Parlamentskorrespondenz Nr. 567 vom 01.07.2010

Justizausschuss gibt grünes Licht für die elektronische Fußfessel

Fußfessel weder Privileg nach Wunschkonzert, sondern Haftäquivalent

Wien (PK) – Einstimmig hat heute der Justizausschuss grünes Licht für die elektronische Fußfessel gegeben. Schon in der Debatte hatte sich eine sehr weit gehende Übereinstimmung zwischen den Fraktionen gezeigt, wenn auch einzelne Punkte unterschiedlich bewertet und einzelne offene Fragen formuliert wurden.

So fragten die freiheitlichen Abgeordneten Harald Stefan und Christian Lausch nach den erhofften Einsparungen, traten für eine genauer fixierte Evaluierung der Maßnahme ein und fragten nach Möglichkeiten der Überwachung für Personen im elektronischen Hausarrest sowie nach einem möglichen Zusammenhang zwischen Haftuntauglichkeit und elektronischer Fußfessel. Abgeordneter Ewald Stadler (B) wollte Näheres zu Erfahrungen mit der Fußfessel im Ausland hören, stellte die grundsätzliche Frage, ob der Hausarrest eine neue Strafdrohung oder eine neue Vollzugsform darstelle und trat für eine Evaluierung nach etwa fünfjähriger Praxis ein.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah in der Fußfessel einen Beitrag zur Resozialisierung von StraftäterInnen. Kritisch sprach er sich gegen einige Details – z.B. keine Bewegung im Freien, Anknüpfung an die "Normalarbeitszeit" – aus und warnte vor der Gefahr einer "sozialen Selektion" in der Form, dass von der Fußfessel vor allem TäterInnen aus dem Vermögensbereich profitieren könnten; umso wichtiger sei hier die Begleitung durch SozialarbeiterInnen.

Naturgemäß positiv äußerten sich die meisten RednerInnen der Koalitionsfraktionen. Abgeordneter Johannes Jarolim (S) sah in der Vorlage eine "epochale Weiterentwicklung" im Strafrecht, durch die zur sozialen Integration beigetragen würde. Er begrüßte auch die mit der Fußfessel verbundene Kostensenkung. Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) bezog sich ebenfalls auf den Aspekt der Resozialisierung. Er machte aber auch deutlich, dass es sich bei der Fußfessel keineswegs um ein "Wunschkonzert für StraftäterInnen" handle. Es werde streng geprüft werden, daher stelle die Maßnahme auch einen Beitrag zu mehr Sicherheit dar.

Die Abgeordneten Sonja Ablinger und Gisela Wurm (beide S) äußerten Sorge über die Möglichkeit, dass GewalttäterInnen im häuslichen Bereich durch die Fußfessel in die Familie zurückkommen könnten. Diese Gefahr sei umso größer, als Beziehungsgewalt einer besonderen Dynamik unterliege, von den ihrer Autonomie beraubten Opfern nicht mitgeteilt und von außen nicht erkannt werde. Die beiden Abgeordneten monierten die Berücksichtigung der Stellungnahmen der Gewaltschutzzentren.

In diesem Zusammenhang brachte Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) eine Ausschussfeststellung ein, die diesen Bedenken Rechnung tragen soll. Abgeordneter Ewald Stadler (B) äußerte Zweifel, dass damit der beschriebenen Gefahr vorgebeugt werden könne, weil eine Ausschussfeststellung kaum die Rechtsanwender erreiche.

Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner kündigte zunächst Informationsveranstaltungen für die mit dem Thema Befassten an. Die Intentionen der Ausschussfeststellung würden mittels Erlass kommuniziert werden. Die Kosten aus der Fußfessel gegenüber der sonstigen Haft stufte die Ministerin mit rund der Hälfte ein. Alkoholkonsum könnte durch Ferntestung überprüft werden, zur Überprüfung von Drogenmissbrauch würde es Vorladungen und Stichproben geben. Die Fußfessel sei in Großbritannien und in Frankreich mit großem Erfolg im Einsatz; sie stelle kein Privileg dar, der Hauarrest sei vielmehr ein Haftäquivalent und eine andere Vollzugsform, die zum Teil sogar als belastender empfunden würde als die Haft. Da sich in der Überwachung das GPS-System als fehleranfällig erwiesen habe, nütze man das Festnetz; zuletzt seien dabei keine Fehler mehr aufgetreten. Die Bezugnahme auf die "Normalarbeitszeit" werde durch das Wort "tunlichst" gemildert.

