Parlamentskorrespondenz Nr. 607 vom 13.07.2010

EU-Unterausschuss drängt auf starke europäische Finanzaufsicht

Lopatka: Die bisher erreichten Ergebnisse sind bescheiden

Wien (PK) – Reichen die vielfältigen Initiativen der EU-Kommission zur Stabilisierung und Regulierung der Finanzmärkte aus, um eine nächste Krise möglichst zu verhindern? Sind die Konsequenzen adäquat, die man auf EU-Ebene anstrebt, oder fehlen entscheidende Maßnahmen? Diese Fragen wurden heute im EU-Unterausschuss des Nationalrats eingehend mit Staatssekretär Reinhold Lopatka diskutiert. Der Termin des Ausschusses konnte aktueller nicht sein, da heute ebenfalls der ECOFIN zu diesem Themenkomplex tagt.

Lopatka verhehlte nicht seine Enttäuschung über den bisherigen Entscheidungsprozess innerhalb der EU. Es habe durchaus Reaktionen auf die Krise gegeben, sagte er, die bisher erreichten Ergebnisse seien aber bescheiden.

Diese Kritik wurde auch von den Abgeordneten geteilt. Wie wichtig ihnen vor allem eine effiziente europäische Finanzaufsicht ist, untermauerten sie auch mit dem starken verfassungsrechtlichen Instrument der bindenden Stellungnahme. Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ wurde ein diesbezüglicher Antrag angenommen, in dem der Bundesminister für Finanzen ersucht wird, für die rasche Schaffung einer europäischen Finanzaufsicht, die mit weitgehenden und unmittelbaren Kontroll- und Durchgriffsrechten ausgestattet ist, einzutreten.

Abgeordnete Gabriele Tamandl (V) unterstrich, man müsse aus der Krise Lehren ziehen und zeigte kein Verständnis für jene Mitgliedstaaten, die sich gegen strengere Auflagen sträuben. Ähnlich äußerten sich die Abgeordneten Kai Jan Krainer (S) und Alexander Van der Bellen (G), die die Notwendigkeit einer einheitlichen Aufsichtsarchitektur betonten. Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) wies darauf hin, dass jedes Produkt, das auf den Markt kommt, einer Normenkontrolle unterliegt, nicht jedoch die Finanzprodukte. Daher müsse auch für diese eine bestimmte Produktsicherheit und Transparenz gewährleistet sein und dies sei nur auf europäischer Ebene möglich.

Dem gegenüber verlieh Abgeordneter Johannes Hübner (F) seinem Zweifel Ausdruck, ob man den Kern der Problematik, nämlich die falsche Einschätzung von Finanzprodukten durch die internationale Finanzwirtschaft, mit mehr Bürokratie in den Griff bekommen kann. Diesem Argument konnte Abgeordneter Ewald Stadler (B) zwar etwas

abgewinnen, dennoch meinte er, es sei einen Versuch wert, die Aufsicht zu verbessern, alles andere wäre fatalistisch. Die Politik habe schon zu lange zugeschaut. Es sei daher höchste Zeit, echte Eingriffsmöglichkeiten vorzusehen, und das sei tatsächlich besser auf EU-Ebene angesiedelt. Die Frage stelle sich nur, ob der gewählte Apparat der richtige ist.

Er sprach sich jedenfalls dagegen aus, jenen Banken, die den Stresstest nicht bestanden haben, eine weitere Hilfe zu gewähren, denn das wäre eine Motivation zum Weitermachen wie bisher. Man werde Banken in Zukunft auch in die Insolvenz schicken müssen, sagte Stadler. "Der Krieg gegen die Vernunft" gehe weiter, meinte in diesem Zusammenhang Abgeordneter Robert Lugar (B). Die Griechenland-Hilfe stelle eine Investition in den maroden Staat dar und das Gleiche geschehe mit den Banken.

Wie stark kann man Banken belasten?

Die Abgeordneten Wolfgang Schüssel (V) und Alexander Van der Bellen (G) warnten davor, die Banken durch zusätzliche Steuerideen über Gebühren zu belasten. Van der Bellen meinte dazu, die kumulierenden Auflagen für Banken seien "nicht ohne", und Wolfgang Schüssel sprach von einem "Wildwuchs von Steuerideen" für den Finanzsektor, der bis zu einer Belastung von vier Prozent des BIP gehen könne. In seiner Aufzählung nannte er den von der Kommission in Diskussion gebrachten "bank resolution funds", weiters die Bankenabgabe, für die es keine einheitliche Regelung gibt, die in Diskussion befindliche Finanztransaktionssteuer, die Einlagensicherung sowie faule Kredite und Basel III. Das sei eine Last, die der Finanzsektor mit Sicherheit nicht tragen werden könne, befürchtete er, weshalb er sich für eine Prioritätenreihung aussprach. Trotz dieser Kritik ließ Schüssel keinen Zweifel daran, dass sich der Bankensektor an der Sanierung beteiligen muss.

Dem entgegnete Abgeordneter Kai Jan Krainer (S), die Kosten würde nicht der Markt allein tragen, und wenn die Banken ein Vielfaches von den kolportierten zusätzlichen Abgaben an Dividenden auszahlen können, dann sehe er weniger Probleme in Bezug auf die Belastbarkeit. Staatssekretär Reinhold Lopatka merkte an, zur Finanztransaktionssteuer gebe es keine Einigung, er sehe vom derzeitigen Standpunkt her keine Perspektive für deren Einführung. Es sei zwar immer mehr Zustimmung von anderen Staaten zu beobachten, und zwar von jenen der Eurogruppe, berichtete er. Ob man eine Finanztransaktionssteuer innerhalb der Eurogruppe etablieren sollte, müsse noch diskutiert werden. Einen österreichischen Alleingang hielt er für nicht sinnvoll.

