Parlamentskorrespondenz Nr. 255 vom 14.04.2010

Erneute Debatte über Listerienbefall im Gesundheitsausschuss

BZÖ bleibt mit Antrag auf Ministeranklage allein

Wien (PK) – Der Gesundheitsausschuss befasste sich zu Beginn seiner heutigen Sitzung in einer Aktuellen Aussprache mit dem Thema "Listerienvorfall".

Bundesminister Alois Stöger musste dabei vor allem heftige Kritik seitens des BZÖ hinnehmen. B-Abgeordneter Gerald Grosz konfrontierte den Minister mit einer chronologischen Darstellung der Vorfälle, die belege, dass Stöger die Öffentlichkeit mit deutlicher Verzögerung informiert habe. Grosz zufolge sind damit bestehende Gesetze gebrochen worden. Der Abgeordnete erkundigte sich außerdem nach dem derzeitigen Stand der Listeriose-Erkrankungen. Dass der Gesundheitsminister von nur fünf Todesopfern spreche, es aber bereits ein sechstes gebe, führte Grosz darauf zurück, dass der Informationsaustausch zwischen AGES und Gesundheitsministerium noch immer nicht richtig funktioniere.

Kritik am Vorgehen des Bundesministers wurde auch von Seiten der FPÖ geäußert. Ausschussobfrau Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) stellte fest, dass die Information der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar gewesen sei. Sie attestierte dem Gesundheitsminister daher Versagen auf dem Gebiet der Informationspolitik.

Ihr Fraktionskollege Norbert Hofer wollte das Thema behutsam behandelt wissen. Für ihn stellte die Entscheidung darüber, wann die Öffentlichkeit zu informieren ist, eine Gratwanderung dar. In diesem konkreten Fall hätte man aber mit Sicherheit zu spät reagiert. Hofer mutmaßte, dass Schäden zu verhindern gewesen wären, wenn das Krisenmanagement des Gesundheitsministers besser funktionierte. Er wollte daher wissen, welche organisatorischen Maßnahmen Stöger ergreife, um diesen Bereich zu verbessern.

Die G-Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber und Karl Öllinger fokussierten in ihren Fragen an den Bundesminister auf politische Konsequenzen, die aus den Vorfällen gezogen werden, und Defizite bei der Überwachung der Lebensmittelsicherheit. Pirklhuber fragte außerdem danach, wie es möglich sei, dass ein qualitätsgesichertes Unternehmen die diesbezüglichen Kontrollmechanismen aufweiche. Es sei außerdem schockierend, dass die Geschäftsleitung von Prolactal keine Kenntnis über die Gesetzeslage in diesem Bereich habe. Pirklhuber erkundigte sich außerdem nach einer gegen das Unternehmen anhängigen Anzeige bezüglich seiner Abwassersituation. Sollte diese Information richtig sein, so weise dies unter Umständen auf Hygienemängel im Betrieb hin.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) wies darauf hin, dass es schwierig sei zu warnen, ehe man Genaues wüsste. Es sei nämlich nicht sofort klar gewesen, woher die Listerien stammten. Für ihn galt es zu klären, wann der Listerienbefall im Rahmen der Eigenprüfung des Unternehmens erstmals festgestellt wurde, ob auf Anweisung von Prolactal abgelaufene Zusatzstoffe Verwendung fanden und ob Sozialmärkte noch mit mit Listerien verseuchtem Käse beliefert wurden, als das Unternehmen über diesen Missstand bereits informiert war.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) übte Kritik an den Ausführungen des BZÖ-Abgeordneten Grosz und stellte fest, dass die zu Beginn einer Listeriose auftretenden Symptome – Erbrechen und Durchfall – auch Hinweise auf eine Menge anderer Erkrankungen sein können. Es sei daher eine Art "kriminologischer Erfolg", dass man nicht nur den Erreger, sondern auch das auslösende Produkt habe identifizieren können. Warne der Gesundheitsminister zu früh vor Produkten, so müsse er, sollte sich der Verdacht nicht erhärten, mit Schadensersatzklagen seitens der Unternehmen rechnen. Außerdem sei es unklug, Österreich im ständigen Warnzustand zu halten. Rasinger stellte vielmehr die Frage in der Vordergrund, ob das betreffende Unternehmen wissentlich gehandelt habe und die gesetzliche Informationspflicht eingehalten wurde.

Seine Fraktionskollegin Gabriele Tamandl wandte sich ebenfalls gegen den Versuch der Kriminalisierung des Gesundheitsministers. Sie wollte wissen, ob es eine Option darstelle, interne Kontrollen durch stärkere behördliche Kontrollen in kürzeren Abständen abzulösen.

Abgeordneter Johann Maier (S) kam darauf zu sprechen, dass man es Stöger zum Vorwurf mache, dass er die Rückholaktion nicht selbst durchgeführt, sondern dem Unternehmen überlassen habe. Das sei seiner Auffassung nach nicht gerechtfertigt, zumal auch KFZ-Rückholaktionen von den Autoherstellern ausgingen. Er erkundigte sich außerdem nach dem Stand der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der Firma Prolactal.

