Parlamentskorrespondenz Nr. 674 vom 14.09.2010

Zivildienern steht künftig auch Polizeidienst offen

Innenausschuss billigt entsprechende Gesetzesnovelle

Wien (PK) – Zivildiener können künftig in den Polizeidienst eintreten und auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes arbeiten, in denen das Führen einer Schusswaffe erforderlich ist. Eine entsprechende Gesetzesnovelle passierte heute mit Zustimmung der Koalitionsparteien den Innenausschuss des Nationalrats. Eine Beschlussfassung im Plenum ist damit noch im September möglich.

Voraussetzung für den Beginn einer Polizeiausbildung ist eine Erklärung des Zivildieners, wonach er Waffengewalt gegen Menschen nicht mehr aus Gewissensgründen ablehnt. Zudem muss er bei der Zivildienstagentur das Erlöschen seiner Zivildienstpflicht beantragen. Ob eine militärische Ausbildung nachgeholt werden muss oder der geleistete Zivildienst anerkannt wird, obliegt der Entscheidung der Innenministerin, sie kann eine entsprechende Verordnung erlassen.

Die Novelle zum Zivildienstgesetz enthält aber auch noch eine Reihe weiterer Änderungen. So wird die Einsatzmöglichkeit für Zivildiener auf Kinderbetreuungseinrichtungen ausgeweitet, die Berufungsmöglichkeit für Zivildiener gegen einen Zuweisungsbescheid gestrichen, ein individualisiertes Zivildienstabzeichen eingeführt, das während des Zivildienst-Einsatzes zu tragen ist, und das Disziplinarrecht verschärft. Damit wird es künftig leichter möglich sein, Fehlverhalten von Zivildienern zu sanktionieren und gegen den Missbrauch von Krankenständen vorzugehen. Gleichzeitig wird die Auszahlung der Pauschalvergütung an Zivildiener – analog der Bestimmung für Wehrpflichtige – auf den jeweils 15. des Monats verschoben.

Gelockert wird auch das geltende generelle Verbot für Zivildienstpflichtige, für die Dauer von 15 Jahren Schusswaffen zu führen. Sowohl für Mitglieder traditioneller Schützenvereine und Sportschützen als auch für die Jagdausübung sind künftig Ausnahmen möglich. Der Zivildienstagentur werden in Hinkunft im Sinne der Verwaltungsvereinfachung mehr Aufgaben übertragen.

Mit verhandelt mit der Regierungsvorlage wurden ein Antrag und ein Entschließungsantrag der Grünen, die beide jedoch von den anderen Fraktionen abgelehnt wurden. Die Grünen sprechen sich darin für eine Verkürzung des Zivildienstes von derzeit neun auf sechs Monate sowie die Abschaffung der Gewissenserklärung aus.

Auf uneingeschränkte Zustimmung stieß die Regierungsvorlage nur bei SPÖ und ÖVP. Abgeordneter Günter Kößl (V) sprach von einer Modernisierung des Zivildienstgesetzes, Abgeordneter Hannes Fazekas (S) von einem längst überfälligen Paradigmenwechsel. Man solle Zivildienern nicht die Chance auf berufliche Entwicklung verbauen, unterstrich Fazekas. Seiner Meinung nach ist es auch positiv, dass Zivildiener künftig in Kinderbetreuungseinrichtungen eingesetzt werden können.

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) zeigte sich von der Gesetzesnovelle hingegen enttäuscht und bewertete diese als nicht zeitgemäß. Zivildiener seien mindestens genauso wertvoll wie junge Männer, die den Wehrdienst absolvieren, bekräftigte sie, dieser Umstand schlage sich im Gesetz aber nicht nieder. Windbüchler-Souschill forderte eine Verkürzung des Zivildienstes, die Abschaffung der Gewissenserklärung und die freie Berufswahl für Zivildiener.

