Parlamentskorrespondenz Nr. 963 vom 10.11.2009

Jugendliche werden in Bundesmuseen bald keinen Eintritt mehr zahlen

Kulturausschuss befasst sich mit Kunstbericht und Kulturbericht 2008

Wien (PK) – Der Gratiseintritt für Jugendliche in Bundesmuseen rückt näher. Wie Unterrichtsministerin Claudia Schmied heute im Kulturausschuss des Nationalrats bekannt gab, soll dieses Vorhaben wie geplant mit 1. Jänner 2010 umgesetzt werden. Begleitend dazu sind spezielle Vermittlungsprogramme geplant. Die Ministerin will außerdem, wie sie ankündigte, bis Ende November die neuen Museumsordnungen erlassen und noch heuer einen "Masterplan" für Infrastrukturprojekte im Museumsbereich erarbeiten. Der Nachfolger von Bernd Lötsch als neuer Leiter des Naturhistorischen Museums sollte ihr zufolge bis spätestens Anfang Dezember feststehen.

Grundlage für die Beratungen im Ausschuss bildete der Kulturbericht 2008, der die Abgeordneten nicht nur zu zahlreichen Fragen an die Ministerin, sondern auch zu grundsätzlichen Stellungnahmen veranlasste. So hob Abgeordnete Christine Muttonen (S) in Anbetracht der Wirtschaftskrise die Bedeutung der staatlichen Förderung von Kunst und Kultur hervor. Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) regte mit Hinweis auf eine aktuelle Studie der Wirtschaftskammer Wien die Befreiung der Bundestheater von der Kommunalabgabe an. Abgeordnete Heidemarie Unterreiner (F) forderte generell mehr Mittel für den Museumsbereich. Seitens der Grünen kritisierte Abgeordneter Wolfgang Zinggl die prekäre Situation im Völkerkundemuseum. Abgeordneter Stefan Petzner (B) mahnte ein generelles Konzept zur Zukunft der Bundesmuseen ein.

Eingeleitet wurde die Diskussion durch FPÖ-Kultursprecherin Heidemarie Unterreiner. Sie gab zu bedenken, dass es im Museumsbereich zahlreiche "Baustellen" gebe und nannte beispielsweise die Kunstkammer des KHM, das "20er Haus" und das Haus der Geschichte. Außerdem vermisste sie Evakuierungspläne für Kunstgegenstände im Katastrophenfall und erinnerte in diesem Zusammenhang an den Wassereinbruch in der Albertina. Angesichts des Besucherrückgangs in einigen Museen regte Unterreiner an, gemeinsam mit der Österreich Werbung zu überlegen, wie Touristen verstärkt in Museen gelockt werden könnten.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) wies darauf hin, dass in den kommenden Jahren viele Investitionen im Museumsbereich anstünden. Er mahnte die Erstellung einer Prioritätenliste sowie eines Zeit- und eines Finanzierungsplans ein. Eingehend befasste sich Zinggl dabei mit der Situation im Völkerkundemuseum, das, wie er meinte, seit Jahren "brach liegt" und um dessen Sammlungen sich niemand kümmere. Er sah dringenden Handlungsbedarf und plädierte für die Einrichtung eines "Museums der Kulturen", in das das Völkerkundemuseum und das Volkskundemuseum integriert werden sollten. Auch bezüglich des Naturhistorischen Museums drängte Zinggl auf Änderungen.

Abgeordnete Silvia Fuhrmann (V) erkundigte sich nach dem weiteren Procedere hinsichtlich der geplanten neuen Museumsordnungen. Sie selbst wandte sich dagegen, die Eigenverantwortung der Museumsdirektoren zu schmälern und sprach in diesem Zusammenhang etwa die Bestellung von Stellvertretern an. Weiters thematisierte Fuhrmann die Ausschreibung der Leitungsfunktion im Museum Moderner Kunst (MUMOK). Ihr Fraktionskollege Peter Sonnberger erkundigte sich nach Initiativen der Ministerin zum Thema Baukultur.

Seitens des BZÖ drängte Abgeordneter Stefan Petzner auf einen Masterplan zur Zukunft der Museen. Abgeordneter Stefan Markowitz trat für erweiterte und einheitliche Öffnungszeiten des Pathologisch-Anatomischen Bundesmuseums ("Narrenturm") ein. Abgeordneter Josef Jury forderte angesichts der Leseschwäche von VolksschülerInnen eine stärkere Förderung von Bibliotheken.

