Parlamentskorrespondenz Nr. 555 vom 30.06.2010

Europäisches Kulturerbe-Siegel für Symbole des Einigungsprozesses

EU-Ausschuss des Bundesrats urgiert Präzisierung des EU-Konzepts

Wien (PK) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats befasste sich heute auch mit dem Vorhaben der EU, ein eigenes Europäisches Kulturerbe-Siegel zu schaffen. Es soll dazu dienen, Stätten und immaterielles Kulturerbe, die von besonderer Bedeutung für die europäische Kultur und Geschichte sind, auszuzeichnen. Laut Erläuterungen steht weniger die architektonische Qualität oder die Bewahrung des Kulturerbes im Vordergrund der Bewertung, sondern vielmehr der symbolische Wert für den europäischen Einigungsprozess. Ziel ist es, die BürgerInnen eingehender mit dem europäischen Aufbauwerk und dem vielfältigen Kulturerbe vertraut zu machen. Damit sollen das Zugehörigkeitsgefühl der europäischen BürgerInnen zur EU unter Berufung auf eine gemeinsame Kultur gesteigert und zugleich touristische Incentives gesetzt werden.

Mit diesem Schritt will die Kommission der bereits bestehenden zwischenstaatlichen Initiative "Kulturerbe-Siegel" einen einheitlichen Rahmen geben. Seit 2006 wurden auf dieser Grundlage 64 Stätten in 17 Mitgliedstaaten und in der Schweiz prämiert. Österreich hat sich bislang nicht daran beteiligt.

Auf Detailfragen der Bundesräte Franz Eduard Kühnel (V/W), Albrecht Konecny (S/W), Friedrich Hensler (V/N) und Bundesrätin Ana Blatnik (S/K), die übereinstimmend Kritik an unklaren Formulierungen des EU-Vorschlags äußerten, erläuterte die Vertreterin des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, dass die Kommission plane, den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, jährlich zwei Stätten einzureichen, die dann von einer 12-köpfigen Expertenjury bewertet werden, um schließlich eine Stätte pro Land für die Auszeichnung zu empfehlen. Die formale Zuerkennung soll durch die Kommission erfolgen.

Der neue Kommissionsvorschlag, mit dem das Europäische Kulturerbe-Siegel eine förmliche Maßnahme der Union werden soll, wird von Österreich grundsätzlich positiv bewertet. Das bestehende Konzept ist aber laut Bundesministerium für Unterricht unausgereift und sollte noch in einigen Punkten adaptiert werden. Die Positionen der Mitgliedstaaten lägen teilweise noch weit auseinander. Offene Fragen betreffen insbesondere die Kriterien, das Auswahlprocedere, die Neubewertung der bereits prämierten Stätten sowie die Teilnahme von Drittstaaten.

Der EU-Unterausschuss des Nationalrats hat sich am 6. Juni 2010 in seiner Sitzung ebenfalls mit dem Vorhaben befasst (siehe PK-Meldung Nr. 441) und eine Ausschussfeststellung angenommen, in dem sich die Abgeordneten unter anderem für klare Kriterien und Definitionen sowie für eine deutliche Abgrenzung zu bestehenden ähnlichen Initiativen aussprechen.

Die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats nahmen zum Europäischen Kulturerbe-Siegel einstimmig eine Ausschussfeststellung an, in der festgehalten wird, dass die geplante Maßnahme klare Definitionen und Kriterien enthalten müsse, um insbesondere ihr Verhältnis zu bereits existierenden Auszeichnungen, wie der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO, zu klären. Es soll auch ein stärkerer Fokus auf die Vermittlung europäischer Geschichte und Werte an Jugendliche gerichtet werden. Der EU-Ausschuss des Bundesrats erwartet, dass die zuständige Bundesministerin sich auf nationaler und europäischer Ebene für diese Präzisierungen einsetzen wird. (Schluss)


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