Parlamentskorrespondenz Nr. 373 vom 20.05.2010

Nationalrat spricht Minister Darabos mehrheitlich das Vertrauen aus

Koalition verteidigt Assistenzeinsatz des Heeres gegen die Opposition

Wien (PK) – Die Dringliche Anfrage der Grünen in der heutigen Plenarsitzung des Nationalrates an Verteidigungsminister Norbert Darabos begründete deren Abgeordneter Peter PILZ (G) mit dem Vorwurf an den Bundesminister, er bewege sich nicht mehr in jenem gesetzlichen Rahmen, den Verfassung und Bundesgesetze vorgeben, und der die Grundlage für die Arbeit eines Ministers darstelle. Im Wehrgesetz heiße es ausdrücklich, eine Assistenzleistung des Bundesheers sei nur dann anzufordern, wenn die österreichische Polizei ihre Aufgaben nicht mehr alleine erfüllen könne, was von der Innenministerin bewiesen werden müsse. Ein Blick auf die Kriminalitätsstatistik des Burgenlands führe aber vor Augen, dass ein solcher Einsatz gerade dort durchgeführt werde, wo die Lage ohnehin am sichersten sei.

Aus sicherheitspolitischer Sicht könne, so Pilz, nicht die Rede von einer "Erfolgsstory" sein, schließlich würde nicht einmal ein Prozent aller Straftaten in diesem Gebiet von den hier stationierten SoldatInnen angezeigt. Damit bringe ein einziger Polizist gleich viele Anzeigen ein wie 130 an der Grenze stationierte Soldaten, deren Einsatz aber hohe personelle Mehrkosten verursache, worauf auch der Rechnungshof hingewiesen habe. Dass eine von Mitgliedern des Bundesheers eingebrachte Anzeige eine Milliarde Euro koste, sei nicht einzusehen, zumal man mit den für den Assistenzeinsatz aufgewendeten Mitteln das Budget des Bundeskriminalamts fast verdoppeln könnte, so Pilz.

Es liege auch nicht im Interesse der Angehörigen des Bundesheeres, den Einsatz fortzusetzen. Es sei alleine der Wunsch des Ministers, der Reformen beim Heer verhindere und jeden Hinweis auf Korruption im Umfeld des Eurofighter-Ankaufs vertusche. Auch dürfe es nicht, wie von der SPÖ gefordert, um die Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls gehen, sondern um reale Sicherheit, zu der der Assistenzeinsatz nicht beitrage, zumal die Kriminalität in allen Bundesländern rückläufig sei. Die Ängste der Menschen für sich zu nutzen, nähere die SPÖ der FPÖ an, wie auf Landes- und Gemeindeebene bereits ablesbar werde. Pilz forderte daher den Rücktritt des Verteidigungsministers.

Bundesminister Norbert DARABOS warf den Grünen vor, nicht an seriöser Sicherheitspolitik interessiert zu sein, zumal diese Fraktion auch schon einmal die Abschaffung des Bundesheeres gefordert habe. Dass man ihm Vertuschung in der Eurofighter-Causa vorwerfe, lasse er sich außerdem "nicht gefallen".

Den Assistenzeinsatz bezeichnete Darabos als verfassungsmäßig, da keine gegenteiligen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vorlägen. Der Antrag der Grünen zeige für ihn nur, dass diese Fraktion "für weniger Sicherheit" eintrete. Die Bundesregierung nehme die Ängste der Bevölkerung hingegen ernst, schließlich werde der Einsatz im Burgenland von 80 % der Bevölkerung befürwortet. Er gehe auch nicht davon ab, den Assistenzeinsatz als "Erfolgsstory" zu bezeichnen, da man dessen Erfolg nicht anhand der eingebrachten Anzeigen bemessen könne. Für Darabos seien die an der Grenze Stationierten "Augen und Ohren" der Polizei, wodurch man u. a. Banküberfälle und Bankomatsprengungen habe vereiteln können. Es sei auch falsch, zu behaupten, das Bundesheer habe die Aufgabe, Illegale aufzugreifen. Diese Funktion nehme das Heer seit 2007 nicht mehr wahr. Der Rückgang an Straftaten im Burgenland sei sehr wohl auf die präventive Wirkung des Einsatzes zurückzuführen, stand für den Minister fest.

