Parlamentskorrespondenz Nr. 894 vom 22.10.2009

Fragestunde mit Finanzminister Josef Pröll

Pröll: Diskussion über neue Steuern schadet dem Aufschwung

Wien (PK) - Vor Eingang in die Tagesordnung der 41. Sitzung des Nationalrats nahm Nationalratspräsidentin Barbara Prammer die Angelobung des neuen FPÖ-Abgeordneten Heinz Hackl vor, der auf das Mandat seines aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Fraktionskollegen Manfred Haimbuchner nachrückt.

In der Fragestunde beantwortete Finanzminister Josef Pröll Fragen der Abgeordneten zu den Themen Besteuerung von Aktieneinkünften, Ausbau der europäischen Finanzmarktaufsicht, Umsetzung des Bankenpakets sowie zur Situation des Staatshaushalts. Einmal mehr bekräftigte der Finanzminister seine Absicht, das Budgetdefizit ausgabenseitig zu reduzieren, und lehnte es ab, über Steuererhöhungen zu diskutieren, weil dies das noch sehr zarte Pflänzchen Aufschwung gefährden würde. Entschlossen ablehnend zeigte sich der Finanzminister gegenüber Vorschlägen der EU, die auf eine Aufweichung des österreichischen Bankgeheimnisses hinauslaufen würden.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S): Welche Schritte werden Sie setzen, dass Einkommen aus Aktienspekulation genauso besteuert werden wie Arbeitseinkommen?

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Finanzminister Josef PRÖLL machte darauf aufmerksam, dass Kapitalerträge mit 25 % besteuert werden und unterstrich die Bedeutung der Wiener Börse für den Finanz-, Kapital- und Wirtschaftsstandort Österreich. Das Steuersystem sei insgesamt ausgewogen, hielt Pröll fest und erinnerte an die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerzahler, insbesondere in den Familien, durch die letzte Steuerreform.

Angesichts einer Abgabenquote von 42 % sehe er die Aufgabe darin, diesen Wert künftig wieder zu senken, sagte der Finanzminister.

Von Abgeordnetem Franz GLASER (V) auf die internationalen Bemühungen um Einführung von einer Finanztransaktionssteuer angesprochen, sagte Minister Pröll, er halte dies für einen richtigen Weg, den er entschieden unterstütze. Die Zahl der internationalen Unterstützer einer internationalen Finanztransaktionssteuer wird immer größer.

Er sei nicht dafür zu haben, eigentumsfeindliche Steuern einzuführen, die den Mittelstand in Österreich belasten, erfuhr Abgeordneter Josef JURY (B).

Abgeordneter Werner KOGLER (G) erinnerte den Finanzminister daran, dass Österreich bei der Kapitalbesteuerung international weit hinten, bei der Besteuerung von Arbeits- und Erwerbseinkommen aber im Spitzenfeld liege. Diesem Einwand trat der Finanzminister mit dem Hinweis auf die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer bei der letzten Steuerreform entgegen und warnte zugleich vor internationalen Vergleichen, die nicht auf alle Bedingungen in den einzelnen Ländern eingehen, etwa nicht auf die wesentlich höhere Kommunalbesteuerung in Großbritannien.

Zum langfristigen Schutz kleiner Anleger, wie ihn Abgeordneter Roman HAIDER (F) forderte, diene die verstärkte Finanzmarktkontrolle, die auf europäischer Ebene durch die Verknüpfung der von der EZB wahrzunehmenden Makrokontrolle und der bei den nationalen Behörden liegenden Mikrokontrolle verstärkt werden soll.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V): Welche Maßnahmen setzt die EU, um einen der Gründe für die Finanzkrise, dass die Bankenaufseher vor allem jeweils nur ihre eigenen Banken kontrolliert und dabei die grenzüberschreitenden Risiken vernachlässigt haben, in Zukunft zu verhindern?

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Der FINANZMINISTER hielt es für wichtig, systemische Risken, die vor der letzten Finanzkrise zu wenig beachtet wurden, stärker zu kontrollieren und die Finanzmarktaufsicht auf europäischer Ebene zu stärken. Es könne nicht sein, dass - wie in der Vergangenheit - Produkte auf den europäischen Finanzmarkt gelangten, die nicht kontrolliert werden. Pröll berichtete vom Widerstand Großbritanniens gegen eine europäische Finanzmarktaufsicht, sprach aber die Erwartung aus, dass es gelingen werde, die verstärkte Finanzmarktaufsicht ab Anfang 2011 in Europa tätig werden zu lassen.