Bundesminister Alois Stöger wehrte sich gegen den Vorwurf der verspäteten Information. Die Warnung sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt ergangen, vorher hätte man nur generell vor dem Verzehr von Fleisch, Fisch oder Käse warnen können. Erst am 22.1.2010 lag ein Untersuchungsergebnis in rechtlich nachvollziehbarer Qualität vor. Die Information der Öffentlichkeit sei u.a. über ZIB-Newsflash-Meldungen, Radionachrichten und dem Teletext adäquat erfolgt. Dass die Maßnahmen gegriffen haben, zeigt sich Stöger zufolge auch daran, dass nach Durchführung der Rückholaktion nur ein weiterer Erkrankungsfall aufgetreten sei. Dieser ist aber auf den Verzehr eines zuvor erworbenen Käses zurückzuführen. Im Fall von Prolactal habe man es mit dem Versagen der Hygienemechanismen zu tun. Im Zuge der Eigenprüfung sei seinen Informationen zufolge kein Listerienbefall entdeckt worden. Dieser habe jedoch im Unternehmen stattgefunden. Der mit Listerien verseuchte Quargel habe 24 Ausbrüche von Listeriose und fünf Todesopfer zur Folge gehabt.

Die Feststellung, ob Prolactal schuldhaftes Verhalten vorgehalten werden muss, sei der Staatsanwaltschaft zu überlassen. Dass sich die Unternehmensleitung über die gesetzlichen Bestimmungen nicht im Klaren zu sein schien, ist aber in jedem Fall schockierend. Die Frage, ob das Unternehmen abgelaufene Zusatzstoffe in seine Produkte aufgenommen habe, müsse die Staatsanwaltschaft klären. Die Belieferung von Sozialmärkten mit Produkten minderer Qualität sei für ihn nicht hinnehmbar, erklärte Stöger. Man werde die diesbezüglichen Vorwürfe prüfen. Das Unternehmen Prolactal selbst habe sich unwiderruflich aus der Quargelproduktion zurückgezogen und beschränke sich nun auf die Herstellung von Trockenmilchpulver.

Defizite im Lebensmittelbereich gelte es täglich zu erkennen und zu beseitigen, woran auch gearbeitet werde, betonte Stöger. Die Überwachung der Lebensmittelsicherheit selbst fällt in den Kompetenzbereich der Bundesländer, man habe aber gemeinsame Zielsetzungen und Kontrollpläne erarbeitet. Außerdem bemühe man sich darum, das Krisenmanagement zu verbessern und die Labors der AGES zu optimieren. Da sowohl das Unternehmen als auch das prüfende Labor dem Gesundheitsministerium gegenüber meldungspflichtig sind, sehe er, so Stöger, auch keinen Grund dafür, noch mehr behördliche Kontrollen einzuführen.

Stöger wollte aber klargestellt wissen, dass er die den Unternehmen auferlegte Pflicht zur ständigen Selbstkontrolle befürworte. Die beste Form des Unternehmensschutzes sei schließlich hohe Qualität. Diese Eigenkontrollen müssten selbstverständlich ordnungsgemäß dokumentiert werden. Das Unternehmen sei auch zur Durchführung etwaiger Rückholaktionen verpflichtet, bemerkte Stöger, er habe also nur den vorgegebenen Weg eingeschlagen.

Verbesserungen im Bereich Lebensmittelsicherheit beschlossen

Mit der Regierungsvorlage zur Abänderung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes wird u.a. der 5-Parteien-Entschließung vom 24. Februar 2010 (82/E XXIV.GP) Rechnung getragen, mit der eine Neuregelung der behördlichen Reaktion und der Information der Öffentlichkeit im Fall lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche gefordert wurde. So soll es künftig auch dann möglich sein, Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit zu ergreifen, wenn der begründete Verdacht eines lebensmittelbedingten Krankheitsausbruches besteht und ein Zusammenhang mit konkreten Lebensmitteln festgestellt werden kann. Die Information erfolgt, sofern Personen erkranken und weitere Gefährdungen nicht auszuschließen sind.

Da die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit bereits für die fachliche Bewertung von Pflanzenschutzmitteln verantwortlich zeichnet, soll ihr auch die Zuständigkeit im Bereich der Festsetzung von Rückstandshöchstwerten in Lebensmitteln zugesprochen werden. Die Regierungsvorlage sieht außerdem vor, dass Importkontrollen für pflanzliche Lebensmittel im Sinne der Effizienzsteigerung zukünftig von Organen des Bundes (z.B. Grenztierärzten) durchgeführt werden. Die Gebühren der amtlichen Kontrolle entfallen. Mit der Vorlage werden außerdem Anpassungen an das Gemeinschaftsrecht und Anpassungen zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten vorgenommen.

