Parlamentskorrespondenz Nr. 600 vom 09.07.2010

Nationalrat befürwortet Einführung der elektronischen Fußfessel

Anpassungen an das neue Insolvenzrecht einstimmig verabschiedet

Wien (PK) – Mit einem Gesetzespaket des Justizressorts wird die Voraussetzung für die Einführung der elektronischen Fußfessel geschaffen.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) begrüßte die vorgesehene Einführung der elektronischen Fußfessel, die es, wie er erläuterte, ermöglicht, Strafgefangene zum Ende ihrer Strafzeit sowie Untersuchungshäftlinge unter elektronische Aufsicht zu stellen. Die Fußfessel solle kein Privileg für einzelne Strafhäftlinge sein und habe auch nicht den vorrangigen Zweck, Strafgefängnisse zu leeren, betonte Donnerbauer, vielmehr könnten zum einen kurze Haftstrafen und damit eine "Desozialisierung" der Betroffenen, etwa durch Jobverlust, vermieden und zum anderen eine Resozialisierung erleichtert werden.

Auch Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) sprach in Zusammenhang mit der elektronischen Fußfessel von einer großen Errungenschaft und einer epochalen Weiterentwicklung im Strafvollzug. Die elektronische Fußfessel ermögliche den Betroffenen, ihren Arbeitsplatz zu behalten und vermeide eine soziale Entwurzelung.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) trat grundsätzlich für die Einführung der elektronischen Fußfessel ein, sprach sich aber dafür aus, strenge Maßstäbe bei deren Anwendung anzulegen. Um überprüfen zu können, wie die Fußfessel in der Praxis funktioniert, ersuchen die Abgeordneten Justizministerin Claudia Bandion-Ortner in einem von Rosenkranz eingebrachten Fünf-Parteien-Entschließungsantrag, in zwei Jahren einen Bericht über die Anwendung und die Auswirkungen des elektronischen Hausarrests vorzulegen, wobei ein besonderer Blick auf den Opferschutz gerichtet werden soll.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zur Gesetzesvorlage an, auch wenn er sich nicht mit allen Punkten des Gesetzes einverstanden zeigte. Die elektronische Fußfessel sei im Gegensatz zur Haft das gelindere Mittel, skizzierte er, gleichzeitig schränke sie die Freiheit der Betroffenen aber in einem Ausmaß ein, sodass nicht von einer Bevorzugung gesprochen werden könne. Für falsch erachtet es Steinhauser, die elektronische Fußfessel für bestimmte Delikte auszuschließen. Zudem ist es seiner Ansicht nach "kleinlich", dass Bewegung im Freien nicht erlaubt ist.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) brachte zwei Abänderungsanträge zum Gesetzentwurf ein. Er will damit zum einen sicherstellen, dass bei der Entscheidung über einen elektronischen Hausarrest den Interessen von Sexualopfern und Opfern häuslicher Gewalt besonderes Augenmerk geschenkt wird. Es gebe dazu zwar eine Ausschussfeststellung, skizzierte Stadler, besser wäre es seiner Ansicht nach aber, diesen Punkt direkt im Gesetz zu verankern. Der zweite Abänderungsantrag zielt darauf ab, Personen, die im Zuge von Ermittlungen einvernommen werden, auf Wunsch eine Kopie ihrer unterschriebenen Aussage auszuhändigen.

Justizministerin Claudia BANDION-ORTNER hob hervor, dass die elektronische Fußfessel Sozialisierung und Resozialisierung ermögliche sowie familiäre Strukturen und das soziale Umfeld erhalte. Zudem würden Kosten im Strafvollzug gespart.

Abgeordnete Karin HAKL (V) fasste ihre Haltung zur elektronischen Fußfessel mit den Worten "billiger, praktisch, gut" zusammen. In Richtung Abgeordnetem Stadler hielt sie fest, der Täter müsse, um in den Genuss der elektronischen Fußfessel zu kommen, eine geeignete Unterkunft nachweisen, was bei Verurteilung wegen häuslicher Gewalt wohl schwierig sei.