Die von internationalen Beobachtern behauptete "Verhaberung" von Finanzmarktaufsicht, Banken und Politik in Österreich, die Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) zur Sprache brachte, wies Minister Pröll entschieden zurück. Alle an der Kontrolle des Finanzmarkts in Österreich beteiligten Stellen nehmen ihre Aufgabe verantwortungsvoll wahr, sagte der Finanzminister: "Die Österreicher können sich auf ihre Finanzmarktaufsicht verlassen."

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) machte auf das Problem aufmerksam, dass Banken international agierten, die Finanzmarktaufsicht aber national organisiert sei. Vom Finanzminister erfuhr der Abgeordnete, dass der Weg zu einer europäischen Finanzmarktaufsicht mühevoll sein werde, die beabsichtigte Verknüpfung zwischen Makro- und Mikroaufsicht seiner Meinung nach aber einen ersten richtigen Schritt darstelle.

Die Besorgnis des Abgeordneten Wolfgang ZANGER (F), Kleinanleger könnten auch in Zukunft mit hochriskanten und kaum durchschaubaren Finanzprodukten geschädigt werden, zerstreute der Finanzminister mit dem Hinweis, das künftig kein unkontrolliertes Produkt mehr auf dem Markt angeboten werden dürfe. Die Kontrolle werde verstärkt und die Qualität der Beratung verbessert.

Bei der Entschädigung der etwa von der Meinl-Bank geschädigten Anleger sah der Finanzminister die Justiz am Zug (Frage des Abgeordneten Johannes JAROLIM, S).

Abgeordneter Werner KÖNIGSHOFER (F): Was werden Sie unternehmen, um die Hypo Alpe-Adria Bank AG und die Österreichische Volksbanken-AG vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, zumal die Verlustsituation beider Banken zur ersten Hälfte dieses Jahres als dramatisch bezeichnet werden muss?

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Der FINANZMINISTER warnte zunächst vor Unterstellungen gegenüber österreichischen Geldinstituten, räumte aber ein, dass die Situation ernst sei, worin er eine Bestätigung dafür sah, wie wichtig es gewesen sei, das Bankenpaket rasch zu beschließen und zu verabschieden. "Diese Regierung lässt Sparer und Kreditnehmer nicht im Regen stehen", betonte Pröll. Sollte es bei der Kommunalkredit Austria, die wegen gravierender Probleme verstaatlicht wurde, zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, werde dies von der Justiz geklärt werden, zeigte sich der Finanzminister überzeugt.

Von Abgeordnetem Gerhard STEIER (S) auf das Problem von Banken angesprochen, die zu groß seien, um sie in Konkurs gehen lassen zu können, sagte der Minister, der Grundsatz "to big to fail" werde hinterfragt und soll in Zukunft nicht mehr gelten. Man werde über ein neues Bankeninsolvenzrecht nachdenken müssen.

Von den beschlossenen 15 Mrd. € an Mitteln zur Unterstützung von Banken seien bislang 6,5 Mrd. € zugesagt worden. Es bleibe noch Handlungsspielraum, wenn Maßnahmen nötig seien. Derzeit bestünde diese Notwendigkeit aber nicht, erfuhr Abgeordneter Jakob AUER (V) auf seine diesbezügliche Frage.

Abgeordnetem Maximilian LINDER (B) sagte der Finanzminister, er sehe die Kreditklemme deutlich entschärft, räumte aber ein, dass die Risikoaufschläge stark gestiegen seien. Gegenüber Abgeordnetem Werner KOGLER (G) stellte Minister Pröll klar, dass bei der Umsetzung des Bankenpakets harte Verhandlungen mit den Banken geführt wurden und keinerlei Bonuszahlungen in Banken erfolgten, die den Zinsendienst für die staatliche Partizipation nicht leisten könnten. Im Übrigen werde die Umsetzung des Bankenpakets vom Rechnungshof geprüft, teilte der Minister mit.

