Parlamentskorrespondenz Nr. 937 vom 04.11.2009

Verfassungsausschuss: Volkszählung wird auf 2011 verschoben

Abgeordnete für Neugestaltung des Unternehmensregisters

Wien (PK) – Die erste registerbasierte Volkszählung in Österreich soll nicht, wie ursprünglich geplant, im Jahr 2010, sondern erst 2011 durchgeführt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Regierung wurde heute vom Verfassungsausschuss des Nationalrats mit S-V-Mehrheit gebilligt. Er sieht auch vor, die Datenbasis für die Zählung zu erweitern und – auf Basis der bei einer Probezählung gemachten Erfahrungen – weitere Adaptierungen im Registerzählungsgesetz vorzunehmen. Anlass für die einjährige Verschiebung der Zählung sind EU-Vorgaben.

Gemeinsam mit der Volkszählung werden 2011 Arbeitsstätten-, Gebäude- und Wohnungszählungen durchgeführt. Auch der 10-jährige Zählrhythmus bleibt grundsätzlich erhalten. Neu ist die Bestimmung, dass zur Wahrung statistischer Qualitätsstandards Schätzverfahren erlaubt sind. Zudem wird künftig berücksichtigt, wenn jemand seinen Wohnsitz nur kurzfristig ins Ausland verlegt hat. Bei umstrittenem Hauptwohnsitz erhalten die Gemeinden die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Festlegung der Statistik Österreich vorzunehmen, die Letztentscheidung obliegt aber weiter der Bundesanstalt.

Weitere Punkte des von der Regierung vorgelegten Gesetzespakets betreffen die Einrichtung einer Energieausweisdatenbank im Gebäude- und Wohnungsregister durch die Statistik Österreich, die erweiterte Nutzung dieses Registers sowie d ie umfassende Neugestaltung des Unternehmensregisters. Hintergrund dafür ist das geplante Unternehmensserviceportal und die damit verbundene Absicht, sämtliche Verfahrensabläufe zwischen Behörden und Unternehmen künftig weitgehend elektronisch abzuwickeln.

In der Diskussion im Ausschuss ging es allerdings weniger um die Volkszählung und das Unternehmensregister, sondern um von verschiedenen Seiten geäußerte Bedenken gegen geplante Änderungen im Bundesstatistikgesetz. So wiesen die Oppositionsparteien etwa auf eine gemeinsame Stellungnahme der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer hin, die sich gegen Einschränkungen bei der Veröffentlichungspflicht von in Auftrag gegebenen Statistiken wendet. Alle Statistiken, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, müssten in vollem Umfang veröffentlicht werden, schloss sich etwa Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) den Forderungen an und verwies wie Abgeordnete Daniela Musiol (G) auf die Bedeutung eines gleichberechtigten Zugangs zu statistischen Daten.

Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) äußerte zwar Verständnis für die Bedenken der Opposition, lehnte aber im Einklang mit seinen FraktionskollegInnen und der SPÖ einen von der FPÖ eingebrachten Vertagungsantrag ab. SPÖ und ÖVP wollen allerdings bis zu den Beratungen im Plenum die entsprechende Bestimmung nochmals prüfen. Molterer zufolge könnte man zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern unterscheiden und über den Zeitpunkt der Veröffentlichungspflicht diskutieren.

Staatssekretär Josef Ostermayer unterstrich, auch künftig würden bei allen von der Statistik Österreich erhobenen Statistiken die Hauptergebnisse veröffentlicht. Das gelte auch für Statistiken, die nicht auf gesetzlichen Grundlagen beruhten, sondern auf vertraglicher Basis, etwa von Ministerien, in Auftrag gegeben werden. Die Entscheidung über eine Gesamtveröffentlichung obliegt in diesen Fällen allerdings dem Auftraggeber, das entspreche auch der derzeitigen Praxis.

Auf weitere Einwände reagierten die Koalitionsparteien mit einem von Abgeordneter Angela Lueger (S) eingebrachten Abänderungsantrag, der bei der Abstimmung mitberücksichtigt wurde. Dieser sieht vor, wissenschaftlichen Einrichtungen bzw. einzelnen WissenschafterInnen für Forschungsprojekte Zugang zu anonymisierten Mikrodaten von amtlichen Statistiken zu gewähren. Voraussetzung dafür ist, dass aus der Verwendung der Mikrodaten kein kommerzieller Nutzen erwächst. Weiters ist vorgesehen, dass die Statistik Österreich den Statistikrat bei seiner künftigen Verpflichtung unterstützt, sämtlichen Empfehlungen Kostenschätzungen anzuschließen.