Zu den Bedenken der Abgeordneten Ablinger und Wurm (beide S) betonte Ministerin Bandion-Ortner, diese seien sehr ernst genommen worden. Daher gebe es eine sehr strenge Individualprüfung, in deren Verlauf auch das Umfeld genau erkundet und nicht nur die Familie befragt werde. Eine generelle, im Gesetz festgeschriebene Ausnahme sei aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich.

Die Vorlage – in Form eines Abänderungsantrags der Abgeordneten Donnerbauer (V) und Jarolim (S) - und die Ausschussfeststellung wurden einstimmig dem Plenum zur Annahme empfohlen. Ein vom BZÖ eingebrachter Abänderungsantrag blieb in der Minderheit.

Mit der heute plenumsreif gemachten Vorlage werden die legistischen Voraussetzungen für die Einführung der so genannten elektronischen Fußfessel – korrekt: des elektronisch überwachten Hausarrests - geschaffen. Dies bedeutet "dass der Strafgefangene sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, einer geeigneten Beschäftigung (...) nachzugehen und sich angemessenen Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt zu unterwerfen hat". Der elektronische Hausarrest muss beantragt werden, kann unter genau definierten Voraussetzungen vom Leiter der betreffenden Strafanstalt, nach entsprechender Begutachtung, gewährt und unter ebenfalls exakt normierten Bedingungen widerrufen werden. Grundsätzlich kommt diese Form des Hausarrests für Personen in Frage, die sozial ausreichend integriert sind und deren Strafe ein Jahr nicht übersteigt. Sie soll für Strafhäftlinge wie Personen in Untersuchungshaft gelten.

Durch den genannten Abänderungsantrag wurde die Änderung der Strafprozessordnung mit dem Gesetz über die Fußfessel zusammengeführt. Die zweite, jetzt integrierte Vorlage schafft eine neue Form der Sicherstellung. Sie betrifft vor allem reisende Tätergruppierungen, bei denen eine Anzeige auf freiem Fuß bisher ohne Folgen blieb.

Begleitgesetz zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz

Mit dem Entwurf eines Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetzes werden Anpassungen an die neue, durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz entstandene Rechtslage in einer langen Reihe von Gesetzen vorgenommen. Die Vorlage wurde ohne Debatte in Form eines Abänderungsantrags mit ausschließlich redaktionellen Änderungen mit S-V-F-G-Mehrheit angenommen.

Bürgerinitiative und Entschließung zu Anti-Mobbing-Gesetz

Einstimmig griff der Ausschuss das Anliegen einer Bürgerinitiative auf, deren Ziel die Verabschiedung eines Anti-Mobbing-Gesetzes ist. Abgeordneter Johann Maier (S) wies im Hinblick auf die drastisch steigende Form von "Cyber-Mobbing" auf die Notwendigkeit einer Befassung des Parlaments mit diesem Thema hin. Auch Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah eine wachsende Zahl von Betroffenen; mit der Stellungnahme des Justizministeriums zur Bürgerinitiative war er nicht zufrieden. Abgeordneter Ewald Stadler (B) vermutete Abgrenzungsprobleme und warnte davor, "gleich nach dem Strafrichter zu rufen". In einem von Abgeordneter Ridi Maria Steibl (V) eingebrachten Entschließungsantrag wird die Bundesregierung ersucht, den Bestand an Anti-Mobbing-Regelungen darzulegen und einen allfälligen Ergänzungsbedarf im Bereich des Cyber-Mobbings aufzuzeigen.

Der Entschließungsantrag fand die einhellige Zustimmung des Ausschusses.

Petition für Verhandlung von Arbeitsrechtssachen direkt im Pongau

Abgeordneter Johann Maier (S) hat dem Nationalrat eine vom Vizebürgermeister der Gemeinde Bischofshofen, Hansjörg Obinger, initiierte Petition vorgelegt, die die Einführung eines Gerichtstags in Arbeits- und Sozialrechtssachen am Bezirksgericht St. Johann im Pongau zum Ziel hat. Vizebürgermeister Obinger wurde als Experte den Beratungen des Ausschusses beigezogen. Er wies auf den bis zu vier Stunden langen Anreiseweg aus dem Pongau und auf die im Vergleich zum Lungau und zum Pinzgau deutlich gestiegene Zahl von Anlassfällen hin.

