Parlamentskorrespondenz Nr. 762 vom 12.10.2010

EU-Unterausschuss: Neuregelung der Finanzbranche ist noch ungenügend

EU will Leerverkäufe und Derivatehandel strenger regeln

Wien (PK) – Im letzten Teil des heutigen EU-Unterausschusses ging es um Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte. Der Diskussion lag zunächst die geplante Richtlinie hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung der Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats zugrunde. Darüber hinaus beschäftigten sich die Abgeordneten mit dem Vorschlag zu einer EU-Verordnung über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps sowie mit dem Verordnungsentwurf betreffend OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister. Alle Vorschläge wurden von österreichischer Seite grundsätzlich unterstützt, wenngleich die Abgeordneten ein entschiedeneres Vorgehen bei der Regelung der Finanzmärkte einforderten.

In einem S-V-Antrag auf Mitteilung an die Europäische Kommission zu den beiden Verordnungsentwürfen, der mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ mehrheitlich angenommen wurde, verlangen die Abgeordneten, mit mehr Entschiedenheit an die Neuregulierung der Finanzbranche heranzugehen. Die Vorschläge der Kommission halten sie für zu zaghaft, zumal Derivatgeschäfte unkalkulierbare Risiken enthalten. Deshalb sollte auf eine stärkere Regulierung des Derivatehandels hingewirkt werden und in diesem Sinne sei auch bei der kommenden Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften darauf zu achten, dass durch strenge Anforderungen die Attraktivität von risikoreichen Derivatgeschäften reduziert wird. Die Abgeordneten verlangen auch ausreichende Handhaben für die Aufsichtsbehörden, um entsprechend gegen Verstöße vorgehen zu können. Der derzeitige Vorschlag schränke demgegenüber die Möglichkeiten der Aufsichtsbehörden in unnötiger Weise ein, stellen sie fest.

Die Vorhaben der Kommission

Auf EU-Ebene wurde 2002 eine zusätzliche Gruppenbeaufsichtigung in Bezug auf Finanzkonglomerate eingeführt (Financial Conglomerates Directive – FICOD), die die Bankenrichtlinie und die Versicherungsgruppenrichtlinie ersetzt. In Österreich wurde die Richtlinie mit dem Finanzkonglomerategesetz umgesetzt. Nun sollen mittels des gegenständlichen Vorschlags zur Änderung der Richtlinie dringende technische Fragen geregelt werden, in einem zweiten Schritt ist laut Information des Finanzministeriums vorgesehen, Ende 2010 Fragen bezüglich der Eigenkapitalermittlung zu klären.

Die technischen Anpassungen betreffen einerseits die Anwendbarkeit der branchenspezifischen Bestimmungen der Banken- und Versicherungsrichtlinien in Bezug auf die Beaufsichtigung auf Ebene der "Gemischten Finanzholdinggesellschaften", andererseits will man Vermögensverwaltungsgesellschaften in die zusätzliche Beaufsichtigung einbeziehen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Was Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps betrifft, so gibt es derzeit auf EU-Ebene keine Regelung. Das österreichische Börsegesetz sieht jedoch vor, dass die FMA Beschränkungen für Leerverkäufe für einen bestimmten Zeitraum durch Verordnung anordnen kann.

Die EU plant nun, Melde- und Transparenzpflichten für Short-selling Transaktionen auf "trading venues", also geregelte Märkte und Multi-Trading-Facilities, einzuführen. "Ungedeckte oder nackte" Leerverkäufe sollen insofern zurückgedrängt werden, als in Hinkunft VerkäuferInnen zumindest einen gewissen Anspruch auf die zu Grunde liegenden Papiere nachweisen müssen.

Auf Grund der Finanzmarktkrise, insbesondere aber auch der Schwierigkeiten mit den griechischen Staatsanleihen, wird weiters vorgeschlagen, Spekulationen mit Hilfe von Credit Default Swaps auf Staats- und Unionsanleihen durch Maßnahmen der Aufsichtsbehörden einzudämmen. Solche Maßnahmen sind mit einer 3-Monats-Frist limitiert. Darüber hinaus sieht der Verordnungsentwurf eine Koordinationsfunktion für getroffene Maßnahmen und eigenständige Aufsichtskompetenzen für ESMA, die europäische Wertpapieraufsicht, vor.

