Parlamentskorrespondenz Nr. 1061 vom 01.12.2009

Bundesminister Hahn im EU-Ausschuss des Bundesrats

Hahn will als EU-Kommissar in Österreich stark präsent sein

Wien (PK) – Der designierte EU-Kommissar für Regionalpolitik, Bundesminister Johannes Hahn, stellte sich heute im EU-Ausschuss der Länderkammer den Fragen der Bundesrätinnen und Bundesräte. Der Vorsitzende des Ausschusses, Bundesrat Georg Keuschnigg (V/T), zeigte sich besonders erfreut darüber, dass der Bundesrat an dem Tag, an dem der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, zu einer Sitzung mit dem künftigen Kommissar zusammentritt. Der Vertrag sehe die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips und damit ein stärkeres Mitspracherecht der nationalen Parlamente vor, betonte Keuschnigg. Die Parlamente könnten innerhalb von acht Wochen gegen einen EU-Gesetzesvorschlag eine begründende Stellungnahme abgeben, wenn ihrer Meinung nach das Vorhaben nicht in die Zuständigkeit der EU fällt oder in nationale Kompetenzen eingreift.

Die Bundesrätinnen und Bundesräte aller Fraktionen verliehen ihrer Freude darüber Ausdruck, dass Bundesminister Johannes Hahn ein derart bedeutsames und verantwortungsvolles Ressort übertragen bekommt.

Der "Noch-Wissenschaftsminister" und zukünftige Kommissar knüpfte an die einleitenden Worte des Ausschussvorsitzenden an und unterstrich die Bedeutung des Subsidiaritätsprüfungsverfahrens. Das werde auch zu einer Veränderung der Arbeitsweise der europäischen Kommission führen, bemerkte Hahn, indem diese in Zukunft die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten noch enger gestalten müsse. Er selbst verfüge über langjährige Erfahrungen als Parlamentarier und kenne die Sichtweisen der Volksvertretung, sagte Hahn. Gerade im Bereich der Regionalpolitik sei die Rückkoppelung mit der Volksvertretung besonders wichtig. Er werde auch sehr eng und in wechselseitigem Vertrauen und Verständnis mit dem Ausschuss der Regionen kooperieren, versprach er.

Sein Aufgabenbereich verfüge nach dem Agrarressort über das zweitgrößte Budget und sei für ein Jahresbudget in der Höhe von rund 50 Mrd. € zuständig. Der aktuelle EU-Haushalt und das Programm hätten bis zum Jahr 2013 Gültigkeit. Daher werde die intensive Diskussion für den Haushalt 2014 bis 2020 im übernächsten Jahr beginnen. In dieser Phase werde es auch darum gehen, wie man die Initiativen für die Regionen neu gestaltet und wie diese abzuwickeln sind. Ein wesentliches Thema dabei werde die Frage der Kontrolle und der Transparenz darstellen, betonte der Minister und erinnerte an die erfolgreichen Reformen in der Agrarförderung unter Kommissar Fischler.

Die Frage der Kontrolle wurde auch von Bundesrat Albrecht Konecny (S/W) sowie von Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) thematisiert. Die Regionalpolitik sei in höchstem Maß "kontrollbedürftig", bemerkte Konecny. Wichtig seien Selbstkontrolle und die Zusammenarbeit mit den Kontrollorganen, insbesondere mit dem Europäischen Rechnungshof, ergänzte Mühlwert.

Bundesminister Johannes Hahn sah die Aufgaben und Zielsetzungen der Regionalpolitik nicht allein im Bereich der Kohäsionspolitik, das heißt, in der Zusammenführung der Regionen auf ein einheitliches Niveau. Seiner Meinung nach könne es nicht nur um eine infrastrukturelle Entwicklung gehen, sondern auch um die Beseitigung von Defiziten in wohlhabenderen Regionen, etwa im Bereich der Bildung und Ausbildung sowie im Bereich der elektronischen Mobilität. Hahn sprach in diesem Zusammenhang von der Gefahr der Abwanderung und eines "Brain-drain", den es in einigen Regionen zu verhindern gelte. Er bekräftigte auch gegenüber den Bundesräten Efgani Dönmez (G/O) und Franz Perhab (V/St), regionale Energieprojekte fördern zu wollen. Das betreffe nicht nur Megaprojekte, sondern man könne auch mit wenig Mitteleinsatz viel erreichen, wie das Bespiel Güssing zeige, sagte Hahn. Er wolle sich daher stark mit anderen KollegInnen in der Kommission vernetzen.