Abgeordnete Gisela WURM (S) brachte im Namen der Koalitionsparteien einen Abänderungsantrag ein, der zum einen technische Korrekturen enthält und zum anderen elektronisch überwachten Personen die Möglichkeit geben soll, an Wiedereingliederungsmaßnahmen und Schulungen des Arbeitsmarktservice teilzunehmen. Was den Opferschutz betrifft, warnte Wurm davor, hinter die Errungenschaften zurückzufallen, die durch die beiden Gewaltschutzpakete erzielt wurden. Sie signalisierte aber Vertrauen in den vom Justizressort geplanten Erlass.

Abgeordneter Christian LAUSCH (F) betonte, die FPÖ stehe der elektronischen Fußfessel positiv gegenüber, und kündigte gleichzeitig die Zustimmung zu den beiden Abänderungsanträgen des BZÖ an. Er hofft, dass die elektronische Fußfessel die angespannte Situation bei der Justizwache entschärfen wird. Ein von Lausch eingebrachter Entschließungsantrag zielt darauf ab, den elektronischen Hausarrest auch bei haftunfähigen Personen anzuwenden.

Abgeordneter Bernd SCHÖNEGGER (V) zeigte sich über die einhellige Zustimmung zur elektronischen Fußfessel erfreut. Er betonte, dass es sich dabei nicht um eine privilegierte, sondern um eine besondere Form des Strafvollzugs handelt. In vielen europäischen Ländern funktioniere dieses Instrument bereits.

Abgeordneter Gerhard KÖFER (S) machte ebenfalls auf die positiven Erfahrungen in vielen europäischen Ländern mit der elektronischen Fußfessel aufmerksam. Auch in Österreich habe es einen erfolgreichen Pilotversuch gegeben, skizzierte er. Bei familiärer und nachbarschaftlicher Gewalt müsse der Opferschutz vor den Interessen der Täter Vorrang haben, forderte Köfer.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S) thematisierte den besonderen Charakter von Gewaltbeziehungen, in denen sich Frauen oft hilflos fühlten und Probleme verdrängten. Ihr wäre es daher, wie sie meinte, lieber gewesen, hätte man im Zusammenhang mit der elektronischen Fußfessel hier besondere gesetzliche Bestimmungen verankert.

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) setzte sich mit einer weiteren geplanten Änderung in der Strafprozessordnung auseinander und begrüßte die Möglichkeit, von Tatverdächtigen künftig eine neue Form der Sicherheitsleistung zu verlangen. Oft würden sich Ausländer, die auf freiem Fuß angezeigt werden, der Strafverfolgung entziehen, erläuterte er.

Das vorliegende Bundesgesetz wurde unter Berücksichtigung des S-V-Abänderungsantrags einstimmig verabschiedet. Die Abänderungsanträge des BZÖ blieben in der Minderheit. Einstimmig nahmen die Abgeordneten auch den 5-Parteien-Entschließungsantrag betreffend Evaluierung des Strafvollzugs durch elektronischen Hausarrest an. Der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend elektronischer Hausarrest für Menschen, deren Strafunfähigkeit festgestellt wurde, blieb in der Minderheit.

Einstimmige Annahme des Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetzes  

Das den Abgeordneten vorliegende Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetz dient der Anpassung an die neue Rechtslage durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zu dem Gesetz an, nachdem sie geprüft habe, dass dies nicht im Widerspruch zur Kritik des BZÖ an der privilegierten Stellung der Banken im Insolvenzrecht stehe. Auch die Gebührenanpassungen bei den Wirtschafstreuhändern seien akzeptabel. 

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) legte einen S-V-Abänderungsantrags mit redaktionellen Änderungen, Rechtsanpassungen sowie Klarstellungen vor.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) machte auf noch nicht berücksichtigten Änderungsbedarf in Bestimmungen des Bauträgervertragsgesetzes aufmerksam und appellierte auf möglichst rasche Klarstellungen der Begriffe "gesichert" und "gewährleistet" in diesem Gesetz.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) legte einen Zusatzantrag seiner Fraktion vor, um Nachteile und Rechtsunsicherheiten für Versicherungsagenten zu beseitigen. Der Abgeordnete plädierte für eine rückwirkende Beschlussfassung, wie sie auch in anderen Materien bereits erfolgt sei.

