Parlamentskorrespondenz Nr. 692 vom 22.09.2010

Freiheitliche: Verwaltungsreform statt Belastung der Bevölkerung

Aktuelle Stunde zu Beginn der Sitzung des Nationalrats

Wien (PK) – Die Plenarsitzung des Nationalrates begann heute mit einer Aktuellen Stunde unter dem Titel "Der rot-schwarze Speck muss weg! – Verwaltungsreform statt Belastungskeule und asoziales Sparpaket". Das Thema war von der Fraktion der Freiheitlichen ausgewählt worden.

Eingangs der Sitzung erfolgte die Angelobung von Abgeordnetem Michael Schickhofer (S), der die Stelle des aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Abgeordneten Christian Faul einnimmt.

Der freiheitliche Klubobmann Heinz-Christian STRACHE warf zu Beginn seiner Rede der Bundesregierung vor, sie breche lieber "mutwillig und bewusst" die Verfassung, als die geplanten Belastungen der Bevölkerung im nächsten Budget bekanntzugeben. Es zeichne sich aber ab, dass man den Leistungsträger Mittelstand weiter belasten wolle. Österreich brauche jedoch einen Modernisierungsschub durch die Durchführung jener Verwaltungsreformen, wozu es bereits klare Positionen des Verfassungskonvents und des Rechnungshofes gebe.

Allein im Bereich der allgemeinen Hoheitsverwaltung bestehe eine Einsparungspotential von 2,5 Mrd. € und im Gesundheitsbereich sogar von 2,9 Mrd. €. Viele Millionen Euro könnten auch im Bereich der Sozialversicherungen, des Schulwesens, beim ORF, im Förder- und Subventionswesen und durch die Streichung von Privilegien bei ÖBB und OeNB eingespart werden. Die Bundesregierung denke aber nur an neue Massensteuern, wie die Mineralölsteuer, sagte Strache und kündigte an, man werde den Druck auf die Regierung weiter erhöhen, bis sie beginne, endlich bei den Ausgaben und nicht bei den Österreicherinnen und Österreichern zu sparen.

Bundeskanzler Werner FAYMANN nahm zur Frage der Verwaltungsreform Stellung und dankte zuerst den tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, die in diesem Land Großartiges leisten. Es bestehe kein Zweifel daran, dass Reformen im Bereich der Verwaltung anstehen, um Doppelgleisigkeiten und Bürokratismus zu beseitigen. Das Ziel aller Maßnahmen müsse es aber sein, mit effizientem Einsatz der Mittel jene Qualität des Service für die BürgerInnen zu sichern, um die Österreich weithin beneidet werde. Wenn etwa die moderne Medizintechnik steigende Kosten bedeute, dann auch deshalb, weil sie in Österreich allen zur Verfügung gestellt werde und nicht nur wenigen vorbehalten bleibe.

