Parlamentskorrespondenz Nr. 327 vom 05.05.2010

Volksanwaltschaftsbericht: Zuständiger Ausschuss nahm Beratungen auf

Vergünstigte Tarife für Einheimische verletzen Gleichheitsgrundsatz

Wien (PK) – Der Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats hat heute seine Beratungen über den von der Volksanwaltschaft vorgelegten Tätigkeitsbericht 2009 aufgenommen. Unter anderem ging es dabei um "allgemeine Wahrnehmungen" der Volksanwaltschaft und von im Zuge ihrer Prüftätigkeit festgestellte Grundrechtsverletzungen. Dabei bekräftigten die VolksanwältInnen im Rahmen der Sitzung das grundsätzliche Verbot von vergünstigten Eintrittstarifen für Einheimische und verwiesen in diesem Zusammenhang auf den Gleichheitsgrundsatz und das Anti-Diskriminierungs-Gebot, das, wie Volksanwalt Peter Kostelka feststellte, selbstverständlich auch für Gemeinden gelte.

Volksanwältin Terezija Stoisits äußerte Bedauern darüber, dass legistische Anregungen der Volksanwaltschaft nicht eine stärkere Beachtung finden, sie verwies aber auch auf einzelne Erfolge. Die Zahl der Beschwerdefälle bewegt sich ihr zufolge seit dem Jahr 2002 auf annähernd gleich hohem Niveau, die meisten Beschwerden betreffen den Sozialbereich.

Von Seiten der Abgeordneten wurden im Rahmen der Diskussion zahlreiche Problemfelder und Einzelfälle angeschnitten. Unter anderem ging es um Beschwerden im Bereich des Sachwalterrechts und der Jugendwohlfahrt, Obsorgeverfahren nach Scheidungen, Versäumnisse der Polizei nach dem Diebstahl von Betonmischfahrzeugen, Rechtsschutzdefizite im Gewerberecht, steigende Beschwerdezahlen im Bereich des Fremdenrechts, die Untertitelung von ORF-Sendungen und die geplante Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten.

Gleich zweimal wurde das Problem des grundsätzlichen Verbots von verbilligten Eintrittstarifen für Einheimische und von ähnlichen Vergünstigungen angesprochen. So meinte etwa Abgeordneter Hannes Fazekas (S), aus Sicht der Kommunalpolitik sei es schwer nachvollziehbar, warum eine Gemeinde ihren BürgerInnen keine vergünstigten Eintritte in Badeteiche oder vergünstigte Theaterfahrten anbieten dürfe. Schließlich sei ihm als Bürgermeister die Lebensqualität der GemeindebürgerInnen ein Anliegen. Ähnlich argumentierte auch Abgeordneter Wolfgang Großruck (V), der Sondertarife für GemeindebürgerInnen insofern als gerechtfertigt erachtete, als die Gemeinden Einrichtungen wie Schwimmbäder aus ihrem Steuergeld finanzierten.

Generell zeigte sich Großruck überzeugt, dass die Verwaltung immer bürgernäher werde. Gebe es Probleme, empfehle er als Bürgermeister den Betroffenen immer wieder, sich an die Volksanwaltschaft zu wenden, konstatierte er. Auch von den anderen Fraktionen erhielt die Volksanwaltschaft großes Lob; sie sei, wie etwa Abgeordneter Fazekas meinte, eine unverzichtbare Einrichtung für die BürgerInnen geworden. 

Abgeordnete Anna Höllerer (V) hob hervor, dass die Volksanwaltschaft durch Beratung auch jenen BürgerInnen zu helfen versuche, für deren Beschwerde sie eigentlich nicht zuständig sei. Inhaltlich sprach sie das Problem der Sachwalterschaften an, mit dem sie selbst immer wieder konfrontiert sei. Höllerer zufolge gilt es das System als Ganzes zu hinterfragen, insofern begrüßte sie die diesbezüglichen Anregungen der Volksanwaltschaft. Schließlich wäre es vielen Menschen möglich, zumindest in Teilbereichen noch selbstbestimmt zu entscheiden.

