Parlamentskorrespondenz Nr. 116 vom 24.02.2010

Begleitnovelle zum Lissabon-Vertrag wird Begutachtung unterzogen

Verfassungsausschuss lädt zu schriftlichen Stellungnahmen ein

Wien (PK) – Die von den beiden Koalitionsparteien vorgelegte begleitende Gesetzesnovelle zum Vertrag von Lissabon wird einer Begutachtung unterzogen. Darauf hat sich der Verfassungsausschuss des Nationalrats heute Abend in einer kurzfristig einberufenen Sitzung verständigt. Zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme sind rund 120 Stellen und Institutionen eingeladen. Ziel des Gesetzentwurfs ist, die Bestimmungen über die Mitwirkungsrechte des österreichischen Parlaments in EU-Angelegenheiten im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon zu adaptieren und dabei insbesondere auch die erweiterten Mitspracherechte des Nationalrats und des Bundesrats bei EU-Vorhaben in der Verfassung zu verankern. Für einen Beschluss des Entwurfs ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Der gemeinsame Antrag der beiden Koalitionsparteien sieht konkret vor, die Instrumente der Subsidiaritätsrüge und der Subsidiaritätsklage in Form von zwei neuen Artikeln (23g und 23h) in der Bundesverfassung zu verankern. Sowohl dem Nationalrat als auch dem Bundesrat bzw. den dafür zuständigen Ausschüssen wird demnach die Möglichkeit eingeräumt, einen Richtlinienentwurf oder eine andere Gesetzgebungsinitiative der Europäischen Kommission zu beeinspruchen, wenn diese nach Meinung der ParlamentarierInnen überschießend sind und zu sehr in die Rechte der Mitgliedstaaten eingreifen. Für eine solche Subsidiaritätsrüge haben Nationalrat und Bundesrat laut Vertrag von Lissabon acht Wochen Zeit. Sollte ein Drittel aller nationalen Parlamente einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip orten, ist die EU-Kommission gezwungen, ihr Vorhaben zu überdenken.

Bei einem bereits erlassenen Gesetzgebungsakt haben der Nationalrat und der Bundesrat künftig die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten Klage beim Europäischen Gerichtshof zu erheben, wobei sich das Klagsrecht des Bundesrats dem Gesetzentwurf zufolge auf Gesetzgebungsakte beschränken soll, die die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung einschränken. Für eine solche Subsidiaritätsklage soll in beiden Kammern die einfache Stimmenmehrheit ausreichend sein.

Besonders starke Mitwirkungsrechte des Parlaments sieht der Antrag der Koalitionsparteien auch für den Fall vor, dass auf EU-Ebene die Anwendung der Brückenklausel (Passarelle) zur Diskussion steht, also in einem bestimmten Politikbereich vom Einstimmigkeitserfordernis oder von einem besonderen Gesetzgebungsverfahren abgegangen werden soll. Gemäß Artikel 23i soll das jeweils zuständige österreichische Regierungsmitglied einer solchen Initiative nur dann zustimmen dürfen, wenn der Nationalrat und der Bundesrat dies ausdrücklich mit Zweidrittelmehrheit genehmigen. Außerdem ist die Regierung zu einer frühzeitigen und umfassenden Information des Parlaments angehalten. Auch nach einem Beschluss auf EU-Ebene ist eine gemeinsame Ablehnung durch Nationalrat und Bundesrat innerhalb von sechs Monaten möglich.

Darüber hinaus wird mit dem Gesetzentwurf die von der Regierung bereits geübte Praxis, den Nationalrat und den Bundesrat jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres über die in diesem Jahr zu erwartenden Vorhaben der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates in den einzelnen Politikfeldern zu informieren, verfassungsrechtlich verankert. Eine Reihe weiterer Änderungen dient legistischen und terminologischen Anpassungen und Klarstellungen.

Schließlich stellt eine ergänzende Gesetzesänderung sicher, dass bis zur Aufstockung der Sitze Österreichs im Europäischen Parlament von 17 auf 19 Mandate die beiden schon gewählten Abgeordneten als Beobachter in das Europäische Parlament entsendet werden können.

Am Beginn der Sitzung war der Ausschuss – wie alle anderen Ausschüsse - neu konstituiert und Abgeordneter Peter Wittmann neuerlich zum Ausschussobmann gewählt worden. Die Neukonstituierungen waren notwendig geworden, weil sich die Stärkeverhältnisse durch den Auszug einigere Abgeordneter aus dem Klub des BZÖ geändert hatten. (Schluss)