Parlamentskorrespondenz Nr. 1067 vom 01.12.2009

Nabucco-Abkommen passiert Wirtschaftsausschuss

Mitterlehner kündigt Vorlage der Energiestrategie für Jänner an

Wien (PK) – Energiefragen bildeten den zweiten Themen-Schwerpunkt im heutigen Wirtschaftsausschuss. SPÖ und ÖVP stimmten dem Nabucco-Abkommen mit Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Türkei zu. Es bildet die Rechtsgrundlage für das Projekt einer neuen Gas-Pipeline vom Kaspischen Meer über Südkaukasus und Türkei bis zum Hub Baumgarten in Niederösterreich. Die Investitionssumme von 7,9 Mrd. € soll von einem Bankenkonsortium aufgebracht werden. Der Vertrag definiert das Projekt und regelt die Zusammenarbeit der beteiligten Staaten bei der Errichtung sowie beim Betrieb der Nabucco-Gaspipeline bis hin zu Besteuerungs- und Tariffragen.

In der Debatte problematisierten Abgeordnete der Grünen mit Unterstützung von FPÖ und BZÖ die zunehmende Importabhängigkeit Österreichs bei der Energieversorgung. Christiane Brunner, Werner Kogler und Ruperta Lichtenecker beantragten einen Ausbaustopp für Gas-Pipelines und –Kraftwerke und legten Vorschläge für eine langfristige Energiestrategie für Österreich mit folgenden Schwerpunkten vor: Senkung des Energieverbrauchs, Erhöhung der Energieeffizienz, Ausstieg aus fossilen Energieträgern und Atomstromimporten sowie Ausbau erneuerbarer Energieträger. Ziel der Grünen ist es, bis 2020 100 % des Stroms und bis 2030 auch die gesamte Raumwärme aus erneuerbaren Energieträgern zu erzeugen. Der "Jobmotor" Energiewende diene der Konjunktur sowie dem Klimaschutz, argumentierten die Grünen. Die Energiewende sollte zusätzlich mit einer ökologischen und sozialen Steuerreform, die Kohle, Öl, Gas belastet und Steuern auf den Faktor Arbeit senkt, unterstützt werden.

Beim Thema "Erdgas" plädierten die Grünen angesichts der Gaskrise im letzten Winter für ein Biogas-Fördergesetz. Es sieht eine Verpflichtung für Netzbetreiber vor, Biogaseinspeiser anzuschließen und zielt darauf ab, die Entwicklung neuer Vergasungstechniken vorantreiben, vor allem auch für Holz. Bei der Nutzung von Gas als Verkehrskraftstoff rieten die Grünen aber zur Vorsicht und ließen ihre Präferenz für energieeffiziente E-Mobile erkennen. - Die Anträge der Grünen wurden von SPÖ und ÖVP vertagt.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) kritisierte das Nabucco-Projekt, weil es ein Festhalten an fossilen Strukturen bedeute, Zukunftschancen verhindere und die Entwicklung und den Einsatz erneuerbarer Energieträger behindere, der fossile Weg werde "einzementiert". Dies sei unverständlich, weil Österreich gute Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energieträger habe.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) gab Brunner recht, wenn sie auf erneuerbare Energieträger setze, beim Ersatz von Öl und Kohle werde aber auch Gas wichtig und die Nabucco-Pipeline notwendig sein, um die Abhängigkeit Österreichs von der Ukraine-Leitung zu mildern. Schultes brach eine Lanze für die Absicht der OMV, Abgase aus der Erdgasindustrie in alte Erdgaslagerstätten zurückzupumpen und damit den CO2-Ausstoss zu reduzieren.

Abgeordneter Robert Lugar (B) schloss sich den Grünen an und plädierte dafür, den Gasverbrauch einzuschränken, statt durch eine weitere Pipeline auszuweiten. Lugar problematisierte zudem eine neue Importabhängigkeit, im Fall von Nabucco von der Türkei, und sprach sich entschieden gegen die Lagerung von CO2 unter der Erde aus, weil dies die Energieeffizienz mindere und technische Probleme mit sich bringe. Zu fördern sei der Einsatz von Biomasse.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sprach sich mit Unterstützung seines Fraktionskollegen Christian Faul nachdrücklich für das Nabucco-Projekt aus, weil der Ersatz von Öl und Kohle durch Erdgas die CO2-Bilanz verbessere. Auf Erdgas könne nicht verzichtet werden, solange erneuerbare Energieträger fossile Energieträger noch nicht ersetzen können. Nachdrücklich setzte sich Matznetter auch dafür ein, CO2 in alten Gaslagerstätten zu deponieren. Das sei technisch unproblematisch, weil CO2 schwerer sei als Luft und überdies unbedenklich, weil CO2 nicht brennbar und ungiftig sei.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner warb für die Ratifizierung des Nabucco-Abkommens, das keinen Widerspruch zum Ziel bedeute, eine Energiewende zugunsten erneuerbarer Energieträger herbeizuführen. Österreich verfolge dabei sehr ambitionierte Ziele sagte der Minister und kündigte die Vorlage der verlangten Energiestrategie für den kommenden Jänner an. Auf Detailfragen zum Nabucco-Projekt eingehend, sagte Mitterlehner, es handle sich um ein privat finanziertes Vorhaben, das durch einen kleinen EU-Beitrag unterstützt würde. Eine ausreichende Befüllung der Leitung halte er für unproblematisch, weil das Interesse von Gaslieferanten groß sei, in diese Pipeline einzuspeisen.

