Parlamentskorrespondenz Nr. 761 vom 12.10.2010

EU: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung wird verbessert

EU-Unterausschuss: Österreichisches Bankensystem berücksichtigen

Wien (PK) – Als eine Konsequenz der Finanzkrise will die EU nun auch die Einlagensicherung verbessern und die Entschädigung der AnlegerInnen neu regeln. Die entsprechenden Richtlinienentwürfe standen heute ebenfalls zur Debatte im EU-Unterausschuss und wurden von der Mehrheit der Abgeordneten grundsätzlich begrüßt. Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ wurde jedoch zum Thema Einlagensicherung ein Antrag auf Mitteilung an die Europäische Kommission angenommen, der die Berücksichtigung des österreichischen Bankensystems mit seinen Haftungsverbänden einfordert. 

Einlagen sollen bis 100.000 € gesichert werden

Ziel des Richtlinienvorschlags zur Verbesserung der Einlagensicherung ist die Stärkung des Vertrauens der AnlegerInnen in ein Sicherungssystem, das eine rasche Auszahlung der gesicherten Beträge garantiert. Im Sinne der Vereinfachung soll es ein vollharmonisiertes Deckungsniveau von 100.000 € geben.

Die Einlagensicherungen sollen nach Vorstellungen der EU-Kommission künftig innerhalb von 7 Tagen nach Eintreten des Sicherungsfalls von sich aus die Erstattung der gesicherten Auszahlung vornehmen. Um eine rasche Auszahlung zu ermöglichen, ist nach Auffassung der Kommission eine ex ante-Finanzierung notwendig, damit zum entsprechenden Zeitpunkt die finanziellen Mittel bereits zur Verfügung stehen. So soll innerhalb von 10 Jahren ein Fonds aufgebaut werden, dessen Zielgröße 1,5% der sicherungspflichtigen Einlagen ist. Dieser Fonds wird durch regelmäßige risikoorientierte Beiträge der Banken gespeist. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, den Banken, die einem institutsbezogenen Sicherungssystem angehören, eine reduzierte Beitragsleistung zu gewähren.

Die ex-ante Finanzierung soll durch ein ex post-Element ergänzt werden, d.h. die Mitglieder eines Sicherungssystems müssen einen bestimmten Sonderbeitrag (0,5% der sicherungspflichtigen Einlagen) leisten, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend sind.

Sind die finanziellen Mittel nach Leistung des ex post-Beitrages immer noch nicht genug, so soll der pan-europäische Solidaritätsmechanismus in Gange gesetzt werden, wonach andere Einlagensicherungssysteme einen limitierten Kredit zu gewähren haben (max. 0,5% der sicherungspflichtigen Einlagen), der nach 5 Jahren zurückzuzahlen ist.

Um im Sicherungsfall einer Zweigstelle einer EU-Bank die EinlegerInnen zu unterstützen, sieht die Kommission vor, dass künftig die Einlagensicherung des Gastlandes nicht nur Informationen für die EinlegerInnen bereit stellt, sondern auch die Auszahlung im Wege einer Vorfinanzierung übernimmt und im Gegenzug entsprechende Regressforderungen gegenüber der Einlagensicherung des Herkunftslandes hat.

Belastung der österreichischen Banken auf sinnvolles Maß beschränken

Staatssekretär Reinhold Lopatka erläuterte, es gehe um eine weitestgehende Harmonisierung, die vor allem durch das ex-ante-System eine große Umstellung für Österreich bedeutet. Man halte die Höhe des Sicherungsbetrags für richtig, meinte Lopatka, die angestrebte Auszahlungsfrist von sieben Tagen sei jedoch technisch nur schwer umsetzbar. Die Regierung sei bemüht, die Belastung für den Bankensektor auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren, bekräftigte er, vor allem sollte sich die Höhe der Sicherung danach richten, wie risikoreich die Geschäfte der jeweiligen Banken sind. Er gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die österreichischen Banken zur Sicherung einen Gesamtbeitrag von 3,7 bis 4,7 Mrd. € aufzubringen haben. Dazu komme Basel III, wodurch sich die zusätzliche Summe auf bis zu 24 Mrd. € erhöhen würde.

An diese Bedenken knüpfte Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) an. Er wies darauf hin, dass 80% der österreichischen SparerInnen ihr Geld bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen anlegen, die über Haftungsverbände verfügen. Es sei daher nicht verständlich, wenn österreichische Banken verpflichtet werden, einen Fonds zu dotieren, der sie mit jährlich ca. 300 Mio. € belastet. Ähnlich argumentierte Abgeordnete Karin Hakl (V), die von der Notwendigkeit einer tragfähigen Regelung für Österreich sprach. Die vorgesehenen Bestimmungen würden für die heimischen Banken enorme Kosten bedeuten, obwohl das bisherige System gut funktioniere. Sie frage sich, ob die Banken bei so vielen zusätzlichen Auflagen überhaupt in der Lage sein werden, vernünftige Eigenkapitalquoten aufzubauen. Hakl regte daher an, die geplante Bankensteuer auslaufen zu lassen, wenn die europäischen Maßnahmen greifen, denn sonst würden sich die Kredite verteuern, was negative Auswirkungen auf die Wirtschaft habe. 

