Parlamentskorrespondenz Nr. 89 vom 17.02.2010

Vom Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität bis zur Fußfessel

Aktuelle Aussprache mit Bandion-Ortner im Justizausschuss

Wien (PK) – Nach der Neukonstituierung befasste sich heute der Justizausschuss unter dem Vorsitz des einstimmig gewählten Obmanns, des Abgeordneten Heribert Donnerbauer (V), in einer Aussprache mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zunächst mit aktuellen Fragen aus dem Ressort. Der Themenbogen reichte dabei von Fragen im Zusammenhang mit der CD mit Daten von Steuersündern über die Frage der vorzeitigen Entlassungen und der Personalsituation in der Justiz bis zur Fußfessel.

Abgeordneter Johann Maier (S) sprach einleitend das Thema Computer-Kriminalität an und äußerte Zweifel, dass auf diesem Feld die gesetzlichen Regeln in Österreich und EU-weit ausreichend seien. Er sprach dabei verschiedene Formen der "Internet-Abzocke", aber auch die CD mit Daten von Steuersündern an, die von Deutschland gekauft wurde. Maier wollte wissen, ob Österreich auf diese CD im Wege der Amtshilfe zuzugreifen beabsichtige. Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) sah in diesem Punkt eine Gesetzeslücke und meinte, es sei rechtsstaatlich bedenklich, wenn der Staat Datendiebstahl belohne. In ähnlichem Sinn äußerte sich auch Abgeordneter Ewald Stadler (B). Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) sah Österreich im Kampf gegen Datenmissbrauch noch "in der Steinzeit" und die Politik dabei als "Zuschauer". Mit Blick auf die Steuer-CD und deren Ankauf sprach Fichtenbauer von einem "Verschwinden ethischer Standards" und verlangte, dass der politische Wille klar ausgedrückt werden sollte: "Keine Geschäfte mit Verbrechern!" Abgeordneter Johannes Jarolim (S) sprach sich in diesem Punkt für eine differenzierte Vorgehensweise aus. G-Abgeordneter Wolfgang Zinggl sprach das Thema des "gläsernen Menschen" an.

Gegen "Datenklau" gebe es gesetzliche Bestimmungen, erklärte Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Österreich betreffende Informationen auf der Steuer-CD müssten im Weg der Amtshilfe automatisch an Österreich weiter gegeben werden. Generell meinte die Justizministerin, Betrug sei auch im Internet als Betrug zu qualifizieren, und im Kampf dagegen sei auch die geplante Vorratsdatenspeicherung zu sehen, die allerdings ins Infrastruktur-Ressort gehöre. Von der Justiz werde erwartet, dass sie aufdecke, gleichzeitig würden ihr aber die Werkzeuge dafür weg genommen.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) sprach sich für die technische Weiterentwicklung und gegebenenfalls für den Einsatz der elektronischen Fußfessel aus. Sein Fraktionskollege Christian Lausch fragte nach Überlegungen, einzelne Deliktgruppen davon auszuschließen.

Zur Fußfessel – korrekt "elektronische Aufsicht" – sei in den nächsten Wochen mit einer Entscheidung zu rechnen, kündigte die Justizministerin an. Die technischen Möglichkeiten dürften, wie internationale Erfahrungen zeigten, gegeben sein. Von ihr aus sei die Fußfessel "nicht für eine bestimmte Person" gedacht, betonte Bandion-Ortner mit Bezugnahme auf aktuelle Medienberichte. Jedenfalls komme die Fußfessel nicht von vornherein für alle Deliktgruppen in Frage.

Ein weiteres Thema der aktuellen Aussprache wurde von Abgeordnetem Albert Steinhauser (G) eingebracht, nämlich die Qualifizierung eines Falles als Totschlag infolge der Berücksichtung eines allgemein verständlichen Erregungszustands. Steinhauser begrüßte einen um Klärung bemühten Erlass des Justizministeriums, kritisierte aber, dass dieser Erlass auch an die Präsidenten der Oberlandesgerichte übermittelt wurde. Dies sei im Blick auf die Gewaltentrennung ein "missverständliches Signal", meinte Steinhauser. Abgeordneter Herbert Scheibner (B) fragte, ob der Erlass ausreichend sei und ob nicht das Gesetz klarer zu fassen sei.

Der Erlass sei eine "Auslegungsrichtlinie", betonte die Ministerin, und als solche sei er – als unverbindliche Information – wie üblich auch an die Gerichte übermittelt worden.

Von mehreren Abgeordneten (Herbert Scheibner, B, Albert Steinhauser, G, Karin Hakl, V) wurden die Personalsituation im Justizressort bis hin zu Streikdrohungen und ein gewisses Unbehagen gegenüber der Justiz in der Bevölkerung angesprochen. Steinhauser (G) brachte dabei die Causa Mensdorff-Pouilly, die Abgeordneten Peter Westenthaler und Ewald Stadler (beide B) das Verfahren im Zusammenhang mit der Zukunftsstiftung der steirischen SPÖ zur Sprache. Sie fragten im Hinblick auf dessen Dauer nach Zusammenhängen mit der bevorstehenden Landtagswahl.

