Parlamentskorrespondenz Nr. 860 vom 14.10.2009

Hundstorfer: Mindestsicherung ist keine soziale Hängematte

50 % der Mädchen konzentrieren sich auf nur drei Lehrberufe

Wien (PK) – Die Arbeitslosigkeit bezieht sich auf die Industrie sowie Jugend und ist männlich. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es keine Entspannung. In Österreich gibt es den geringsten Anstieg an Arbeitslosigkeit – auch bei der Jugend - unter den europäischen Staaten. – Das erklärte Sozialminister Rudolf Hundstorfer im Rahmen einer aktuellen Aussprache im Sozialausschuss. Mit Hilfe der Konjunktur- und Arbeitsmarktpakete sei es gelungen, den Anstieg der Arbeitslosigkeit einzudämmen. Es gibt auch keinen gravierenden Anstieg bei der Dauer der Arbeitslosigkeit und es gibt weniger Arbeitslose als am 1. Oktober und 1. September. Aufgrund der idealen Wettersituation sei ein Rückgang bei der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, die saisonalen Schwankungen kommen nun, was für einige Bereiche der Bauwirtschaft eine Veränderung bedeuten werde.

Eine Zunahme an Beschäftigten verzeichne der Bereich Gesundheit und soziale Berufe. In den ersten neun Monaten konnten zusätzlich 14.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dieser Sektor bleibt voraussichtlich der größte Wachstumsmarkt, merkte Hundstorfer an.

Am 30.9. haben 129.322 Menschen einen Lehrvertrag gehabt, diese Zahl sei höher als 2007, liege aber unter der Zahl von 2008. In einigen Bundesländern gebe es mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende. Ende Oktober/Anfang November kommen noch Lehrstellensuchende hinzu, das sind jene Menschen, die sich nach den ersten acht Wochen in der HTL oder HAK dazu entschließen, einen Beruf zu ergreifen. Man sei dabei, für die jungen Menschen eine Ausbildungsgarantie umzusetzen.

In den Lehrwerkstätten werden 100 Lehrberufe angeboten. 75 % der jungen Mädchen konzentrieren sich noch immer auf 10 Lehrberufe, 50 % der Mädchen auf nur 3 Berufe. Es bestehe aus Sicht des Ministers ein gesellschaftspolitischer Auftrag, zu schauen, dass es zu einer Verbreiterung des Ausbildungsspektrums kommt.

Die meisten Sorgen bereiten die 19- bis 24-Jährigen. Die "Aktion Zukunft Jugend" funktioniere "hervorragend"; 160.000 19- bis 24-Jährige konnten in Jobs vermittelt werden oder haben eine Weiter- und Umschulungsmaßnahme ergriffen. Die Einführung der Jugendstiftung – sie bietet 2.000 Personen die Chance für eine Qualifizierung – habe etwas länger gedauert, weil mit der Wirtschaft intensive Gespräche notwendig waren, erklärte der Ressortleiter. Das Programm, bei dem die Wirtschaft mitzahlt, laufe nun und werde bald ausgebucht sein. Auch der Qualifizierungsbonus werde neu gestaltet. Im Zusammenhang mit der Qualifizierung verwies der Minister darauf, dass 40 % der Arbeitslosen als höchste Schulbildung den Pflichtschulabschluss haben – und oft nicht einmal diesen, fügte er an. Daher soll die Zeit der Arbeitslosigkeit dazu genützt werden, eine Qualifizierung nachzuholen.

Der Sozialminister verwies in seiner Einleitung auch auf Regionalprobleme bei den Lehrlingen, gab bekannt, dass in Tirol 700 Lehrlinge aus Sachsen-Anhalt lernen und meinte, es gebe eine Entfernungsbeihilfe, die 264 € pro Monat beträgt, um Regionaldefizite auszugleichen.

Mit Stand 1. Oktober haben sich 38.937 Personen in 302 Betrieben in Kurzarbeit befunden. Die Zahl der Betriebe werde im Oktober stabil bleiben, im November werden noch fünf Betriebe hinzukommen. Man sei sehr gut unterwegs, so Hundstorfer, weil fast alle Kurzarbeits-Projekte aufgrund von Auftragseingängen abgebrochen wurden.

Bei der "Aktion 500" wurden Veränderungen vorgenommen, weil der gewünschte Effekt nicht eingetreten sei. Es wurde auf ein Coachsystem umgestellt.

