Parlamentskorrespondenz Nr. 1062 vom 01.12.2009

Kommission will Hürden beim Erben innerhalb der EU abbauen

Bundesrat verlangt klare Definitionen und Abgrenzungen

Wien (PK) - Nach der Aussprache mit Bundesminister Hahn widmeten sich die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats dem Kommissionsvorschlag über eine einfachere Regelung von grenzüberschreitenden Erbrechtsfällen innerhalb der EU. Grundlage dafür war ein Vorschlag der Kommission für eine Verordnung "über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses".

Aufgrund der äußerst unterschiedlichen erbrechtlichen Bestimmungen in den einzelnen EU-Ländern - sowohl hinsichtlich des materiellen Rechts als auch hinsichtlich der Behördenzuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Urkunden - bereiten Erbrechtsfälle mit Auslandsbezug oft beträchtliche Schwierigkeiten. Die EU-Kommission hat daher einen Vorschlag für eine neue Verordnung ausgearbeitet, die einheitliche Kriterien für die Zuständigkeit, für anzuwendendes Recht sowie für die Anerkennung und Vollstreckung vorsieht. Ein "Europäisches Nachlasszeugnis" soll dem Nachweis der Stellung als Erbe, bzw. Erbin, als VermächtnisnehmerIn, als TestamentsvollsterckerIn oder als FremdverwalterIn dienen und in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Das Bundesministerium für Justiz unterstützt in seiner Stellungnahme das Vorhaben grundsätzlich, weil es den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr erleichtern kann, befürchtet jedoch gleichzeitig Eingriffe in nationale Kompetenzen. Die vorliegenden Formulierungen reichen dem Justizressort nicht aus, um sicherzustellen, dass die geplante EU-Verordnung, die unmittelbar und ohne Umsetzung in nationales Recht gültig wäre, nicht in das nationale Verfahrens- und Sachenrecht und in das materielle Erbrecht eingreift. Vor allem befürchtet man einen Eingriff in Sondererbrechte, z. B. in das bäuerliche Anerbenrecht.

Mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ wurde eine Ausschussfeststellung angenommen, in der die geplante Verordnung als weiterer Schritt in Richtung Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts grundsätzlich begrüßt wird. Dennoch bedarf es nach Ansicht der Bundesrätinnen und Bundesräte noch weiterer Klarstellungen, um zu gewährleisten, dass der Verordnungsentwurf nicht in das nationale Verfahrensrecht, das nationale Erbrecht sowie in die nationalen Sachenrechte eingreift. Bedenken werden in der Ausschussfeststellung vor allem hinsichtlich einer möglichen zusätzlichen Belastung der Gerichte und aufwändiger und teurer Verlassenschaftsverfahren für die Erben geäußert.

Die Ausschussmitglieder halten darüber hinaus eine Präzisierung im Zusammenhang mit dem "gewöhnlichen Aufenthalt" für notwendig. Der gewöhnliche Aufenthalt des, bzw. der Verstorbenen allein ist ihrer Auffassung nach als bestimmender Faktor zur Ermittlung, welches Erbrecht nun anzuwenden und welches Land zuständig ist, ohne zusätzliche Regelung nicht ausreichend. Sie bestehen auch auf die Aufrechterhaltung nationaler Sondererbrechte, zum Beispiel das bäuerliche Anerbenrecht, und verlangen verfahrensrechtliche Mindeststandards bei der Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses. Die Ausschussfeststellung folgt damit in weiten Bereichen der Auffassung des Justizressorts.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (F/W) ging die Ausschussfeststellung nicht weit genug, sie plädierte daher für eine völlige Überarbeitung des Kommissionsvorschlags.  

Als Auskunftspersonen standen den Bundesrätinnen und Bundesräten Andreas Pollak und Thomas Traar vorm Justizministerium sowie Rudolf Kaindl, Vizepräsident des Conseil des Notariats de l'Union Européenne (CNUE), Erfried Bäck, öffentlicher Notar, Elisabeth Scheuba von der Österreichischen Rechtsanwaltskammer und Stephan Matyk, Ständiger Vertreter der Österreichischen Notariatskammer in Brüssel, zur Verfügung.

Thomas Traar vom Bundesministerium für Justiz hielt eingangs seiner Stellungnahme fest, die Verordnung regle nicht das materielle Erbrecht. Auch er äußerte Bedenken gegenüber den Formulierungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, da diese nicht klar genug seien und zu langen Verfahren führen könnten, um zu klären, wo denn der gewöhnliche Aufenthalt tatsächlich festzulegen sei. Ebenso problematisch ist seiner Meinung nach der Text hinsichtlich des Erbrechts von Sachen, zum Beispiel bei Liegenschaften. Grundsätzlich hielt er jedoch die Initiative für positiv. Vor allem werde das europäische Nachlasszeugnis wie ein Reisepass für Erben in der gesamten Union gelten. Dieses Nachlasszeugnis müsse jedoch die Rechte aller Erbinnen und Erben wahren, verlangte er.

Ähnlich fiel die Stellungnahme von Rudolf Kaindl (CNUE) aus, da es derzeit große Schwierigkeiten und Hürden in grenzüberschreitenden Erbrechtsfällen gebe. Kaindl trat jedoch dafür ein, den Begriff der öffentlichen Urkunde in Anlehnung an die Definition des EuGH zu präzisieren und eine klare Abgrenzung zu Privaturkunden vorzunehmen. Die Rechtsnatur des Nachlasszeugnisses bedarf seiner Auffassung nach ebenso einer deutlicheren Formulierung. Kaindl teilte die Bedenken gegenüber dem gewöhnlichen Aufenthalt als einzigen Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht und den Gerichtsstandort und schlug vor, von einem "verstärktem gewöhnlichen Aufenthalt" auszugehen, der an ein Zeitkriterium und den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des bzw. der Verstorbenen anknüpft.

Elisabeth Scheuba von der Rechtsanwaltskammer schloss sich den Ausführungen ihrer beiden Vorredner an und schilderte mögliche praktische Schwierigkeiten, sollte man den gewöhnlichen Aufenthalt nicht klarer definieren. Die Mitgliedstaaten der EU verstünden unter diesem Begriff Unterschiedliches, was zu langen Verfahren über die Frage führen könnte, welches Erbrecht nun anzuwenden ist. Außerdem werde durch die geplante Verordnung in die Familienpolitik eines jeden Mitgliedsstaates eingegriffen, sagte Scheuba, allein wenn man an die Ansprüche am Pflichtteil denkt, der in jedem Land anders geregelt ist. Ihr schienen daher die Kompetenzen der EU durch die Verordnung überschritten.  (Schluss)


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