Parlamentskorrespondenz Nr. 274 vom 21.04.2010

Nationalrat befasst sich mit Insolvenzrecht

Geändertes Lebensmittelsicherheitsgesetz einstimmig beschlossen

Wien (PK) – Bevor das Plenum in die Tagesordnung einging, gab Präsidentin Barbara PRAMMER bekannt, dass seitens des BZÖ eine Dringliche Anfrage an den Finanzminister mit dem Titel "Schwarze Steuerwolken über Österreich – Pröllnocchio 2.0" eingebracht wurde. – Die Dringliche wird um 15 Uhr behandelt.

Zudem haben die Grünen einen Fristsetzungsantrag eingebracht. Es wird verlangt, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 11/A betreffend Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 eine Frist bis zum 12. Mai 2010 zu setzen. Beginn der Kurzdebatte: nach der Debatte über die Dringliche.

Der erste Punkt der Tagesordnung betraf das Insolvenzrechtsänderungsgesetz.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) sah durch die vorliegende Novelle ein langjähriges Forderungsprogramm erfüllt, kritisierte allerdings die Frist von fünf Tagen für die Entscheidung über die Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses als zu kurz und verlangte eine systemadäquate Anpassung auf acht Arbeitstage.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) zeigte sich besorgt über den Anstieg der Anzahl von Insolvenzen und begrüßte die Stoßrichtung der Novelle, Arbeitsplätze zu sichern und den Unternehmen bei der Sanierung zu helfen. Die Rednerin nahm ihre Wortmeldung überdies zum Anlass, auf die Mikrounternehmen mit weniger als zehn Arbeitskräften und deren Bedeutung für die heimische Wirtschaft hinzuweisen.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) wertete die Vorlage als positiven Beitrag, Sanierungschancen zu bieten und Konkursverschleppungen zu verhindern. Sie rief ferner die Ministerin dazu auf, nun auch mit konkreten gesetzlichen Maßnahmen den Privatschuldnern zu helfen.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) sprach von einem Kompromiss, bei dem in einer ersten Phase die Interessen des Unternehmens über jene der Gläubiger gestellt werden. Hinsichtlich der von Fichtenbauer kritisierten Frist präzisierte ein von Jarolim eingebrachter Abänderungsantrag, dass bei den fünf Tagen nur die Arbeitstage gezählt werden.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion an, beklagte aber eine Besserstellung der Banken im Insolvenzfall hinsichtlich der Möglichkeit der Anfechtung von Verträgen und brachte diesen Kritikpunkt im Rahmen eines Abänderungsantrags ein.

Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER unterstrich, das Gesetz komme genau zum richtigen Zeitpunkt und bringe die größte Insolvenzrechtsreform seit der Monarchie. Es gehe darum, den Unternehmen bessere Überlebenschancen zu geben und ihnen das Stigma des Scheiterns zu nehmen. Unternehmen werde es nun attraktiver gemacht, rechtzeitig die Handbremse zu ziehen und die Insolvenz anzumelden. Als wesentlich bezeichnete es die Ministerin auch, dass überdies für eine gewisse Zeit eine Art Schutzschild über das Unternehmen gebreitet werde, sodass überlebenswichtige Verträge nicht automatisch aufgelöst werden. In Summe sah Bandion-Ortner in der Insolvenzrechtsnovelle sowie in der geplanten Reform des Privatkonkurses Antworten der Regierung auf die Wirtschaftskrise.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) begrüßte die Novelle als im Interesse der Arbeitsplätze und der Unternehmen gelegen. Er wandte sich zudem gegen eine Verlängerung der Frist zur Fortführung des Unternehmens, wobei er argumentierte, die Vertragspartner müssten rasch Klarheit erhalten.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) schloss sich den zustimmenden Wortmeldungen an, kritisierte aber das "Bankenprivileg" bei der Auflösung von Verträgen und meinte, diese Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Gläubigern sei durch nichts zu vertreten.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) sah das Gesetz von dem Gedanken getragen, dass es besser sei, ein Unternehmen fortzuführen als zu zerschlagen. Verhandlungsbedarf ortete er noch hinsichtlich eines Obstruktionsverbots zugunsten kleinerer und mittlerer Unternehmen.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) drängte auf eine Reform des Privatkonkurses und forderte unter anderem die Anhebung des Existenzminimums, einen Vorrang der Unterhaltsschulden vor Bankschulden sowie einen Zinsenstopp bei Lohnpfändungen.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) bekräftigte abermals die Kritik seiner Fraktion an einer Sonderstellung der Banken und meinte, während Banken ab dem Zeitpunkt der Insolvenz ihre Zahlungen stoppen können, müssten kleine Sublieferanten weiter ihre Leistungen zahlen.

