Parlamentskorrespondenz Nr. 711 vom 28.09.2010

Öffentliche Finanzen 2009 im Zeichen der Krise

Staatsschuldenausschuss bestätigt Arbeit der Finanzschuldenmanager

Wien (PK) – Der jüngste Bericht des Staatschuldenausschusses über die öffentlichen Finanzen im Jahr 2009 dokumentiert die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die öffentlichen Haushalte in Österreich im Jahr 2009 (III-181 d.B.). Während der größten Rezession seit den dreißiger Jahren, in der die Wirtschaftsleistung Österreich um 3,5 % abnahm, schrumpften die Steuereinnahmen um 4,9 %, während die Ausgaben krisenbedingt sowie infolge zusätzlicher Arbeitsmarkt- und Konjunkturmaßnahmen um 3,9 % stiegen. Das gesamtstaatliche Budgetdefizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen nahm innerhalb eines Jahres von 1,2 Mrd. € auf 9,5 Mrd. € zu. Die Schulden der Republik stiegen von 2009 von 176,5 Mrd. € um 7,6 Mrd. € auf 184,1 Mrd. €, jene des Bundes um 6,7 Mrd. € oder 4,2 % auf 168,7 Mrd. € oder 60,9 % des BIP. Die Schuldenquote des Gesamtstaates nahm von 62,6 % auf 66,4 % zu. Auch der Primärsaldo (Budgetsaldo ohne Zinszahlungen) drehte ins Minus (–2 Mrd. €. oder –0,7 % des BIP). Als positiv erwiesen sich die rückläufigen Zinsen auf den Finanzmärkten, die es trotz steigender Schulden erlaubten, den Zinsaufwand zu senken.  

Im internationalen Vergleich blieb die Republik Österreich 2009 in finanzieller Hinsicht trotz allem gut positioniert. Gemeinsam mit Luxemburg, Finnland und Deutschland rangierte Österreich unter den Ländern mit relativ niedrigen Budgetdefiziten. Im Durchschnitt lagen die Defizitquoten der EU-Länder (Euro-16: 6,3 % des BIP; EU-27: 6,8 % des BIP) markant über der Quote Österreichs mit 3,4 % des BIP. Dennoch eröffnete die EU ein Defizitverfahren gegen Österreich und sprach die Verpflichtung aus, die gesamtstaatliche Defizitquote von 2011 bis 2013 schrittweise wieder auf unter 3 % des BIP zu senken.   

Der Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009

Nachdem es den Zentralbanken und Regierungen im Laufe des Jahres 2009 gelungen war, die Finanzmärkte mit ihrer Geld- und Wirtschaftspolitik weitgehend zu normalisieren, lösten Zweifel an der Bonität Griechenlands im November 2009 neuerlich Probleme auf den Märkten aus, was es notwendig machte, zunächst ein Griechenland-Hilfspaket und im Mai 2010 auch ein Euro-Stabilisierungspaket von 750 Mrd. € zu schnüren.

In Österreich brachen im Verlauf der Krise Exporte, Produktion und Investitionen stark ein, nur der private Konsum wuchs weiter und trug zur Stabilisierung der Konjunktur bei. Belebungsprogramme von Regierung und Parlament umfassten inklusive Steuerreform 3,2 Mrd. €, die Bundesländer stützten die Konjunktur zusätzlich mit 1 Mrd. €.  

Die Folgen für die öffentlichen Haushalte

Sofort mit dem schärfsten Konjunktureinbruch seit 1930 setzte die Wirkung der automatischen Stabilisatoren ein, parallel zur abnehmenden Wirtschaftsleistung sanken die Staatseinnahmen um mehr als 2,5 % des BIP. Der Einnahmenausfall ließ die Quote aller Abgaben (Steuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträge, EU-Eigenmittel) deutlich sinken, blieb mit 43,7 % des BIP aber über dem Euro-16-Durchschnitt von 40,4 %. Das Defizit des Gesamtstaates stieg auf 9,5 Mrd. €. oder 3,4 % des BIP (2008: 1,2 Mrd. €. oder 0,4 % des BIP). Die Schulden der Republik nahmen von 62,6 % des BIP (Ende 2008) auf 66,4 % des BIP (Ende 2009) zu.

Zur Wirkung der automatischen Stabilisatoren zählten auch höhere Arbeitsmarkt- und Sozialausgaben, die gemeinsam mit den Mehrausgaben für Konjunkturprogramme die Budgetausgaben steigen ließen, mit 3,9 % aber überraschenderweise weniger als im Jahr 2008 (4,6 %). Der Grund dafür sind Minderausgaben, die konjunkturbedingte Mehrausgaben kompensierten, etwa infolge der Lieferung von nur noch zwei Militärflugzeugen, durch die Medikamentenpreis- und Mehrwertsteuersenkung auf 10 % und den Wegfall des Austrian-Airlines-Kapitalzuschusses. Die Staatsausgabenquote stieg wegen des BIP-Rückgangs aber massiv von 49 % des BIP (2008) auf 51,7 % an.  

Die für die Beurteilung der Stabilität des Haushalts wichtige Kennzahl "Primärsaldo" (Budgetsaldo ohne Zinszahlungen) drehte nach Jahren einer positiven Entwicklung mit Überschüssen in ein Minus von 2 Mrd. €.

