Parlamentskorrespondenz Nr. 466 vom 14.06.2010

Finanzausschuss macht Glücksspielgesetz-Novelle plenumsreif

Grüne für besseren Schutz vor der "harten Droge" Automatenglücksspiel

Wien (PK) – Die Glücksspielgesetz-Novelle (657 d.B. und 658 d.B. ), die der Finanzausschuss heute Abend mit S-V-F-B-Mehrheit an das Nationalratsplenum verabschiedete, enthält nun stärkere Spielerschutz-Bestimmungen als die beiden ursprünglichen Regierungsvorlagen. Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten, die unter dem Vorsitz von Ausschussobmann Günter Stummvoll ihre zuletzt unterbrochenen Ausschussberatungen (siehe PK-Meldung Nr. 449 vom 8.6.2010) wieder aufgenommen hatten, für einen von SP-Abgeordnetem Kai Jan Krainer eingebrachten V-S-Abänderungsantrag sowie für Ausschussfeststellungen im Interesse besserer Spielerschutz-Regelungen aus. Dazu gehören die Einrichtung einer Stelle für Suchtprävention und Suchtberatung im Finanzministerium, die elektronische Kontrolle jedes Automaten durch das Bundesrechenzentrum, eine Beschränkung des Zutritts zu Automatensalons auf Volljährige und präzise Regelungen für den Mindestabstand, den Automatenspielsalons von Schulen und anderen für Kinder und Jugendliche sensiblen Orten einhalten müssen. Es kommt ein Verbot der Automatikstarttaste und parallel laufender Spiele, um das Risiko für die Spieler zu mindern, in kurzer Zeit enorme Beträge zu verlieren. An die Regierung ergeht die Aufforderung, auch für das Internetglücksspiel noch in dieser Legislaturperiode strenge Spielerschutzbestimmungen einzuführen sowie nicht konzessionierte elektronische Glücksspielangebote effektiver zu bekämpfen. Im Finanzausgleich wurde für die bisherigen "Erlaubnisländer" Kärnten, Niederösterreich und Steiermark sowie für Wien beim Anteil der Länder (Gemeinden) an der Bundesautomaten- und VLT-Abgabe und am Garantiebetrag eine Einschleifregelung in der Übergangszeit vorgesehen. Die Regierungsvorlagen passierten den Finanzausschuss mit S-V-F-B-Mehrheit, der Abänderungsantrag und die  Ausschussfeststellungen wurden einstimmig verabschiedet. In der Minderheit blieb ein Antrag des BZÖ-Abgeordneten Peter Westenthaler auf Regelung des Internet-Glücksspiels binnen Jahresfrist.

 

Die Ablehnung der beiden Regierungsvorlagen durch die Grünen erläuterte Abgeordneter Peter Pilz (G), der einmal mehr vor den enormen Gefahren warnte, die das Automatenglücksspiel – eine "harte Droge", so der Redner – für von Spielsucht betroffene Menschen und deren Familien bedeute. Pilz lehnte es ab, illegale Praktiken auf dem Glücksspielmarkt durch das vorliegende Gesetz zu legalisieren und hielt es für unverständlich, von einem Ausbau des Spielerschutzes zu sprechen, wenn man sich lediglich darauf beschränke, den Zutritt zu den Automatenspielsalons zu kontrollieren. Für besonders bedenklich hielt Pilz die Erhöhung der maximalen Einsatzgrenze pro Spiel von 50 Cent auf 10 €. Sein Vorschlag lautete, die Spieldauer auf zwei Stunden zu reduzieren und nach norwegischem Vorbild die maximal zulässigen Verluste pro Woche zu begrenzen. Außerdem trat Pilz für eine Anhörung von ExpertInnen zum Thema Spielsucht ein. Mit diesen Vorschlägen sei er in den Verhandlungen - offenbar am Diktat zweier Landeshauptleute, nämlich Erwin Prölls und Michael Häupls, so Pilz - gescheitert. Pilz kündigte für die Plenarsitzung am Mittwoch einen Rückverweisungsantrag seiner Fraktion an, weil er nicht akzeptieren könne, dass das Parlament ein Gesetz verabschiede, das den Interessen von Glücksspielautomatenbetreibern entspreche, nicht aber dem Schutzbedürfnis tausender Spielsüchtiger und ihrer Familien.