Die Kritik des Rechnungshofs wollte Darabos nicht gelten lassen, zumal dieser militärische Einsätze nicht prüfen könne. Die Zusatzkosten für den Grenzeinsatz seien mit 12 Mio. € nicht nur veranschlagt, dieser Betrag könne auch nachgeprüft werden.

Den Vorwurf der "Wahlkampfhilfe" wies der Bundesminister vehement von sich, da auch PolitikerInnen anderer Parteien und das Nachbarland Ungarn den Einsatz als Erfolg bewerteten. Gerade das Beispiel Ungarns zeige, dass eine verunsicherte Bevölkerung zu eigenen Mitteln – wie der Einführung extremistischer Bürgerwehren – greife. Einer solchen Entwicklung wolle man in Österreich den Boden entziehen. Er habe immer zum Assistenzeinsatz gestanden und werde dies auch weiterhin tun, schloss Darabos.

Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) sprach von einer "schwachen Vorstellung" des Bundesministers. Darabos habe sich erneut durch die Nicht-Beantwortung von Fragen hervorgetan, meinte er und verwies auf den Wunsch seiner Fraktion, Auskunft darüber zu erhalten, wie viele strafbare Handlungen durch den Assistenzeinsatz aufgedeckt wurden. Der Minister habe diese Frage aber nur unter Verweis auf die Zahl der "Sicherheitshinweise" beantwortet. Auch sei Darabos nicht darauf eingegangen, wie viele Präsenzdiener während des Einsatzes Suizid begangen hätten.

Seine Fraktion wolle einen Trennstrich zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben gezogen wissen, was die SPÖ augenscheinlich nicht mehr tue. Öllinger bewertete es außerdem als grotesk, die Situation in Ungarn mit dem österreichischen Grenzeinsatz in Beziehung zu setzen. Vor dem Hintergrund dieser Verfehlungen im Sicherheitsbereich bringe er deshalb einen Misstrauensantrag seiner Fraktion gegen Darabos ein.

Für Abgeordneten Stefan PRÄHAUSER (S) stand die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes außer Frage. Die Grünen hätten ein Problem mit dem Bundesheer an sich und wollten es daher abschaffen, was mit der SPÖ jedoch nicht möglich sein werde. Aufgabe der Politik sei es, zu bewerten, was die Bevölkerung brauche, und das sei Lebensqualität, die man mit dem Einsatz sicherstelle. Die SPÖ in ein "rechtes Eck" zu stellen, bezeichnete er als haltlosen Vorwurf vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahl. Für Prähauser stand fest, dass es Darabos auch weiterhin zu unterstützen und das Ressort der Innenministerin aufzustocken gelte.

Abgeordneter Norbert KAPELLER (V) merkte an, dass Bundesminister Darabos keinen Misstrauensantrag verdiene, auch wenn einige Baustellen in seinem Ressort offen seien. Der Rechnungshof habe dem Assistenzeinsatz zwar Unausgewogenheit im Mitteleinsatz konstatiert, doch sei der Einsatz bis Ende 2010 weiterzuführen und die verbleibende Zeit für Diskussion und Evaluierung zu nutzen.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) kündigte an, seine Fraktion werde den Misstrauensantrag nicht unterstützen. Der Assistenzeinsatz sei kein Grenzeinsatz, sondern ein Ordnungs- und Sicherheitsdienst, bei dem die Waffen nicht feuerbereit getragen werden, stellte er zunächst klar. Fichtenbauer zweifelte zudem an der Verfassungsgemäßheit des Einsatzes, zumal es, wie er zu bedenken gab, an einer Anfechtungsbefugnis fehle. Das legitime Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung müsse allerdings respektiert werden, betonte der Redner, wobei er dafür eintrat, anstelle des Assistenzeinsatzes, der das Bundesheer schwer belaste, eher eine Grenzschutzeinheit aus dem Personal der Exekutive einzurichten. 