Sowohl Abgeordneter Molterer als auch Ausschussvorsitzender Peter Wittmann (S) wiesen in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Kostenbewusstsein und Kostenwahrheit hin. Schließlich würden, so Molterer, Statistiken vom Steuerzahler bezahlt und verursachten auf Seiten der Unternehmen oftmals großen Verwaltungsaufwand.

Der Kritik von Abgeordnetem Fichtenbauer an einer konkreten Bestimmung in Bezug auf das Unternehmensregister wurde hingegen nicht Rechnung getragen. Fichtenbauer sprach sich gegen die vorgesehene Rückmeldeverpflichtung bei offensichtlich unrichtigen Angaben aus und gab zu bedenken, dass damit die "Anonymitätsschranke" durchbrochen werde.

Abgeordneter Wolfang Zinggl (G) kritisierte generell, dass die vorliegende Novelle den bei der Beschlussfassung des Registerzählungsgesetzes eingeschlagenen Trend verstärke und dem "gläsernen Menschen" weiter Vorschub leiste. Abgeordneter Christoph Hagen (B) lehnte das Gesetzespaket mit der Begründung ab, dass es "zu viel Murks" enthalte.

Mit der Regierungsvorlage mitverhandelt wurde eine von der FPÖ beantragte Änderung des Registerzählungsgesetzes, die allerdings keine Mehrheit erhielt. Ziel des Antrags war es, alle zehn Jahre sowohl die Muttersprache als auch die Umgangssprache der Österreicherinnen und Österreicher erheben zu lassen, um damit die Größe der autochthonen österreichischen Volksgruppen und der zugewanderten Volksgruppen zu eruieren. Abgeordnetem Werner Königshofer (F) zufolge wäre es dadurch etwa möglich, den Integrationsgrad von Zuwanderern zu messen und die Förderung für autochthone Volksgruppen zielgerichteter zu gestalten. Vielfach sei es so, dass die Mitglieder der gesetzlich anerkannten Minderheiten als Umgangssprache deutsch verwendeten, während bei Zuwanderern die Muttersprache auch die Umgangssprache sei, erklärte er.

Mit Ausnahme des BZÖ lehnten die anderen Parteien das Ansinnen der FPÖ ab. So meinte etwa Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G), dass es keinen gesetzlichen Änderungsbedarf in dieser Frage gebe. Vielmehr gehe es darum, den Staatsvertrag endlich umzusetzen, bekräftigte er. Abgeordneter Stefan Prähauser (S) erinnerte daran, dass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen von BZÖ und FPÖ mitbeschlossen worden seien.

Auch Staatssekretär Josef Ostermayer sieht, wie er sagte, keinen Sinn darin, eine verpflichtende Erhebung der österreichischen Muttersprache durchzuführen. Ihm zufolge würde eine solche Erhebung 25 Mio. € kosten. Zur in Aussicht genommenen Neugestaltung des Volksgruppengesetzes hielt der Staatssekretär fest, es gebe noch keinen Gesetzesvorschlag der Regierung. Als nächsten Schritt stellte er eine Enquete in Aussicht. Abgeordneter Harald Stefan (F) hatte zuvor gemeint, der Vorschlag, wonach auch Zuwanderer eine Volksgruppe bilden könnten, berge großen Sprengstoff.

Bereits zu Beginn der Sitzung hatte der Verfassungsausschuss den Tätigkeitsbericht des Statistikrats der Bundesanstalt Statistik Österreich für die Jahre 2007/08 einstimmig zur Kenntnis genommen. Darin bescheinigt der Statistikrat der Anstalt nicht nur Objektivität und Unparteilichkeit, sondern verweist auch auf verschiedene Qualitätsverbesserungen bei Datenerhebungen. Gleichzeitig ortet er in manchen Bereichen aber noch Lücken und vermisst ausreichende Metadaten zu den statistischen Registern. Ebenso drängt er auf einen Ausbau der Analysekompetenz.