Demgegenüber wandte sich Abgeordneter Peter Westenthaler (B) entschieden dagegen, Unternehmen und ihre tausenden MitarbeiterInnen in der Form abzuqualifizieren, wie dies Abgeordneter Pilz tue. Er halte nichts davon, das Glücksspiel generell zu verbieten, sagte der Abgeordnete und trat dafür ein, einen ordnungspolitischen Rahmen samt Spielerschutzbestimmungen zu schaffen. Das vorliegende Gesetz sei zwar nicht perfekt, aber doch ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es werde weniger Automaten geben und die Spielerschutzbestimmungen werden wirken, zeigte sich Peter Westenthaler überzeugt.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) konnte keinen sinnvollen Grund erkennen, die maximale Einsatzgrenze beim Automatenglücksspiel auf 10 € anzuheben und zeigte auch kein Verständnis für die Weigerung der anderen Fraktionen, ein Expertenhearing abzuhalten.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) würdigte das Gesetz als einen Fortschritt, weil es darauf abziele, das Glücksspielgewerbe lebensfähig zu halten und zugleich gute Spielerschutzbestimmungen bringe.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) erläuterte den Abänderungsantrag der Koalitionsparteien und die Ausschussfeststellungen und sprach die Hoffnung aus, dass es künftig gelingen werde, das Gesetz aufgrund der für 2014 vorgesehenen Evaluierung weiter zu verbessern und den von Spielsucht betroffenen Menschen zu helfen.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) lobte das gute Gesprächsklima über weitere Verbesserungen an der Glücksspielgesetznovelle, auch wenn es nicht gelungen sei, einen vollständigen Konsens herbei zu führen.

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) begrüßte grundsätzlich den Abänderungsantrag und die Ausschussfeststellungen, verlangte aber zugleich wesentlich umfangreichere Maßnahmen zum Schutz von Spielern. Eine Minute Spielunterbrechung als "Abkühlungsphase" könne man nicht als Spielerschutz-Maßnahme betrachten, kritisierte die Rednerin und trat für ein Automatenspiel-Werbeverbot ein.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) meinte demgegenüber, das vorliegende Gesetz stelle ein brauchbares Regelwerk dar und bringe klare Zugangsbestimmungen und –beschränkungen zum Schutz der Spieler. Auch die vorgesehene Evaluierung der Erfahrungen mit der Novelle begrüßte Steindl ausdrücklich.

Abgeordneter Johann Maier (S) korrigierte die von Abgeordnetem Pilz genannten Zahl von 160.000 Spielsüchtigen in Österreich und nannte eine Zahl von 30.000 bis 40.000 von Spielsucht betroffenen Menschen. Unverantwortlich wäre es, die vorliegende Novelle nicht zu verabschieden, weil sie die Beschlagnahme illegaler Automaten ermögliche und damit einen Meilenstein für die Vollziehung von Spielerschutzmaßnahmen setze. Er erwarte sich positive Auswirkungen der Novelle, sagte Abgeordneter Maier, warnte vor jeder Illegalisierung des Glücksspiels und begrüßte ausdrücklich die vorgesehene Stelle für Spielsucht-Prävention.

Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) bekannte sich zum Ausbau des Spielerschutzes durch den eingebrachten Abänderungsantrag, wandte sich gegen jede Kriminalisierung von Unternehmen und schloss sich der Forderung nach Regelung des Internetglücksspiels an.

Abgeordneter Peter Pilz (G) fasste noch einmal seine Argumente gegen die vorgeschlagene Novelle zusammen, indem er es für unverständlich hielt, das enorme Suchtpotential des Automatenspiels zu ignorieren und den Maximaleinsatz auf 10 € zu erhöhen. Dadurch werde das Problem vervielfacht, warnte Pilz und hielt es mit der Verantwortung eines Abgeordneten für unvereinbar, sich beim Spielerschutz auf Ausweiskontrollen zu beschränken, sonst aber ein Gesetz zu formulieren, das den Interessen der Spielautomatenhersteller und -betreiber entspreche.

