Parlamentskorrespondenz Nr. 973 vom 12.11.2009

Nationalrat: Grüne fordern pro Jahr 200 Millionen mehr für die Unis

Sondersitzung zur Situation der Universitäten

Wien (PK) - "Umsetzung der Beschlüsse des Nationalrats vom 24.9.2008 zur Finanzierung der Universitäten" lautet der Titel des Antrags der Grünen, der in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats dringlich behandelt wurde. Die Sitzung wurde von Zweitem Präsidenten Fritz Neugebauer eröffnet, der aufgrund der Lektüre des Stenographischen Protokolls der 43. Nationalratssitzung in der letzten Woche dem Abgeordneten Peter Pilz (G) einen Ordnungsruf erteilte. Pilz hatte in einer Wortmeldung den Ausdruck "Verbrechen der ÖVP" verwendet.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK begründete den Dringlichen Antrag der Grünen mit der ihrer Ansicht nach Besorgnis erregenden Situation an den Universitäten und deren chronischer Unterfinanzierung. Die Probleme dürften nicht weiter unter den Teppich gekehrt werden, forderte sie. Es gehe nicht darum, Symptome zu bekämpfen, sondern im Dialog eine grundsätzliche Lösung zu finden. Nicht nur die Uni "brennt", sagte Glawischnig, sondern das gesamte Bildungssystem. Sie sei schon gespannt, welche Antworten die Regierung heute gebe.

Gegen Wissenschaftsminister Johannes Hahn kündigte Glawischnig einen Misstrauensantrag der Grünen an. Sie warf Hahn krasse Realitätsverweigerung vor und kritisierte, dieser habe zu spät Gespräche angeboten. Zudem ist Hahn ihrer Meinung nach durch seinen bevorstehenden Wechsel nach Brüssel nicht handlungsfähig und nicht paktfähig. In diesem Sinn mahnte die Klubobfrau der Grünen die rasche Bestellung eines neuen Wissenschaftsministers ein.

Kritik übte Glawischnig aber auch an Bundeskanzler Faymann und an Finanzminister Pröll. Statt in Bildung zu investieren, investiere Österreich "in Beton", beklagte sie. Faymann ist ihr zufolge gefordert, das mehrfache Versprechen des Parlaments umzusetzen, das Universitätsbudget sukzessive bis zu einem zweiprozentigen Anteil am BIP zu erhöhen.

Respekt zollte Glawischnig den Studierenden. Sie gab zu bedenken, dass diese ihre Anliegen breit formuliert und nicht nur auf ihre eigenen Probleme aufmerksam gemacht hätten. Studierende, die für eine bessere Bildung eintreten, als Belästigung und Störung zu qualifizieren, wertete sie als unangebracht.

Bundeskanzler Werner FAYMANN hielt fest, er stimme in vielen Punkten mit den Ausführungen von Abgeordneter Glawischnig überein. Es gebe Missstände in einzelnen Bereichen der Universitäten, die dringend behoben werden müssten, sagte er. Österreich habe außerdem eine zu niedrige Akademikerquote, eine überdurchschnittlich lange Studienzeit, und der Hochschulbesuch hänge in großem Maß von der Bildung der Eltern ab.

Gleichzeitig gab Faymann allerdings zu bedenken, dass das Universitätsbudget zuletzt nachvollziehbar erhöht worden sei. So habe das Hochschulbudget im Jahr 2001 1,05 % des BIP, 2006 1,08 % des BIP und 2008 1,3 % des BIP betragen. 2009 und 2010 würden jeweils zusätzlich 300 Mio. € zur Verfügung gestellt. Auch das Ziel, bis zum Jahr 2020 einen BIP-Anteil von 2 % zu erreichen, wird laut Faymann weiter verfolgt. Voraussetzung für die Erreichung des Ziels ist ihm zufolge aber wirtschaftspolitischer Erfolg.

Ausdrücklich sprach sich Faymann gegen Studiengebühren aus. Er stehe auch heute noch zum im September 2008 gefassten Beschluss, bekräftigte er. Finanzielle Schranken seien, so der Kanzler, nicht die richtige Antwort auf die problematische Situation an den Universitäten.