Abgeordnete Karin HAKL (V) verteidigte hingegen diese Regelung als Mittelweg, der darauf abzielt, mit einem vernünftigen Sanierungsplan gemeinsam mit der Bank die Fortführung des Unternehmens anzustreben.

Abgeordnete Sonja STEßL-MÜHLBACHER (S) befasste sich generell mit dem Justizapparat und klagte, die Bevölkerung bekomme immer mehr den Eindruck, dass parteipolitische Interventionen in der Justiz möglich seien. Ihrer Ansicht nach hat Justizministerin Bandion-Ortner die Pflicht sicherzustellen, dass bei allen Verfahren, ob sie Prominente betreffen oder nicht, die gleichen Maßstäbe angewendet werden.

Abgeordneter Franz GLASER (V) zeigte sich zuversichtlich, dass es durch die Änderung des Insolvenzrechts zu einer Beschleunigung von Unternehmenssanierungen kommen werde und damit Arbeitsplätze und Vermögenswerte erhalten werden könnten. Alle Beteiligten müssten ein Interesse daran haben, dass ein sanierungsbedürftiges Unternehmen so rasch wie möglich "wieder flott gemacht wird", meinte er. Glaser hofft auch, dass kleine Gläubiger künftig schneller ihr Geld erhalten.

Abgeordneter Gerhard KÖFER (S) bekräftigte, von der Reform des Insolvenzrechts würden alle profitieren: UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen, GläubigerInnen und der Wirtschaftsstandort Österreich. Erklärtes Ziel sei es, Unternehmen zu erhalten und nicht zu liquidieren. Besorgt äußerte sich Köfer über die hohe Zahl von Firmenpleiten, wobei er fürchtet, dass "das Ende der Fahnenstange" noch nicht erreicht sein könnte.

Abgeordneter Jochen PACK (V) hielt fest, es sei wichtig, alles zu unternehmen, um die Sanierung und den Fortbestand eines Unternehmens zu gewährleisten. "Retten und sanieren, statt ruinieren", sei das Motto der vorliegenden Novelle.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des V-S-Abänderungsantrags in Dritter Lesung einstimmig angenommen. Der Abänderungsantrag des BZÖ wurde lediglich von der Opposition unterstützt und blieb damit in der Minderheit. Einstimmigkeit erzielte auch die dem Ausschussbericht beigeschlossene Entschließung.

In der Debatte über das Verbraucherkreditgesetz und Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz erläuterte Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) die wichtigsten Punkte des neuen Verbraucherkreditgesetzes. Unter anderem wies er darauf hin, dass es künftig ein einheitliches Formular für Kreditverträge, ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers innerhalb von 14 Tagen und eine gedeckelte Entschädigung bei einer vorzeitigen Kredittilgung geben werde. Zudem würden die Kreditgeber gesetzlich zu Bonitätsprüfungen und zu bestimmten Angaben bei der Werbung für Kreditverträge verpflichtet. Der Verbraucher könne jederzeit einen aktuellen Tilgungsplan verlangen.

Ein von Donnerbauer eingebrachter Abänderungsantrag enthält weitreichende Übergangsregelungen, um den Banken eine Implementierung der neuen Regelungen zu erleichtern. So sollen etliche Bestimmungen des Gesetzes erst mit Ende Oktober 2010 in Kraft treten. Außerdem werden die Bestimmungen über die Bonitätsprüfung adapiert.