Auch im Hinblick auf OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister fehlen bislang verbindliche Regelungen innerhalb der EU. Die Kommission hält es daher für erforderlich, diese Lücke auf dem Gebiet der Wertpapierentwicklung zu füllen.

Inhaltlich geht es in ihrem Vorschlag um eine weitgehende Verlagerung des standardisierten OTC-Derivatehandels auf geregelte Märkte, um erhöhte Transparenz- und Meldepflichten für weiterhin over-the-counter gehandelte Derivate sowie um organisatorische Regelungen für Zentrale Gegenparteien (Central Counterparties). Es sollen auch Transaktionsregister (so genannte "trade-repositories") zur Datenspeicherung vorgenommener Derivatetransaktionen eingerichtet werden. Außerdem behandelt die Verordnung das Verhältnis des europäischen Derivatehandels zum außereuropäischen, insbesondere dem US-amerikanischen.

Wenn Österreich auch diesem Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüber steht, so ist aus heimischer Sicht vor allem die Frage der Ausnahme für nichtfinanzielle Gegenparteien noch ausführlich zu diskutieren, da hier finanzielle Auswirkungen, insbesondere auf den österreichischen Energiesektor, zu erwarten sind, der Derivate im Hedgingbereich einsetzt. Man hält es auch für erforderlich zu hinterfragen, inwieweit die vorgesehenen Organisationsvorschriften für zentrale Gegenparteien aus österreichischer Sicht allenfalls als überzogen anzusehen sind, da 5 Mio. € Eigenkapital für eine relativ kleine zentrale Gegenpartei wie die österreichische eine massive Systemumstellung darstellen würde. Zu klären ist laut Finanzministerium weiters die Zusammensetzung des geplanten Risikokomitees sowie die Frage der jederzeitigen Separierbarkeit von Konten im Rahmen der Wertpapierabwicklung.

Diskussion um Leerverkäufe und Derivatehandel

Staatssekretär Reinhold Lopatka befürwortete eine stärkere Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte und hielt vor allem den Weg der Verordnung für richtig, um Alleingänge einzelner Staaten zu verhindern. Verordnungen der EU gelten in den Mitgliedstaaten direkt und bedürfen keiner Umsetzung mehr.

Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) hielt die Zielrichtung der vorliegenden Initiativen für richtig, er sprach sich aber für das Verbot des Handels von gefährlichen Derivaten aus und hinterfragte auch kritisch die Ausnahmen bei Leerverkäufen. Abgeordneter Peter Michael Ikrath (V) begrüßte die Vorschläge der Kommission als eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass Leerverkäufe massiv einen Trend bis hin zur Destabilisierung darstellen können.

Diese Auffassung wurde auch von Abgeordnetem Werner Kogler (G) geteilt, wobei sich dieser nicht sehr zuversichtlich zeigte, dass die Maßnahmen auch greifen. Kogler würde eine Finanztransaktionssteuer vorziehen, weil diese einen Lenkungseffekt hätte. Grundsätzlich meinte er, die MarktteilnehmerInnen müssten verstehen können, was sie kaufen, weshalb die Frage der Transparenz eine immanent wichtige sei. Derivate wären weniger gefährlich, wenn sie besser nachvollziehbar wären.

Skeptisch äußerte sich Abgeordneter Robert Lugar (B), da mehr als 90% der Transaktionen über Derivate gehen und es illusorisch sei, zwischen guten und bösen Derivaten zu unterscheiden. Lugar sprach in diesem Zusammenhang von Scheingefechten und auch Abgeordneter Alois Gradauer (F) hielt die geplanten Schritte für Scheinaktionen. Er befürchtete Blockaden durch Großbritannien und verlangte dezidiert das Verbot von Leerverkäufen. (Schluss EU-Unterausschuss)