Generell machte Faymann geltend, dass es bereits im Kindergartenalter Förderung brauche. Seiner Ansicht nach gibt es zuwenig Kindergartenplätze und zuwenig ganztägige Schulformen in Österreich.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) brachte den von seiner Fraktionskollegin Glawischnig angekündigten Misstrauensantrag gegen Wissenschaftsminister Hahn ein. Er habe Erfahrungen gemacht, die diesen Misstrauensantrag direkt erzwingen, meinte er. Grünewald zufolge existiert in vielen Teilen der Regierung und in vielen Teilen des Wissenschaftsministeriums "so etwas wie ein schwarzes Loch". Er habe das Gefühl, es herrsche verbreitete Ahnungslosigkeit, was es bedeute zu forschen, zu lehren und zu studieren.

Die Regierung habe, so Grünewald, viele Chancen verspielt und betreibe eine rein defensive und passive Bildungspolitik. Die aktuelle Situation werde beschönigt und jene, die sie kritisierten und Verbesserungsvorschläge machten, "oft in ein Eck gestellt". Gleichzeitig vermittle man Studierenden, sie seien an den Universitäten nicht erwünscht. Die Studierenden hätten als erste die Finger in eine offene Wunde gelegt, unterstrich Grünewald, man brauche solch unbequeme StudentInnen.

SPÖ-Klubobmann Josef CAP bekräftigte, es werde keine Einführung von Studiengebühren in Österreich geben. Für ihn ist es bezeichnend für die soziale Lage der Studierenden, dass 42 % neben ihrem Studium regelmäßig und weitere 18 % fallweise arbeiten würden. Dazu kämen 25 %, die während der Semesterferien einen Job annehmen.

Die jetzigen Probleme an den Universitäten sieht Cap vor allem in der Vergangenheit begründet. Forschung und Lehre seien jahrelang "krass unterfinanziert" gewesen, skizzierte er. Gleichzeitig habe an den Universitäten eine Entdemokratisierung stattgefunden, die ÖH sei geschwächt worden. Bei den Studentenprotesten handle es sich, so Cap, um eine moderne Protestbewegung mit realem Grund, auch wenn man, wie er sagte, nicht alle Forderungen und Methoden teilen müsse.

Skeptisch äußerte sich Cap in Bezug auf die Entwicklung an den Universitäten infolge des Bologna-Prozesses. Die Verschulungs- und Ökonomietendenzen seien kritisch zu sehen, erklärte er, "wir wollen keine Fließband-Akademiker".

Bevor Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER der nächsten Rednerin das Wort erteilte, gab sie bekannt, dass BZÖ, FPÖ und Grüne gemeinsam einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der "Causa Kasachstan" und von Vorkommnissen rund um den Kauf der bulgarischen "MobilTel" eingebracht haben. Die Diskussion über den Antrag findet im Anschluss der Debatte über den Dringlichen Antrag statt.

Abgeordnete Beatrix KARL (V) sprach sich im Gegensatz zu ihrem Koalitionspartner für die Wiedereinführung "moderater" Studiengebühren aus. Sie erinnerte daran, dass es durch die Einführung von Studiengebühren gelungen sei, die durchschnittliche Studiendauer von 14 Semestern auf knapp 12 Semester zu senken, die Zahl der inaktiven StudentInnen von 40 % auf 15 zu reduzieren und mehr Studienabschlüsse zu erreichen. Der 24. September 2008 sei ein "schwarzer Tag" für die österreichischen Universitäten gewesen, sagte Karl, SPÖ, FPÖ und Grüne hätten in einer "beispiellosen Husch-Pfusch-Aktion" und trotz eindringlicher Warnung seitens der Rektoren die Studiengebühren abgeschafft. Gebe es die Studiengebühren noch, hätten die Universitäten ihr zufolge nun mehr Budget.

Karl trat aber auch für umfassende Zugangsbeschränkungen ein und begründete dies mit positiven Erfahrungen beim Medizinstudium. Demnach ist die Drop-Out-Quote auf 4,8 % gesunken – gegenüber 50 % in den neunziger Jahren -, die Studienbedingungen hätten sich verbessert und die Studierenden würden schneller mit dem Studium fertig. Auch an Fachhochschulen und Kunstuniversitäten gibt es laut Karl durch Zugangsbeschränkungen gute Studienbedingungen.

