Parlamentskorrespondenz Nr. 1066 vom 01.12.2009

Dienstleistungsgesetz nach wie vor ohne Zweidrittel-Mehrheit

Opposition einig gegen "Machtmissbrauch der Regierung"

Wien (PK) – Wie kommt die Regierung angesichts ihrer aktuellen Probleme mit den Oppositionsparteien - Stichwort Untersuchungsausschuss - im Nationalrat zu einer Zweidrittelmehrheit für jene "kleine Verwaltungsreform", die notwendig ist, damit der europäische Binnenmarkt für Dienstleistungen auch in Österreich funktionieren kann? - Tatsächlich geht es um Regeln für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die Einrichtung eines einheitlichen Ansprechpartners für Kunden und Betriebe und um Anpassungen im Preisauszeichnungs- und Konsumentenschutzgesetz.

Die am 7.10.2009 unterbrochene Debatte über ein Dienstleistungsgesetz setzte der Wirtschaftsausschuss heute unter der Leitung von Ausschussobmann Konrad Steindl fort und reichte den Entwurf mit SV-Mehrheit samt Abänderungen mit Klarstellungen, formalen Verbesserungen und Korrekturen sowie einer Feststellung zur Sicherstellung von Informationen über die Themen Arbeits-, Ausländerbeschäftigungs- und Arbeitnehmerschutzrecht an das Plenum weiter. Die dort für einen Beschluss des Nationalrats notwendige Zweidrittelmehrheit ist aber mehr als fraglich, weil die Oppositionsparteien eine Zustimmung mit Hinweis auf die "Regierungsblockade" gegen die Ladung von Ministern und Exministern im Untersuchungsausschuss verweigern. Über Zustimmung zu Verfassungsgesetzen sei er erst wieder gesprächsbereit, wenn der "Parlamentarismus in Österreich den internationalen Standards" entspreche, formulierte etwa Abgeordneter Werner Kogler (G) und Abgeordneter Robert Lugar (B) untermauerte die "Notwendigkeit einer Notgemeinschaft der Oppositionsparteien", während die FPÖ das Recht der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einmahnte.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner appellierte mit Unterstützung der Abgeordneten Christoph Matznetter (S) und Peter Haubner (V) an die Oppositionsparteien, Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik nicht aus Gründen zu blockieren, die außerhalb des Wirtschaftsausschusses liegen.    

Plenumsreif machte der Ausschuss das neue Tropenholzabkommen sowie Vorlagen, mit denen das Weisungsrecht des Wirtschaftsministers gegenüber den Kammern im übertragenen Wirkungsbereich gesichert und ein Informationsrecht bei der E-Control normiert wird. Die Debatte über das Nabucco-Abkommen, die in eine S-V-Zustimmung mündete, nützten die Oppositionsparteien zu einer grundsätzlichen Energiedebatte. Die Grünen legten Entschließungsanträge für eine ambitionierte Energiestrategie in Richtung erneuerbare Energieträger, konkret auch für neue Biogas-Technologien vor. Diese Anträge wurden ebenso vertagt wie ein BZÖ-Antrag auf transparentere Energierechnungen und für einen leichteren Wechsel des Energieanbieters für Strom- und Gaskunden sowie ein FPÖ-Antrag auf Einrichtung eines Kompetenzzetrums für Luftfahrttechnik in der Region Aichfeld/Murboden.

Steiniger Weg zum Dienstleistungs-Binnenmarkt in Österreich

Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) forderte die Regierungsparteien auf, ihre Blockade im Untersuchungsausschuss zu beenden, damit die Oppositionsparteien 2/3-Materien wiederum zustimmen könnten.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) warnte die Oppositionsabgeordneten vor den Folgen einer weiteren Verzögerung bei der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in Österreich. Österreich habe bei der Formulierung der Dienstleistungsrichtlinie viel erreicht, es wäre daher doppelt peinlich, wenn es bei der Umsetzung dieser Richtlinie Probleme gebe.

Abgeordneter Robert Lugar (B) wies jeden Vorwurf von Seiten der Regierungsparteien an die Oppositionsparteien zurück und konterte mit dem Vorwurf, SPÖ und ÖVP missbrauchten ihre Macht im Untersuchungsausschuss. Dazu kommen inhaltliche Bedenken des BZÖ gegen den Gesetzentwurf.

Abgeordneter Bernhard Themessl (F) erinnerte die SPÖ an ihr Versprechen, sich für ein Minderheitenrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen einzusetzen. Inhaltlich kritisierte Themessl die geplante Schaffung von neun zusätzlichen Landesstellen, die lediglich Poststellen ohne Entscheidungskompetenz darstellen sollen.

Abgeordneter Peter Haubner (V) machte darauf aufmerksam, die Errichtung eines europäischen Dienstleistungs-Binnenmarktes stelle ein Herzstück der EU-Wirtschaftpolitik dar und hielt es für schade, wenn die Opposition die Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinie in Österreich verhindere.