Bis 2013 seien im Gesundheitsbereich kostendämpfende Maßnahmen von 1,7 Mrd. € geplant, führte Faymann an. Statt der projektierten 200 Mio. € seien davon heuer bereits 300 Mio. € umgesetzt worden. Die Umsetzung des E-Governments habe den BürgerInnen und der Wirtschaft enorme Zeit- und Kostenersparnis gebracht. Gemeinsam mit den Landeshauptleuten durchforste man über 300 Gesetze nach Vereinfachungen der Abläufe. Auch die Transparenzdatenbank werde bei richtiger Umsetzung zur Effizienz beitragen und damit der erste Schritt zur Verwaltungsreform sein. Man dürfe hier aber keine Milchmädchenrechnungen anstellen, betonte Faymann und kündigte abschließend an, dass die einzelnen Ministerien noch zahlreiche Einsparungsvorschläge in das Budget 2011 einbringen werden.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) replizierte auf die Rede von Abgeordnetem Strache. Diese habe außer einem Versuch, die Verwaltungsreform zum Allheilmittel aller Probleme zu erklären, keinen Gehalt aufgewiesen. Die Verwaltungsreform dürfe aber nicht als Schlagwort missbraucht werden. Sie sei ein zentrales Anliegen der Bundesregierung und ein Prozess, der bereits im Gange sei, sagte die Abgeordnete und erläuterte dies am Beispiel der Maßnahmen, die dazu in Wien gesetzt wurden.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) verwies mit Bezug auf die Situation Griechenlands und Irlands auf die Notwendigkeit der Sanierung der Staatshaushalte. Die Prioritäten der Budgetpolitik von Finanzminister Pröll seien zuerst Wachstum, dann Sparen. Erst zu guter Letzt könne man über zusätzliche Steuern nachdenken. Österreich sei in der guten Lage, dass ein überdurchschnittlich starkes Wirtschaftswachstum einen Großteil der benötigten Mehreinnahmen bringen werde. Über neue Steuern für Banken und Vermögende nachzudenken, sei hingegen der falsche Ansatz, sagte Bartenstein und argumentierte, dies würde nur zusätzliche Belastungen der Betriebe und des Mittelstandes bedeuten.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) warf der SPÖ vor, sich längst von den "kleinen Leuten" im Lande entfernt zu haben. Sie sei nicht bereit, die Steuerbelastung zu senken und jene Verwaltungsreform durchzuführen, die mehr Bürgernähe und Service bringen sollte. Kickl befürchtete für 2011 eine Überschwemmung des österreichischen Arbeitsmarkts durch billige Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarländern, die dann auch Sozialleistungen in Anspruch nehmen würden. Die Bundesregierung spreche in Richtung dieser Länder geradezu eine Einladung zum "organisierten Sozialmissbrauch" aus, schloss Kickl.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) sah einen Verfassungsbruch der Regierungsparteien in der Budgetfrage und forderte, endlich bekanntzugeben, wo konkret an Einsparungen gedacht sei. Es habe bereits hervorragende Ansätze gegeben, wie ein effizienterer Einsatz der Mittel ohne Reduzierung der Dienstleistungen für die BürgerInnen zu erreichen sei. Vor allem in den Bereichen Gesundheit, Schule und Finanzausgleich habe sich aber die Landeshauptleute-Konferenz als ein "Blockadezentrum" erwiesen, das in der österreichischen Realverfassung nichts verloren habe.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) forderte von der Bundesregierung eine Verwaltungsreform, die diesen Namen verdiene. Stattdessen plane sie einen "Belastungsanschlag", der ab nächstem Jahr jeden Bürger und jede Bürgerin zusätzlich mit 800 € belasten werde. Grosz forderte eine "neue Demut und Askese" in der Politik, die beginnen müsse, bei sich selber zu sparen. Ansatzpunkte dafür seien überhöhte Politikerpensionen, Bonuszahlungen in staatsnahen Betrieben, die Strukturen der Sozialversicherungen und der Landesverwaltungen und nicht zuletzt die Schulbehörden, da eine flächendeckende Einführung der Neuen Mittelschule Verwaltungskosten ersparen würde.

Abgeordneter Michael SCHICKHOFER (S) sah die österreichischen Gemeinden durch die Wirtschaftskrise vor große Herausforderungen gestellt. Sie müssten viele Aufgaben, etwa die dringend benötigte zusätzliche Kinderbetreuung, organisieren. Es sei daher richtig, wenn einnahmenseitige Maßnahmen jene betreffen, die die Krise mit verursacht haben, etwa den Bankenbereich. Die Sozialdemokratie habe sich in den letzten Jahren in der Verwaltungsreform als Schrittmacher erwiesen. In diesem Prozess könne aber das Sparen nicht absolute Maxime sein. Man müsse lösungsorientiert nachhaltige Maßnahmen setzen, um mehr Bürgernähe zu erreichen.

Abgeordnetem Fritz GRILLITSCH (V) zufolge läuft die aktuelle Diskussion völlig falsch, und zwar auf Kosten der Regionen und BürgerInnen, wie er sagte. Er unterstütze daher Vizekanzler Josef Pröll in seinem Bemühen, intelligent zu sparen, statt dauernd über neue Steuern zu reden. Grillitsch forderte insbesondere die Abschaffung der Pensionsprivilegien und die Harmonisierung der Pensionssysteme von Bund und Ländern. Er befürwortete eine Deregulierung und sprach sich für eine Durchforstung von Gesetzen aus. Wie andere RednerInnen auch, ging Grillitsch auf die Situation in der Steiermark ein. Die Steiermark brauche mehr Kontrolle, denn diese sei unter Landeshauptmann Voves nicht vorhanden.

Von einem Mangel an Entscheidungsfähigkeit der Bundesregierung sprach Abgeordneter Gerhard KURZMANN (F). Die Regierung habe nicht einmal die Anregungen des Rechnungshof aufgegriffen, bemängelte er, und begnüge sich damit, ein Belastungspaket zu diskutieren. Kurzmann kritisierte einmal mehr das Hilfspaket für Griechenland. Warum sollen die ÖsterreicherInnen den Gürtel enger schnallen, fragte er, während 21,3 Mrd. Euro in ein korruptes System von Spekulanten und Banken gesteckt werden; warum werde das Bundesheer "kaputt gespart", während Griechenland mit dem Geld der anderen EU-Staaten dafür Panzer kaufe? Der F-Abgeordnete wandte sich auch strikt gegen die Öffnung des Arbeitsmarkts für die neuen Mitgliedstaaten und stellte einmal mehr fest, dass seit der Öffnung der Ostgrenzen die Sicherheit in Österreich stark gesunken ist. Für die Steiermark verlangte er 500 PolizistInnen mehr und für die 50.000 Arbeitslosen die Schaffung von Vollzeitarbeitsplätzen. Er wandte sich auch gegen die Schließung von Spitälern und warf sowohl Voves als auch Schützenhöfer vor, ihre Büros personell stark aufgestockt zu haben, was mit Kosten von 7,5 Mio. Euro zu Buche schlage.