Abgeordneter Martin GRAF (F) warf der Bundesregierung kollektives Versagen in der Universitätspolitik vor und meinte, ein nationaler Kraftakt in der Bildungspolitik wäre notwendig, um die aktuelle Misere zu beseitigen. Jedem Österreicher und jeder Österreicherin, die die Voraussetzungen und den Willen für ein Studium mitbringen, müsse es möglich gemacht werden, ein Studium zu absolvieren. Der Wissenschaftssprecher der FPÖ wies darauf hin, dass die Zahl österreichischer ordentlicher Hörer an den Universitäten in neun Jahren lediglich um 17.000 zugenommen habe, ein "Ansturm", der zu bewältigen sein sollte. "Wir haben nicht zu viele StudentInnen, in Wahrheit braucht Österreich mehr Studierende", zeigte sich Abgeordneter Graf überzeugt.

In Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung sprachen sich die Abgeordneten Norbert HOFER (F), Ewald STADLER (B) und Peter PILZ (G) dafür aus, die Sitzung zu unterbrechen, um in einer Präsidialkonferenz über die Situation zu beraten, die im aktuellen Untersuchungsausschuss entstanden sei, nachdem die ÖVP mit Unterstützung der SPÖ "beschlossen hat, den Untersuchungsausschuss langsam zu beenden und abzudrehen". Der konkrete Vorwurf lautete, ÖVP und SPÖ weigerten sich, Auskunftspersonen in den Untersuchungsausschuss zu laden, was aber unerlässlich sei, um den Untersuchungsauftrag des Ausschusses erfüllen zu können. Zudem forderte Abgeordneter Norbert Hofer Nationalratspräsidentin Prammer auf, zu einer konsensualen Praxis bei der Einberufung von Nationalratssitzungen zurückzukehren. Sonst sei zu befürchten, dass von Seiten der Opposition immer dann Geschäftsbehandlungsdebatten verlangt werden, wenn der ORF die Übertragung der Sitzung unterbreche. 

Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER bekannte sich ihrerseits zu einer konsensualen Vorgangsweise bei der Einberufung von Nationalratssitzungen und sprach sich dafür aus, über die aufgeworfenen Fragen zum Untersuchungsausschuss in der morgigen Präsidialkonferenz ausführlich zu beraten. In diesem Sinne äußerten sich auch Klubobmann Josef CAP (S) und ÖVP-Abgeordneter Werner AMON.

Im Anschluss an die Debatte über den Dringlichen Antrag wird eine Debatte über die von den Oppositionsparteien beantragte Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Causa "Kasachstan und MobilTel" stattfinden, kündigte Präsidentin Barbara PRAMMER an.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) warf der SPÖ vor, faule StudentInnen zu unterstützen, die auf den Straßen demonstrierten, und zugleich mit der ÖVP einen einstimmig beschlossenen Untersuchungsausschuss "abdrehen zu wollen". Die SPÖ sollte sich auch die Frage stellen, warum sie in den letzten drei Jahren, in denen sie an der Regierung war, nichts zur Lösung der Probleme an den Universitäten unternommen habe. Das BZÖ habe jedenfalls kein Verständnis dafür, wenn fleißige StudentInnen von DemonstrantInnen abgehalten werden, ihr Studium fortzusetzen und zu beenden. Bucher sprach sich für Sanktionen gegen Studierende aus, die Hörsäle besetzten, und erinnerte an Bruno Kreisky, der einmal sagte: "Ich lasse mich nicht von ein paar Lausbuben erpressen". Der Vorschlag des BZÖ zur Lösung der Probleme an den Universitäten laute auf eine 5.000 €-Bonus-Card für österreichische MaturantInnen und AbsolventInnen von Studienberechtigungsprüfungen.