Abgeordneter Johann MAIER (S) sprach in Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzespaket von einem "Meilenstein" in der österreichischen Verbraucherpolitik. Als besonders entscheidend wertete er dabei das künftige 14-tägige Rücktrittsrecht bei Kreditverträgen. Überdies wird ihm zufolge erstmals das Recht für KreditnehmerInnen verankert, einen Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Zu den vorgesehenen Bonitätsprüfungen merkte Maier an, diese seien nicht nur für Banken, sondern auch zum Schutz der Kreditwerber notwendig.

Ein von Maier eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die Ausarbeitung einer Novelle zur Gewerbeordnung durch Wirtschaftsminister Mitterlehner ab. Sie soll detaillierte Bestimmungen über die Datenverarbeitung und Datenverwendung durch Kreditauskunfteien enthalten.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) wertete das vorliegende Gesetzespaket als "in Summe gelungen", auch wenn er nicht alle Bedenken in Bezug auf eine mögliche Überregulierung ausgeräumt sieht. Man solle KonsumentInnen unter dem Vorwand des Verbraucherschutzes nicht entmündigen, mahnte er. Ein großes Manko ortet Stefan bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit von KreditwerberInnen. Er begrüßte daher den von Abgeordnetem Maier vorgelegten Entschließungsantrag.

Abgeordnete Birgit SCHATZ (G) betonte, das neue Verbraucherkreditgesetz sei ein deutlicher Fortschritt im Sinne des Konsumentenschutzes. Deshalb würden die Grünen dem Gesetz in Dritter Lesung auch zustimmen. Ein "großer Wurf" ist das Gesetz ihrer Meinung nach aber nicht. Schatz bedauerte, dass Justizministerin Bandion-Ortner nicht bereit gewesen sei, einige bedeutende Lücken zu schließen, wobei sie etwa die Ausnahme für Kleinstkredite und für Pfandleihverträge vom Gesetz kritisierte. Auch für die Tatsache, dass das 14-tägige Rücktrittsrecht nicht für Hypothekarkredite gelte, zeigte sie kein Verständnis.

Um die von ihr genannten und weitere ihrer Ansicht nach bestehenden Defizite des Verbraucherkreditgesetzes zu beheben, brachte Schatz einen Entschließungsantrag ein. Darüber hinaus legte sie einen Abänderungsantrag vor, der einen besseren Schutz von Pfandbestellern zum Inhalt hat.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) erklärte, das BZÖ werde der Gesetzesvorlage zustimmen, da sie "grundsätzlich vernünftig" sei. Er schloss sich aber der Kritik an einzelnen Punkten des Gesetzes an und meinte etwa, es sei nicht einzusehen, warum Kredite unter 200 € oder Pfandleihverträge vom Gesetz ausgenommen seien, während es für Leasingverträge gelte. Auch wäre ihm zufolge eine Änderung des Sollzinssatzes dem Kunden in jedem Fall unentgeltlich mitzuteilen. Was die Bonitätsprüfungen betrifft, gab Stadler zu bedenken, dass Daten von Kreditauskunftsdiensten häufig zu Lasten von KonsumentInnen verwendet würden, ohne dass geklärt sei, woher die Daten stammten.

Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER führte aus, der Kreditnehmer müsse selbstverständlich auch in Hinkunft eigenverantwortliche Entscheidungen treffen, und klar sei auch, dass Schulden grundsätzlich zurückzuzahlen seien. Das Gesetz bringe aber mehr Transparenz, mehr Rechte und mehr Informationen für KreditnehmerInnen. Als Beispiele nannte sie das Rücktrittsrecht für KreditnehmerInnen, Vorgaben für Kreditwerbung und die Pflicht zur jederzeitigen Vorlage eines Tilgungsplans durch die Bank. Generell warnte Bandion-Ortner vor Überreglementierungen, da, wie sie meinte, übertriebener Verbraucherschutz sehr teuer sein könne.

