Parlamentskorrespondenz Nr. 740 vom 05.10.2010

KünstlerInnen-Sozialversicherung: Servicezentrum wird eingerichtet

Gesetzentwurf von Sozialausschuss mit S-V-G-Mehrheit gebilligt

Wien (PK) – Seit dem Jahr 2001 ist in Österreich ein Fonds eingerichtet, der selbständig erwerbstätigen Künstlerinnen und Künstlern unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse zur gesetzlichen Sozialversicherung gewährt. Durch atypische Arbeits- und Erwerbsformen, Diskontinuität im Einkommen und der Erwerbsform, Mehrfachbeschäftigungen, kurzfristige und wechselnde Arbeitsverhältnisse sowie Leih- und Teilzeitarbeit stehen KünstlerInnen in der Praxis allerdings immer wieder vor Problemen, etwa was die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit oder die Geltung von Beitragssätzen und Beitragsgrenzen betrifft.

Auf diese Probleme wollen die Abgeordneten nun mit einer Gesetzesänderung reagieren. Der Sozialausschuss des Nationalrats billigte heute eine Regierungsvorlage , deren Kernpunkt die Einrichtung eines Servicezentrums für Künstlerinnen und Künstler bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ist. Die Kunstschaffenden sollen dort besser über die für sie geltenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen informiert werden. Das soll den KünstlerInnen die Einhaltung von Pflichten sowie die Inanspruchnahme von Rechten erleichtern. Um KünstlerInnen gegebenenfalls den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, wird ihnen in Hinkunft außerdem die Möglichkeit eingeräumt, ihre selbständige künstlerische Erwerbstätigkeit ruhend zu stellen.

Der Gesetzentwurf stieß im Ausschuss bei den Koalitionsparteien auf positive Resonanz. Die Abgeordneten Christine Lapp (S), Silvia Fuhrmann (V) und Ulrike Königsberger-Ludwig (S) wiesen auf die oft schwierige Arbeitssituation von KünstlerInnen hin. Sie erwarten sich von der neuen Anlaufstelle deutliche Verbesserungen gegenüber dem Status quo.

Diese Einschätzung wurde von Abgeordneter Ursula Haubner (B) allerdings nicht geteilt. Ihrer Ansicht nach kann der prekären sozialen Lage vieler KünstlerInnen nicht mit einer zusätzlichen Serviceeinrichtung entgegengewirkt werden. Eine solche Servicestelle sei lediglich eine unnötige Aufblähung der Verwaltung, kritisierte sie.

Auch Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G) äußerte sich trotz Zustimmung der Grünen zum Gesetzentwurf kritisch. Er wies darauf hin, dass einem Bericht des Unterrichtsministeriums zufolge ein Drittel der Kunst- und Kulturschaffenden in Österreich weniger als 6.000 € im Jahr verdiene. Das Gesetz bringe zwar kleine Verbesserungen, meinte er, sei insgesamt aber völlig unzureichend. Zinggl forderte eine Art Mindestsicherung für KünstlerInnen, die seiner Ansicht nach dem Staat "nicht sehr viel Geld kosten würde". Geändert gehört ihm zufolge außerdem die Bestimmung, dass Kulturschaffende, die in Pension sind, die Zuschüsse aus dem Künstlersozialversicherungsfonds verlieren, wenn sie nur "die kleinste Kleinigkeit" dazu verdienten.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer zufolge ist ergänzend zur vorliegenden Gesetzesnovelle eine Änderung des Schauspielergesetzes in Planung. Eine "Staatshaftung" für KünstlerInnen könne man aber nicht übernehmen, wies er die Forderung der Grünen nach einer speziellen Mindestsicherung für KünstlerInnen zurück.

Die Regierungsvorlage wurde vom Sozialausschuss mit S-V-G-Mehrheit gebilligt. Dabei wurde auch ein Abänderungsantrag berücksichtigt, der lediglich redaktionelle Änderungen enthält.

                    

Taubblindheit soll in Zukunft Eingang in Behindertenpass finden

Weitere Diskussionsthemen im heutigen Sozialausschuss waren die betriebliche Mitarbeitervorsorge, Probleme behinderter Kinder und Erwachsener, das Pflegegeld und das Berufsfeld Sozialarbeiter. Zu diesen Themenkomplexen lagen zahlreiche Oppositionsanträge vor, die – mit einer Ausnahme – alle vertagt bzw. abgelehnt wurden.

