Parlamentskorrespondenz Nr. 26 vom 21.01.2010

Verfassungsausschuss gibt grünes Licht für Wahlrechtsänderungsgesetz

Änderungen bei Briefwahl, Wahlkarten-Abonnement möglich

Wien (PK) – Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute Grünes Licht für das von den beiden Koalitionsparteien beantragte Wahlrechtsänderungsgesetz 2010 gegeben. Damit werden zahlreiche Detailänderungen in der Nationalrats-Wahlordnung, der Europawahlordnung, im Wählerevidenzgesetz und in anderen Wahlrechtsgesetzen vorgenommen. Unter anderem geht es um eine Vereinheitlichung der Bestimmungen über die Briefwahl, die Neugestaltung der Wahlkarte und die mögliche Beantragung eines "Wahlkarten-Abonnements" für behinderte Menschen. Außerdem werden verschiedene Klarstellungen und Präzisierungen vorgenommen.

Mit der Neugestaltung der für eine Briefwahl benötigten Wahlkarte reagieren die Abgeordneten auf ein Ersuchen des Datenschutzrats. Die Karte soll künftig eine verschließbare Lasche erhalten, damit persönliche Daten der WählerInnen nicht mehr von außen ersichtlich sind. Gleichzeitig werden die Bestimmungen für die Briefwahl bei Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen an jene bei Europawahlen angepasst. Demnach müssen der Wahltag und die Uhrzeit der Stimmabgabe künftig nicht mehr auf der Wahlkarte angegeben werden, auch die zwingende Übermittlung auf dem Postweg entfällt. Etwaige Portokosten übernimmt in Hinkunft der Staat.

Personen, die wegen eines körperlichen Gebrechens nicht in der Lage sind, ein Wahllokal zu besuchen, können künftig die automatische Zusendung einer Wahlkarte beantragen ("Wahlkarten-Abonnement"). Außerdem erhalten sie einen Anspruch darauf, von einer "fliegenden Eintragungsbehörde" besucht zu werden, wollen sie ein Volksbegehren unterschreiben. Weiters neu sind eine 24-stündige Fristerstreckung für das Einlangen von Wahlkarten, sollte der achte Tag nach dem Wahltag auf einen Feiertag fallen, ein dezidiertes Verbot, für mehrere Parteien zu kandidieren, und der generelle Wegfall der Verpflichtung, das Wählerevidenzverzeichnis im Vorfeld von Wahlen auch an Sonntagen aufzulegen. Um Informationsbedürfnissen der WählerInnen gerecht zu werden, ist vorgesehen, die Wahlvorschläge nicht nur wie bisher in der Wahlzelle anzuschlagen, sondern vor jedem Wahllokal zu veröffentlichen. Die bisher in der Wiener Zeitung erfolgte Veröffentlichung von Wahlvorschlägen und Wahlergebnissen wird durch Verlautbarungen im Internet ersetzt.

Im Rahmen der Debatte kündigte Abgeordneter Harald Stefan (F) die Ablehnung des Gesetzentwurfs durch die FPÖ an und begründete dies unter anderem damit, dass seine Fraktion die Briefwahl an sich als problematisch werte. Seiner Meinung nach ist das Wahlgeheimnis bei der Briefwahl nicht gewährleistet, zudem werde weiterhin nicht ausgeschlossen, dass "Schummelwähler" ihre Stimme erst nach Schließung der Wahllokale abgeben. Ein mit dem Koalitionsentwurf mitverhandelter Antrag der FPÖ, der auf Einschränkungen bei der Briefwahl abzielt, fand allerdings keine Mehrheit.

Positiv zum Gesetzentwurf äußerte sich Abgeordneter Herbert Scheibner (B). Er begrüßte etwa die neue Lasche auf der Wahlkarte, durch die seiner Meinung nach künftig Anonymität bei der Stimmabgabe gewährleistet sei. Eine Diskussion wünscht sich Scheibner allerdings darüber, wie "Schummelwählen" künftig ausgeschlossen werden kann. Zudem machte er auf einige Redaktionsversehen aufmerksam.

Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) bekräftigte, die Briefwahl habe sich "absolut bewährt". Mit der vorliegenden Novelle werden ihm zufolge einige Verbesserungen vorgenommen, die aus praktischen Erfahrungen resultieren. Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbachler (S) räumte ein, dass "taktisches Wählen" ein Problem sei, eine Stimmabgabe per Briefwahl spätestens 24 Stunden vor Wahlschluss ist ihrer Auffassung nach aufgrund fehlender Poststempel in manchen Ländern aber nicht umsetzbar.

Seitens der Grünen hielt Abgeordnete Daniela Musiol fest, ihre Fraktion würde sich bis zur Abstimmung des Gesetzentwurfs im Plenum ihr Stimmverhalten überlegen. Einige wichtige Punkte im Wahlrecht sind ihrer Meinung nach noch offen, so etwa eine Klärung des Parteienbegriffs. In Richtung FPÖ merkte Musiol an, die Briefwahl setze ein gewisses Vertrauen in den Wähler voraus.