Abgeordneter Johann Maier (S) regte an, die Gerichtstage im Pinzgau von vier auf zwei zu reduzieren und dafür zwei Gerichtstage im Pongau vorzusehen. Er wurde darin auch von seinem Fraktionskollegen Johannes Jarolim unterstützt.

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner konnte dem Vorschlag mit Blick auf die damit verbundenen Kosten und auf mögliche Folgewirkungen wenig abgewinnen. Sie sehe derzeit dafür keinen Weg, betonte sie.

FPÖ-Vorschläge zu Einsparungen im Justizressort vertagt

Eine Liste mit Einsparungsmöglichkeiten im Justizressort, die F-Abgeordnete als einen Entschließungsantrag vorlegten, wurde mit der Mehrheit der Koalition vertagt.

Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher (S), die den Vertagungsantrag stellte, bemängelte, dass hinter den Vorschlägen keine Zahlen stünden. G-Abgeordneter Albert Steinhauser war mit dem Argument gegen eine Vertagung, gerade jetzt in der Erarbeitung des Budgets müssten Einsparungsvorschläge an die Regierung heran getragen werden. Inhaltlich habe er allerdings Einwände gegen die FP-Vorschläge, betonte der Justizsprecher der Grünen. Auch BZÖ-Mandater Herbert Scheibner sprach gegen eine Vertagung und für "Aufträge" an die Regierung, und zwar mit dem pointierten Argument: "Wir sind der Gesetzgeber!" Abgeordneter Heribert Donnerbauer (V) verteidigte die Vertagung.

FPÖ fordert mehr Rechte für Eltern - vertagt

Mehr Rechte für Eltern fordert die FPÖ per Antrag. Demnach soll ein nicht mit der Obsorge betrauter Elternteil, der mit dem anderen Elternteil und dem gemeinsamen minderjährigen Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebt, den anderen Elternteil in der Ausübung der Obsorge unterstützen. Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) erläuterte den Antrag und meinte kritisch, es sei unverständlich, dass Patchworkfamilien bevorzugt wären. Abgeordneter Ewald Stadler (B) sah unter Bezugnahme auf die jüngst durchgeführte parlamentarische Enquete die Diskussion am Laufen, diese Debatte werde im Herbst weiter gehen. Er sprach sich für eine gemeinsame Obsorge nach deutschem Muster aus. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) warnte vor Schnellschüssen. Abgeordneter Bernd Schönegger (V) stellte einen Antrag auf Vertagung.

Auch Justizministerin Bandion-Ortner meinte, Lösungen seien hier nicht von heute auf morgen zu finden. Ab September werde sich im Justizministerium eine Arbeitsgruppe dieser Thematik widmen.

Der Antrag wurde mit S-V-G-B-Mehrheit vertagt.

Grüne wollen umfassende Reform des Maßnahmenvollzugs - vertagt

Vertagt wurde schließlich ein Entschließungsantrag der Grünen nach einer umfassenden Reform des Maßnahmenvollzugs. Abgeordneter Albert Steinhauser (G) sah, hinsichtlich der Notwendigkeit dringender Reformen unterstützt von den S-Abgeordneten Sonja Steßl-Mühlbacher und Johannes Jarolim, nicht nur Reformbedarf, sondern auch eine Gefahr für die Sicherheit. Abgeordneter Ewald Stadler (B) ortete bezüglich der vorgeschlagenen Reformen zum einen Widerstände bei den Ländern, zum anderen könne der Maßnahmenvollzug nicht aus dem Justizressort ausgelagert werden, zumal es sich auch im Fall psychisch kranker Personen um "festgestellte TäterInnen" handle.

Man sei in ihrem Ressort dabei, Verbesserungen durchzuführen, sagte Bandion Ortner, wobei der Druck auch durch die Zahl der Fälle steige.

Der von Abgeordneter Sonja Steßl-Mühlbacher (S) eingebrachte Vertagungsantrag fand die Mehrheit der Koalitionsfraktionen. (Schluss)