Kritik der Opposition an der österreichischen Klimaschutzpolitik hielt der Minister entgegen, Österreich werde beim CO2-Ausstoss pro Kopf lediglich von den Atomkraft-Staaten Frankreich und Schweden übertroffen.

Die Abgeordneten Ruperta Lichtenecker und Christiane Brunner (beide G) wiesen auf den sich beschleunigenden Klimawandel, den Nachholbedarf Österreichs bei der CO2-Einsparung sowie darauf hin, dass die österreichischen Ziele beim Einsatz erneuerbarer Energieträger ihrer Ansicht nach nicht ambitioniert genug seien.

Abgeordneter Robert Lugar (B) drängte entschieden darauf, bei den Energie- und Klimaproblemen nicht auf die Zwischenlösung Gas, sondern auf erneuerbare Energieträger zu setzen. An der Energie-Strategie der Bundesregierung bemängelte der Abgeordnete, die Regierung wolle offensichtlich alles belassen wie es sei.

Abgeordneter Christian Höbart (F) schloss sich der Kritik der Grünen und des BZÖ an und warf der Regierung vor, in der Energiepolitik lediglich zu verwalten, statt den Willen zu entwickeln, die Vision einer Energiewende tatsächlich zu realisieren.

Bundesminister Reinhold Mitterlehner beschrieb die Energiestrategie der Bundesregierung mit der Absicht, die Nutzung erneuerbarer Energieträger auf 34 % auszuweiten, die Klimaschutzziele nach der Formel 20:20:20 zu erreichen und zugleich die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Gesamtstrategie werde im Jänner 2010 vorgestellt und auch der EU vorgelegt, ihre Umsetzung soll alle zwei Jahre evaluiert werden. Die angepeilten Ziele werden nur mit einer großen Kraftanstrengung, insbesondere zur Verbesserung der Energieeffizienz sowie bei der Raumwärme und beim Straßenverkehr zu erreichen sein, sagte Mitterlehner.

Auf die Frage der Abgeordneten Christiane Brunner (G) nach der neuen Ökostrom-Tarifverordnung sagte der Minister, er werde diese noch im Dezember erlassen. Das Ökostromgesetz wolle er in Richtung Energiewende weiterentwickeln, sagte Mitterlehner.

BZÖ für transparente Energierechnungen

Auf die Kritik von Energie-Control, Wettbewerbsbehörde sowie Wirtschafts- und Arbeiterkammer wegen mangelnder Weitergabe von Preissenkungen an KMU und private Strom- und Gaskunden durch die Energieversorger reagierte BZÖ-Abgeordneter Robert Lugar mit einem Antrag zur Änderung von Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz, Gaswirtschaftsgesetz und Energie-Regulierungsbehördengesetz. Der Abgeordnete schlug schärfere Vorschriften für Rechnungslegung und Werbung sowie Informationspflichten der Energie-Lieferanten gegenüber ihren Kunden und Erleichterungen für Gas- und Stromkonsumenten vor, die ihren Anbieter wechseln wollen.

Abgeordneter Franz Riepl (S) bezeichnete den Antrag in seiner Zielrichtung als positiv und notwendig und schlug mit Erfolg vor, den Antrag zu vertagen und ihn in die Debatte zur Umsetzung der neuen Energie-Binnenmarktrichtlinie einzubeziehen. Riepl trat für eine einheitliche Energie-Rechnungslegung für ganz Österreich ein.

Energie-Control Kommission wird Aufsicht des Ressorts unterstellt

Die Absicht der Bundesregierung, das Recht des Wirtschaftsministers im Energie-Regulierungsbehördengesetz zu verankern, sich "als Aufsichtsbehörde über alle Gegenstände der Geschäftsführung der Energie-Control Kommission" zu unterrichten, unterstützten im Wirtschaftsausschuss SPÖ und ÖVP. Derzeit unterliegt die Energie-Control Kommission - eine weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag - keiner Aufsicht. Eine Abberufung der Kommission ist gemäß Erläuterungen von Gesetzes wegen auch in Zukunft ausgeschlossen. - Abgeordnete der Opposition lehnten eine Zustimmung wegen der "Regierungsblockade im Untersuchungsausschuss" ab. (Schluss)


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