichs nicht in der Abschottung, sondern in der Internationalisierung liege.

Weitere Initiativen von FPÖ und Grünen vertagt

Vertagt wurde weiters eine Initiative der FPÖ, in der die Abgeordneten Bernhard Themessl und Alois Gradauer steuerliche Entlastungen für Frächter, insbesondere eine Verringerung und Staffelung der Kfz-Steuer für LKW entsprechend dem Schadstoffausstoß und der Motorklasse, sowie eine Ökologisierung der Lkw-Mautgebühren im Sinne eines Bonus-Systems für schadstoffarme Fahrzeuge verlangen.

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (V) wies in seinem Vertagungsantrag darauf hin, dass dieses Thema im Rahmen der generellen Ökologisierung des Steuerrechts und darüber hinaus vermutlich auch im Finanzausschuss behandelt werden müsse.

Auf Vertagung entschied der Ausschuss auch hinsichtlich eines Antrags der Grünen betreffend eine Energiewende nach dem Motto "Raus aus Öl, Kohle und Gas". G-Abgeordnete Christiane Brunner schlug einmal mehr eine Totalreform des Ökostromgesetzes nach Vorbild des deutschen Erneuerbare Energien-Gesetzes vor und verlangte eine längere Förderdauer für Ökostromanlagen, angemessene Tarife, eine generelle Abnahmepflicht, die Aufhebung der Deckelung für Fördermittel und die Festlegung von Energieeffizienzkriterien zur Unterstützung der Technologieentwicklung.

Seitens des Abgeordneten Kurt Gartlehner (S) wurde die Vertagung damit begründet, dass ein entsprechender Entschließungsantrag auf Novellierung ohnehin bereits eingebracht wurde. Bundesminister Reinhold Mitterlehner bemerkte dazu, die Grünen würden "mit voller Kraft offene Türen einrennen". (Schluss)