Finanzschulden und Finanzschuldenmanagement

Der in der EU gemäß Maastricht-Kriterien relevante gesamtstaatliche  Schuldenstand (von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen) stieg in Österreich 2009 von 176,5 Mrd. € um 7,6 Mrd. € auf 184,1 Mrd. €. Die Relation zum (abnehmenden) BIP verschlechterte sich von 62,6 % auf 66,4 %. Mit 2,7 % fiel die Steigerung der Verschuldungsquote beim Bund am stärksten aus, die Verschuldungsquote der Landesebene stieg 2009 um 0,5 % , jene der Gemeinden um 0,2 %, die der Sozialversicherungen um 0,3 %.

Strukturell wird die Staatsschuld in Österreich durch die Finanzschulden des Bundes geprägt. Die Bundesschuld nahm 2009 um 6,7 Mrd. € oder 4,2 % auf 168,7 Mrd. € oder 60,9 % des BIP zu. Der Anteil der Fremdwährungsschuld des Bundes sank von 4,9 % auf 3 %, weil die Finanzschuldenmanager den Finanzbedarf vermehrt durch Ausgabe von Euro-Anleihen deckten, die großteils von Investoren aus dem Euroraum erworben werden. Erstmals seit dem Euro-Beitritt erhöhte sich 2009 der Anteil ausländischer Gläubiger an den österreichischen Finanzschulden nicht, sondern ging von 82 % auf 79 % zurück. Die größte österreichische Gläubigergruppe waren die Banken mit einem Anteil von 12 %. Auf private Anleger entfielen 2009 direkt weniger als 2 % der Staatsschuld.

Die FinanzschuldenmanagerInnen von der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) hatten im Vorjahr mit außergewöhnlich schwierigen Marktbedingungen zu kämpfen. Auf wichtigen Märkten war der Handel schwach, der Wettbewerb zwischen den Emittenten scharf und die Risikotoleranz der Investoren gering. Zeitweilige Unsicherheiten wegen des Engagements österreichischer Banken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa führten zu hohen Zinsaufschlägen. Im Zuge der Finanzmarktkrise weitete sich der Renditeabstand deutscher Bundesanleihen gegenüber anderen Euro-Ländern merklich aus und stieg in den Euro-12-Ländern (ohne Luxemburg) im Durchschnitt von 42 auf 89 Basispunkte. Der "Spread" gegenüber Österreich betrug bei 10-jährigen Anleihen im Durchschnitt des Jahres 2009 68 Basispunkte. Im März 2009 waren vorübergehend Renditeabstände von über 100 Basispunkten verzeichnet worden.

Die Restlaufzeit der Finanzschuld lag Ende 2009 bei 8,6 Jahren; 95 % der Verbindlichkeiten waren fix verzinst, teilt der Staatsschuldenausschuss mit.  

Günstigere Refinanzierungen aufgrund niedriger Marktzinsen erlaubten es den FinanzschuldenmanagerInnen, die durchschnittliche Nominalverzinsung der Finanzschuld des Bundes 2009 abermals leicht von 4,2 auf 4,1 % zu senken. Daher veränderte sich der Zinsaufwand für die Finanzschuld trotz des hohen Nettodefizits von 7,1 Mrd. €. gegenüber dem Vorjahr kaum und betrug 6,74 Mrd. €. (2008: 6,63 Mrd. €.). Bezieht man den "sonstigen Aufwand" mit ein, blieben die Kosten für die Finanzschuld im Jahr 2009 auf dem Niveau des Vorjahres (2009: 6,72 Mrd. €.; 2008: 6,70 Mrd. €).

Den FinanzschuldenmanagerInnen empfiehlt der Staatsschuldenausschuss aktuell eine risikoarme Schuldenstruktur mit breit gestreuten Investoren, eine ausgewogene Produktpalette mit Laufzeitenmix, begrenzte Preis- und Ausfallrisiken sowie mittlere bis lange Fristen bei der Verschuldung. Sorgen wegen der Tragfähigkeit der Staatsverschuldung in einigen EU-Ländern ließen eine völlige Normalisierung der Marktbedingungen für das Debt-Management weder in Österreich noch in anderen Staaten erwarten.

In vielen Belangen bestätigt der Staatsschuldenausschuss die Praxis der ÖBFA bei der Erledigung ihrer Aufgaben. Neue Vorschläge betreffen den institutionellen Bereich und die Veranlagung von Finanzmitteln, sie werden in wesentlichen Teilbereichen bereits umgesetzt, liest man im Bericht des Staatsschuldenausschusses.

Für das Jahr 2010 rechnet der Staatsschuldenausschuss mit einem stark steigenden Aufwand für die Finanzschuld, hält den budgetierten Wert von 7,95 Mrd. € aber für überzeichnet. Belastungen der öffentlichen Haushalte durch steigende Finanzierungskosten (Zinsen) erwartet der Staatsschuldenausschuss, wenn der Schuldenstand nicht durch Budgetüberschüsse und/oder Vermögenstransaktionen zurückgeführt wird. (Schluss)