Ähnlich wie Bandion-Ortner argumentierte Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V). Seiner Auffassung nach gelte es abzuwägen, was ein sinnvolles Mehr an Konsumentenschutz sei, was ein sinnvolles, aber teures Mehr und was ein kontraproduktives Mehr sei. Mit dem vorliegenden Gesetz wurde Ikrath zufolge ein guter Ausgleich zwischen dem Mehrwert für KonsumentInnen und den entstehenden Kosten gefunden. Durch die im Abänderungsantrag vorgesehenen Übergangsbestimmungen ist ihm zufolge nun auch gewährleistet, dass die Kreditwirtschaft das Gesetz vollziehen könne.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) qualifizierte das Gesetz als wichtigen Schritt im Bereich des Konsumentenschutzes. Dem Entschließungsantrag der Grünen wird die SPÖ ihrer Darstellung nach nicht zustimmen, sie hält eine Evaluierung des Gesetzes nach zwei bis drei Jahren für sinnvoller als eine unmittelbare Änderung.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) wies darauf hin, dass mit dem vorliegenden Gesetz eine EU-Richtlinie umgesetzt werde, die einen besseren Schutz für KonsumentInnen beim Abschluss von Kreditverträgen bringe. Durch das Rücktrittsrecht innerhalb von 14 Tagen könne jemand, der übereilt einen Kredit aufgenommen habe, den Vertrag widerrufen.

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) konstatierte, die dem vorliegenden Gesetz zugrunde liegende EU-Richtlinie zeige, dass die EU auch bürgernah arbeiten könne. Als ganz besonders wichtig wertete er das Rücktrittsrecht für KonsumentInnen von Kreditverträgen. Änderungen forderte Fazekas im Privatkonkursrecht.

Abgeordneter Bernd SCHÖNEGGER (V) sprach von weitreichenden Verbesserungen und mehr Transparenz für KonsumentInnen. Die Banken müssten den KreditnehmerInnen künftig viel mehr Informationen zukommen lassen, als dies bisher der Fall gewesen sei.

Abgeordneter Otto PENDL (S) bedankte sich bei Justizministerin Bandion-Ortner und bezeichnete das Gesetz als einen guten Kompromiss und einen richtigen, notwendigen Schritt.

Das Darlehens- und Kreditrechtsänderungsgesetz wurde in zweiter Lesung in der Fassung eines V-S-Abänderungsantrags teils einstimmig, teils mehrheitlich angenommen. Ein Zusatzantrag der Grünen verfiel der Ablehnung. Die Zustimmung des Nationalrats erfolgte in Dritter Lesung einstimmig.

Ein S-V-Entschließungsantrag über Datenverwendung durch Kreditauskunfteien wurde einstimmig angenommen, der G-Entschließungsantrag betreffend konsumentenschutzrechtliche Nachbesserungen jedoch abgelehnt.

Unter einem verhandelt wurden: die Änderung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes und ein Antrag des BZÖ betreffend Ministeranklage.

Abgeordneter Wolfgang SPADIUT (B) ging zunächst auf Regeln der Diagnostik ein und leitete daraus Schlussfolgerungen für den Umgang mit der Listerienverseuchung ab. Zur Änderung der zu erörternden Vorlagen hielt er fest, dass es sich hauptsächlich um Anpassungen an EU-Recht handle.

Abgeordneter Johann MAIER (S) sah in erster Linie die einschlägigen Unternehmen für die Bekämpfung gesundheitsschädlicher Lebensmittel verantwortlich, nicht das Gesundheitsministerium. Zum Lebensmittelsicherheitsgesetz erinnerte der Abgeordnete an einen Fünf-Parteienantrag und das Regierungsübereinkommen als Ursprung. Die Lebensmittelaufsicht obliege den Ländern, betonte Maier. Nach der Vorlage werde es erstmals einen Bericht zur Lebensmittelsicherheit geben. Konsumentenpolitisch bedeutsam seien weit reichende Informationsbestimmungen. In Zukunft habe der Minister die Möglichkeit, die Öffentlichkeit selbständig zu informieren.

