Parlamentskorrespondenz Nr. 199 vom 25.03.2010

Nationalrat: Fragestunde mit Justizministerin Bandion-Ortner

Mehr Prävention gegen sexuelle Übergriffe auf Kinder

Wien (PK) – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete die heutige 59. Nationalratssitzung mit einer Fragestunde, in der Justizministerin Claudia Bandion-Ortner Fragen der Abgeordneten zu ihrem Ressortbereich beantwortete. Die Themenpalette reichte vom BUWOG-Skandal über die Reform des Obsorgerechts, die Probleme bei der Finanzierung der Prozessbegleitung und die dramatisch schlechte Personalsituation bei der Justiz bis hin zur Debatte über Verjährungsfristen bei sexuellen Übergriffen auf Minderjährige und zur geplanten Einführung der elektronischen Fußfessel.  

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S): Warum wurde Mitbeschuldigter Ex-Finanzminister Grasser im BUWOG-Skandal Anfang März 2010 seitens der Staatsanwaltschaft von der gerichtlichen Kontenöffnung ausgenommen?

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Bundesministerin Claudia BANDION-ORTNER machte darauf aufmerksam, ihr stehe es nicht zu, ein laufendes Ermittlungsverfahren zu kommentieren und zu kontrollieren. Das wäre ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, sagte sie, die Justiz müsse unabhängig arbeiten können. Die Ministerin versicherte aber, in der Justiz würden alle gleich behandelt. Sie ging damit auf Zusatzfragen der Abgeordneten Franz GLASER (V) und Ewald STADLER (B) ein.

Bandion-Ortner teilte die Kritik des Abgeordneten Josef JURY (o.F.) hinsichtlich der Veröffentlichung von Gerichtsakten in den Medien, gab aber zu bedenken, dass es das Recht auf Akteneinsicht und Aktenabschrift gibt. Sie habe keinen Einfluss darauf, ob jemand derartige Schriftstücke, aus welchen Gründen auch immer, weitergibt.

Interventionen gebe es immer wieder, bestätigte Bandion-Ortner gegenüber Abgeordnetem Harald STEFAN (F), diese hätten aber bei ihr keine Chance. Dies gelte auch in Bezug auf das Zusammenkommen mit dem Anwalt Grassers, das kein Treffen gewesen sei, versicherte sie Abgeordneter Gabriela MOSER (G).

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V): Welche Überlegungen gibt es von Ihrer Seite in Bezug auf eine Reform des Obsorgerechts?

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Justizministerin BANDION-ORTNER unterstrich die Wichtigkeit und Sensibilität dieses Themas. Bisher würde vor allem von Frauenrechten und Väterrechten gesprochen, sie wolle aber beim Recht der Kinder ansetzen. Kinder haben ihrer Meinung nach auch nach der Trennung Anspruch auf beide Eltern, deswegen habe sie vor, das geltende Obsorgerecht zu überdenken. Bandion-Ortner präsentierte kein fertiges Modell, da es interessante Ansätze in anderen Ländern gebe, die man genau prüfen wolle. Sie kündigte in diesem Zusammenhang an, noch vor dem Sommer eine Enquete zu diesem Thema abhalten zu wollen. Dabei soll auf Grund des EMRK-Urteils auch die Rechtstellung der Väter unehelicher Kinder diskutiert werden, sagte sie. Ziel sei es, Väter unehelicher Kinder vermehrt in die elterliche Verantwortung einzubeziehen. Bandion-Ortner beantwortete damit Fragen der Abgeordneten Martina SCHENK (B) und Daniela MUSIOL (G).

Zur Bemerkung von Abgeordneter Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S), die gesetzlichen Bestimmungen entsprächen nicht der modernen Familiensituation, meinte die Justizministerin, selbstverständlich sei das Recht nichts Statisches. Sie sei in ständiger Verbindung mit entsprechenden Vereinen und ExpertInnen, und wenn es einen Anpassungsbedarf gebe, dann werde sie darauf reagieren.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) äußerte sich kritisch darüber, dass auf Väter-Organisationen der Mafia Paragraph angewendet wird. Darauf reagierte Bandion-Ortner, man müsse die Anwendung des Paragraphen den Gerichten überlassen. Dabei gehe es im Grunde genommen nicht um das Ziel, das diese Organisationen verfolgen, sondern um die Mittel, die sie einsetzen, um ihr Ziel zu erreichen.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F): Wann wird es endlich zur Verfahrensreform des Außerstreitgesetzes, vor allem in Hinblick auf eine verpflichtende Entscheidungsfrist für Richter in Besuchsrechts- und Obsorgestreitigkeiten, kommen?