Abgeordneter Werner Herbert (F) brachte den im Bericht der Volksanwaltschaft aufgezeigten Fall eines Diebstahls mehrerer Betonmischfahrzeuge zur Sprache und meinte, dieser sei symptomatisch für die prekäre Personalsituation bei der Exekutive. Kritik übte er auch an der oft monatelang dauernden Bewertung von Arbeitsplätzen im Bundesdienst.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) wertete den Befund der Volksanwaltschaft, wonach ihre legistischen Anregungen zu wenig Beachtung finden, als diskussionswürdig. Im Konkreten schnitt er etwa Rechtsschutzdefizite im Gewerberecht an. Auch seine Fraktionskollegin Daniela Musiol gab zu bedenken, dass sich einige Themen in allen Berichten der Volksanwaltschaft wiederfinden würden. Sie schließt daraus, dass zu wenig getan werde, um bestimmte Probleme zu beseitigen.

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (S) machte unter anderem auf fehlende Rehabilitationsplätze und Therapieangebote für Kinder und Jugendliche aufmerksam. Ihr Fraktionskollege Ewald Sacher (S) mahnte die Ausweitung barrierefreier Sendungen im ORF ein und verwies diesbezüglich auf das geplante neue ORF-Gesetz. Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (F) befasste sich mit der Jugendwohlfahrt und wertete in diesem Zusammenhang auch eine Sensibilisierung der Bevölkerung für notwendig, um Hemmschwellen bei der Einschaltung der Jugendwohlfahrt zu überwinden.

Volksanwältin Terezija Stoisits bedauerte, dass die Volksanwaltschaft keine Gelegenheit habe, ihre Expertise in den einzelnen Fachausschüssen des Nationalrats einzubringen. Schließlich stoße die Volksanwaltschaft im Rahmen ihrer Prüftätigkeit immer wieder auf problematische und oft auch unbeabsichtigte Wirkungen von Gesetzen, betonte sie.

Als ein Beispiel nannte Stoisits etwa das verschärfte Staatsbürgerschaftsrecht. Es sei nicht Aufgabe der Volksanwaltschaft, die verschärften Bestimmungen generell zu kritisieren, meinte sie. Stoisits ist aber überzeugt, dass die Folgewirkung einzelner Bestimmungen von den Abgeordneten nicht beabsichtigt war. So hat ihrer Darstellung nach auf Grund der neuen Einkommenshürden jemand, der unverschuldet in eine Notlage geraten ist, nun überhaupt keine Chance mehr auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Das betreffe etwa anerkannte Flüchtlinge, die alt und krank seien oder junge behinderte Menschen. Trotz jahrelangem Aufenthalt in Österreich und Pflegegeldbezug könnten sie die Staatsbürgerschaft nicht erwerben, weil das Pflegegeld nicht als Einkommen zähle.

Mit einzelnen legistischen Anregungen sei die Volksanwaltschaft aber durchaus erfolgreich, skizzierte Stoisits. So hätten seit der letzten Fremdenrechtsnovelle auch in Österreich aufhältige staatenlose Personen und Personen ohne Aufenthaltsrecht, die jedoch nicht abschiebbar seien, einen Anspruch auf die Ausstellung einer Identitätskarte.

Zu den gestohlenen Betonmischfahrzeugen merkte Stoisits an, hätte die Polizei schnell reagiert, hätte der Schaden vermutlich ohne viel Aufwand verringert werden können. Die Polizei habe sich aber nicht an die ASFINAG gewandt, um mit Hilfe der Go-Box den Standort der Fahrzeuge festzustellen, bemängelte sie. Im Gewerberecht vermisste sie insbesondere bei vereinfachten Verfahren ein "fair trial", da hier AnrainerInnen nicht eingebunden würden. In Richtung Abgeordneter Musiol hielt Stoisits fest, es könne sein, dass die Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft durch die geplante Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten reduziert werde.

Volksanwalt Peter Kostelka verwies auf die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit von nationalen Ombudseinrichtungen. Als die österreichische Volksanwaltschaft im Jahr 1977 eingerichtet wurde, sei sie erst die siebente Einrichtung dieser Art weltweit gewesen, schilderte er, mittlerweile gebe es in 135 Staaten derartige Stellen. Jede moderne Verfassung sehe eine Ombudseinrichtung vor, auch wenn die Ausgestaltung dieser Stellen sehr heterogen sei. Das beim Amtssitz der österreichischen Volksanwaltschaft eingerichtete Generalsekretariat der Internationalen Ombudsorganisation I.O.I. bemüht sich laut Kostelka unter anderen, junge derartige Einrichtungen zu unterstützen.