Abgeordneter Harald Stefan (F) anerkannte Bemühungen, sich bei der Regulierung des Glücksspiels in die richtige Richtung zu bewegen, zeigte sich aber zugleich enttäuscht von der auch aus seiner Sicht zu hohen maximalen Einsatzgrenze von 10 € pro Spiel im Automatenglücksspiel. Mit Nachdruck trat Stefan dafür ein, Internetspiele innerhalb eines Jahres zu regulieren und stimmte dem diesbezüglichen von BZÖ-Abgeordnetem Peter Westenthaler vorgelegten Antrag zu.

Staatssekretär Reinhold Lopatka reagierte auf die vielfach geäußerte Kritik an der Anhebung der maximalen Einsatzgrenze pro Automatenglücksspiel auf 10 € mit dem Hinweis, der höheren Einsatzgrenze stünden wesentlich höhere Spielerschutzstandards, Schulungsanforderungen an die Mitarbeiter der Automatencasinos sowie Informationsverpflichtungen der Automatenbetreiber, also wesentlich mehr Spielerschutz, gegenüber.

Vertagung von Oppositionsanträgen

Schließlich wandte sich der Finanzausschuss Oppositionsanträgen zu. FPÖ-Abgeordneter Roman Haider forderte Finanzminister Pröll auf, im Rat für Wirtschaft und Finanzen gegen den Beitritt Estlands zur Eurozone zu stimmen (1130/A[E] ). Der Antragsteller warnte vor einer Erweiterung der Eurozone, die die prekäre Situation der Gemeinschaftswährung verschärfen würde, deren "Kernproblem" die starken wirtschaftlichen Differenzen zwischen den Mitgliedern der Währungsunion darstellten. – Der Antrag wurde auf Verlangen des Abgeordneten Peter Michael Ikrath (V) mit Unterstützung des Abgeordneten Kai Jan Krainer (S) vertagt. Während die Vertreter der Koalitionsparteien darauf hinwiesen, dass Estland die vertraglich fixierten Regeln für den Beitritt zur Eurozone erfülle und Verträge einzuhalten seien, warnte F-Abgeordneter Haider vor den negativen Auswirkungen der Sparpolitik Estlands auf den sozialen Zusammenhalt in Estland. Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) räumte ein, dass es notwendig sei, künftig über neue Kriterien für den Betritt zur Eurozone nachzudenken.

BZÖ-Abgeordneter Robert Lugar wollte schließlich den "ins Stocken geratenen Verwaltungsreformprozess" wieder in Gang setzen und drängt in einem Entschließungsantrag (550/A[E] ) seiner Fraktion auf die Umsetzung von Rechnungshofempfehlungen: Zusammenführung von Wettbewerbsbehörde und Kartellanwalt; Ausgliederungen; transparenterer Finanzausgleich; Aufhebung der Selbstträgerschaft; einfacheres Steuerrecht; flachere Hierarchien; bessere Führung von Tochtergesellschaften; Wiederaufnahme der Rechtsträgerfinanzierung; Harmonisierung der Bemessung von Steuern und Sozialabgaben; mehr Selbständigkeit der Beamten bei der Kontrolle der Arbeitnehmerveranlagung; Neustrukturierung der Finanzstrafbehörden; Einführung des elektronischen Zahlungsverkehrs, forcierte Nutzung von FinanzOnline und Rationalisierungen im Beschaffungswesen.

Staatssekretär Reinhold Lopatka berichtete auf Anfrage von der Tätigkeit der Arbeitsgruppe "Verwaltungsreform" und sicherte den Abgeordneten Gabriela Moser (G) und Wolfgang Zanger (F), die Fortschritte bei der Verwaltungsreform urgierten, zu, dass die Arbeitsgruppe ihre Arbeit noch vor dem Sommer fortsetzen werde. – Der Antrag wurde auf Vorschlag des Abgeordneten Christoph Matznetter (S) mit S-V-Mehrheit vertagt. (Schluss)