Abgeordneter Kurt LIST (B) kritisierte, 22 Mio. € würden vorsätzlich verschwendet. Der Assistenzeinsatz sei ein Misserfolg zu Lasten der SteuerzahlerInnen und müsse schleunigst beendet werden, stand für List fest. Der Redner warf dem Minister vor, die Soldaten des Bundesheeres als "rotes Wahlzuckerl auf Streife" zu missbrauchen, und forderte Darabos pointiert auf, diese Art von Wahlwerbung aus seiner eigenen Tasche zu bezahlen. Kein Verständnis zeigte List aber auch für die Haltung der ÖVP, die er der Unterwerfung unter den "Primat der roten Politik" bezichtigte.

Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) sah ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Verlängerung des Assistenzeinsatzes und der burgenländischen Landtagswahl. Mit dem Aufmarsch des Bundesheeres werde die Bevölkerung eher verunsichert, man suggeriere dadurch bloß ein Gefühl der Bedrohung, warnte die Rednerin. Das Geld für den Einsatz sollte besser in die Stärken des Landes, etwa in den Ausbau der alternativen Energien oder in Arbeitsplatzsicherheit investiert werden, meinte Brunner.

Abgeordnete Christine LAPP (S) qualifizierte den Assistenzeinsatz als Dienst im Interesse der Bevölkerung. Sie erinnerte an Meinungsumfragen, wonach eine überwiegende Mehrheit der Menschen diesen Einsatz unterstütze, und unterstrich, die SPÖ nehme die Anliegen der Bevölkerung ernst. Diese Anliegen seien viel zu wertvoll, um sie "unseriösen UnsicherheitspolitikerInnen" auszuliefern, schloss Lapp.

Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) würdigte als Burgenländer den Assistenzeinsatz des Bundesheeres, dessen Soldatinnen und Soldaten sich, wie er sagte, "zur Verfügung stellen, damit die Bevölkerung ruhig schlafen kann". Die Volkspartei habe diesen Einsatz immer mitgetragen und unterstützt, weil er notwendig ist, betonte Klikovits unter Hinweis auf steigende Kriminalität im Gefolge der Öffnung der Schengen-Grenze. Der Redner trat dafür ein, den Assistenzeinsatz im Herbst zu evaluieren, dabei die neueste Kriminalstatistik zu überprüfen und dann "in aller Ruhe" über eine allfällige Verlängerung zu entscheiden.

Abgeordneter Lutz WEINZINGER (F) zog mit der Innenministerin scharf ins Gericht und stellte fest, Fekter könne offensichtlich ihrer Pflicht zum Schutz der Bevölkerung nicht nachkommen, weil sie angesichts der Schengen-Öffnung ihre Hausaufgaben nicht gemacht habe. Es gehe nicht an, nun diese Aufgabe den Wehrpflichtigen aufzubürden, meinte Weinzinger, der zudem die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres durch Budgetkürzungen und vor allem auch durch die Verkürzung der Wehrpflicht gefährdet sah.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) betonte, nach der Erweiterung der Schengen-Grenze habe der Assistenzeinsatz seine Berechtigung verloren. Die nun von Darabos als Argument für die Verlängerung angeführte Hebung des subjektiven Sicherheitsgefühls zähle jedenfalls nicht zu den Aufgaben des Bundesheers, damit fehle es an der verfassungsmäßigen Grundlage für den Assistenzeinsatz, folgerte der Redner. Einziger Grund für den Einsatz sei demnach eine parteipolitische Motivation, resümierte Scheibner und empfahl den PolitikerInnen, die Sicherheitspolitik aus Wahlkämpfen herauszuhalten.

Abgeordnete Tanja WINDBÜCHLER-SOUSCHILL (G) nannte den Assistenzeinsatz eine "Posse der Sonderklasse". Darabos würde nur deshalb den Einsatz verlängern, weil er keine andere Legitimation für sein Amt und kein einziges Erfolgserlebnis habe, sagte sie. Die große Zustimmung der Bevölkerung zu dem Einsatz habe mit der Sicherheit zu tun und sei eher ein Ruf nach mehr Polizei und nicht nach dem Bundesheer.