Abgeordneter Christoph Hagen (B) behielt sich die Zustimmung seiner Fraktion zur Gesetzesnovelle im Plenum des Nationalrats vor. Der Großteil des Gesetzes sei "in Ordnung", meinte er, übte aber Kritik in Detailbereichen. So trat er etwa in Übereinstimmung mit den Grünen dafür ein, im Bereich der Gewissensfrage "mehr Ehrlichkeit an den Tag zu legen" und diese abzuschaffen. Er habe überhaupt kein Problem damit, dass Zivildiener zu Polizei kommen, bekräftigte er. Generell wies Hagen darauf hin, dass das BZÖ grundsätzlich für eine Aussetzung der Wehrpflicht sei.

Eine konträre Position dazu nahm Abgeordneter Harald Vilimsky (F) ein. Er wandte sich zwar nicht generell dagegen, den Polizeidienst für Zivildiener zu öffnen, sprach sich aber explizit für ein Nachholen des Grundwehrdienstes in solchen Fällen aus. In Österreich gebe es immer noch die allgemeine Wehrpflicht, und der Zivildienst sei nach wie vor ein Wehrersatzdienst für Personen, die keinen Dienst mit der Waffe versehen wollten, argumentierte er. Nach Ansicht Vilimskys schießt man mit der Novelle außerdem "weit über das Ziel hinaus", indem man das Waffenverbot für Zivildiener abschaffe.

Anträge der Opposition vertagt

Abseits des Themenbereichs Zivildienst befasste sich der Innenausschuss mit zahlreichen Anträgen der Opposition, die allesamt mit S-V-Mehrheit vertagt wurden. Unter anderem ging es dabei um ein Bleiberecht für integrierte Kinder und Jugendliche, eine bessere Steuerung der Zuwanderung, die Errichtung eines Schubhaftzentrums in der Steiermark, die Erstellung eines jährlichen "Islamisierungsberichts" und die Aufstockung des Personalstands bei der Exekutive.

Anliegen der Grünen ist es unter anderem, gut integrierten Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Niederlassungsgesetzes ein Bleiberecht in Österreich zu sichern (1200/A[E] ). Damit wollen Abgeordnete Alev Korun und ihre FraktionskollegInnen verhindern, dass der österreichische Staat zunächst in die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen investiert und diese dann mit ihren Eltern abschiebt. Es sei nicht sinnvoll, auf der einen Seite für eine Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften einzutreten und zum anderen Kinder und Jugendliche, die gut integriert seien, "aus dem Land zu schmeißen", meinte Korun im Ausschuss. Außerdem soll es nach Ansicht der Grünen staatenlosen Menschen, die ihr ganzes Leben in Österreich verbracht haben, erleichtert werden, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen (1199/A ).

Beide Anträge wurden auf Verlangen von Abgeordnetem Erwin Hornek (V) vertagt. Er verwies auf die erst kürzlich vorgenommene Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes und wertete die Anträge der Grünen zudem als nicht schlüssig begründet.

Ebenfalls vertagt wurden die Beratungen über ein vom BZÖ vorgeschlagenes "Ausländercheck-Modell" zur besseren Steuerung der Zuwanderung nach Österreich (1079/A[E] ). Geht es nach Klubobmann Josef Bucher und seinen FraktionskollegInnen, soll ein auf Punkte-Basis aufbauendes Modell für eine gezielte Zuwanderung nach Österreich sorgen, wobei etwa der Bedarf an benötigten Berufen, Sprachkenntnisse, Bildung, Gesundheit, die noch zu erwartende Erwerbsdauer, ein gesichertes Einkommen, Integrationswille und gute Integrationsvoraussetzungen als Kriterien herangezogen werden sollten. Außerdem sieht der BZÖ-Antrag für bereits ansässige Zuwanderer unterschiedliche staatliche Sozialleistungen je nach Integrationsgrad und Leistungen der Betreffenden für Österreich vor.

Um Unterstützung für den Antrag warb Abgeordneter Peter Westenthaler (B). Er sprach von einem konstruktiven Beitrag in der Zuwanderungsdebatte und wies darauf hin, dass sich das BZÖ stark an ähnliche Modelle in Australien und Kanada angelehnt habe.

Abgeordneter Norbert Kapeller (V) bezeichnete das Modell als diskussionswürdig, machte gleichzeitig aber auf die vom Innenministerium geplante Rot-weiß-rot-Card aufmerksam.