Bundesminister Johannes HAHN kündigte konsensorientierte Gespräche mit den Studierenden, Sozialpartnervertretern und Experten an, die darauf gerichtet sein sollen, Verbesserungen an den Universitäten herbeizuführen. Der Bundesminister hielt es für ein Problem, dass sich andere Institutionen des tertiären Bildungssektors, etwa die Pädagogischen Akademien, ihre StudentInnen per Eignungstests aussuchen könnten, dort abgewiesene Studierende aber ohne Eignungstest ein Lehramtsstudium an einer Universität beginnen können. Deutsche Studierende sah Hahn nicht als das zentrale Problem der Universitäten an. Groschenfuchserei sei an dieser Stelle nicht sinnvoll, da es gelte, die Mobilität der StudentInnen in Europa zu erhöhen. Hahn gab auch zu bedenken, dass im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ebenso viele ÖsterreicherInnen in Deutschland studieren wie Deutsche in Österreich. Der Wissenschaftsminister verteidigte sein Budget und meinte, es sollte ihm erst einmal jemand nachmachen, die Ausgaben für die Universitäten in Zeiten wie diesen um 25 % zu steigern. Er setze auf Gespräche mit dem Ziel, einen breiten Konsens über die Gestaltung der Universitäten in der Zukunft zu erreichen.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) wies die Behauptung des BZÖ zurück, es handle sich bei den demonstrierenden StudentInnen um linke Anarchisten. Er habe vollen Respekt vor den StudentInnen. Er könne keine Überschwemmung der Universitäten mit deutschen StudentInnen erkennen, sagte Van der Bellen, und wies darauf hin, der Studentenaustausch zwischen Österreich und Deutschland entspreche den Bevölkerungsrelationen. Ein internationales Publikum sei für die Universitäten wichtig, sagte Van der Bellen. Die Internationalisierung der Universitäten sei Voraussetzung dafür, internationale Professoren nach Österreich zu bringen, was für die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten wichtig sei. In diesem Zusammenhang zitierte Van der Bellen den jüngsten OECD-Bericht über Österreich und appellierte an die SPÖ, weiterhin zu den gemeinsamen Beschlüssen vom September 2008 zu stehen und dem grünen Antrag zuzustimmen. Denn das geltende Budget berücksichtige diesen Beschluss nicht. Die Universitäten drohten, internationale Reputation zu verlieren, sagte Van der Bellen und warf der ÖVP vor, mit einer Diskussion über Studiengebühren am Thema vorbeizureden. "Wir brauchen Milliarden, nicht ein paar Millionen", schloss Van der Bellen.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) stellte fest, die Situation der Studierenden habe sich während der letzten Jahre verschlechtert, nachdem die Budgets in den Jahren 2000 bis 2006 gesenkt wurden. Angesichts dieser Politik des Kaputtsparens bezeichnete Kuntzl die Kritik des BZÖ an der SPÖ-Politik der letzten drei Jahre als "Chuzpe". Die Abgeordnete wies auch Attacken auf "faule Studierende" zurück und machte auf den wachsenden Druck und die überfüllten Hörsäle aufmerksam, unter dem die Studierenden, von denen viele arbeiten müssen, zu leiden haben. Einmal mehr wandte sich die Rednerin gegen Studiengebühren, die nur dazu dienen sollen, junge Menschen von den Universitäten fernzuhalten. Es sei vielmehr zu begrüßen, wenn junge Menschen, die nach der Matura keinen Job bekommen, studierten, denn Österreich brauche mehr und nicht weniger Studierende.

Abgeordneter Werner AMON (V) unterbreitete einen V-S-Entschließungsantrag zur zukunftsorientierten und nachhaltigen Weiterentwicklung des österreichischen Hochschulraumes samt Verbesserung der Qualität der Bildung und Ausbildung an den Universitäten und Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Verbessern wollen ÖVP und SPÖ auch die Rahmenbedingungen für Studierende, und sie drängen auf die schrittweise Umsetzung des Zweiprozent-Zieles für 2020 sowie auf eine rasche Vorlage eines Gesamtkonzepts zur Gestaltung des österreichischen Hochschulraumes.

Abgeordneter Martin GRAF (F) unterbreitete seinerseits einen umfangreichen Entschließungsantrag der FPÖ mit einem Zwölf-Punkte-Programm für einen nationalen Kraftakt an den österreichischen Universitäten. Ziel der FPÖ ist eine forschungsgeleitete Lehre, keine "Klassenzimmer-Universität", der freie Universitätszugang für ÖsterreicherInnen, eine qualitätsorientierte Oberstufenreform für die Gymnasien, eine Evaluierung des Universitätsmanagements, 3.000 zusätzliche UniversitätslehrerInnen, die Erreichung des 2 %-BIP-Ziels bis 2015, Online-Studien an allen Universitäten, eine studienplatzbezogene Finanzierung der Universitäten sowie eine Evaluierung des Bologna-Prozesses.