Bundesrat Albrecht Konecny (S/W) wies insbesondere auf die Bedeutung jener Regionen hin, die über die EU-Grenzen hinaus gehen. Diesen Räumen sollte man seiner Meinung nach besonderes Augenmerk schenken, da es sich dabei um entwicklungsfähige Märkte handle.

Eine besondere Herausforderung für ihn werden auch etwaige Neubeitritte sein, bemerkte Hahn, sowie überstaatliche Kooperationen, wobei er insbesondere die Donauraumstrategie nannte, mit dem Ziel, elektronische Mobilität, Verkehrsinfrastruktur und Institutionen zu entwickeln und auszubauen.

Die Regionalpolitik der EU habe sehr unterschiedliche Interessenlagen zu berücksichtigen, führte Hahn weiter aus. Er glaube daher, dass Österreich aufgrund seiner geographischen Lage, wodurch die Bedürfnisse der osteuropäischen Länder sehr gut eingeschätzt werden können, aber auch aufgrund der Tatsache, dass Österreich Nettozahler ist und bei Geldzuwendungen aus der Regionalförderung nur an 23. Stelle liegt, als ehrlicher Makler gilt und daher mit der speziellen Aufgabe der Regionalpolitik betraut wurde. Hahn betonte in diesem Zusammenhang seinen europäischen Auftrag, ließ aber gleichzeitig keinen Zweifel daran, wie wichtig ihm die Rückmeldungen aus den Mitgliedstaaten und damit auch aus seinem eigenen Land sind. Er lege daher großen Wert auf einen engen Kontakt mit den Bundesrätinnen und Bundesräten. Gemäß einer Anregung von Bundesrat Albrecht Konecny (S/W) wird der Bundesrat sämtliche angenommene Stellungnahmen dem künftigen österreichischen Kommissar zur "wohlwollenden Behandlung" übermitteln.

Hahn bekundete seine Absicht, in Österreich als Kommissar überproportional präsent sein zu wollen. Es sei notwenig, europäische Positionen und Sichtweisen zu erläutern, bekräftigte er gegenüber der Vizepräsidentin des Bundesrats Susanne Neuwirth (S/S), die ihrer Sorge über die Einstellung der Österreicherinnen und Österreicher zur EU Ausdruck verliehen hatte. Als Kommissar habe er auch in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle zu erfüllen, meinte sie, und er könne das Bild der EU bei den Bürgerinnen und Bürgern beeinflussen. Bundesminister Hahn stimmte dem zu und räumte ein, er werde es leichter haben, sein Dossier den Menschen näher zu bringen, als etwa jemand, der sich mit internationaler Politik beschäftigt. Die EU dürfe nicht nur mit Sicht auf den Euro wahrgenommen werden, hielt Hahn fest und merkte an, dass der Vertrag von Lissabon den Schritt hin zu den BürgerInnen leichter mache. Selbstverständlich werde es darauf ankommen, wie die einzelnen RepräsentantInnen ihr Amt nützen. Er glaube, dass es nicht lange dauern werde, bis es in der EU zu einem ersten Volksbegehren kommt, denn die Schwelle, ein solches zu initiieren, sei sehr niedrig.

Nachdem Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) die Bürokratie kritisiert hatte, die insbesondere kleinere Unternehmen stark belaste, stellte Bundesminister Hahn fest, Entbürokratisierung stehe bei der Kommission ganz oben auf der Agenda, sie sei aber eine Sisyphus-Arbeit sowie eine Gratwanderung zwischen Vereinfachung und notwendiger Kontrolle. Nach einigen Vorkommnissen unter Kommissionspräsident Santer habe man ein striktes Kontrollsystem eingeführt, um eine missbräuchliche Verwendung der Gelder weitgehend zu verhindern. Das ändere aber nichts an der Notwendigkeit einer Vereinfachung. Bundesrätin Zwazl sagte er zu, sich für ein Überdenken der Definition, was man unter Klein- und Mittelbetrieben versteht, einzusetzen. Zwazl hatte sich darüber beklagt, dass die aktuelle KMU-Definition der österreichischen Wirtschaftsstruktur nicht Rechnung trage. (Fortsetzung EU-Ausschuss Bundesrat)


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