Zum zweiten Mal im Ausschuss zur Diskussion stand ein von der FPÖ im März des Vorjahres eingebrachter Entschließungsantrag , der sich gegen die Errichtung eines Schubhaftzentrums in Leoben wendet. Leoben sei aufgrund seiner Lage und der fehlenden notwendigen Infrastruktur nicht als Standort für ein Schubhaftzentrum geeignet, wiederholte Abgeordneter Werner Herbert die Position seiner Fraktion, die FPÖ konnte sich mit diesem Antrag aber ebenso wenig durchsetzen wie mit ihrer Forderung nach Erstellung eines jährlichen Situationsberichts über den Stand der "Islamisierung" in Österreich (256/A[E] ).

Mit einem Vertagungsbeschluss reagierten die Koalitionsparteien auch auf einen Entschließungsantrag der Grünen , der auf eine Änderung des Kriegsmaterialiengesetzes abzielt. Abgeordnete Alev Korun ist der Ansicht, dass durch "laxe" Bewilligungskriterien und großen Ermessensspielraum des Innenministeriums sowie durch fehlende Endverbraucherkontrollen der illegalen Verbringung von Kriegsmaterial in kriegführende Länder Vorschub geleistet wird und sieht legistischen Handlungsbedarf. Abgeordneter Hannes Fazekas (S) stellte in diesem Zusammenhang eine Regierungsvorlage in Aussicht.

Opposition drängt auf mehr Personal bei der Polizei

Zu einer intensiven Diskussion im Ausschuss führte ein Entschließungsantrag der FPÖ , in dem Abgeordneter Harald Vilimsky und seine FraktionskollegInnen zum Schutz der BürgerInnen 3.000 zusätzliche Planstellen bei der Polizei fordern. Es sei evident, dass es mit dem Personalstand bei der Exekutive "nicht zum Besten steht", argumentierte Abgeordneter Werner Herbert und wies unter anderem auf die enormen Überstundenleistungen der BeamtInnen hin. Abgeordneter Werner Neubauer machte geltend, dass die Exekutive ständig neue Aufgaben bekomme, ohne dass man sich Gedanken mache, wie sie diese bewältigen könne.

Der Kritik der FPÖ schloss sich auch das BZÖ an. Die ExekutivbeamtInnen hätten keine Ruhephasen mehr, das führe zu einem Anstieg stressbedingter Krankheiten, führte Abgeordneter Christoph Hagen ins Treffen. Zudem gebe es keine koordinierte Planung für Karenzvertretungen. Abgeordneter Peter Westenthaler hinterfragte die von der Regierung angekündigte Personalaufstockung der Exekutive und betonte, auch die Polizeigewerkschaft zweifle an den Zahlen der Innenministerin. Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) mahnte ebenfalls eine intensive Diskussion über mehr Personal bei der Polizei ein.

Abgeordneter Johann Hell (S) gab zu bedenken, dass es nicht unbedingt um mehr Planstellen gehe, sondern darum, die Sicherheitsdienste von bürokratischen Aufgaben zu entlasten. Er sprach sich dafür aus, zunächst einmal die eingeleiteten Reformen abzuwarten.

Innenministerin Maria Fekter bekräftigte, dass im Polizeibereich eine mittelfristige Personalplanung notwendig sei, da PolizeibeamtInnen zunächst ausgebildet werden müssten. Die bereits beschlossene Personalaufstockung um 1.000 Planstellen wird Fekter zufolge auch erreicht werden. Die Ministerin rechnete vor, dass bis zum Jahr 2013 weiter jährlich 1.000 PolizistInnen ausgebildet würden, bei einem erwarteten jährlichen Abgang von 800 BeamtInnen. Dazu komme Personal von der Telekom.

Im Rahmen einer Aktuellen Aussprache mit Innenministerin Fekter ging es unter anderem um die geplante verschärfte Mitwirkungspflicht für AsylwerberInnen, Bandenkriminalität in Österreich, Integrationsfragen und Änderungen im Wahlrecht. (Fortsetzung)