Abgeordneter Peter Michael IKRATH (V) trat dafür ein, Betriebe zu sanieren, statt sie zu zerschlagen. Das sei positiv und verdiene die Zustimmung aller.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) sah keine Möglichkeit, dem FPÖ-Abänderungsantrag zuzustimmen.

Abgeordneter Gerhard KÖFER (S) sprach von zwangsläufigen Rechtsanpassungen an die am 1. Juli in Kraft tretende Änderung des Insolvenzrechts. Die Sanierungsfreudigkeit bei den Unternehmern sei zu erhöhen, sagte der Abgeordnete.

Bei der Abstimmung wurde das Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetz in der Fassung des S-V-Abänderungsantrags einstimmig angenommen. Der F-Abänderungsantrag erhielt keine Mehrheit und wurde abgelehnt.

Kampf gegen Mobbing

Den Justizblock beendete die Diskussion zu einer Bürgerinitiative betreffend "Anti-Mobbing-Gesetz" sowie zu einer Petition betreffend "Einführung eines Gerichtstags in Arbeits- und Sozialrechtssachen am Bezirksgericht St. Johann im Pongau".

Abgeordnete Ridi STEIBL (V) sah die Initiative für ein Anti-Mobbing-Gesetz positiv, weil Mobbing viele ArbeitnehmerInnen belaste und nicht geduldet werden dürfe. Der Justizausschuss wendet sich mit einer Entschließung an die Bundesregierung, Erhebungen zum Thema und Maßnahmen einzuleiten.

Abgeordneter Johann MAIER (S) unterstrich das Anliegen eines Bundesgesetzes und hielt es für notwendig, gegen Mobbing in Social Networks vorzugehen. Außerdem plädierte Maier dafür, den ArbeitnehmerInnen in St. Johann im Pongau einen Gerichtstag für Arbeits- und Sozialrechtssachen einzurichten.

Abgeordneter Rupert DOPPLER (F) schloss sich der Forderung seines Vorredners an und verwies auf die langen Anfangswege für ArbeitnehmerInnen im Pongau zu den Gerichten in der Stadt Salzburg.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) lobte die Initiative eines Mobbingopfers für ein Anti-Mobbing-Gesetz und hielt es für richtig, gesetzliche Maßnahmen ins Auge zu fassen. Die Situation der Mobbingopfer müsse verbessert werden, sagte er. Legistischer Handlungsbedarf bestehe, weil es nach derzeitiger Rechtslage schwierig sei, den 200.000 Mobbingopfern zu helfen. Diese Bürgerinitiative dürfe nicht folgenlos bleiben.

Abgeordnete Martina SCHENK (B) sprach von 2 Millionen Mobbingopfern in Österreich sowie von 40 % der Unternehmen, in denen gemobbt werde. Es gelte, Mobbing zu verhindern, sagte die Rednerin und freute sich über die Einigkeit in dieser Sache.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) machte darauf aufmerksam, dass Mobbing in Form von Psychoterror auch an Schulen beobachtet werde. Es müsse rasch gehandelt werden, meinte die Rednerin und sprach von der Notwendigkeit, diese komplexe Materie gut zu überlegen und Maßnahmen sorgfältig vorzubereiten.

Abgeordnete Gisela WURM (S) erinnerte an eine Mobbing-Studie über weibliche Mobbingopfer beim Bundesheer. Es reiche aber nicht aus, wenn sich die Gleichbehandlungsbeauftragte und die Bundesheerbeschwerdekommission der Sache annehmen, sagte Wurm und unterstützte die diesbezügliche Entschließung. Schließlich plädierte die Rednerin für eine Einführung von elektronischen Bürgerinitiativen nach deutschem Vorbild auch in Österreich.

Abgeordnete Susanne WINTER (F) bekannte sich zu dem Fünf-Parteien-Antrag zur Bürgerinitiative für ein Anti-Mobbing-Gesetz. Zweitens trat Winter für eine Änderung der Gerichtstagsordnung ein, um den Bürgern des Pongaus den Weg zum Recht zu erleichtern.

Die Entschließung des Ausschusses zum Thema Mobbing wurde einstimmig angenommen, der Ausschussbericht zur Petition mit Mehrheit. (Forts./NR)