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Bundesministerin BANDION-ORTNER räumte ein, dass Verfahren in Familienrechtsangelegenheiten oft zu lange dauern und zur Entfremdung zwischen Kindern und Elternteilen führen können. Eine Ursache dafür sei die zu geringe Anzahl von Sachverständigen in diesem Bereich. Starre Fristen hielt sie jedoch für keine adäquate Lösung, da es um die Qualität der Entscheidungen geht.

In Reaktion auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Johann MAIER (S) erläuterte sie ihre Überlegungen zur Einführung von sogenannten Familiengerichtshilfen. Dabei sollen pädagogisch und sozial geschulte Personen die RichterInnen bei der Beweisaufnahme unterstützen. Dies könne zu einer Verkürzung der Verfahren führen, zeigte sie sich überzeugt. Sie hielt aber auch den Vorschlag von Abgeordnetem Albert STEINHAUSER (G) nach Einführung einer Familienschlichtungsstelle für durchaus überlegenswert. Weitere Möglichkeiten, Sachverständigengutachten zu beschleunigen würden bei der bereits erwähnten Enquete diskutiert, bemerkte sie gegenüber Abgeordnetem Heribert DONNERBAUER (V).

Im Zusammenhang mit der gegenständlichen Frage wurde von den Abgeordneten Ursula HAUBNER (B) und Peter FICHTENBAUER (F) auch der aktuelle Fall des Kindes einer österreichischen Mutter und eines griechischen Vaters angesprochen, das auf Grund eines OGH-Urteils nach Griechenland abgeschoben werden soll. Die Justizministerin verwies darauf, dass das Urteil nicht kommentiert werden könne, ersuchte aber, die mediale Berichterstattung nicht zu 100 Prozent zu übernehmen, denn diese sei etwas einseitig.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G): Können Sie die Finanzierung des gesetzlichen Auftrags im Hinblick auf die Prozessbegleitung für das gesamte Jahr 2010 garantieren?

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Eine fixe Finanzzusage konnte die Ministerin nicht machen. Sie erläuterte aber, das Justizministerium fördere 57 Einrichtungen, die eine juristische und psychologische Prozessbegleitung gewährleisten. An diese Institutionen würde zunächst nur ein Teil der Mittel überwiesen, die restlichen Zahlungen erfolgten nach den tatsächlich zu bearbeitenden Fällen. Bandion-Ortner ließ in ihrer Antwort eine leichte Kritik an der bisherigen Praxis durchblicken und unterstrich, ihr gehe es darum, eine größere Treffsicherheit zu erzielen und zielgerichteter fördern zu wollen. Es sollten vor allem diejenigen Opfer unterstützt werden, die wirklich Hilfe brauchen, sagte sie.

Der Opferschutz sei ihr ein besonderes Anliegen, betonte sie gegenüber Abgeordneter Anna FRANZ (V), weshalb sie alles tun werde, um den Opferschutz trotz budgetärer Engpässe qualitativ aufrecht zu erhalten. Sie zeigte sich zuversichtlich, im Herbst ein entsprechendes Paket präsentieren zu können, das Entlastungen der Justiz vorsieht und die hohe Qualität der österreichischen Rechtsprechung auch in Zukunft sicherstellt. Bandion-Ortner ging damit auch auf eine Frage des Abgeordneten Herbert SCHEIBNER (B) ein. Sie sei auch bemüht, die Finanzierung der Sachwalterschaft sicher zu stellen, bekräftigte sie auf eine Anfrage des Abgeordneten Ewald SACHER (S). Sie wolle aber Menschen außerhalb der Vereine ermutigen, Sachwalterschaften zu übernehmen.

Abgeordnetem Walter ROSENKRANZ sagte sie zu, auf der Homepage des Justizressorts umgehend den Hinweis anzuführen, dass es nun auch in Zivilverfahren und in Außerstreitverfahren eine Prozessbegleitung gibt. 