"Österreich erstickt am falsch verstandenen Föderalismus", fasste Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) ihre Kritik an der Haltung der Landeshauptleute zusammen. Wie groß muss der Druck für eine Verwaltungsreform noch werden, fragte sie, wenn nicht einmal die schwerste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg dafür ausreiche. Die Bundesregierung habe die Vorlage des Budgets verschoben und heute habe man vom Bundeskanzler nichts anderes vernommen, als dass man angefangen habe, zu durchforsten. Offensichtlich wurde die Zeit bislang vergeudet, resümierte Glawischnig-Piesczek, denn seitens der Regierung liege kein einziger Vorschlag für eine Verwaltungsreform vor. Was ist eigentlich aus den Österreich-Gesprächen geworden, erkundigte sie sich, was aus dem Vorschlag, sich zu einem "großen Konklave" zusammenzusetzen? Ohne Reformen werde man mit dem Budget jedoch nicht zurande kommen, warnte sie, und dieser Reformstau sei vor allem im Pflegebereich sowie bei den Kindergärten und Schulen besonders bitter. Faymann und Pröll sind in den Augen der Grünen Klubobfrau das "Duo der absoluten Führungslosigkeit" und "Marionetten der Landeshauptleute".

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) forderte in seiner Wortmeldung die Regierung auf, endlich zu arbeiten und in der Verwaltungsreform etwas weiter zu bringen. Er erinnerte an den Verfassungskonvent, an den Sonderausschuss zur Verfassungs- und Verwaltungsreform sowie an die Österreich-Gespräche und konnte nicht verstehen, dass man trotz all dieser Bemühungen bislang zu keinem Ergebnis gelangt sei. Man lasse sich von den Landeshauptleuten "pflanzen", stellte Scheibner fest und machte aus seiner Sicht Vorschläge für notwendige Reformschritte. So würden 40 % des Heeresbudgets für die Verwaltung eines sinnlosen Heeressystems vergeudet und auch im Schulsystem gebe es zu viele Entscheidungsebenen. Er trat daher dafür ein, die Kompetenzen beim Bund und bei den einzelnen Schulstandorten zu zentrieren. Es gehe darum, endlich die Bildungsstandards zu erhöhen, sagte er. Auch im Bereich der Gesetzgebung sollten die Kompetenzen zusammengefasst werden und im Bundesrat sollten ihm zufolge die Landtagsabgeordneten selbst vertreten sein.

Abgeordneter Martin STRUTZ (o.F.) schloss sich seinem Vorredner an und forderte Reformen im Bildungs- und Gesundheitssystem sowie in der öffentlichen Verwaltung ein. SPÖ und ÖVP hätten bislang keinen einzigen Beitrag dazu geleistet und seien offensichtlich auch nicht bereit dazu, weil deren Interessen in entgegengesetzte Richtungen gehen. Bildungsministerin Claudia Schmied legt seiner Ansicht nach vernünftige Vorschläge vor, diese würden aber von der Personalvertretung torpediert, kritisierte Strutz. Anstatt das System von 22 verschiedenen Krankenkassen abzuschaffen und damit Geld zu sparen, habe die Regierung bei den Heil- und Arzneimitteln angesetzt, zu Lasten der Bevölkerung. Bei der SPÖ heiße Verwaltungsreform in erster Linie Personalabbau, wetterte Strutz und nannte als Beispiel dafür die jüngsten Aussagen des ÖBB-Generaldirektors.

Nach Ansicht von Abgeordnetem Maximilian LINDER (o.F.) sind nicht die BeamtInnen das Problem der hohen Verwaltungskosten, sondern die zahlreichen Doppelgleisigkeiten. Bestes Beispiel dafür sei die Agrarstrukturerhebung, die zusätzlich auch noch von den Gemeinden durchgeführt werden müsse. Linder hält auch 22 unterschiedliche Krankenkassen für unnötig. Es gehe nicht an, so sein Vorwurf an die Regierung, die Vorschläge des anderen jedes Mal reflexartig zurückzuweisen. Die Regierung müsse endlich Schritte setzen, um den Staat schlanker zu gestalten und das Geld dorthin zu verlagern, wo man es braucht. Als positives Beispiel für gelungene Verwaltungsreformen präsentierte Linder die Maßnahmen in Kärnten im Bereich der Krankenanstalten sowie die Schaffung von Kompetenzzentren. (Schluss Aktuelle Stunde/Forts. Europastunde)