Abgeordneter Gerhard STEIER (S) qualifizierte die Dringliche der Grünen als puren Populismus auf dem Rücken der Burgenländer und meinte, die Bevölkerung im Burgenland stehe hinter dem Assistenzeinsatz. Der Einsatz sei kein Anachronismus, es gehe vielmehr um eine Assistenzleistung für die Polizei im Dienste der Bevölkerung. Die SPÖ kümmere sich um die Sorgen der Menschen und spreche sich gegen jegliches Wahlkampfgeplänkel der Grünen aus. Solange die Polizei nicht in der Lage ist, ihre Aufgaben voll zu erfüllen, werde der Assistenzeinsatz verlängert werden, das sei man dem Sicherheitsgefühl der Menschen schuldig, kündigte Steier an.

Abgeordneter Mario KUNASEK (F) begründete die Nichtzustimmung seiner Partei zum Antrag der Grünen damit, dass dieser von Polemik gegen das Bundesheer geprägt sei. Bundesminister Darabos warf er vor, seine Meinungsänderung in der Frage der Verlängerung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres sei parteipolitisch, nicht sicherheitspolitisch motiviert. Die FPÖ sehe die Antwort auf die Sicherheitsproblematik in einer entsprechende Ausstattung der Sicherheitskräfte. Rücklagen in der Höhe von 140 Mio. €, welche das Verteidigungsressort gebildet habe, sollten zur Verbesserung der Unterkünfte von Grundwehrdienern in den Kasernen eingesetzt werden, sagte der Redner und brachte einen diesbezüglichen Entschließungsantrag seiner Fraktion ein.

 

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) meinte, der Assistenzeinsatz sei mit der Aufhebung der Schengengrenze Ende 2007 überflüssig geworden. Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Ergebnis mehr, der Einsatz des Bundesheeres in dieser Form widerspreche dessen eigentlichen Aufgaben und diene auch nicht der Erhöhung der Sicherheit. Das BZÖ fordere daher die Zusammenarbeit von Bundesheer und Polizei in einer neuen Form von Grenzschutztruppe sowie eine bessere Ausstattung der Exekutive. Der Bundesminister solle den "sinnlosen" Einsatz beenden, meinte der Redner.

 

Abgeordneter Otto PENDL (S) verwies auf die hohe Zustimmung der Bevölkerung in den Grenzregionen zum Assistenzeinsatz des Bundesheeres. Bundesheer wie Exekutive hätten nicht verdient, dass man ihre Anliegen für Wahlkämpfe missbrauche, sagte der Abgeordnete in Richtung von Grünen und BZÖ und rief zu einer sachlichen Sicherheitsdiskussion auf.

 

Abgeordneter Peter PILZ (G) bekräftigte in einer zweiten Wortmeldung seinen Vorwurf, der Bundesminister sei im Falle des Assistenzeinsatzes bereit, über negative Rechnungshofberichte und bestehende Gesetze hinwegzusehen, nur um einem Parteikollegen einen politischen Gefallen zu erweisen. Er missbrauche das Bundesheer für politische Zwecke. Umfassende Sicherheit sei am besten durch Investitionen in soziale, Bildungs- und Umweltsicherheit zu erreichen. 

 

Abgeordneter Josef CAP (S) verteidigte den Assistenzeinsatz des Bundesheeres mit dem Argument, dessen Erfolg bestehe in seinem Präventionscharakter, der zwangsläufig schwer in Zahlen fassbar sei. Objektive Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung seien nicht voneinander zu trennen. Cap konnte auch die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht erkennen. Bundesminister Darabos habe in seinem Ressort ein schweres Erbe angetreten und leiste hervorragende Arbeit. Grünen und BZÖ warf der SPÖ-Klubobmann vor, sich gegen die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung zu stellen.

 

Der Misstrauensantrag der Grünen und der F-Entschließungsantrag wurden mehrheitlich abgelehnt. (Schluss)