Nur die Grünen konnten einen kleinen Erfolg verzeichnen: Auf Basis eines Antrags von Abgeordneter Helene Jarmer ersucht der Sozialausschuss Sozialminister Rudolf Hundstorfer, die nötigen Schritte zu unternehmen, damit Taubblindheit als eigenständige Behinderung auf Antrag im Behindertenpass eingetragen werden kann. Eine entsprechende 5-Parteien- Entschließung wurde von den Abgeordneten einstimmig gefasst.

Wie Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig erläuterte, werden gleichzeitig gehörlos und blinde Personen bereits jetzt als zu 100 % behindert eingestuft, es gehe nur um die Eintragung der Taubblindheit als eigenständige Behinderung in den Behindertenpass.

Zahlreiche Oppositionsanträge vertagt bzw. abgelehnt

Vom Sozialausschuss vertagt wurde hingegen ein Entschließungsantrag des BZÖ , der darauf abzielt, die Arbeitgeber zu einer höheren Beitragsleistung im Rahmen der betrieblichen Mitarbeitervorsorge zu verpflichten. Konkret soll sich der monatliche Beitrag Abgeordnetem Sigisbert Dolinschek zufolge von derzeit 1,53 % des Bruttoentgelts auf 2,5 % erhöhen. Er begründet die Forderung damit, dass die Arbeitgeber für die "Abfertigung Alt" jährlich rund 1,5 Mrd. € aufgewendet hätten, während sich die Kosten für die "Abfertigung Neu" laut Berechnungen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger lediglich auf 1 Mrd. € belaufen würden.

Abgeordneter Oswald Klikovits (V) begründete die Vertagung damit, dass derzeit sozialpartnerschaftliche Verhandlungen zu diesem Thema laufen. Er hoffe, dass sich die Sozialpartner rasch auf Verbesserungen einigen, sagte er.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) stellte kritisch fest, dass die "Abfertigung Neu" ein Paket zur Förderung der Börse gewesen sei und lediglich die Gewinne privater Pensionskassen sichere, während die ArbeitnehmerInnen das Risiko trügen. Man sei von Vornherein von falschen jährlichen Wertsteigerungen ausgegangen, bemängelte er.

Versicherungen: FPÖ will mehr Handhabe gegen Diskriminierung

Gemeinsam verhandelte der Sozialausschuss über die FPÖ-Entschließungsanträge 121/A(E) , 123/A(E) , 306/A(E) , 800/A(E) und 701/A(E) sowie über den Entschließungsantrag des BZÖ (937/A[E ]) und den Entschließungsantrag der Grünen (1168/A[E ]). Die Oppositionsparteien fordern unter anderem, Eltern vor Einschulung eines gehörlosen Kindes den Besuch eines Gebärdensprachen-Kurses zu finanzieren, die audiopädagogische Förderung hörbehinderter Kinder seitens der öffentlichen Hand zu unterstützen, der Diskriminierung behinderter Menschen bei privaten Versicherungen entgegenzuwirken, behinderten Menschen bei Anschaffung eines Pkw 20 % des Kaufpreises anstelle der Nova rückzuvergüten, die Funktionsdauer der Behindertenvertrauenspersonen im öffentlichen Dienst an die Funktionsdauer der PersonalvertreterInnen anzupassen, ein bundeseinheitliches System zur Bewilligung, Finanzierung und Bereitstellung von Hilfsmitteln und Rehabilitationsgeräten für chronisch behinderte Kinder einzuführen sowie Taubblindheit als eigenständige Art der Behinderung anzuerkennen.

In der Diskussion gab Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) zu bedenken, dass die audiopädagogische Förderung und die Finanzierung von Gebärdensprachkursen von Eltern in die Kompetenz der Länder fielen. In Bezug auf den "Spießrutenlauf" vieler Eltern chronisch behinderter Kinder von Förderstelle zu Förderstelle ortet sie allerdings dringenden Handlungsbedarf. Oft würde eine Stelle Förderungen nur dann gewähren, wenn auch eine andere Stelle Kosten übernehme, schilderte sie.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) hob die Notwendigkeit hervor, Kinder mit Behinderungen frühzeitig zu fördern, um ihnen später - so weit wie möglich - ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Förderung von Rehabilitationsgeräten und Hilfsmitteln liege jedoch einiges im Argen, meinte er. Hinsichtlich des Antrags der FPÖ betreffend private Versicherungen verwies Dolinschek auf das allgemeine gesetzliche Diskriminierungsverbot und meinte, es sei vordringlicher, den Betroffenen zu helfen, ihre Rechte und Ansprüche durchzusetzen.

