Parlamentskorrespondenz Nr. 276 vom 21.04.2010

Kurzdebatte zu Fristsetzungsantrag

Grüne verlangen Sozialdebatte und Ausschusssitzung

Wien (PK) - Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) sagte, es scheine offensichtlich bereits eine positive Auswirkung dieses Fristsetzungsantrags zu geben, denn es dürfte erstmals seit einem halben Jahr wieder ein Sozialausschuss stattfinden. Zu diskutieren sei wahrlich viel auf diesem Gebiet, und eine der zentralen Forderungen sei eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, die von allen befürwortet werde. Allein, sie komme nicht. Die Frage sei ebenso wenig gelöst wie jene Punkte, die in 90 Anträgen thematisiert worden seien, welche nach wie vor im Ausschuss geparkt seien.

So dürfe man den Parlamentarismus nicht handhaben, hier müsse ein anderer Stil Platz greifen. Gerade in der Krise brauche es zudem eine grundsätzliche Sozialdebatte, um die Entwicklungen auf dem Sozialsektor zu analysieren und zu bewerten. Konkret plädierte der Redner dann neuerlich für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und meinte, es gebe keinen Grund, diesen Schritt nicht zu tun. Daher müsse man dieser Fristsetzung zustimmen und im Parlament neue Saiten aufziehen, um die erforderlichen Diskussionen im Parlament führen zu können.

Abgeordneter Franz RIEPL (S) begrüßte die Fragestellung der Antragsteller, wies aber die Behauptung zurück, für Arbeitslose wäre von Seiten der Regierung nichts geschehen. Der Abgeordnete erinnerte an eine Vielzahl von Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung und meinte, man müsse nicht jubeln, weil die Zahl der Arbeitslosen im vergangenen März gegenüber dem Vorjahr um 18.000 gesunken sei, aber ein wenig Freude könne man darüber schon zeigen. Die Nettoersatzrate liege bei Arbeitslosen in Qualifizierungsmaßnahmen bei 70 % und darüber, sagte Riepl und bekannte sich zur Zielsetzung, Arbeitslosen, die man nicht in Beschäftigung bringen könne, in jedem Fall eine existenzsichernde Unterstützung zukommen zu lassen, und merkte an, die große Mehrheit der Betroffenen habe bereits Nettoersatzraten von mehr als 60 %. 75 % der Notstandshilfebezieher können von der bedarfsorientierten Mindestsicherung eine Erhöhung ihrer Unterstützung um 100 € monatlich erwarten - das sei sozialdemokratische Handschrift in der Politik der Bundesregierung, schloss Abgeordneter Riepl.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) wies auf den Mehraufwand von 200 Mio. € für die von Öllinger verlangte Erhöhung der Nettoersatzrate auf 60 % hin. Bartenstein zeigte sich skeptisch, dass man sich diese Ausgabe leisten solle, weil es wichtig sei, bei der Differenz zwischen Arbeitseinkommen und Arbeitslosenunterstützung das richtige Augenmaß zu wahren. Dabei seien auch die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, etwa die in den einzelnen europäischen Staaten sehr unterschiedlichen Zuverdienstgrenzen für Arbeitslose. Die geplante Mindestsicherung lasse es zu, dass ein Ehepaar mit zwei Kindern 1.500 € monatlich beziehe, was seiner Meinung nach zu nahe bei der Höhe des Arbeitseinkommens vieler Familienalleinerhalter liege, meinte Bartenstein.

Abgeordnete Susanne WINTER (F) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion zum Fristsetzungsantrag der Grünen an. Sie wolle die Regierung dazu zwingen, ihr "Schneckentempo" bei der Arbeit zu erhöhen. In der Krise gehe es darum, Arbeitslosen das Überleben zu sichern. Es sei nicht hinzunehmen, in einer Krise Anträge zur Verbesserung des Lebens von 360.000 Menschen eineinhalb Jahre lang unbehandelt im Ausschuss liegen zu lassen, obwohl man wisse, dass Österreich ein Land mit besonders niedriger Nettoersatzrate und die Armutsgefährdung für Arbeitslose entsprechend hoch sei. Die Armutsgefährdung gelte zunehmend auch für den Mittelstand, wo Energie- und Nahrungsmittelkosten einen immer größeren Teil des Haushaltseinkommens beanspruchten. "Arbeitslosigkeit darf nicht zu Armut führen", sagte Abgeordnete Winter.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) setzte sich kritisch mit dem von ÖVP-Politikern verwendeten Ausdruck "Inaktivitätsfalle" in Diskussionen über die Arbeitslosenunterstützung auseinander. Der Abgeordnete drängte darauf, die mehr als 700 Antragsseiten der Opposition in den Ausschüssen endlich aufzunehmen. Es gehe nicht an, die Arbeit des Parlaments davon abhängig zu machen, ob zur Lösung eines politischen Problems ein Regierungsentwurf vorgelegt wurde. Die Regierungsparteien zwingen die Oppositionsparteien förmlich dazu, laufend Fristsetzungsanträge in das Plenum einzubringen, notfalls auch mit namentlichen Abstimmungen. Die Opposition werde sich gegen die permanente Vertagung ihrer Anträge in den Ausschüssen wehren, kündigte Abgeordneter Brosz an.

         

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) konnte dem Antrag der Grünen einiges abgewinnen, sprach sich aber auch für eine entsprechende Differenz - er sprach von 30 % als Richtwert - zwischen Arbeitseinkommen und Arbeitslosenunterstützung aus. Alle Förderungen, die Menschen erhalten, ob Arbeitnehmer, Unternehmer oder Bauern, seien transparent zu gestalten, um tatsächlich die Höhe der jeweiligen Ersatzrate feststellen zu können. Das BZÖ werde der Fristsetzung zustimmen, sagte Dolinschek und wandte sich seinerseits gegen die Praxis der Regierungsparteien, nahezu alle Oppositionsanträge in den Ausschüssen zu vertagen. "Das ist eine inakzeptable Vorgehensweise", klagte Dolinschek.

    

Der Fristsetzungsantrag wurde mehrheitlich abgelehnt. (Schluss)