Abgeordneter Josef BUCHER (B): Werden Sie das im Mai beschlossene und nachweislich auf falschen Zahlen beruhende Budget für das Jahr 2010 durch ein neues, krisengerechteres Staatsbudget ersetzen, um einer explodierenden Staatsverschuldung entgegenzutreten und den Wohlstand der Österreicherinnen und Österreicher zu sichern?

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Finanzminister Josef PRÖLL wies die Behauptung zurück, die Budgets 2009 und 2010 würden nicht halten. Das Budget für das Jahr 2009 werde in der vorgesehenen Bandbreite realisiert, der aktuelle Defizitwert sei besser als veranschlagt. Auch 2010 werde der Voranschlag erfüllt werden können, wenn die aktuellen Prognosen der Wirtschaftsforscher eintreffen. Auch die Verschuldung entwickle sich mit 68,2 % des BIP besser als vorgesehen. Eine "Schuldenbremse", wie sie der Fragesteller verlangte, wäre zum derzeitigen Zeitpunkt kontraproduktiv, weil sie den Aufschwung gefährden würde, sagte der Minister.

Mit Abgeordneter Christiane BRUNNER (G) wusste sich der Finanzminister darin einig, dass der Klimaschutz eine große Herausforderung für Österreich und für die EU darstelle. Er hoffe, dass es den europäischen Regierungschefs gelingen werde, die für den Klimaschutz notwendigen zweistelligen Milliardenbeträge in der EU bereitzustellen. Österreich unterstütze diese Initiative, sagte Pröll.

Von Abgeordnetem Alois GRADAUER (F) auf künftig notwendige Budgeteinsparungen angesprochen, erinnerte der Finanzminister an seine kürzlichen Ausführungen zum Thema Verwaltungsreform und Transferkonto. Für eine wichtige Frage hielt es Pröll, wer das Pensionssystem finanzieren solle, "wenn wir alle älter werden und immer früher in Pension gehen".

Auf die Frage des Abgeordneten Kurt GARTLEHNER (S) nach Unterstützung der F&E-Anstrengungen von Unternehmen bekannte sich der Minister klar dazu, künftig mehr Geld in die Hand zu nehmen, um Österreich zu einer Forschungsdrehscheibe in Mitteleuropa zu machen.

Abgeordnetem Peter SONNBERGER (V) erläuterte der Finanzminister, inwiefern WIFO-Daten in bewährter Weise als Grundlage für die Erstellung von Bundesvoranschlägen verwendet werden.

Abgeordneter Werner KOGLER (G): Können Sie eine Erhöhung der Umsatzsteuer in dieser Legislaturperiode ausschließen?

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Vizekanzler Josef PRÖLL sah das Jahr 2010 als entscheidenden Zeitpunkt auf dem Weg zu einem neuen Aufschwung und zur Überwindung der Arbeitslosigkeit. Zugleich werde es notwendig sein, Entscheidungen darüber zu treffen, wie auf der Ausgabenseite ab 2011 wirksam gespart werden könne, um zu einer Exit-Strategie aus der Verschuldung zu gelangen. Dabei wies Pröll darauf hin, dass Österreich bei allen Werten besser liege als andere EU-Länder. Erfreut zeigte sich der Minister über den Konsens aller 5 Parteien hinsichtlich der Notwendigkeit einer Verwaltungsreform, die rasch zu einer Senkung des Defizits und mittelfristig zu einer Zurückführung der Staatsschulden führen soll.

Abgeordnetem Bernhard THEMESSL (F), der meinte, eine Verwaltungsreform werde zur Budgetkonsolidierung nicht ausreichen, es würde auch zusätzlicher Einnahmen bedürfen, sagte der Bundesminister, er sehne sich nicht nach Steuererhöhungen, weil dies dem Aufschwung schaden und Druck von der Verwaltungsreform nehmen würde.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) wandte sich namens der SPÖ gegen eine Erhöhung der Umsatzsteuer, weil dies alle, auch Menschen mit niedrigem Einkommen, treffen würde. Sie verlangte stattdessen die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer. Der Finanzminister vertrat dem gegenüber den Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit und rechnete Abgeordnetem Konrad STEINDL (V) auf dessen Frage vor, einem Handwerker blieben von einer Brutto-Einnahme von 70 € netto lediglich 20 € übrig. Dies sei der Grund für seinen Vorschlag zur Einführung eines Transferkontos, um Finanzströme transparent zu machen.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) erinnerte an die Forderung seiner Fraktion auf Einführung einer Flat Tax und auf Ausschöpfung aller Einsparungspotentiale. Scheibners Forderung nach rascher Einführung eines umfassenden Transferkontos erteilte der Finanzminister aber eine Absage, dies sei Thema eingehender Gespräche mit dem Koalitionspartner.