Gute Gesetze seien wichtig, sagte Abgeordnete Ursula HAUBNER (B), wertete die aktuelle Vorlage aber als Notaktion im Zusammenhang mit Versäumnissen im Listerien-Fall. Das Gesetz enthalte eine Fülle von EU-Anpassungen, neue Bezeichnungen, eine Berichtspflicht im Nachhinein und einen groß verkauften "neuen Notfallplan". Die Information wäre auch nach der alten Rechtslage möglich gewesen. Unklar seien die neuen Tarife, und insgesamt sei es "viel Lärm um nichts", sagte Haubner, anerkannte aber doch einzelne Fortschritte, weshalb das BZÖ eine getrennte Abstimmung verlange, in Dritter Lesung aber zustimmen werde.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) lobte eingangs die schnelle Reaktion des Ministers durch die Vorlage und wandte sich entschieden gegen Versuche, den Gesundheitsminister zu kriminalisieren. Es müsse eine koordinierte Information und Kontrolle geben, die Unternehmen müssten ihre Eigentumsrolle ernster nehmen. Panikmache hätte im konkreten Fall der Listerienverseuchung eher großen Schaden angerichtet, hielt Tamandl fest. Es gebe allerdings auch noch offene Fragen. Täuschung der KonsumentInnen müsse verhindert, die AGES müsse auf "bessere Beine" gestellt werden, außerdem müssten Qualitätskriterien für Lebensmittel erarbeitet werden.

Man könnte nach acht Toten nicht "einfach zur Tagesordnung übergehen", meinte Abgeordneter Gerald GROSZ (B) und wiederholte die Anschuldigungen seiner Fraktion gegenüber dem Gesundheitsminister. Der Minister habe verschleppt und vertuscht, sagte Grosz und kritisierte die Kommunikation zwischen Gesundheitsministerium und AGES. Scharf wandte sich Grosz gegen die Veröffentlichung des Arztbriefs des jüngsten Listerioseopfers. Grosz forderte tiefgreifende Änderungen im Lebensmittelrecht. Minister Stöger forderte er auf, "Anstand zu zeigen" und zurückzutreten.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion zu der – nach ihrer Ansicht lückenhaften - Vorlage an, hielt aber dem Minister vor, er hätte bereits im Jänner informieren können, zumal die einschlägige Firma bekannt gewesen sei. Stöger habe mit seiner Informationspolitik einen Fehler gemacht, der ihm auch in Zukunft anhaften werde. Dem Misstrauensantrag werde die FPÖ nicht zustimmen; zunächst sollten die Ergebnisse der Untersuchungen der Gerichte abgewartet werden.

Lebensmittelsicherheit betreffe alle, sagte Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G), daher gebe es eine Lebensmittelkontrolle. Faktum sei, dass es tragische Todesfälle gegeben habe. Faktum sei auch Etikettenschwindel, wenn ein Produkt als "Hartberger Bauernquargel" angeboten werde und beides unrichtig sei. Faktum sei auch die Unkenntnis einer Geschäftsführung bezüglich gesetzlicher Vorschriften, was der Grund für Hygienemängel und zusätzlich für Kontrollmängel in der Steiermark sei. Einheitliche Qualitätskontrolle sei erforderlich. Zusätzlich müsste man einen Blick auf die Förderungen für die Firma werfen, meinte Pirklhuber und ging abschließend auf Details der Vorlage ein.

Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) warf Abgeordnetem Grosz vor, mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten zu jonglieren. Was man aus dem Fall für Konsequenzen ziehen könne, sei ausführlich besprochen worden. Wie Abgeordneter Spadiut vor ihr äußerte sich auch Oberhauser zu Fragen der medizinischen Diagnostik.

Abgeordneter Erwin RASINGER (V) knüpfte an seine Vorrednerin an und hielt fest, bei Durchfall und Erbrechen könne nicht gleich von Listerien ausgegangen werden. Österreich habe es immerhin geschafft, den Verursacher herauszufinden, und dies angesichts der Ausgangslage, dass tausende Produkte in Frage gekommen seien. Der Minister sei weder Hellseher noch Panikmacher, sagte Rasinger und warf dem BZÖ unfaire Vorgangsweise vor.