Sowohl Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) als auch ihre Fraktionskollegin Sonja Ablinger brachten den geplanten freien Eintritt für Jugendliche in Bundesmuseen zur Sprache. Königsberger-Ludwig machte außerdem auf das erfolgreiche Projekt "Österreich liest" aufmerksam.

Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) verwies auf eine Studie der Wirtschaftskammer Wien, die belege, dass der Wirtschaftsstandort Wien enorm von den Bundestheatern profitiere. Durch die Bundestheater seien österreichweit 7.106 Arbeitsplätze, davon 6.600 in Wien, gesichert, skizzierte sie. Angesichts des finanziellen Engpasses an den Bundestheatern könnte Wien einen Finanzierungsbeitrag leisten, meinte sie und regte etwa die Abschaffung der Kommunalabgabe für die Bundestheater an.

Weiters von den Abgeordneten angesprochen wurden die Ausschreibung für die Leitung des Naturhistorischen Museums (Abgeordneter Ewald Sacher, S), problematische Werkverträge im Rahmen der Provenienzforschung (Abgeordneter Harald Walser, G), Ausgaben unter dem Titel Kulturinformation (Abgeordneter Gerhard Kurzmann, F) und die UNESCO-Konvention zum Schutz von Kulturgütern (Abgeordneter Werner Neubauer, F). Neubauer forderte auch das Schließen etwaiger Lücken im Denkmalschutz und eine Durchforstung bestehender Kompetenzüberschneidungen.

Kulturministerin Claudia Schmied hielt im Rahmen der Beantwortung der von den Abgeordneten aufgeworfenen Fragen fest, im Bereich der Bundesmuseen harre, was Infrastrukturmaßnahmen betrifft, ein ganzes Bündel von Projekten der Umsetzung. Sie nannte u.a. die Kunstkammer des KHM, das "20er Haus", das Völkerkundemuseum, den Tiefspeicher der Österreichischen Nationalbibliothek und angedachte Veränderungen im Museumsquartier. Ihr Ressort sei gerade dabei, einen "Masterplan" zu entwickeln, in den auch Finanzierungsmodelle eingearbeitet werden sollen. Auf Basis dieses Plans will Schmied dann, wie sie erklärte, Verhandlungen mit Finanzminister Pröll führen. Fertig soll der Plan bis zum Jahresende sein.

Was die neuen Museumsordnungen betrifft, kündigte Schmied an, bis Ende November die diesbezügliche Verordnung zu erlassen. Zum Begutachtungsentwurf des Ressorts sind ihr zufolge 20 Stellungnahmen eingelangt, die Wünsche der Direktoren werde sie "nicht zu 100 % erfüllen können". Ihr sei eine klare Verantwortungsregelung wichtig, sagte Schmied, und sie sei auch für eine größtmögliche Eigenständigkeit der Museen, man müsse aber zwischen Eigenständigkeit und Eigenmächtigkeit unterscheiden. Im Sinne von "Corporate Governance" brauche es auch in den Museen Aufsichtsgremien mit entsprechenden Befugnissen.

In Bezug auf die finanzielle Dotierung der Bundesmuseen und der Bundestheater machte Schmied geltend, dass sie – nach 7 Jahren gleichbleibender Förderung – eine deutliche Erhöhung der Basisabgeltung erreichen konnte. Bei den Bundestheatern wird es ihr zufolge ab 2011 allerdings erneut einen maßgeblichen Finanzbedarf geben. Derzeit ist eine externe Evaluierung beauftragt, in deren Rahmen nicht nur die Höhe des Finanzbedarfs eruiert, sondern auch Rationalisierungsreserven aufgespürt und die Struktur der Bundestheater geprüft werden sollen. Schmied erwartet bis zum Ende des Jahres einen Bericht. In ihren Verhandlungen konzentriere sie sich jedenfalls auf den Finanzminister, betonte die Ministerin, Gespräche mit der Stadt Wien halte sie nicht für zielführend.