In der Diskussion kündigte F-Abgeordneter Norbert Hofer die Zustimmung seiner Partei zur vorliegenden Gesetzänderung an. Es gehe schließlich darum, Defizite in der Information von KonsumentInnen zu beseitigen. Sein Fraktionskollege Andreas Karlsböck meinte, dass mehr möglich gewesen wäre, doch müsse man der Änderung aufgrund der beinhalteten Verbesserungen zustimmen. Vom Gesundheitsminister wollte er wissen, welche Unterschiede sich ergeben hätten, wäre die jetzige Form des Gesetzes im Zuge des "Listerienvorfalls" zur Anwendung gekommen.

Auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) begrüßte die Änderung, die ein offensiveres Vorgehen bei der Information der Öffentlichkeit ermögliche. Die hohe Erwartungshaltung der Bevölkerung an die Öffentliche Hand sei in diesem Fall durchaus berechtigt. Für die AGES, der mit der Novelle die Zuständigkeit im Bereich der Festsetzung von Rückstandshöchstwerten in Lebensmitteln zugesprochen wird, forderte er die Vorlage eines Finanzkonzepts.

Die Abgeordneten Erwin Rasinger (V) und Johann Maier (S) hoben ebenfalls die Verbesserungen hervor, die die Gesetzänderung mit sich bringe. Die Änderung sei damit natürlich auch Reaktion auf die defizitäre Informationspolitik des Unternehmens Prolactal gewesen. Abgeordneter Maier ging außerdem auf die im Gesetz verankerte Einführung eines Lebensmittelsicherheitsberichts ein, mit dem es möglich sein soll, die diesbezügliche Aufsichtstätigkeit der Länder kritisch zu betrachten.

Das BZÖ zeigte sich mit den Änderungen nicht zufrieden. B-Abgeordnete Ursula Haubner bewertete sie als reine Anlassgesetzgebung. Für sie erschließe sich nicht, welche Veränderungen sich dadurch in Bezug auf den Notfallplan ergeben. Positiv hob sie die vorgesehenen Verwaltungsvereinfachungen und damit einhergehenden Einsparungen hervor.

Ihr Fraktionskollege Gerald Grosz betrachtete die bisherige Gesetzeslage als ausreichend, um Krisen wie dem "Listerienvorfall" adäquat begegnen zu können. Das BZÖ werde der Gesetzänderung, die nicht mehr als eine Beifügung von Sätzen sei, nicht zustimmen.

Bundesminister Alois Stöger stellte fest, dass die Geseteszänderung Verbesserungen in Bezug auf die Information der Bevölkerung über lebensmittelbedingte Erkrankungen enthalte. So sei es nun möglich, zwei Tage früher Informationsmaßnahmen zu setzen.

Die Regierungsvorlage und der von den Abgeordneten Johann Maier und Erwin Rasinger eingebrachte Abänderungsantrag, der Detailfragen klärt, wurden mit Stimmenmehrheit angenommen.

BZÖ beantragt Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Stöger

Das BZÖ stellt den Antrag, der Nationalrat möge gegen Bundesminister Stöger Anklage wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang erheben, weil er durch die Nichteinhaltung des gesetzlich erforderlichen Risikomanagements im Zusammenhang mit dem lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch durch Listerienstämme in einem Käse der steirischen Erzeugerfirma Prolactal Körperverletzung mit tödlichem Ausgang in zumindest sieben Fällen sowie bei 15 Personen (schwere) Körperverletzung zu verantworten hat.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) kritisierte das Vorhaben des BZÖ, da man mit einer Ministeranklage "über das Ziel hinausschieße". Seine Fraktion werde den Antrag daher nicht unterstützen.

Auch V-Abgeordneter Erwin Rasinger brachte seine Ablehnung zum Ausdruck. Das BZÖ baue eine Kausalitätskette auf, die schließlich auf Bundesminister Stöger zurückgeführt werde. Das ist seiner Meinung nach nicht akzeptabel. Man solle mit der Würde der Betroffenen vorsichtig umgehen und auch den Minister nicht zum "Freiwild" erklären, schloss Rasinger.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) sprach von "skurrilen Unterstellungen" des BZÖ. Der sechste Todesfall, auf den Grosz Bezug genommen habe, sei ihrer Information nach nicht auf Listeriose zurückzuführen.

Abgeordneter Gerald Grosz (B) warf Gesundheitsminister Stöger erneut vor, die Öffentlichkeit nicht zeitgerecht über die Verseuchung des Käses informiert zu haben. Er nehme den Vorwurf der Vorsatzes allerdings wieder zurück, da er nun erkenne, dass Stöger aufgrund mangelnder Information und Sachkenntnis gehandelt habe. Dies beweise wiederum, dass Stöger für dieses Amt ungeeignet sei, so Grosz.

Der Antrag des BZÖ blieb in der Minderheit. (Forts.)