Verantwortliche müssten hellhörig werden, wenn es zu einer Konzentration von Krankheitsfällen komme, sagte Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F), das aber sei im Fall der Listerienverseuchung nicht erfolgt. Die Novelle sehe keine Erhöhung der Kontrollfrequenz vor, bedauerte der Redner und ortete eine inkompetente Vorgangsweise. Es gehe auch nicht an, dass Firmen das Gesetz nach Bedarf interpretierten und bewusst kontaminierte Produkte in Umlauf bringen. Der Konsument müsse sicher sein können, bestmögliche Qualität zu kaufen.

Bundesminister Alois STÖGER sah in der Vorlage eine Fortsetzung des Wegs, bestmögliche Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Qualität von Lebensmitteln könne man nicht "erprüfen", sie müsste vielmehr in den Unternehmen produziert werden. Diesem Ziel diene auch die in Rede stehende Vorlage. Die Behörde müsse auch bei Vorliegen eines begründeten Verdachts aktiv werden können, nicht erst beim Beweis der Schädlichkeit. Bezüglich Gütezeichen und Qualitätsausweis forderte der Minister das Parlament zur Zusammenarbeit mit seinem Ressort auf.

Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) sah in dem Gesetz die Chance für noch mehr Sicherheit bei Lebensmitteln. Abgeordneten Grosz kritisierte der Redner wegen dessen Methoden, das Verlangen auf Abberufung des Ministers werde die ÖVP nicht unterstützen.

Abgeordneter Dietmar KECK (S) ging auf einzelne Aspekte der Vorlage ein und wandte sich dagegen, dass aus menschlichen Tragödien politisches Kleingeld geschlagen werde.

Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) sah es als Mangel an, dass Forderungen seiner Fraktion bezüglich des Trinkwassers nicht aufgenommen worden seien. Die wichtigsten Punkte der Vorlage seien die aus dem Listerienfall gezogenen Konsequenzen. Der Minister werde den Verdacht nicht loswerden, etwas zu spät gehandelt zu haben.

Der Abgeordnete sprach von Informationsdefiziten beim Umgang mit dem Käseskandal, hielt eine Ministeranklage gegen den Gesundheitsminister aber für nicht angebracht. Dies sei bloßer Populismus, von dem sich seine Partei distanziere. Defizite bei der Überwachung des Konsumentenschutzes im Lebensmittelbereich sah der Abgeordnete vor allem auch in den Ländern und mahnte die Verantwortung der Gesundheitslandesräte ein. Gefragt seien rasche und umfassende Informationen zur Sicherung der Gesundheit der Bevölkerung.  

         

Abgeordneter Johann HECHTL (S) besprach die Änderung des Lebensmittelsicherheitsgesetzes als einen wesentlichen Schritt zum Schutz der KonsumentInnen vor Lebensmitteln, die die Gesundheit der Menschen gefährden können. Der besseren Information der Verbraucher wird künftig ein Lebensmittelsicherheitsbericht dienen, den der Minister obligatorisch vorlegen muss. Gesundheitsminister Stöger habe sich gesetzeskonform verhalten und die Kompetenzen seines Ministeriums richtig eingesetzt - die Ministerklage gegen den Gesundheitsminister sei daher abzulehnen.

    

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) unterstützte die vorgesehene neue Regelung von Informationen des Gesundheitsministers über gesundheitsgefährdende Lebensmittel. Kritisch setzte sich der Abgeordnete einmal mehr mit den Vorfällen bei der Firma Prolactal auseinander, wo er Feuer am Dach für die Politik sah, weil jahrelang Unzulänglichkeiten beim ArbeitnehmerInnenschutz bestanden, für die mehrere Ministerien und der Gesundheitsminister zuständig gewesen seien. Wichtig sei es, für mehr Transparenz zu sorgen und die Lebensmittelaufsicht der Länder, die personell immer noch unzulänglich ausgestattet sei, zu stärken. Man dürfe sich nicht darauf beschränken, die Gerichte die Schuldfrage klären zu lassen, sondern müsse auch nach der Verantwortung der Behörden fragen, sagte Öllinger.

Bei der Abstimmung wurde die Änderung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes nach differenzierter Abstimmung in Dritter Lesung einstimmig angenommen.

Die vom BZÖ beantragte Ministeranklage gegen Gesundheitsminister Stöger wurde mehrheitlich abgelehnt. (Fortsetzung)