Justizministerin Bandion-Ortner hielt es generell für bedenklich, wenn Politiker öffentlich kundtäten, ob und wie ein Verfahren zu führen sei. In der Causa Mensdorff-Pouilly werde derzeit weiter ermittelt. Es sei zu klären, ob es in England und in Österreich um den gleichen Sachverhalt gehe und ob ein Deal einer Aburteilung gleichzuhalten sei. Es handle sich insgesamt um eine komplexe Frage, weshalb man den europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung bemühen werde. In der steirischen Causa gehe es zuerst um eine inhaltliche, dann um die Zuständigkeitsprüfung, dies unabhängig von Wahlterminen.

Der Personalmangel in der Justiz bestehe seit vielen Jahren, klagte Bandion-Ortner, wollte aber nicht von "Streik" sprechen; es sei von einer "verhandlungsfreien Woche" pro Monat die Rede, wobei unaufschiebbare Verfahren aber weiter geführt würden. Dies bedeute allerdings eine Verzögerung der anderen Fälle um 25 %, warf dazu Abgeordneter Albert Steinhauser (G) ein. Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) wollte wissen, ob für Bilanzfälschung – die kein Kavaliersdelikt darstelle – an eine Verschärfung der Strafdrohung gedacht sei.

Die Ressortchefin erläuterte in diesem Zusammenhang Maßnahmen im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität. 35 zusätzliche Planstellen werde es dafür geben, und insgesamt gehe man in Richtung Teams wie im Zusammenhang mit der Hypo Alpe-Adria, wo drei StaatsanwältInnen im Team mit einer Expertin tätig seien. Es sei beabsichtigt, vier Wirtschafts-Kompetenzzentren – an den Standorten der Oberlandesgerichte – einzurichten, erfuhr Abgeordneter Albert Steinhauser (G) auf seine Frage. Insgesamt ortete die Ministerin im Finanzstrafrecht Reformbedarf, die Strafdrohung für Bilanzfälschung wertete sie als "zu gering".

Abgeordneter Peter Westenthaler (B) sprach, von einem aktuellen Anlassfall ausgehend, das Thema der vorzeitigen bedingten Entlassung an. Sein Fraktionskollege Ewald Stadler thematisierte in diesem Zusammenhang die Frage einer Haftung von GutachterInnen.

Bandion-Ortner stellte zunächst die zahlenmäßige Entwicklung bei den vorzeitigen bedingten Entlassungen dar: 2007 habe es 7.574 Fälle gegeben, 2008 dann 11.719 Fälle – eine Auswirkung des Haftentlastungspakets – und im Vorjahr 11.746 Fälle. Wenn es entsprechende gesetzliche Bestimmungen gebe, hätten die Betroffenen auch daraus abgeleitete Rechte, betonte Bandion-Ortner und gab zu bedenken, dass sie in dieser Situation noch unter der Kontrolle der Justiz stünden. In dem von Abgeordnetem Westenthaler angesprochenen Fall habe es ein Gutachten mit positiver Prognose gegeben. Für Gutachter gebe es wohl eine Sorgfalts-, nicht aber eine Erfolgshaftung, betonte die Ministerin.

Außerdem kamen bei der aktuellen Aussprache eine Reihe weiterer Themen zur Sprache. Abgeordneter Johann Maier (S) erfuhr von der Ministerin, dass die Fälschung von Testamenten in Vorarlberg sich über Jahre hingezogen hätte. Die Sache sei justizintern aufgedeckt worden, derzeit liefen intensive Ermittlungen.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) sprach die Drogenproblematik in den Justizanstalten an, Abgeordneter Christian Lausch (F) kritisierte, dass die Justiz keine eigenen Drogenhunde mehr einsetze und kam auf Handy-Gebrauch von Häftlingen zu sprechen. Bandion-Ortner konstatierte, dass die Zahl der Drogentoten in den Anstalten nicht ansteige. Bezüglich der Hunde funktioniere die Zusammenarbeit mit dem Innenressort hervorragend, zur Unterbindung von Telefonaten seien Störsender eingerichtet.

Abgeordnete Karin Hakl (V) wollte Absichten des Ressorts bezüglich Elternrechte erfahren. Die Justizministerin betonte, dass Kinder auch nach einer Scheidung der Eltern ein Recht auf beide Eltern hätten. Zu diesem Thema kündigte Bandion-Ortner eine Enquete an.

Zur Frage der Sicherheit in den Bezirksgerichten auf dem Land – eine Frage der Abgeordneten Ruth Becher (S) – führte die Justizministerin aus, der Sicherheitsbeirat habe getagt, ein Sicherheitskonzept sei in Ausarbeitung. Man werde versuchen, überall Kontrollen einzuführen; dies werde allerdings die Einschränkung des Parteienverkehrs zur Folge haben, sagte Bandion-Ortner.

(Schluss aktuelle Aussprache/Forts. Justizausschuss)