Für die Leitung des Naturhistorischen Museums haben sich laut Schmied 37 Personen beworben, dazu hat eine von ihr eingerichtete Findungskommission weitere 5 KandidatInnen gefunden. In den vergangenen Tagen haben Hearings stattgefunden. Den Nachfolger bzw. die Nachfolgerin von Bernd Lötsch will Schmied Ende November, Anfang Dezember bekannt geben. Die Bewerbungsfrist für die Leitung des MUMOK läuft noch bis zum 16. November.

In Bezug auf das Haus der Geschichte liegen nach Auskunft Schmieds nunmehr Detailkonzepte zur politischen Beurteilung bei den zuständigen Ministerien. Der unter Federführung des Bundeskanzleramts eingerichtete Beirat für Baukultur wird am 19. November eine Klausurtagung abhalten. Die Situation im "Narrenturm" wertete Schmied als nicht optimal, es gebe Überlegungen, das Museum in einen bestehenden Museumsbetrieb zu integrieren.

Im Bereich des Denkmalschutzes ist laut Schmied eine Gesetzesnovelle in Ausarbeitung. Über die UNESCO-Konvention zum Schutz von Kulturgütern werden Gespräche mit dem Justizministerium geführt. Ein Bundesgesetz für Bibliotheken beurteilte Schmied aus Finanzierungsgründen als "unwahrscheinlich", das Ministerium bemühe sich aber, Projekte wie etwa die Lesefestwoche über die Bibliotheken abzuwickeln.

Bei der Abstimmung wurde der Kulturbericht von SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen zur Kenntnis genommen. Dem Bericht ist unter anderem zu entnehmen, dass 2008 insgesamt fast 14 Prozent mehr Personen den Museen einen Besuch abstatteten als im Jahr 2007, wobei vor allem die Albertina und das Belvedere nennenswerte Zuwächse zu verzeichnen hatten. Die Besucherzahlen der Bundestheater gingen hingegen leicht zurück. Sowohl die Museen (96,5 Mio. €) als auch die Theater (139 Mio. €) erhielten 2008 eine deutlich höhere Basisabgeltung als im Jahr zuvor, insgesamt gab der Bund für Kulturangelegenheiten im Jahr 2008 311,06 Mio. € (2007: 293,9 Mio. €) aus. Umfasst vom Kulturbericht sind insbesondere die Bundesmuseen, die Bundestheater (Burgtheater, Staatsoper und Volksoper), die Österreichische Nationalbibliothek und der Denkmalschutz.

Claudia Schmied für gesetzliche Absicherung der Filmförderung

In weiterer Folge wandte sich der Ausschuss dem Kunstbericht 2008 zu. Dem Bericht zufolge standen im Jahr 2008 für die Kunstförderung des Bundes 89,7 Mio. € zur Verfügung, wobei mehr als ein Viertel aller Mittel auf sechs Institutionen entfiel: das "Theater in der Josefstadt" (6 Mio. €), die "Salzburger Festspiele" (5,5 Mio. €), das Wiener "Volkstheater" (4,9 Mio. €), die "Bregenzer Festspiele" (2,6 Mio. €), die Philharmoniker (2,3 Mio. €) und das "Theater der Jugend" (2 Mio. €). Darüber hinaus bildete die Filmförderung im vergangenen Jahr einen Förderschwerpunkt. Kunstfördermittel gab es außerdem für andere Bühnen (ohne Bundestheater), Literatur, Film, Architektur, Design, Musik, Mode, Fotografie, Medienkunst, regionale Kulturinitiativen, die Nachwuchsförderung sowie die Unterstützung einzelner KünstlerInnen, etwa durch Stipendien, Projektförderung, Preise und Werkankäufe. - Der Bericht wurde mit S-V-B-Mehrheit zur Kenntnis genommen und vom Ausschuss "enderledigt".

Kulturministerin Claudia Schmied nennt sowohl im Kunst- als auch im Kulturbericht die Kulturvermittlung ein zentrales Anliegen. Sie möchte, wie sie in beiden Berichten schreibt, erreichen, dass möglichst viele Menschen an Kunst und Kultur teilhaben können, und will in diesem Zusammenhang u.a. zeitgemäße Vermittlungsmethoden und die Weiterbildung von LehrerInnen forcieren.

Von Abgeordneter Heidemarie Unterreiner (F) auf Pläne für eine Zusammenlegung der Kunst- und der Kultursektion angesprochen, sagte Bundesministerin Schmied eingangs der Debatte: "Das ist ein Gerücht". Kritik erntete die Ministerin von Unterreiner für die Praxis, "Liebkinder der SPÖ" wie Robert Menasse und Thomas Glavinic Jahr für Jahr zu fördern, obwohl diese Autoren ohnehin gut verdienten. 

