Parlamentskorrespondenz Nr. 741 vom 05.10.2010

Landwirtschaftsausschuss genehmigt Grünen Bericht

Debatte vor dem Hintergrund von Preisverfall und Einkommensverlust

Wien (PK) – Der Agrarpreisverfall und die Einkommensverluste der Bauern im Jahr 2009, aktuelle Maßnahmen der Bundesregierung für den ländlichen Raum, die Vorbereitungen zur EU-Agrarreform für 2014 und agrarpolitische Initiativen der Opposition standen auf der Tagesordnung im heutigen Landwirtschaftsausschuss. Die Abgeordneten debattierten unter der Leitung von Ausschussobmann Fritz Grillitsch mit Bundesminister Nikolaus Berlakovich den Grünen Bericht 2009 sowie Berichte über agrarpolitische Maßnahmen 2011 und der EU. Das EU-Agrarprogramm für 2010 wurde mit S-V-G-B-Mehrheit zur Kenntnis genommen, der Grüne Bericht einstimmig, der Maßnahmenbericht mit S-V-Mehrheit gebilligt.

Auf der Tagesordnung standen weiters agrarpolitische Initiativen von Oppositionsabgeordneten. G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber (G) verlangte eine an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit und der globalen Verantwortung gegenüber den hungernden Menschen in der Welt orientierte Neugestaltung der europäischen und der globalen Agrarpolitik (820/A(E), 23/A(E)), außerdem verlangte Pirklhuber Sofortmaßnahmen für die heimischen Milchbauern (760/A(E)). Abgeordneter Gerhard Huber (B) drängte auf eine verlässliche Finanzierung der Europäischen Agrarpolitik über 2013 hinaus (1197/A(E)). Abgeordneter Harald Jannach (F) forderte schließlich ein Importverbot für Agro-Energiestoffe (841/A(E)). Alle Entschließungsanträge wurden jedoch einstimmig vertagt. Mit S-V-Mehrheit abgelehnt wurde hingegen ein Vorstoß des Abgeordneten Gerhard Huber (B) auf Schaffung einer "gentechnikfreien Modellregion Österreich" (488/A(E)), wobei Abgeordneter Walter Schopf (S) argumentierte, diese Forderung liege dem Parlament bereits als Fünf-Parteien-Antrag vor.

EU-Agrarreform für die Zeit nach 2013 wird derzeit vorbereitet

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Nikolaus Berlakovich, informierte die Ausschussmitglieder zunächst über aktuelle Prioritäten der europäischen Agrarpolitik, die der Vorbereitung der Reform der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik für die Jahre ab 2014 zugrunde liegen. Dazu komme die Diskussion über den Beitrag der Landwirtschaft zur Strategie 2020 für ein ressourcenschonendes Europa, wobei mit Vorschlägen von Seiten der Kommission Mitte November zu rechnen, sagte der Minister. Ein neuer Strategieplan für die Biodiversität befinde sich in Ausarbeitung, auch an der Vorbereitung für die nächste Weltklimakonferenz, die für Ende des Jahres geplant ist, werde gearbeitet. Bei diesem Thema ortete der Minister Probleme wegen der defensiven Haltung Chinas und der USA. Beim Selbstbestimmungsrecht für die EU-Länder bei der Verwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft sei man laut Berlakovich auf gutem Wege.

Abgeordneter Wolfang Pirklhuber (G) zeigte sich irritiert über Diskussionen in der EU über das Recht auf Gentechnikfreiheit und warnte vor der Gefahr, die von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ausgehe. Pirklhuber klagte darüber, dass neueste Studien zu diesem Thema von der EFSA ignoriert werden. Überaus kritisch sah Pirklhuber die Erhöhung der Milchquoten in Österreich, da dies Druck auf den endlich wieder besseren Milchpreis befürchten lasse.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) drängte darauf, das Parlament stärker in die Vorbereitung der europäischen Agrarreform einzubinden.

