Parlamentskorrespondenz Nr. 796 vom 20.10.2010

Kinderschutz wird weltweit besser koordiniert-Justizthemen im Plenum

Hohe Kopierkosten bei Gericht - Abgeordnete verlangen mehr EDV

Wien (PK) – Vom Justizausschuss lag den Abgeordneten das Haager Übereinkommen über die internationale Zusammenarbeit beim Schutz der Kinder sowie ein Entschließungsantrag des BZÖ für strengere Strafen bei Sexualdelikten vor. Das Übereinkommen wurde einstimmig genehmigt, der BZÖ-Antrag blieb in der Minderheit. Eine Entschließung gegen Cyber-Grooming (Anbahnung sexueller Kontakte zu Minderjährigen über das Internet) fand die Zustimmung aller Abgeordneten. Abgelehnt wurde das Verlangen der FPÖ auf eine Körperschutzausstattung für Justizwachebeamte sow ie des BZÖ auf Senkung der Kosten beim Kopieren von Gerichtsakten . Einstimmig forderten die Abgeordneten die Justizministern aber in Form einer Entschließung dazu auf, ihre Bemühungen zur Digitalisierung von Akten zu intensivieren, damit die Akteneinsicht ressourcenschonend und kostengünstig abgewickelt werden kann.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) wies zunächst die Angriffe von Abgeordnetem Steinhauser (G) auf die Justizministerin in der vorangegangenen Debatte als aggressiv und unverständlich zurück. Es sei unsachlich, die berufliche Tätigkeit mit der Ministertätigkeit zu vermengen, sagte Donnerbauer. Die Ministerin habe bisher eine erfolgreiche Arbeit geleistet und außerdem sei das BAWAG-Urteil zum Großteil bestätigt worden.

Was nun das Übereinkommen zum Schutz von Minderjährigen betrifft, so sei dies ein wichtiger Schritt, da dadurch klargestellt werde, dass jenes Recht anzuwenden ist, wo sich das Kind gewöhnlich aufhält. Dies gelte auch im Falle einer widerrechtlichen Verbringung von Minderjährigen.

Den Antrag des BZÖ lehnte Donnerbauer ab, indem er auf die zwei Gewaltschutzpakete verwies. Dadurch seien bereits der Strafrahmen erhöht und die Verjährungsfristen ausgedehnt worden, außerdem gebe es nun eine Sexualstraftäterdatei und ein Berufsverbot. Der nächste Schritt müsse im Kampf gegen das Cyber-Grooming gesetzt werden.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) bezeichnete das Übereinkommen als einen wichtigen Fortschritt im Bereich der Kinderschutzrechte und einen Paradigmenwechsel. Damit sei sichergestellt, dass für in Österreich lebende Kinder österreichisches Recht anzuwenden ist. Sie bedauerte jedoch, dass nur wenige Staaten außerhalb der EU dem Übereinkommen beigetreten sind.

Auch Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) begrüßte das Übereinkommen als eine wesentliche Verbesserung. Ein Wehrmutstropfen für ihn bleibt aber, dass Österreich nunmehr gezwungen ist, andere Rechtssysteme anzuerkennen, auch wenn einige Vorbehalte angemeldet wurden.

Den Antrag des BZÖ wollte er nicht unterstützen, da dieser seiner Meinung nach durch die Forderung nach Abschaffung der Verjährungsfristen den Rechtsstaat auf den Kopf stellt. Hübner zufolge müsse man auch die unschuldig Beschuldigten schützen, und es seien vor allem diejenigen Fälle sensibel, die lange zurückliegen und wo es außer einem psychologischen Gutachten kein anderes Beweismittel mehr gibt. Hübner war auch gegen die Abschaffung der bedingten Entlassung.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) reagierte auf Abgeordneten Donnerbauer mit der Bemerkung, Kritik sei Bestandteil der demokratischen Kultur, solange sie nicht persönlich verletzend ist.

Auch er befürwortete das Übereinkommen zum Schutz der Kinder. Negativ äußerte er sich zum Antrag des BZÖ. Er erinnerte ebenfalls an das zweite Gewaltschutzpaket und meinte, gerade Sexualstraftäter ließen sich nicht von einem besonders hohen Strafrahmen abhalten. Das wirkliche Problem stellten die 90 Prozent unentdeckter Fälle dar, weshalb man bei der Prävention ansetzen müsse. Steinhauser stimmte mit jenen überein, die das Vorgehen gegen Cyber-Grooming für unabdingbar halten, weil man dabei eine Chance habe, mit Tätern in Kontakt zu treten, die noch nicht straffällig geworden sind.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) verteidigte die Forderung nach Verdoppelung des Strafrahmens für Sexualstraftäter mit dem Hinweis auf die geplante EU-Richtlinie, die höhere Strafrahmen für derartige Delikte vorsieht. Sollte diese umgesetzt werden, werde Österreich seine Strafrahmen erhöhen müssen, erklärte er.