Der Gesetzentwurf wurde mit S-V-B-Mehrheit angenommen. Ein bei der Abstimmung mitberücksichtigter umfangreicher Abänderungsantrag hat lediglich formale Korrekturen und Anpassungen zum Inhalt, so etwa die durchgängige Änderung des Ausdrucks "Familienname" durch "Familienname oder Nachname". Der Antrag der FPÖ blieb in der Minderheit.

Auch mit einem Antrag auf eine Novellierung des Volksabstimmungsgesetzes konnte sich die FPÖ nicht durchsetzen. Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) begründete die Ablehnung durch die Koalitionsparteien damit, dass die im Antrag angeführte Begründung nicht sachgerecht sei und kein Änderungsbedarf im Volksabstimmungsgesetz bestehe.

Grüne fordern kommunales Wahlrecht für AusländerInnen

Vom Verfassungsausschuss vertagt wurde ein Antrag der Grünen, der die Einführung des Wahlrechts für AusländerInnen auf kommunaler Ebene zum Inhalt hat. Sowohl FPÖ und BZÖ als auch die ÖVP sprachen sich dezidiert dagegen aus, das Wahlrecht von der Staatsbürgerschaft zu entkoppeln. Die Abgeordneten Norbert Hofer (F), Herbert Scheibner (B) und Wilhelm Molterer (V) kritisierten außerdem massiv, dass der Gesetzesantrag keine Mindestaufenthaltsdauer für Ausländer vorsehe, sondern Fremden mit Wohnsitz in Österreich ab dem ersten Tag ihres Aufenthalts das Wahlrecht eingeräumt werden solle. Das hätte etwa zur Folge, dass sich in einer kleinen Gemeinde mit einem Erstaufnahmezentrum für Asylwerber die Zusammensetzung der Wählerschaft komplett ändern würde, warnte Abgeordneter Hofer.

Abgeordnete Alev Korun (G) hielt dem entgegen, dass man über eine bestimmte Aufenthaltsdauer für wahlberechtigte Ausländer durchaus diskutieren könne. Im Fokus der Grünen stünden jedenfalls auf Dauer niedergelassene Ausländer, bekräftigte sie, Asylwerber seien nicht umfasst.

Korun machte geltend, dass der internationale Trend beim Wahlrecht dahin gehe, das Wahlrecht von der Staatsbürgerschaft zu entkoppeln. In vielen europäischen Ländern gebe es auf kommunaler Ebene bereits ein Wahlrecht, das nicht vom Reisepass, sondern vom Hauptwohnsitz abhängig sei, unterstrich sie. Für Korun ist es unverständlich, dass beispielsweise ein seit ein paar Monaten in Österreich lebender Rumäne als EU-Bürger an Kommunalwahlen teilnehmen könne, ein seit 20 oder 30 Jahren in Österreich befindlicher Kroate aber nicht. Rund 320.000 Drittstaatsangehörige könnten nicht einmal über den Zebrastreifen vor ihrem Haus bzw. vor der Schule ihres Kindes mitbestimmen, beklagte sie. Wenn man von Integration spreche, solle man, so Korun, die politische Mitbestimmung nicht vergessen.

Abgeordneter Molterer merkte dazu an, eine Unterscheidung zwischen EU-Bürgern und Nicht-EU-Bürgern sei gerechtfertigt. Der Vertagungsantrag wurde von Abgeordnetem Otto Pendl (S) mit der Begründung eingebracht, dass es noch viel Diskussionsbedarf über das sensible Thema gebe.

FPÖ: Gerichtsparteien sollen sich an VfGH wenden können

Vom Verfassungsausschuss gleichfalls vertagt wurde ein Antrag der FPÖ auf Änderung der Bundesverfassung. Geht es nach Abgeordnetem Harald Stefan sollen Parteien, die beim Verwaltungsgerichtshof, beim Asylgerichtshof, beim Bundesvergabeamt, bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat bzw. bei einem in zweiter Instanz zuständigen Gericht ein anhängiges Verfahren haben, die Möglichkeit erhalten, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, wenn sie der Meinung sind, dass ein Gesetz verfassungswidrig ist. Derzeit seien die Parteien darauf angewiesen, dass das Gericht bzw. der UVS von sich aus tätig werde und den Fall dem VfGH vorlege, bemängelt die FPÖ und sprach im Ausschuss von einer bestehenden Rechtslücke, die es zu schließen gelte.

Abgeordneter Wilhelm Molterer (V) sprach von einer wichtigen Fragestellung, die man im Rahmen der geplanten Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit mitdiskutieren könne. Gleichzeitig verwies er auf bestehende Einwände von Seiten der Gerichtsbarkeit. Dezidiert ablehnend äußerte sich Abgeordneter Johannes Jarolim (S): er wolle keine "Supergericht" unter den Höchstgerichten, bekräftigte er. (Fortsetzung)