Abgeordneter Jakob Auer (V) schloss sich der Forderung seines Vorredners an, EU-Jahresprogramme früher als erst im Oktober zu diskutieren. Problematisch sah der Abgeordneter die vielen Tierschutz- und anderen Auflagen für die Bauern, die viele kleine bäuerliche Betriebe dazu veranlassten, die Landwirtschaft aufzugeben.

Abgeordneter Harald Jannach (F) trat für ein Gentechnikverbot in der Landwirtschaft ein und erbat Auskunft über die im nächsten Agrarbudget zu erwartenden Einsparungen.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) meinte, der Grüne Bericht sollte angesichts der bäuerlichen Einkommensverluste eher "Grauer Bericht" heißen. Er verlangte vom Minister, die Interessen der österreichischen Bauern bei der GAP-Reform einzubringen, und schlug die Einrichtung einer gentechnikfreien Zone Österreich sowie ein Verbot für den Import von Gentechnik-Futtermitteln vor.

Abgeordnete Christiane Brunner (G) macht darauf aufmerksam, dass Österreich seine Biodiversitätsziele nicht erreicht habe und problematisierte die Produktion von Agrosprit mit den Hinweis auf Umweltprobleme.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich erinnerte daran, dass das EU-Agrarprogramm für 2010 wegen der Verzögerungen bei der Konstituierung der EU Kommission verspätet vorgelegt wurde. Was das Thema "Gentechnik" betrifft, führte der Minister aus, dass die EU im Gegensatz zu Österreich auf Gentechnik setze. Österreich sei aber gentechnikfrei im Anbau und er, Berlakovich, habe erreicht, dass das Anbauverbot von der EU nicht mehr gekippt werde. Bei der Selbstbestimmung der EU-Länder, Gentechnik in der Landwirtschaft zu verwenden oder nicht, für das die EU-Umweltminister eintreten, sei nun die Kommission am Zug.

Mit dem AMA Gütesiegel verfüge Österreich über ein staatliches Gütesiegel im Lebensmittelbereich. Was die Implementierung neuer Gütesiegel betrifft, sei er nur zur Schaffung bereit, wenn dafür eine wissenschaftliche Basis vorliege, alles andere sei Populismus.

Auf dem Milchmarkt habe er im Vorjahr die mögliche Anhebung der Milchquote um ein 1 % aus Rücksicht auf den Milchpreis nicht weitergegeben; angesichts eines sich erholenden Milchpreises sei die Erhöhung der Quote jetzt sinnvoll.

Er bekenne sich zu Tierschutzstandards in der Landwirtschaft, sagte der Minister, gab aber zugleich Abgeordnetem Auer Recht, der meinte, man brauche Normen, die auch von kleinen Bauern eingehalten werden können.

Er werde die Interessen der österreichischen Bauern in die GAP-Reform einbringen, sagte der Landwirtschaftsminister und unterstrich dabei insbesondere die Interessen der Berglandwirtschaft.

Bei den Budgetverhandlungen werde er deutlich machen, dass die Bauern im Jahr 2009 ein Einkommensminus von 28 %, in manchen Sektoren sogar deutlich mehr erlitten haben; dies verdiene Rücksichtnahme bei der Erstellung des Budgets, sagte Berlakovich.

Für unseriös hielt es der Landwirtschaftsminister, einen Stopp des Artenverlustes mit dem Jahr 2010 zu verlangen. Es sei ihm gelungen, das größte Artenschutzprogramm in der Geschichte Österreichs zu starten und damit viel Bewusstsein zu schaffen. Die österreichische Artenschutzkampagne wurde außerdem als die beste in Europa ausgezeichnet.

Bei der Produktion von Agrosprit gelten Nachhaltigkeitskriterien, in den Bemühungen um ein ressourcenschonendes Europa komme der Landwirtschaft eine zentrale Position zu, betonte der Minister.

In der weiteren Diskussion kritisierte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) das AMA Gütesiegel, weil es auch für Lebensmittel verwendet werde, die mit importierten Gentechnikfuttermitteln hergestellt werden.