Abgeordneter Ewald Stadler (B) befasste sich nur kurz mit dem bildungspolitischen Thema, indem er meinte, Hahn flüchte nun nach Brüssel und hinterlasse ein Chaos. Er warf ihm vor, nicht zu kontrollieren, wie das Geld, das ihm zur Verfügung steht, verwendet wird, und beschuldigte ihn somit, seine Ministerverantwortung nicht wahr zu nehmen. Ziel von Stadlers Angriffen waren aber SPÖ und ÖVP, weil sie es verhindern, MinisterInnen vor den Untersuchungsausschuss zu laden. Vor allem bezichtigte er die ÖVP, die parlamentarische Demokratie zu beschädigen, wobei die SPÖ mitmache. Stadler attackierte insbesondere den Ausschussvorsitzenden Martin Bartenstein, der offensichtlich seine Bereitschaft, MinisterInnen zu laden, nicht ernst gemeint habe. Abschließend sprach Stadler in Zusammenhang mit der Besuchstätigkeit Wolfgang Schüssels in Bulgarien von "schwarzen Machtstrukturen" sowie von "ÖVP-Machtfilz" und "ÖVP-Parteifilz". Die SPÖ mache beim Vertuschen die Räuberleiter, so Stadler.

Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) hielt den Zeitraum bis zum 25. November, wo Minister Hahn mit den Studierenden erstmals sprechen müsse, für zu lange. Außerdem sollte dazu auch der neue Minister beziehungsweise die neue Ministerin geladen werden, meinte Zinggl, der die Studentinnen und Studenten in Schutz nahm. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Probleme zu lösen, sondern das sei Sache der Politik. Im Parlament habe die Opposition seit Jahren auf die Probleme hingewiesen, sagte Zinggl. Die einzige Antwort seien jedoch Ideen gewesen, wie man das Studium beschränken könne. Offensichtlich seien die Studierenden für die ÖVP das Problem. Der Numerus Clausus in Deutschland zeige die Sinnlosigkeit des Systems auf, weshalb man darüber nicht nur mit Deutschland sondern auch auf europäischer Ebene sprechen sollte. Zinggl brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag ein, in dem die Regierung aufgefordert wird, bilaterale Gespräche zu führen und Ausgleichszahlungen für deutsche Studierende zu verlangen.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) versuchte zunächst Positionen einzelner Parteien aufgrund der bisherigen Diskussion zusammen zu fassen. Bundeskanzler Faymann habe sich für den freien Hochschulzugang ohne soziale und finanzielle Barrieren ausgesprochen, betonte sie. Der Zugang dürfe nicht vom Bildungsstand der Eltern abhängen und der Wirtschaftsminister sollte möglichst bald einen Hochschulplan vorlegen. Dem gegenüber sei der ÖVP-Abgeordneten Beatrix Karl nur die Wiedereinführung der Studiengebühren eingefallen und BZÖ Obmann Josef Bucher habe die StudentInnen im Audimax als "Linkslinke Anarchisten" bezeichnet. Sie stellte sich dezidiert auf die Seite der protestierenden Studierenden, da diese eine parteipolitisch unabhängige, jedoch hochpolitische Diskussion initiiert haben. Oberhauser bekräftigte abschließend, mit der SPÖ werde es keine Wiedereinführung der Studiengebühren geben, und sprach die Hoffnung aus, dass Bundesminister Hahn als zukünftiger Kommissar die EU für dieses Problem sensibilisiert.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) reagierte auf die an ihn gerichteten Anschuldigungen Stadlers mit der Klarstellung, seine Rolle in Bulgarien bestand darin, ein österreichisches Angebot unterstützt zu haben. Er sei auf Einladung der Sponsoren zum Gastspiel nach Sofia gefahren und habe dort zwei Bösendorfer Pianino übergeben. Das sei eine gute Investition gewesen, bekräftigte er. Als Bundeskanzler habe er sich immer für österreichische Unternehmen im Ausland eingesetzt. Es gebe keinerlei parteipolitische Verflechtungen, und wer dies weiter behaupte, der werde geklagt, stellte Schüssel unmissverständlich fest.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ(F) vermisste bei der Bundesregierung ein Reformbewusstsein und sprach sich für die Zusammenlegung des Unterrichts- und Wissenschaftsministeriums aus. Seiner Ansicht nach sollte man den Bologna-Prozess überdenken, wenn nicht sogar aussetzen und im Vorfeld der Hochschule in der Oberstufe der höheren Schulen ansetzen. Rosenkranz kritisierte einmal mehr die standardisierte Matura, da seiner Ansicht nach die geplanten Prüfungsbeispiele zu leicht sind und das Niveau weiter nach unten gedrückt wird. Was die Probleme an den Universitäten betrifft, so hätten die StudentInnen durchaus Recht damit, doch jetzt werde der Protest überstrapaziert. Außerdem verursache die Besetzung enorme Schäden, ärgerte sich Rosenkranz. Er verwies auf den von Martin Graf eingebrachten Entschließungsantrag, der konkrete Vorschläge enthält. Die Position und die Vorgangsweise der Regierungsparteien hielt er für falsch und sah in den geplanten Gesprächen verfehlte Ansatzpunkte. Rosenkranz hinterfragte auch die österreichische Hochschülerschaft und die Zwangsmitgliedschaft, zumal diese keinerlei Einfluss auf die Studentenproteste ausübe.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) thematisierte einmal mehr das Bankenpaket und hielt die Tatsache, dass für diese 15 Mrd. € bereit gestellt werden, für die Universitäten jedoch nur ein Bruchteil dessen, für eine "bildungspolitische Sauerei". In Österreich studieren nach Meinung Widmanns überproportional viele AusländerInnen, außerdem ortete er das wahre Problem an den Oberstufen der höheren Schulen, wo es an ausreichender Beratung mangle. Unter Erinnerung an die Forderungen seines Klubobmanns Bucher rief Widmann zu einem Diskurs aller Betroffenen auf und sprach sich für die Wiedereinführung der Studiengebühren aus. Es sei nicht einzusehen, warum man rund ein Fünftel aller Studierenden, die gar nicht beabsichtigen, ihr Studium zu beenden, im System behalten soll, merkte er an. Die HörsaalbesetzerInnen nannte er "Linkslinke Audimarxisten" und forderte, die Hörsäle räumen zu lassen. Abschließend brachte er einen Entschließungsantrag ein.