Task-Force zur Klärung finanz- und wirtschaftspolitischer Fragen

Den Abgeordneten lagen als Grundlage für die Diskussion mehrere Dokumente der EU-Kommission vor. In einer Mitteilung der Kommission betreffend Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum werden neben den bereits laufenden Reformen Pläne für weitere Schritte aufgelistet. Die Kommission appelliert dabei an Rat und Europäisches Parlament (EP), die Richtlinien- und Verordnungsvorschläge bis Ende 2011 zu verabschieden, damit diese im Laufe des Jahres 2012 in nationales Recht umgesetzt werden können.

Staatssekretär Reinhold Lopatka erläuterte dazu, man stehe hinsichtlich der Maßnahmen, die auf europäischer Ebene getroffen werden sollen, noch mitten in der Arbeit, abgesehen vom Unterstützungspaket für Griechenland, den Schutzschirm für die Eurozone und die Schritte zur Sanierung der nationalen Haushalte. Österreich sei seiner Verpflichtung nachgekommen und habe am 2. Juni seinen Strategiebericht auf der Grundlage des beschlossenen Finanzrahmengesetzes an die Kommission weitergeleitet. Das neue österreichische Haushaltsrecht mit seiner mittelfristigen Budgetplanung werde zunehmend als vorbildlich angesehen. Kritisch werde nur die Tatsache beurteilt, dass eine solche mittelfristige Planung für die Länder- und Gemeindeebene fehlt.

Lopatka informierte die Abgeordneten darüber hinaus, dass Ratspräsident Herman Van Rompuy eine Task-Force eingerichtet hat, um neben finanzpolitischen Fragen auch wirtschaftspolitische Themenstellungen zu klären. In dieser Task-Force sei auch Finanzminister Pröll vertreten.

Neue Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen, Wertpapiermarkt

Noch im Sommer 2010 will man in der EU eine Einigung zwischen Rat und EP über die Errichtung von drei europäischen Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und den Wertpapiermarkt herbeiführen. Diese sollen eine verstärkte Aufsicht und bessere Koordinierung der nationalen Aufsichtsbehörden untereinander gewährleisten. Ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) soll sicherstellen, dass Systemrisiken früh genug erkannt werden. Darüber hinaus schlägt die Kommission neue Regulierungsstandards und Aufsichtsrahmen für die Verwaltung alternativer Investmentfonds vor, die auch eine Erhöhung der Transparenz für AnlegerInnen umfassen.

Konkrete Pläne in Form eines Verordnungsvorschlags der Kommission lagen den Ausschussmitgliedern zu einer Übertragung der Kompetenzen hinsichtlich der Aufsicht über Ratingagenturen vor. Eine  Zusammenfassung der Folgenabschätzung gab es in Form eines Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen.

Mit der Aufsicht über die Ratingagenturen soll die European Securities and Markets Authority (ESMA), die geplante europäische Wertpapieraufsichtsbehörde, beauftragt werden, welche auch Aufgaben bei der Registrierung der Agenturen wahrnimmt. Damit würden weitgehend all jene Funktionen ESMA überantwortet, die derzeit von den für die Beaufsichtigung der Ratingagenturen national zuständigen Behörden, in Österreich von der FMA, wahrzunehmen sind. ESMA wird auch vor Ort prüfen können. Geldstrafen können auf Vorschlag der ESMA durch die Kommission verhängt werden. Die nationalen Behörden bleiben laut Kommissions-Vorschlag für die Überwachung der Nutzung von Ratings durch Unternehmen der Finanzbranche zuständig. Da die nationalen Behörden künftig spezifische Informationen über die Verwendung von Ratings sammeln können, sollen sie befugt sein, die ESMA aufzufordern, einen Widerruf der Registrierung einer Ratingagentur oder die Aussetzung der Verwendung von Ratings zu prüfen.

Staatssekretär Lopatka erwartete sich dadurch eine Stärkung der Position im Verhältnis zu den Ratingagenturen und bekräftige abermals die österreichische Position nach einer starken Aufsicht mit direkten Durchgriffsrechten. Gegenüber den Abgeordneten Johannes Hübner und Harald Stefan (beide F) stellte er fest, es werde keine neue Ratingagentur aufgebaut, sondern es gehe darum, auf europäischer Ebene einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen Agenturen arbeiten können. Abgeordneter Hübner hatte zuvor in Zweifel gezogen, dass eine eigene europäische Agentur objektiv handeln würde. Eine solche würde sich hüten, ein EU-Land herabzustufen, meinte er. Auch Abgeordneter Ewald Stadler (B) war in seiner Einschätzung eher skeptisch.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) warf dazu ein, es sei unbedingt notwendig, eine europäische Institution als Korrektiv zu haben, und verband damit eine Kritik an der Arbeit amerikanischer Agenturen. Es sei auffällig, dass die Ratingagenturen trotz massiver Sparpläne Griechenlands das Land abermals abgestuft haben, während man beispielsweise Großbritannien trotz seiner Budgetpläne das Triple A zusichert. Es sei auch zu beobachten, dass die Agenturen immer wieder das Osteuroparisiko zur Sprache bringen, wobei er vermute, dass man damit von den amerikanischen Problemen ablenken möchte. Die amerikanischen Agenturen seien "weit vom Schuss" und würden auch bestimmte Interessenslagen vertreten, mutmaßte der ehemalige Bundeskanzler. (Fortsetzung)