Abgeordneter Gerhard Deimek (F) problematisierte Auflagen für das Wassersparen in Österreich, das mit ausreichend Trinkwasser gesegnet sei. Dies schade der Qualität des Abwassers und nütze jenen Regionen in Europa nichts, die unter Wassermangel leiden.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) wandte sich gegen jede Entwertung des AMA Gütesiegels und hielt fest, dass in Österreich jeder Lebensmittelkonsument bekomme, was er wolle.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) wies die Aussage zurück, die Forderung des Gesundheitsministers, Schweinefleisch zu kennzeichnen, das mit Gentechnikfuttermitteln produziert wurde, wäre als Populismus zu bezeichnen.

Abgeordneter Harald Janach (F) schlug vor, den "Gütezeichen-Dschungel zu roden" und wollte wissen, ob Agrarförderung für Großbetriebe gekürzt werden sollen.

Der Bundesminister sprach sich bei der Weiterentwicklung der GAP für einen evolutionären Weg aus, auf dem neue Aufgaben im Bereich der Biodiversität und des Klimaschutzes berücksichtigt werden sollen. Kleine bäuerliche Betriebe werden bei der Verteilung der Förderungen schon jetzt bevorzugt; sie sollen auch künftig eine gute Ausgangslage haben.

Aus der Debatte über den Grünen Bericht 2009

Bundesminister Nikolaus Berlakovich betonte die Bedeutung des Grünen Berichts für die Transparenz im Agrarsektor und ging dann auf das zentrale Ereignis im Landwirtschaftsjahr 2009, den Verfall der Marktpreise nach dem Zusammenbruch der Rohstoffspekulationen, ein. Im Durchschnitt betrage das Einkommensminus 28 % - und bis zu 38 % bei den Marktfruchtbetrieben. Direktzahlungen für ökologische Leistungen im Interesse der Gesellschaft haben sich im Jahr 2009 als ein Überlebensmittel für die bäuerlichen Betriebe herausgestellt, hielt der Minister fest.

Unter den Maßnahmen des Ressorts für das Jahr 2011 unterstrich der Minister die Bemühungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, neue Perspektiven für kleinere Bauern sowie Maßnahmen für Klimaschutz und die Produktion erneuerbarer Energieträger.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) spendete – wie auch weitere Sprecher aller Fraktionen - Lob für die übersichtliche und informative Gestaltung des Grünen Berichts, Abgeordneter Jakob Auer (V) brachte überdies den Dank für die Mitarbeit der Betriebe an der Datenerhebung zum Ausdruck. Besorgt zeigte sich Gaßner über erhöhte Nitratwerte im Grundwasser und eine zu geringe Kontrolldichte bei der Trinkwasserqualität. Außerdem wollte Gaßner wissen, warum Almbauern im Ennstal mit Rückzahlungsforderungen bei Subventionen konfrontiert wurden.

Abgeordneter Harald Janach (F) verlangte eine Umstellung der Agrarförderungen von der Flächen- und Mengenförderung zur Arbeitsplatzförderung und die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten bei Agrarstrukturerhebungen.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) kritisierte hohe Steuerverpflichtungen bäuerlicher Direktvermarkter im Unterschied zu Großkonzernen wie Raiffeisen, verlangte eine bessere Absicherung kleiner Betriebe und machte darauf aufmerksam, dass die Bauern und Bäuerinnen am schlimmsten unter dem Pestizideinsatz in der Landwirtschaft leiden. Pirklhuber sah den Biobauern als Leitbild für die europäische Landwirtschaft der Zukunft und in einer gentechnikfreien Landwirtschaft eine Einkommens- und Wachstumschance für Europa.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) kritisierte das "Versagen der Agrarpolitik", die auf das beschleunigte Bauernsterben nicht reagiere und wandte sich einmal mehr gegen den Import von gentechnisch hergestellten Futtermitteln.

Abgeordneter Josef Muchitsch (S) forderte die Umschichtung von Agrarförderungen in Richtung Arbeitsplatzförderung und die Berücksichtigung der Arbeitsbelastung bei der Höhe der Subventionen.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) betonte die Bedeutung der Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete und wies darauf hin, dass Bergbauern bei der Umschichtung von Agrarförderungen verlieren würden. Produktionsförderungen seien wichtig, wenn man der Landwirtschaft die Zukunft sichern wolle, weil junge Menschen nur dann für eine Zukunft als Bauer oder Bäuerin zu gewinnen seien, wenn sie sinnvolle Arbeit leisten können. "Wertschöpfung setzt Wertschätzung voraus", sagte Schultes und warnte vor jeder Polemik gegen bäuerliche Arbeitsplätze.