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (V) betonte, ein Leben mit Behinderung müsse bestmöglich unterstützt werden. Von Diskriminierungen bei Versicherungen sind, wie sie meinte, auch Frauen betroffen, es gelte hier im Justizbereich Lösungen zu finden.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) signalisierte die Unterstützung der Grünen zu allen vorliegenden Anträgen mit Ausnahme der 20%-igen Kaufpreisrückerstattung für Autos. Der Antrag sei ihm zu unausgereift, meinte er, man müsse bei Förderungen die Behindertentauglichkeit von Autos stärker in den Vordergrund stellen. Als "sehr sympathisch" wertete Öllinger die Forderung der FPÖ, auch im privaten Versicherungsbereich den Solidargedanken zu stärken und diskriminierende Elemente zu beseitigen, er fürchtet allerdings, dass es hier um "eine Quadratur des Kreises" gehe.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) machte darauf aufmerksam, dass der Bundesbehindertenanwalt bereits wiederholt auf die Diskriminierung von behinderten Menschen seitens privater Versicherungen aufmerksam gemacht habe. So würden etwa Rollstuhlfahrer beim Abschluss von Lebensversicherungen benachteiligt. Die Forderung nach Rückerstattung von 20 % des Kaufpreises beim Kauf eines Autos durch eine behinderte Person begründete Hofer damit, dass die derzeitige Nova-Rückerstattung dazu verleite, leistungsstarke statt umweltfreundliche Autos zu kaufen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer nahm zum Antrag betreffend Personalvertretung Stellung und machte geltend, dass das Problem in der Praxis bereits gelöst sei. Eine "legistisch saubere" Lösung will er in die nächste Gesetzesnovelle einbauen.

Die FPÖ-Anträge betreffend Gebärdensprachkurse und audiopädagogische Förderungen wurden vom Sozialausschuss mit S-V-Mehrheit abgelehnt, die anderen Anträge vertagt. Lediglich der Entschließungsantrag der Grünen wurde in Form eines Fünf-Parteien-Abänderungsantrags angenommen (siehe oben).

Verbesserungen im Pflegesystem diskutiert

Zum Themenbereich Pflege lagen dem Sozialausschuss zwei Entschließungsanträge der FPÖ vor (1250/A[E] , 1251/A[E] ). Abgeordnetem Norbert Hofer und seinen FraktionskollegInnen geht es unter anderem darum, ein neues Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu entwickeln und den Zugriff auf das Vermögen pflegebedürftiger Personen, die in Heimen betreut werden, neu zu regeln. Beide Anträge wurden jedoch mit S-V-Mehrheit vertagt.

Die Vertagung des Antrags betreffend Entwicklung eines neuen Begutachtungsverfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit begründete V-Abgeordneter Oswald Klikovits unter Hinweis auf ein laufendes Pilotprojekt. Man müsse sehen, ob es sich bewährt, ehe man weitere Schritte setzt. Für S-Abgeordnete Christine Lapp stand außerdem fest, dass das österreichische System besser bei den Bedürfnissen und Anliegen der Betroffenen ansetzt als das deutsche, auf das die Antragsteller schielten. Eine ständige Begutachtung und Adaptierung der Kriterien erachtete sie – wie auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer - für notwendig, der darauf hinwies, dass schon heute das Umfeld der zu pflegenden Person berücksichtigt werde. Man habe, so der Minister, auch "über den Tellerrand" geblickt und die angewandten Kriterien miteinander verglichen. Allerdings habe sich das österreichische System als besser erwiesen. Was die häufig kritisierte Dauer solcher Begutachtungsverfahren betreffe, müsse man anerkennen, dass heute schon 80 % aller Anträge in 55 Tagen – und damit unter dem anvisierten Ziel von 60 Tagen – erledigt würden.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) sprach sich hingegen für den F-Antrag aus. Dieser ziele in die richtige Richtung, zumal heute ausschließlich medizinische und nicht pflegewissenschaftliche Kriterien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit herangezogen würden. Es hindere nichts daran, ein gutes System beizubehalten, es aber gleichzeitig um neue Aspekte zu bereichern, zeigte sich Öllinger überzeugt – eine Auffassung, der sich auch F-Mandatar Andreas Karlsböck anschloss. Das derzeit angewandte Kriteriensystem belohne Immobilität, weshalb es bedauerlich sei, dass man eine Diskussion im Ausschuss mit der Vertagung des Antrags unterbinde, schloss Öllinger. Eine Notwendigkeit zur Neudefinition der Kriterien sah auch B-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek, der die Zustimmung seiner Fraktion zum Antrag ankündigte.