Abgeordnete Laura RUDAS (S): Wie hoch ist das aktuelle Risikopotenzial der ÖBFA aus ihren Veranlagungen?

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Finanzminister Josef PRÖLL erläuterte den Abgeordneten die konservative Veranlagungsstrategie der ÖBFA, die es ihr seit dem Jahr 2000 erlaubt habe, insgesamt 300 Mio. € an Gewinnen für den Steuerzahler zu lukrieren. Ihm seien aktuelle Risikopositionen in der Höhe von 380 Mio. € bekannt, allfällige restliche Risiken würden derzeit vom Rechnungshof geprüft.

Insgesamt betrage der Vorteil der SteuerzahlerInnen durch die Tätigkeit der ÖBFA 6,1 Mrd. €, erfuhr Abgeordnete Dorothea SCHITTENHELM (V) auf eine diesbezügliche Zusatzfrage. Vorbehaltlich der diesbezüglichen Rechnungshofprüfung sagte Pröll zudem, Bonuszahlungen an Mitarbeiter der ÖBFA seien ihm nicht bekannt (Frage des Abgeordneten Martin STRUTZ, B).

Abgeordnetem Werner KOGLER (G), der Kritik an Pröll wegen Nichtbeantwortung von Fragen der Abgeordneten, etwa hinsichtlich der Erhöhung der Umsatzsteuer, übte und ihm vorwarf, sich beim Thema ÖBFA hinter dem Rechnungshof zu verstecken, teilte Minister Pröll mit, er beantworte alle Fragen. Die Rechnungshofprüfung der ÖBFA erfolge auf Wunsch der SPÖ.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V): Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand des Amtshilfedurchführungsgesetzes, wodurch es auf Grund der Vier-Parteien-Einigung gelungen ist, schwerwiegende wirtschaftliche Schäden von Österreich abzuwenden?

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Finanzminister Josef PRÖLL informierte über die Umsetzung des Amtshilfedurchführungsgesetzes und sprach von einer schwierigen, aber richtigen Entscheidung, durch die es gelungen sei, die Streichung Österreichs von der "grauen Liste" zu erreichen. Zu den zehn Punkten des Programms zur Bekämpfung der Geldwäsche zählten verschärfte Bestimmungen für Banken, stärkere Kontrollen des Glückspiels und mehr Kompetenzen für die FMA. Gegenüber Plänen der EU für eine Aufweichung des österreichischen Bankgeheimnisses, auf die Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) hinwies, habe er klare Ablehnung signalisiert, teilte Pröll mit und nannte es seine Strategie, mit der EU zu gemeinsamen Beschlüssen zu kommen, die es erlauben werden, das österreichische Bankgeheimnis aufrecht zu erhalten. Der Hinweis auf Offshore-Destinationen anderer EU-Mitglieder spiele dabei eine wichtige Rolle (dazu auch Frage des Abgeordnetem Alexander VAN DER BELLEN, G).

Befürchtungen des Abgeordneten Werner KÖNIGSHOFER (F), das österreichische Bankgeheimnis werde wegen Gleichheitswidrigkeit vor dem Europäischen Gerichtshof nicht bestehen, bemühte sich der Minister mit dem Hinweis zu zerstreuen, alle EU-Rechtsgrundsätze seien beim Beschluss des Amtshilfedurchführungsgesetzes beachtet worden.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) erinnerte daran, der ehemalige Finanzminister Grasser trage durch Zustimmung zur Zinsenbesteuerungsrichtlinie die Verantwortung dafür, dass das österreichische Bankgeheimnis nur so lange aufrecht bleibe, bis sich alle Länder in Europa den OECD-Standards unterwerfen. - Der Finanzminister stellte dazu fest, Grasser sei es gelungen, eine Ausnahme für das österreichische Bankgeheimnis in der EU-Rechtsordnung zu verankern. (Schluss)