Im Antrag auf Mitteilung an die Europäische Kommission fordern die Abgeordneten daher, die Richtlinie so zu gestalten, dass bewährte Einlagensicherungssysteme, wie sie die sektoriellen darstellen, rechtlich zulässig und wirtschaftlich möglich bleiben. Ein risiko-orientiertes Einlagensicherungssystem müsse dazu führen, dass Institute mit geringerem Risiko auch geringere Beiträge leisten und Einlagensicherungssysteme mit insgesamt geringerem Risiko einen geringeren Einlagensicherungsfonds aufbringen müssen. Sofern Institute durch Haftungsverbünde einen hohen Grad der Ausfallsicherung garantieren, sollte diesen eine Begünstigung auf anderen Stufen des nun vorgeschlagenen Finanzierungsmodells zukommen, heißt es in dem Antrag.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) nannte den Richtlinienentwurf als wichtigen Schritt zur Aufarbeitung der Krise. Spareinlagen dürften nicht verloren gehen, sagte sie, man müsse einen hohen Schutz gewähren, um einen "bank run" zu verhindern.

Während die Abgeordneten Kai Jan Krainer (S) und Werner Kogler (G) die Begrenzung der Einlagensicherung für sinnvoll erachteten, sprach sich Abgeordneter Robert Lugar (B) für eine weiterhin unbegrenzte Haftung für Spareinlagen aus. Die Sparbücher müssen unter allen Umständen sicher sein, sagte er, und eine Begrenzung der Einlagensicherung könne es erst dann geben, wenn Haftungsverbände auf alle Banken ausgeweitet werden, mehr Transparenz sichergestellt und die Sicherheit des Systems gewährleistet ist und die Frage der Spekulationsverluste angegangen wird. Auch Abgeordneter Alois Gradauer (F) forderte eine unbegrenzte Einlagensicherung. Krainer und Kogler argumentierten, dass hohe Zinsen auch ein hohes Risiko bedeuten, und den SparerInnen müsse zumutbar sein, eine gewisse Mindestabschätzung des Risikos vorzunehmen. Beide befürworteten europäische Regelungen und eine europäische Kontrolle, um das Wettrennen der Banken einzudämmen.

Hier hakte Abgeordneter Johannes Hübner (F) ein und verlieh seiner Ansicht Ausdruck, dass er die Zentralisierung wettbewerbsverhindernder Maßnahmen für nicht sinnvoll erachtet. Sein Klubkollege Alois Gradauer (F) trat dafür ein, die Einlagensicherung nach nationalem Recht zu regeln.

Gradauer lehnte den Richtlinienentwurf grundsätzlich ab, da dieser ihn fatal an die Griechenland-Hilfe erinnert. Er übte auch heftige Kritik an den Banken allgemein, da diese offensichtlich so weitermachen, als ob nichts gewesen wäre. Sollte sich nicht bald etwas Tiefgreifendes ändern, so werde es zu einer neuen Finanzkrise kommen, stellte er die Befürchtung in den Raum. Gradauer forderte daher eine eigene Konkursordnung für Banken, Qualitätskriterien für Finanzprodukte, die auf den Markt kommen dürfen, und eine Trennung der Banken in jene, die ein normales Geschäft verfolgen und in Investment-Banken, bei denen eindeutig das Risiko liegt. Außerdem kritisierte Gradauer, dass es noch immer Bankplätze ohne Aufsicht gibt und dass sich Banken gegenseitig an den Nationalbanken und an der EZB vorbei Geld leihen. Er verlangte auch, eine EU-eigene Rating-Agentur aufzubauen.

Vertrauen der AnlegerInnen in das Finanzsystem wiederherstellen

Im Interesse der Verbesserung des Anlegerschutzes plant die EU-Kommission, die geltende Richtlinie zu überarbeiten. Vor allem soll der EU-Regulierungsrahmen für Finanzdienstleistungen gestärkt und damit auch das Anlegervertrauen in das Finanzsystem wiederhergestellt werden. Darüber hinaus will man Lücken im Regulierungssystem schließen und die Richtlinie allgemein an geänderte Bedingungen anpassen. Geplant ist weiters, die Unterschiede zwischen dem Schutz der KundInnen für Wertpapierfirmen einerseits und dem Schutz von BankeinlegerInnen andererseits abzubauen.

Zur Erreichung all dieser Ziele schlägt die EU-Kommission vor, die

Entschädigungshöhe auf 50.000 € im gesamten EU-Raum zu harmonisieren. Zur Finanzierung des Entschädigungssystems soll es eine zwingende ex ante - Finanzierung ("Zielausstattung") der Entschädigungssysteme durch jährliche Beitragszahlungen geben, aber auch die Möglichkeit eröffnet werden, zusätzliche Beiträge einzuheben, falls die Zielausstattung zur Regelung von Entschädigungsansprüchen nicht ausreicht. Eine Kreditaufnahme bei anderen Entschädigungssystemen (auch grenzüberschreitend im EU-Raum) ist ebenfalls angedacht.

Der Richtlinienentwurf sieht die Pflicht zur Auszahlung einer "provisorischen Teilentschädigung" vor, falls die (gesamte) vorläufige Forderung der AnlegerInnen nicht innerhalb einer bestimmten Frist ausbezahlt wird. Außerdem soll es neben anderen Maßnahmen auch eine Ausweitung der Informationspflichten gegenüber den KundInnen für Wertpapierfirmen und Investmentfonds geben. (Fortsetzung EU-Unterausschuss)