Mit der Initiative "Aktion 4000" soll 4.000 Menschen mit Problemen am Arbeitsmarkt die Chance gegeben werden, in Gemeinden, aber auch bei kirchlichen oder karitativen Einrichtungen einen Arbeitsplatz zu finden. Zwei Drittel der gesamten Lohnkosten werden in der "Aktion 4000" über das AMS finanziert. Der Zuschuss für den Lohn wird für maximal ein Jahr gewährt, den Rest muss der Träger selbst bezahlen, unterstrich Hundstorfer. Die "Aktion 4000" habe "voll gegriffen". Es werde kein Lohndumping betrieben, hob er hervor.

Zum Bereich der Alterssicherungssysteme merkt der Minister an, das kapitalgedeckte Pensionssystem habe in der Krisensituation gezeigt, dass es keine dauerhafte Leistung erbringe. Bei der Langzeitversichertenregelung beabsichtige er kein frühzeitiges Auslaufen, auch werde er nicht für ein abruptes Ende eintreten. Auf Koalitionsebene sei man dabei, einen Vorschlag vorzubereiten, der zu Jahresende präsentiert werden soll. Bei der Schwerarbeitsregelung wird es Änderungen geben. Zu der Behauptung, die Menschen flüchteten in die I-Pension, strich der Ressortchef heraus, die durchschnittliche I-Pension betrage bei den Frauen 650 €. – "Das ist keine Flucht, sondern ein gesundheitliches Problem", so Hundstorfer.

"Die Mindestsicherung ist keine soziale Hängematte, sondern ein Trampolin zum Job", sagte der Minister. Es gebe Missbrauchsgrenzen, so könne es eine Kürzung um 20 % und im Wiederholungsfall um 50 % geben. Drittstaatsangehörige erhalten die bedarfsorientierte Mindestsicherung nur, wenn sie ordnungsgemäß 5 Jahre legal in Österreich gelebt haben.

Die Fragen der Abgeordneten bezogen sich u.a. auf die Mindestsicherung und die Verwaltungsreform (F-Abgeordneter Norbert Hofer), flexible Arbeitszeitmodelle, Kurzarbeit (B-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek), die Arbeitssituation im Tourismus und die Stiftung für junge Leiharbeiter (G-Abgeordnete Birgit Schatz), die Lehrwerkstätten (B-Abgeordneter Stefan Markowitz), die Pensionsanpassung und Pensionsharmonisierung in den Bundesländern (V-Abgeordneter August Wöginger), das Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters für Hackler (S-Abgeordneter Dietmar Keck), die Inseratenkampagne des Ressorts (B-Abgeordneter Gerald Grosz), den Pflegebereich (F-Abgeordneter Andreas Karlsböck und V-Abgeordneter Oswald Klikovits) und die Menschen mit Behinderung (G-Abgeordnete Helene Jarmer).

Sozialminister Rudolf Hundstorfer wies nochmals darauf hin, dass die Aktion 4000 laufe, bald ausgebucht sei und – wenn notwendig – überschritten werden könne.

Die Übergangsfristen wurden auf das Maximum ausgedehnt. Deutschland und Österreich seien die einzigen Länder, die die Übergangsfristen voll ausgeschöpft haben. Man werde vertragstreu bleiben; eine weitere Ausdehnung sei vertragsmäßig nicht möglich.

Im Hinblick auf die Verwaltungsreform merkte Hundstorfer an, sein Ministerium sei ein "Musterressort", man habe zig Millionen an Verwaltungskosten eingespart und man werde weitermachen, versprach er.

Die bestehende Schwerarbeitsregelung werde verbessert, um die Möglichkeit zu schaffen, "objektiv" über diese Regelung in Pension gehen zu können.

Laut bestehender Gesetzeslage liegt der Pensionsanpassungswert bei 1,5 %. Mit den Seniorenverbänden werde es Gespräche geben.

Es gibt 300.000 Menschen, die permanent 10 Überstunden pro Woche machen. Um für einen Teil dieser Überstunden Jobs zu erreichen, seien Gespräche notwendig, erklärte der Minister.

Mit dem Freiwilligenbeirat werde man intensive Gespräche über die freiwillige Arbeit führen; dies sei eine große Aufgabe, zumal man die Freiwilligenarbeit brauche, erklärte Hundstorfer Abgeordnetem Grosz.

Rund 15.000 Personen arbeiten in geschützten Werkstätten, diese Werkstätten werden von den Ländern finanziert. Ab November werde eine Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Ländern gebildet, um die Frage der Sozialversicherung für behinderte Menschen in den Werkstätten einer Lösung zuzuführen.

Im Zusammenhang mit der Mindestsicherung stellt sich für den Minister die Frage, wer ausschließlich von dieser Mindestsicherung leben muss. 16.500 Personen seien Dauersozialhilfebezieher; 150.000 Menschen bekommen temporär Elemente der Mindestsicherung; im Schnitt werde sie 7 Monaten lang bezogen. (Schluss Aussprache/Forts. Sozialausschuss)


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