Die Vertagung des zweiten F-Antrags bezüglich Pflege begründeten die Koalitionsparteien mit der Notwendigkeit zur Erhebung des Status-quo. Da der Eigenregress in den Kompetenzbereich der Länder falle, müsse man zunächst nachfragen, welche Erfahrungen mit den einzelnen Systemen gemacht wurden, stellte V-Abgeordneter Oswald Klikovits fest. G-Mandatar Karl Öllinger plädierte in diesem Zusammenhang für die Einführung einer vernünftigen und gerechten Vermögenssteuer. Derzeit hebe man eine solche nur von pflegebedürftigen Menschen ein, was ungerecht sei. Die Forderung der FPÖ könne man deshalb nachvollziehen – eine Auffassung, der sich auch B-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek anschloss. Sozialminister Rudolf Hundstorfer vertrat hingegen die Ansicht, dass die Einhebung eines Eigenregresses in einer gewissen Lebensphase durchaus zulässig sei.

FPÖ und Grüne für Erleichterungen bei der Pflege kranker Kinder

Vertagt wurden außerdem ein Entschließungsantrag der FPÖ und ein Antrag der Grünen , die auf mögliche Probleme bei einem Krankenhausaufenthalt von Kindern Bezug nehmen. Die FPÖ spricht sich dafür aus, Eltern, die ihre Kinder bei einem Krankenhausaufenthalt begleiten, für bis zu zwei Wochen Pflegefreistellung zu gewähren. Die Grünen beantragen, die Kostenbeiträge für Krankenhausaufenthalte von Kindern zur Gänze zu streichen.  

Was den Antrag der FPÖ anbelangt, so sprach sich S-Abgeordnete Christine Lapp dafür aus, die diesbezügliche Einigung der Sozialpartner abzuwarten – eine Auffassung, die F-Mandatar Andreas Karlsböck nicht teilen wollte.

Den Antrag der Grünen vertage man, so SPÖ und ÖVP, da er nicht in den Zuständigkeitsbereich des Sozialausschusses, sondern in jenem des Gesundheitsausschusses falle. Abgeordneter Karl Öllinger (G) kritisierte die Praxis, eine Nichtzuständigkeit als Grund für eine Vertagung vorzuschieben. Es gehe, so der Redner, durchaus um eine sozialpolitische Frage, zumal die Kumulation solcher Beiträge Familien unzulässig finanziell belasten könne. Auch F-Mandatar Andreas Karlsböck hielt den zur Diskussion gestellten Selbstbehalt für sozial ungerecht. Ihm zufolge gelte es, das System allgemein zu evaluieren und "unsinnige Selbstbehalte" zu beseitigen. Von einer gänzlichen Abschaffung von Selbstbehalten wollte das BZÖ hingegen nichts wissen.

BZÖ fordert einheitlichen Regelungen für SozialarbeiterInnen

Desweiteren vertagte der Sozialausschuss einen Entschließungsantrag des BZÖ , der auf die rasche Vorlage eines Bundesrahmengesetzes abzielt, mit dem einheitliche Regelungen für die Berufsausübung, Ausbildung und Besoldung von SozialarbeiterInnen festgelegt werden sollen.

Laut Abgeordnetem Sigisbert Dolinschek (B) handle es sich dabei um einen seit Jahren gehegten Wunsch des Berufsverbands. S-Abgeordneter Johann Hell begründete seinen Vertagungsantrag aber damit, dass beispielsweise der Punkt der einheitlichen Besoldung nicht zu den vom Berufsverband gestellten Forderungen zähle. Für SozialarbeiterInnen im öffentlichen Dienst gebe es bereits Gehaltsschemata, für jene im privaten Bereich gelte der Kollektivvertrag, an dem man nicht rütteln sollte. Bundesminister Rudolf Hundstorfer mahnte, die Ergebnisse der diesbezüglichen Verhandlungen mit den Ländern am 19. Oktober abzuwarten, danach werde man weitersehen. (Schluss)


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