Abgeordneter Josef BUCHER (B): Befürworten Sie angesichts der Tatsache, dass Kinder ihr Leben lang unter den Folgen von sexuellen Übergriffen leiden, den BZÖ-Vorschlag, die bestehenden Verjährungsfristen bei sexuellen Übergriffen auf Minderjährige abzuschaffen?

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Bundesministerin Claudia BANDION-ORTNER verwies in diesem Zusammenhang auf das zweite Gewaltschutzpaket, womit man den Beginn der Verjährungsfrist vom 18. auf das 28. Lebensjahr verlegt habe. Weitere Verbesserungen beträfen das Tätigkeitsverbot von Sexualstraftätern und die Erhöhung der Strafdrohungen sowie der Strafuntergrenzen. Einer Abschaffung der Verjährungsfristen konnte die Ministerin deshalb nichts abgewinnen, weil nach einer bestimmten Zeit genaue Ermittlungen nicht mehr möglich sind.

Entlassene Sexualstraftäter würden laufend untersucht und begutachtet, eine lebenslange Aufsicht, wie dies Abgeordnete Susanne WINTER (F) verlangt hatte, hielt die Justizministerin für nicht möglich.

Sie gab Abgeordnetem Wolfgang ZINGGL (G) Recht, der sich für ein Frühwarnsystem und verbesserte Aufklärung in Schulen und Heimen ausgesprochen hatte. Prävention sei außerordentlich wichtig, stellte die Ministerin fest, in diesem Bereich passiere schon sehr viel, sie könne sich aber durchaus eine Intensivierung vorstellen. Sie beantwortete damit auch Fragen der Abgeordneten Gabriele BINDER-MAIER (S) und Ridi STEIBL (V).

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S): Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um die dramatische Personalsituation, insbesondere bei den großen Wirtschaftsstraffällen, zu verbessern?

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Der Finanzminister habe ihr weitere 70 Planstellen für große Wirtschaftsfälle zugesagt, informierte Bundesministerin BANDION-ORTNER die Abgeordneten. Es gebe nun auch die Möglichkeit, ExpertInnen anzustellen, um die StaatsanwältInnen zu unterstützen. Die Ministerin kündigte weiters an, vier Wirtschaftskompetenzzentren einzurichten, wo speziell ausgebildete RichterInnen und StaatsanwältInnen arbeiten sollen.

Grundsätzlich hielt sie es für bedenklich, wenn Strafverfahren gegen wohlhabende Personen deshalb schwieriger werden, weil deren AnwältInnen eine ganze Maschinerie in Gang setzen.

Die Effizienz der Verfahren will sie zusätzlich durch den höheren Einsatz moderner Technologien steigern. Die Fragen dazu waren von den Abgeordneten Gerald GROSZ (B), Albert STEINHAUSER (G), Bernd SCHÖNEGGER (S) und Johannes HÜBNER (F) gestellt worden.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V): Wie weit sind Ihre Überlegungen zur Einführung der elektronischen Fußfessel?

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Bundesministerin BANDION-ORTNER bestätigte, diese Art der Haft einführen zu wollen. Demnächst werde ein Entwurf in Begutachtung gesetzt und sie hofft, noch vor dem Sommer mit der Umsetzung. Eingesetzt werden soll die elektronische Fußfessel im Strafvollzug bei Freiheitsstrafen bis zu zwölf Monaten und bei der U-Haft, um längere U-Haft zu vermeiden. Die elektronische Fußfessel sei auch billiger als die Haft. Die Kosten müssten die Insassen selbst tragen, betonte sie gegenüber den Abgeordneten Gerhard KÖFER (S) und Christian LAUSCH (F). Die elektronische Fußfessel komme nur für jene in Frage, die eine Wohnung haben, mindestens 30 Stunden arbeiten und selbst versichert sind.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) erkundigte sich nach dem angewendeten System bei der elektronischen Fußfessel, die er lieber als elektronische Aufsicht bezeichnen möchte. Dazu meinte die Ministerin, GPS funktioniere nicht, weil hier eine zu große Datenmenge zustande komme. Sie wolle daher die Festnetzverbindung mit Anwesenheitskontrolle und stichprobenweiser Überprüfung einführen.  

Bandion-Ortner entkräftete auch die Bedenken des Abgeordneten Peter WESTENTHALER (B) und stellte fest, es würden nur jene enthaftet werden, bei denen dies präventiv sinnvoll ist. (Schluss)