Abgeordneter Christoph Hagen unterstützte in diesem Zusammenhang namens des BZÖ den Wunsch des Statistikrats, den nationalen Verbraucherpreisindex unbegrenzt fortzuführen.

Kinderrechte könnten schon bald in die Verfassung kommen

Auf Basis einer Petition der Kinderfreunde Oberösterreich und eines Entschließungsantrags der Grünen stand die Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung zur Diskussion. Österreich habe bereits vor 16 Jahren die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, durch den abgegebenen Erfüllungsvorbehalt und die fehlende verfassungsrechtliche Verankerung seien die darin enthaltenen Kinderrechte aber nach wie vor nicht unmittelbar anwendbar, monierten die Grünen zum wiederholten Mal.

Auch bei der heutigen Sitzung wurde der Antrag der Grünen, ebenso wie die Petition, vertagt. Angela Lueger (S) und Silvia Fuhrmann (V) stellten seitens der Koalitionsparteien aber einen baldigen Gesetzesentwurf in Aussicht. Es würden bereits Verhandlungen geführt, betonten sie. Allerdings müssten bestimmte Punkte mit einzelnen Ressorts noch abgesprochen werden.

Grüne, BZÖ und FPÖ zeigten kein Verständnis für die neuerliche Vertagung und verlangten außerdem die Einbeziehung der Opposition in die Verhandlungen. Schließlich benötige man für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat, betonte Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G). Auch Kinder- und Jugendorganisationen sollten ihr zufolge in den Diskussionsprozess einbezogen werden.

Vom Ausschuss gleichfalls vertagt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ betreffend den Pensionssicherungsbeitrag für BeamtInnen. Geht es nach Abgeordnetem Werner Herbert und seinen FraktionskollegInnen sollen BezieherInnen von Beamtenpensionen künftig keinen Pensionssicherungsbeitrag mehr leisten müssen, wenn der Ruhebezug unter der ASVG-Höchstpension liegt.

In der Debatte bekräftigte Herbert die Forderung seiner Partei und wurde dabei auch von den beiden BZÖ-Abgeordneten Ernest Windholz und Christoph Hagen unterstützt. Hagen machte darauf aufmerksam, dass die Zahlung des Pensionssicherungsbeitrags etwa auch viele Exekutivbeamte treffe, deren Pension zwischen 1.800 und 2.000 € betrage.

Abgeordneter Rudolf Plessl (S) hielt dem entgegen, dass jene BeamtInnen, die einen Ruhebezug in der Höhe von 80 % ihres Letztgehalts erhalten, gegenüber jüngeren BeamtInnen bevorzugt seien. Zudem verwies er darauf, dass bei einer Streichung des Pensionssicherungsbeitrags 210 Mill. € im Budget fehlen würden. Ihm zufolge wird sich eine Arbeitsgruppe der Regierung mit der Frage befassen.

Regierungswerbung: Koalitionsparteien stellen Richtlinie in Aussicht

Schließlich vertagten die Abgeordneten mit S-V-Mehrheit einen Entschließungsantrag des BZÖ, der darauf abzielt, die Empfehlungen des Rechnungshofs in Bezug auf staatliche Informations- und Werbemaßnahmen umzusetzen. Abgeordneter Ernest Windholz meinte, die Regierung wäre "klug beraten", den Empfehlungen zu folgen, und untermauerte dies mit Zahlen, denen zufolge allein zwischen Juli und September 2008, also knapp vor den letzten Nationalratswahlen, 8,9 Mio. € für Regierungsinserate ausgegeben worden seien.

Seitens der Koalition bekräftigten Abgeordneter Günther Kräuter (S) und Staatssekretär Josef Ostermayer das Vorhaben, die Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Kräuter vertröstete die Opposition jedoch auf die nächste Sitzung des Verfassungsausschusses, da ihm zufolge noch einige Fragen zu klären sind. Zu den von Windholz genannten Zahlen merkte Ostermayer an, in den betreffenden Zeitraum falle etwa auch eine lang zuvor geplante Initiative des Verkehrsministeriums für mehr Verkehrssicherheit. In den Inseraten sei der damals zuständige Minister nicht einmal vorgekommen.

Im Anschluss an die Sitzung des Verfassungsausschusses setzte der zum Thema Verwaltungsreform eingesetzte Unterausschuss seine Beratungen über eine Reform der Schulverwaltung fort (siehe PK Nr. 879/2009). (Schluss)