Mit Abgeordneter Silvia Fuhrmann (V) teilte die Ministerin das Anliegen, das Film- und Fernsehabkommen mit dem ORF finanziell abzusichern und es auch gesetzlich zu verankern, weil dies im Interesse der österreichischen Filmproduktion notwendig sei. Schmied appellierte an die Abgeordneten, sie in ihrem diesbezüglichen Bemühen zu unterstützen. Für unbedingt notwendig hielt die Ministerin auch die jährlichen 20 Mio. € an Produktionsförderung zugunsten des Films.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) sah es positiv, dass die Schere zwischen der Förderung reproduktiver Kunst und der Förderung von zeitgenössischen Kunstinitiativen zumindest nicht weiter aufgegangen sei. Mit Erfolg warb Zinggl bei der Ministerin für die Fortsetzung der Förderung der Kulturinitiative "Soho in Ottakring". Weiters trat er für eine bessere Aufteilung der Literaturförderungsmittel ein und erinnerte die Ministerin an ihre Absicht, die Filmförderung zu erhöhen.

Abgeordneter Josef Jury (B) lobte die verbesserte Förderung ländlicher Kulturvereine und -initiativen. Das sei sehr wichtig für den ländlichen Raum, er hoffe, dass das so bleibe.

Die Abgeordneten Peter Sonnberger (V) und Sonja Ablinger (S) blickten auf das Kulturhauptstadtjahr in Linz zurück und machten darauf aufmerksam, das viel Neues und nachhaltige Projekte gefördert wurden. Förderungsgelder des Bundes seien in Linz gut investiert worden. Die von Abgeordneter Ablinger zur Sprache gebrachte Internationalisierung der Kunstförderung erläuterte die Ministerin, indem sie neue Schwerpunkte in der Stipendienpraxis und das "Artist in Residence-Programm" darlegte. Für 2010 habe sie einen Aufruf an die Kulturforen gerichtet, Künstlerinnen und Künstler verstärkt zu fördern, die im Ausland das zeitgenössische Bild Österreichs vermitteln.

Im weiteren Verlauf der Debatte beantwortete die Ministerin Detailfragen der Abgeordneten Gerhard Kurzmann (F) und Harald Walser (G), etwa über die Förderung des Architekturzentrums Wien sowie über die Kosten für den Erwerb des Vorlasses von Peter Handke durch das Literaturarchiv in der Höhe von 500.000 €, von denen der Bund 350.000 € in drei Jahrestranchen übernimmt.

Spezielle Vermittlungsprogramme für seh- und hörbehinderte Menschen

Auf Basis eines Antrags der FPÖ fasste der Kulturausschuss einstimmig eine Entschließung, die auf eine bessere Teilhabe von Menschen mit Seh- und Hörbehinderungen am kulturellen Leben abzielt. Unterrichtsministerin Claudia Schmied soll demnach prüfen, wie Vermittlungsprogramme für Menschen mit Behinderungen forciert werden können. Im ursprünglichen Antrag hatte die FPÖ etwa auf ein Projekt des Belvederes mit dem Titel "Anders sehen" verwiesen, das darauf aufbaut, sehbehinderten Menschen die Kunstwelt durch Berühren, Hören oder Riechen näher zu bringen.

Keine Mehrheit fand hingegen ein Entschließungsantrag der FPÖ betreffend die Schaffung eines neuen Gesetzes zum Schutz österreichischer Kulturgüter. Abgeordneter Werner Neubauer bemängelte, dass die heimische Gesetzgebung derzeit den Begriff Kulturgut gar nicht kenne und es juristisch daher keinen Unterschied mache, ob man ersetzbare Baumaterialien, alltägliche Elektrogeräte oder wertvolle Kulturgüter entwende. - In der Debatte widersprach der Antragsteller den Abgeordneten Sonja Ablinger (S), Silvia Fuhrmann (V), Wolfgang Zinggl (G) und Stefan Petzner (B), die unisono die Auffassung vertraten, dass Kulturgüter in Österreich sowohl durch nationale als auch durch internationale Regelungen ausreichend geschützt seien. (Schluss)


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