Abgeordneter Werner Kogler (G) begründete die Ablehnung des von den Beamten im Ressorts gut ausgearbeiteten Gesetzes mit der Absicht aller drei Oppositionsparteien, erst dann wieder über die Zustimmung zu Zweidrittel-Materien zu verhandeln, wenn das "österreichische Parlament den Standard eines Parlaments einer westlichen
Demokratie erreicht". Der Vorwurf, Exminister Strasser habe die Staatsanwaltschaft dazu missbraucht um gegen einen Abgeordneten vorzugehen, der Strassers Interventionen bei Postenbesetzungen aufdeckte, bedürfe der Aufklärung im Untersuchungsausschuss. Dazu gehöre die Ladung von Exminister Strasser sowie von aktuellen Regierungsmitgliedern. Außerdem bestehen bei allen Oppositionsparteien inhaltliche Bedenken gegen das Dienstleistungsgesetz, bei den Grünen etwa wegen der "Genehmigungsfiktion".

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) kritisierte die Grünen wegen deren "Gesprächsverweigerung", bemühte sich um Zerstreuung inhaltlicher Bedenken und warnte vor der Vorstellung, beim Thema Dienstleistungsbinnenmarkt durch Nichthandeln etwas erreichen zu wollen.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner hielt fest, Österreich sei verpflichtet, die Dienstleistungsrichtlinie bis 28.12.2009 umzusetzen. Vom Dienstleistungsbinnenmarkt seien Wirtschaftsbelebung, Wachstum und Arbeitsmarkteffekte zu erwarten. Der Gesetzentwurf halte sich eng an die Richtlinie, sollte das Gesetz und die vorgesehene Kompetenzdeckungsklausel nicht in Kraft treten, werde es notwendig und auch möglich sein, alle auftretenden Einzelfälle zu erledigen.

Auf Bedenken der Abgeordneter Christiane Brunner (G), die vorgesehene einheitliche Ansprechstelle würde Umweltorganisationen nicht zur Verfügung stehen, reagierte der Minister mit dem Hinweis darauf, die Richtlinie sehe nur eine Ansprechstelle für Unternehmen vor.

Auch Abgeordneter Konrad Steindl (V) appellierte an die Oppositionsparteien, dem Gesetz im Interesse vieler Handwerker-Arbeitsplätze zuzustimmen.

Abgeordnetem Sigisbert Dolinschek (B), der durch den Dienstleistungsbinnenmarkt Sozialdumping, Lohnkürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen befürchtete, sagte der Minister, bei Löhnen, Sozialrecht und Qualitätsstandards gelte österreichisches Recht. Im Falle einer Nichtumsetzung der Richtlinie befürchte er ein Vertragsverletzungsverfahren und rechtliche Maßnahmen gegen Österreich.

Übertragene Aufgaben der Kammern: Minister sichert Weisungsrecht  

Änderungen in Gewerbeordnung, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz sollen das verfassungsrechtlich gebotene Weisungsrecht des Wirtschaftsministers gegenüber Selbstverwaltungskörpern (Wirtschaftskammer Österreich, Kammer der Wirtschaftstreuhänder) in übertragenen Wirkungsbereichen sichern. Konkret geht es um Verwaltungs-, Aufsicht- und Ausbildungsaufgaben im Bereich von Gewerbeordnung, Wirtschaftstreuhandberufen und bei der Abschlussprüfungs-Qualitätssicherung. - Die Zustimmung des Ausschusses erfolgte mit S-V-G-Mehrheit.

Neues Tropenholzabkommen zur Ratifizierung empfohlen

In weiterer Folge sprach der Wirtschaftsausschuss mit SVFB-Mehrheit die Empfehlung an das Plenum aus, einem neuen Internationalen Tropenholz-Übereinkommen die Zustimmung zu geben. Ziel des Abkommens ist die Förderung der nachhaltigen Erzeugung von Tropenholz und die Ausweitung und Diversifizierung des internationalen Handels mit Tropenholz aus forstgerecht bewirtschafteten Wäldern.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) stimmte dem Abkommen grundsätzlich zu, wollte aber bis zu ihrer definitiven Entscheidung im Plenum wissen, was nachhaltige Nutzung von Tropenholz in den Exportländern tatsächlich bedeute. Ihr Fraktionskollege Werner Kogler wies auf die Kritik von Umweltorganisationen an Umsetzungsdefiziten bei internationalen Tropenholz-Bestimmungen hin und meinte, "an der Ausbeuterei" habe sich wenig geändert.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner informierte die Abgeordneten, "nachhaltig" im Sinne des Abkommens bedeute, geschlägert werde nur, was nachwachse. Maßnahmen gegen illegalen Handel und illegalen Holzeinschlag seien vorgesehen.

Ein von F-Abgeordnetem Christian Höbart erläuterter Entschließungsantrag zur Schaffung eines Kompetenzzentrums für Luftfahrttechnik in der Region Aichfeld/Murboden wurde auf Antrag des Abgeordneten Franz Hörl (V) vertagt. Es fehle nicht an den notwendigen Förderungen für dieses Projekt, sondern an einem Projektbetreiber, der das vorgeschlagene Kompetenzzentrum initiiert.

Abgeordneter Werner Kogler (G) zeigte Verständnis für das Anliegen im Interesse der Region, sah den Antrag aber zu sehr als Versuch, Versprechen einzumahnen, die der Region in der Diskussion um die Eurofighter-Gegengeschäfte gemacht wurden und plädierte seinerseits dafür, Förderungen in grüne Jobs, etwa auf dem Energiesektor, zu investieren. (Fortsetzung)


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