Als "wirklich niederschmetternd" beurteilte Kostelka die Tatsache, dass es in Österreich zwar 7.000 Rehabilitationsplätze gebe, aber praktisch keinen einzigen, der speziell für Kinder ausgerichtet sei. Er ortet in diesem Bereich dringenden Handlungsbedarf. Schließlich bräuchten schwer bzw. chronisch kranke Kinder Begleitung durch einen Elternteil und schulische Betreuung. Kostelka sieht allerdings "Anzeichen und Bereitschaft", auf die Argumente der Volksanwaltschaft einzugehen und verwies in diesem Zusammenhang auf die Einbindung der Volksanwaltschaft in den von Gesundheitsminister Stöger initiierten Gesundheitsdialog.

Ein "echtes Problem" ist für Kostelka auch die Jugendwohlfahrt. Zwar würden die Länder langsam zu reagieren beginnen, meinte er, dennoch gebe es nach wie vor eine Reihe von Defiziten. Kostelka zufolge hat sich bei einer Querschnittsprüfung in allen Bundesländern gezeigt, dass Fälle wie jener am Linzer Pöstlingberg kein Zufall, sondern systemimmanent seien.

Zur Frage von vergünstigten Eintrittstarifen für GemeindebürgerInnen hielt Kostelka fest, das Diskriminierungsverbot könne nicht vor Gemeindegrenzen halt machen. Schließlich würden alle BürgerInnen Steuern zahlen. Auch Volksanwältin Gertrude Brinek machte geltend, dass es kein "Einheimischenprivileg" geben dürfe und das Diskriminierungsverbot ein durchgängiges Prinzip sei.

Als Sorgenfelder in ihrem Zuständigkeitsbereich nannte Brinek unter anderem das Sachwalterrecht und das Obsorgerecht. So wurden ihrer Meinung nach die Ziele der neuen gesetzlichen Sachwalterschafts-Bestimmungen nicht ganz erreicht. Es gebe immer wieder Beschwerden über unzureichende Kontakte mit dem Sachwalter und die unzureichende Berücksichtigung von Bedürfnissen der besachwalteten Person, schilderte sie. Brinek machte in diesem Zusammenhang auf die problematische Entgeltregelung aufmerksam, nach der der Sachwalter de facto umso weniger Geld erhalte, umso mehr er vom Vermögen der besachwalteten Person für persönliche Anschaffungen oder medizinische Gutachten ausgebe. Positiv äußerte sich Brinek zur von mehreren Abgeordneten angesprochenen engeren Zusammenarbeit der Volksanwaltschaft mit dem Petitionsausschuss.

Wie aus dem Bericht der Volksanwaltschaft hervorgeht, wandten sich im Jahr 2009 14.853 Bürgerinnen und Bürger an die Volksanwaltschaft. Davon betrafen 10.320 Beschwerden die Verwaltung. 6.235 Prüfverfahren wurden eingeleitet. In der Bundesverwaltung führte die Volksanwaltschaft 3.775 Prüfverfahren durch.

Erledigt wurden von der Volksanwaltschaft im Jahr 2009 insgesamt 6.761 Prüfverfahren. In 641 Fällen bzw. 14,9 % der Prüfverfahren stellten die drei VolksanwältInnen dabei dezidiert einen Missstand in der Verwaltung fest. Dazu kommen zahlreiche legistische Anregungen zur Verbesserung von Gesetzen. Von sich aus leitete die Volksanwaltschaft 72 Prüfverfahren ein.

In einem eigenen Teil des Berichts listet die Volksanwaltschaft jene Fälle auf, die ihrer Meinung nach grundrechtsrelevant sind. So stieß die Volksanwaltschaft etwa im Zuge von Prüfverfahren auf Verletzungen des Legalitätsprinzips, die Verschleppung von Verfahren und die mangelnde Wahrung des Parteiengehörs, die Verletzung des Rechts auf Sicherheit und Eigentum und die Verletzung des Rechts auf Achtung der Privatsphäre.

Was den Gleichheitsgrundsatz betrifft, sieht die Volksanwaltschaft nicht nur vergünstigte Eintrittspreise für Einheimische als äußerst problematisch an, sie macht ein ähnliches Problemfeld auch in Zusammenhang mit Seniorenermäßigungen aus. So ist es für die Volksanwaltschaft nicht einsichtig, dass die Seniorenvorteilskarte bei Bahn und Bus für Männer erst ab 65, für Frauen hingegen schon ab 60 Jahren erhältlich ist. Die VolksanwältInnen halten das für eine Diskriminierung und für keinen adäquaten Weg, um die bestehende Benachteiligung von Frauen in vielen anderen Bereichen auszugleichen und deren tatsächliche Gleichstellung zu fördern.

Die Beratungen über den Bericht wurden vertagt. (Schluss)