Abgeordneter Harald Jannach (F) drängte angesichts von Einkommensverlusten in der Höhe von 30 % auf Sofortmaßnahmen zu Gunsten der Bauern. Außerdem erkundigte sich der Abgeordnete nach den Plänen für die Einheitswerte und nach der künftigen Finanzierung der bäuerlichen Sozialversicherung.

Der Fragenkatalog der Abgeordneten Christiane Brunner (G) zielte auf die Situation der Frau in der Landwirtschaft, ihre Vertretung in der Landwirtschaftskammer und auf Umweltprobleme, die sich negativ auf die Bienenbestände auswirkten. Brunner wies jede Polemik gegen Tierschutzstandards zurück, klagte über eine ungerechte Verteilung der Agrarförderungen und kritisierte die Übererfüllung der Vorschriften der Agrotreibstoffbeimischung in Österreich. Zudem drängte Brunner auf eine Ökostromgesetz-Novelle, um die Förderung erneuerbarer Energieträger wieder voran zu bringen.

Während Abgeordneter Michael Schickhofer (S) darauf hinwies, dass bäuerliche Einkommen naturgemäß stärkeren jährlichen Einkommensschwankungen unterliegen als andere Einkommen, riet Abgeordneter Franz Eßl (V) dazu, die bäuerlichen Einkommen langfristig zu beobachten, wobei er sich über Verluste besorgt zeigte. "Direktzahlungen sind keine Sozialleistungen", sagte Eßl, diese Zahlungen stellen ein Entgelt für Leistungen im Interesse der Gesellschaft dar.  

Abgeordneter Jakob Auer (V) beklagte seiner Meinung nach überschießende Regelungen insbesondere bei der Freilandhaltung von Kühen, die vor allem kleinbäuerliche Strukturen belasten, und forderte ebenso wie sein Fraktionskollege Abgeordneter Franz Hörl eine Deregulierung.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) wies auf den Stellenwert der Bildung in der Landwirtschaft hin, unterstrich die Bedeutung der Biomasse und plädierte für verstärkte Investitionsprogramme in den Bereichen Wärmedämmung und Erneuerung von Kesselanlagen.

Generalsekretär Reinhard Mang, der nach der durch die Nationalrats-Sondersitzung bedingten Unterbrechung den Landwirtschaftsminister vertrat, stellte zur Einkommensentwicklung fest, die Agrarpolitik könne nur teilweise auf die Preisentwicklung eingehen, die Volatilität der Märkte habe in den letzten Jahren jedenfalls sehr stark zugenommen. Deshalb beschäftige sich die Politik nun intensiv mit Instrumenten, die geeignet sind, diese Preisvolatilität zu reduzieren.

Den Strukturwandel wiederum, der von zahlreichen Abgeordneten beklagt wurde, könne die Politik nicht zu hundert Prozent verhindern, gab Mang weiters zu bedenken. Der Strukturwandel gehe in Österreich aber langsamer vor sich als in anderen EU-Staaten und in unseren Nachbarländern. Mang führte dies auf die konsequente Umsetzung des Grünen Paktes und der Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete sowie auf den Erfolg des Umweltprogramms zurück.

Der Generalsekretär hob schließlich auch die Bedeutung der agrarischen Ausgleichszahlung hervor und betonte, mit diesen Zahlungen werde zusätzliche Wertschöpfung in der Höhe von 1,3 Mrd. Euro erzielt. Ohne die Ausgleichszahlungen gebe es 70.000 Höfe weniger in Österreich, die Arbeitslosigkeit würde um 10.000 ansteigen. Betroffen wären davon 23.000 Arbeitsplätze im nichtagrarischen Bereich, rechnete Mang vor.  (Schluss)