Abgeordneter Harald WALSER (G) hielt die Ausführungen seines Vorredners für "unerträglich": "Schämen Sie sich nicht, Studierende, die sich für eine bessere Bildung einsetzen, zu diffamieren?", fragte er. Walser griff auch Finanzminister Josef Pröll scharf an, der seiner Meinung nach jede Reform blockiert. Walser dankte den protestierenden Studierenden, da sie eine Generaldebatte über die Bildung ausgelöst haben. Er unterstützte die Forderung nach einem freien Bildungszugang, denn Österreich habe einen erheblichen Nachholbedarf. Die Akademikerquote sei zu gering, und die größte Selektionshürde für Kinder gebe es bereits mit zehn Jahren. "Raus aus der Ideologiefalle" rief er den Abgeordneten zu und meinte damit vor allem die ÖVP.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) sprach sich dafür aus, Ziele klar zu definieren. Jeder müsse das Recht haben, studieren zu können, sagte sie, und Österreich müsse Bildungsland Nummer eins werden. Junge Menschen müssten kritisch denken und frei ihre Meinung sagen können, betonte Rudas und kritisierte insbesondere die Ausführungen von V-Abgeordneter Beatrix Karl. Die Menschen erwarteten sich von der Politik eine Lösung, und es seien vor allem die jungen Menschen, auf die man bauen müsse.

Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) hielt eingangs fest, die Zukunft Österreichs werde wesentlich von der Zukunft der Bildung, der Wissenschaft und der Forschung beeinflusst. Man brauche ein lebenslanges Konzept für Lernen und Bildung, forderte sie und plädierte dafür, in Zusammenarbeit mit den Betroffenen und nationalen und internationalen ExpertInnen eine gemeinsame Sicht über Qualität und Ressourcensteuerung zu erarbeiten. Mit einem freien Hochschulzugang ohne Reglementierung werde man es nicht schaffen, Bildungsland Nummer eins zu werden, so ihre Überzeugung. Dafür gebe es auf der ganzen Welt kein Beispiel. Was man brauche, das sei ein faktenbasierter und realitätsbezogener Dialog. Österreich benötige nicht mehr Studierende, sondern mehr AbsolventInnen, bemerkte Cortolezis-Schlager und wies darauf hin, dass es in der Zeit, als es Reglementierungen und Studiengebühren gab, auch mehr Studierende einen Abschluss gemacht haben.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) warf SPÖ und Grünen vor, sich auf die Seite des "Linken Mobs" zu stellen, der beispielsweise auch das Recht auf Faulheit erhebe. Das BZÖ habe kein Verständnis für die Besetzung der Hörsäle, weshalb Petzner abermals die Forderung erhob, mithilfe der Polizei das Audimax zu räumen. Das BZÖ sage ja zu den Studiengebühren, ja zu verpflichtenden Studieneingangsphasen und ja zu Zugangsbeschränkungen.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) meinte, dem Bundeskanzler sei es gelungen, Vertreter seiner eigenen Bewegung erfolgreich für europäische Funktionen zu verhindern, indem er einen Wissenschaftsminister am Kulminationspunkt einer Bildungskrise als Kommissar nach Brüssel schickt. Jeder habe anfänglich Verständnis für den Notruf der StudentInnen im Audimax gehabt, doch jetzt hätten dort die BerufsdemonstrantInnen das Sagen, sodass man die Besetzung des Audimax nun differenzierter betrachten müsse. Doch die Unis bräuchten mehr Geld, die Bedingungen müssten verbessert werden, dazu solle man sich an den Verhandlungstisch setzen.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) sprach sich für Studiengebühren aus, von denen sie sich einen positiven Effekt für die Universitäten versprach. Außerdem sei es eine Schande, wenn man seine christlichen Wurzeln verleugne, sagte die Rednerin unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) forderte die Regierung auf, die Hörsäle zu räumen, damit die Jugendlichen wieder etwas lernen könnten.

