Parlamentskorrespondenz Nr. 292 vom 26.04.2010

Mindestsicherung: Vereinbarung zwischen Bund und Ländern liegt vor

Wien (PK) - Die zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern getroffene Vereinbarung über die Einführung einer bundesweit einheitlichen bedarfsorientierten Mindestsicherung liegt dem Nationalrat zur Genehmigung vor (677 d.B. ). Die Vereinbarung soll, einen rechtzeitigen Beschluss in den Ländern vorausgesetzt, am 1. September 2010 in Kraft treten und vorerst einmal bis zum Ende der laufenden Finanzausgleichsperiode 2013 gelten. Von der Vereinbarung umfasst sind u.a. Bestimmungen über den Leistungsumfang der Mindestsicherung, Anspruchsvoraussetzungen und Kostentragung.

Die Mindestsicherung ersetzt im Wesentlichen die bisher je nach Bundesland unterschiedlich hohe Sozialhilfe und wird auf Basis des Ausgleichszulagenrichtsatzes für PensionsbezieherInnen abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge berechnet. Daraus ergibt sich für das Jahr 2010 ein Betrag von 744 € für eine Einzelperson und von 1.116 € für Paare, der 12 Mal jährlich ausbezahlt werden soll. Dazu kommen gegebenenfalls Zuschläge für die ersten drei Kinder im Ausmaß von je 18 % des Grundbetrags (monatlich 134 €) bzw. 15 % (112 €) für das vierte bzw. jedes weitere Kind.

Eingerechnet in den Grundbetrag von 744 € bzw. 1.116 € ist ein Wohnkostenanteil im Ausmaß von 25 % der Leistung. Er fällt weg, wenn der Bezieher der Mindestsicherung eine kostenlose Wohnmöglichkeit bzw. eine Eigentumswohnung hat, kann im Gegenzug bei höheren Wohnkosten aber auch angehoben werden. Wer eine Mindestsicherung erhält, ist außerdem automatisch krankenversichert, die Beitragszahlungen übernehmen die Länder.

Voraussetzung für den Bezug der Mindestsicherung ist die Arbeitswilligkeit. Ausnahmen gibt es nur für Personen, die Kinder unter drei Jahren bzw. pflegebedürftige Angehörige betreuen, das Recht auf Sterbebegleitung in Anspruch nehmen oder noch in Ausbildung stehen. Außerdem darf der bzw. die Betroffene keine eigenen Ersparnisse besitzen. Die Toleranzgrenze hiefür wurde mit dem Fünffachen des Grundbetrags (derzeit 3.720 €) festgelegt. Bei länger als sechsmonatigem Bezug von Mindestsicherung ist überdies vorhandenes Vermögen zu verwerten. Ausnahmen gibt es nur für ein berufsbedingt benötigtes Fahrzeug und die den dringenden Wohnbedürfnissen dienende Eigentumswohnung. Allerdings kann in letztem Fall eine grundbücherliche Sicherstellung vorgenommen werden.

Verweigert jemand trotz schriftlicher Ermahnung die Annahme von Arbeit, kann die Mindestsicherung stufenweise auf bis zu 50 % gekürzt und in besonderen Ausnahmefällen sogar zur Gänze gestrichen werden. Letzteres soll sich im Sinne der Aufrechterhaltung des sozialen Netzes aber nur auf Einzelfälle beschränken. Der Lebensunterhalt von Angehörigen und der Wohnbedarf des Beziehers müssen in jedem Fall zur Gänze gedeckt bleiben.

Im Gegenzug enthält das System der Mindestsicherung verschiedene Anreize zur Arbeitsaufnahme. So soll etwa Personen, die nach längerer Erwerbslosigkeit wieder eine Erwerbsarbeit aufnehmen, ein Freibetrag gewährt werden. Außerdem ist eine Rückforderung der Mindestsicherung bei späterem Erwerbseinkommen unzulässig. Nur wer auf anderem Weg, etwa durch eine Erbschaft, zu einem namhaften Vermögen kommt oder sich die Mindestsicherung durch falsche Angaben erschlichen hat, kann zur Rückerstattung bezogener Leistungen verpflichtet werden. Für die Erschleichung von Leistungen gilt auch die grundsätzlich festgelegte dreijährige Verjährungsfrist für Rückforderungen nicht.

Das Einbringen von Anträgen auf Mindestsicherung soll "bei allen dafür geeignet erscheinenden" Stellen zulässig sein. Dazu gehören dezidiert auch sämtliche Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice (AMS). Der Bund übernimmt überdies die Verpflichtung, BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung mit anderen Arbeitssuchenden gleichzustellen, auch wenn diesen keine Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung zukommen. Weitere Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Ländern betreffen den Datenaustausch und die Einrichtung eines gemeinsamen Arbeitskreises.

Was die Finanzierung der Mindestsicherung betrifft, tragen Bund und Länder grundsätzlich die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Finanzierungsanteile. Allerdings werden die Zusatzkosten der Länder und Gemeinden laut Vereinbarung mit jährlich 50 Mio. € bzw. mit 30 Mio. € für ein einzelnes Bundesland gedeckelt.

Für seinen Zuständigkeitsbereich geht der Bund von jährlichen Mehrkosten in der Höhe von rund 131 Mio. € aus, wobei ein Großteil davon auf den vereinbarten Ausbau mindestsichernder Elemente im Bereich der Notstandshilfe entfällt (siehe begleitender Gesetzentwurf, PK Nr. 219 ). Man dürfe die Mindestsicherung allerdings nicht auf die ausgabenseitige Dimension reduzieren, heißt es dazu in den Erläuterungen zur Bund-Länder-Vereinbarung. Schließlich seien positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft zu erwarten. Da die staatlichen Mehrausgaben dem unteren Einkommensdrittel zugute kommen, werde damit eine wesentliche Kaufkraftstärkung bewirkt. (Schluss)


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