In der Abstimmung wurden sämtliche Oppositionsanträge, darunter auch der Misstrauensantrag gegen den Wissenschaftsminister, abgelehnt. Der V-S-Antrag zur Weiterentwicklung des österreichischen Hochschulwesens wurde hingegen mehrheitlich angenommen.

Kurzdebatte über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Abgeordneter Ewald STADLER (B) erinnerte an die Vorgeschichte und die Hintergründe des gegenwärtigen Untersuchungsausschusses. Die Regierungsparteien hätten die Ladung von MinisterInnen und Ex-MinisterInnen verbindlich zugesagt, doch nun werde diese Zusage nicht eingehalten. Es habe sich gezeigt, dass es massive Verdachtsmomente gegen verantwortliche Politiker der ÖVP gebe, und denen müsste endlich nachgegangen werden. Ein Untersuchungsausschuss dürfe kein zahnloses Instrument sein. Das sei eine demokratiepolitische Grundsatzfrage. Die SPÖ solle nicht beim Zudecken helfen, sondern dazu beitragen, dass Ex-MinisterInnen und MinisterInnen im Ausschuss Rede und Antwort stehen müssten.

Abgeordneter Otto PENDL (S) erklärte, man habe zugesagt, sollte es erforderlich sein, werde man auch Regierungsmitglieder oder ehemalige Regierungsmitglieder laden. Doch der Untersuchungsausschuss sei definitiv nicht der geeignete Platz für parteipolitische Polemik. Wenn man die Instrumentarien des Parlamentarismus Ernst nehme, dann müsse man sich von der erforderlichen politischen Sachlichkeit leiten lassen.

Abgeordneter Werner AMON (V) unterstrich die Aussagen seines Vorredners und mahnte gleichfalls entsprechende Sachlichkeit ein. Für eine "Politshow" stehe seine Partei nicht zur Verfügung, betonte Amon. Man werde den aktuellen Ausschuss ordnungsgemäß zu Ende bringen, ein neuer sei nicht erforderlich.

Abgeordneter Martin GRAF (F) meinte unter Bezugnahme auf das heutige Datum, auf der einen Seite gedenke man der Republiksgründer, auf der anderen Seite lasse man die Chance verstreichen, der demokratischen Kontrolle zum Durchbruch zu verhelfen. Man müsse die parlamentarischen Instrumente Ernst nehmen und sie auch mit Leben erfüllen.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) wies auf den Ernst der Lage hin. Hier seien systemkritische Persönlichkeiten systematisch verfolgt und bespitzelt worden, und dieser Umstand müsse schonungslos aufgeklärt werden. Und dazu gehöre es, die Justizministerin zu hören. Man habe den Auftrag, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, und an der Erfüllung dieses Auftrags dürfe der Ausschuss nicht gehindert werden.

Abgeordneter Peter PILZ (G) beklagte Amtsmissbrauch, Korruption und Regierungsjustiz. Dies seien politische Verbrechen, die restlos aufgeklärt gehörten. Es sei nachvollziehbar, weshalb sich die ÖVP an dieser Stelle ziere, aber er verstehe nach wie vor nicht, weshalb sich die SPÖ hier zur Verteidigerin der ÖVP aufschwinge. Er appelliere an die Sozialdemokraten, die berechtigten Anliegen der Opposition zu unterstützen.

Der Antrag wurde abgelehnt. (Schluss)


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