Westenthaler kritisierte in weiterer Folge die Aussagen von Abgeordnetem Hübner, der sich seiner Meinung nach mehr um die Täter sorge als um die Opfer. Der BZÖ-Abgeordnete thematisierte auch die psychologischen Gutachten, die seines Erachtens oft nur mangelhaft sind und aufgrund derer Verurteilte aus dem Maßnahmenvollzug entlassen werden. Viele würden wieder straffällig. Seiner Meinung nach sollte es bei Sexualstraftätern keine vorzeitig bedingte Haftentlassung geben, da die Erfahrungen gezeigt hätten, dass von den 309 vorzeitig Entlassenen 29 rückfällig geworden sind. "Wir haben eine Gesetzgebung, die eine latente Pardonierung von Sexualstraftaten darstellt", bemerkte Westenthaler. Er trat daher dafür ein, sexuellen Missbrauch von Unmündigen grundsätzlich als Schwerverbrechen einzustufen. Auch hielt er die Höchststrafe von zehn Jahren bei Quälen von Unmündigen bis zum Tod für viel zu niedrig angesetzt. Der Mord an Kinderseelen müsse mit einem physischen Mord gleichgesetzt werden, verlangte er abschließend.

Abgeordneter Franz GLASER (V) merkte an, Österreich sei in Bezug auf den Kinderschutz gut aufgestellt. Auch wenn er Verständnis für die Anliegen des BZÖ zeigte, vertrat er die Auffassung, dass man sich mehr um die Dunkelziffer kümmern müsse. Er teilte damit die Auffassung von Abgeordnetem Steinhauser. Glaser begrüßte das Übereinkommen und hielt grundsätzlich fest, der Kinderschutz müsse ständig weiterentwickelt werden.

Abgeordnete Gabriele BINDER-MAIER (S) betonte, Missbrauch müsse mit allen Mitteln an der Wurzel bekämpft werden. Auch sie erinnerte an die zwei Gewaltschutzpakete und meinte, die geplante EU-Richtlinie werde auch Änderungen im StGB nach sich ziehen. Wie einige VorrednerInnen auch vertrat sie die Auffassung, dass man nun bei der Prävention und bei der verdeckten Kontaktaufnahme ansetzen müsse. Eine generelle Anzeigepflicht für Opfer hielt sie für problematisch, da man abwägen müsse, was den Betroffenen zumutbar ist. Der systemübergreifenden Zusammenarbeit maß Binder-Maier besondere Bedeutung bei und forderte eine ausreichende Finanzierung der Institutionen, die in diesem Bereich arbeiten.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) zeigte sich ebenfalls überrascht über die Wortmeldung von Abgeordnetem Hübner, da wesentliche Teile des BZÖ-Antrags alte FPÖ-Forderungen darstellen. Er verstand auch die Kritik von Abgeordnetem Steinhauser nicht, da seiner Meinung nach höhere Strafen eine generalpräventive Wirkung haben. Die Ablehnung der generellen Anzeigepflicht hielt er für einen Widerspruch zur geäußerten Sorge um die 90 Prozent nicht entdeckter Sexualstraftaten. Stadler forderte schließlich eine sofortige Bestrafung des Cyber-Grooming.

In seiner Wortmeldung ging der BZÖ-Abgeordnete auch auf den Brief des ehemaligen Präsidenten des OGH an alle Klubobleute ein, in dem dieser schwere Vorwürfe gegen die Sonderkommission der Staatsanwaltschaft Wien im Fall Kampusch erhebt. Diese habe demnach alles verschlampt, und die Angriffe auf den ehemaligen VfGH-Präsidenten Adamovich seien von Mitgliedern der Staatsanwaltschaft gekommen, die eindeutig parteipolitisch zuzuordnen sind. Die Richterin im Verfahren gegen Adamovich sei zudem eine Tochter eines der Staatsanwälte. Stadler bezeichnete die Vorgänge als einen ungeheuerlichen Skandal, und wie die Ministerin damit umgehe, werde zeigen, wie sehr sie ihr Ministerium im Griff hat, sagte Stadler. Die Vorgänge bewiesen auch, dass es ein schwerer Fehler gewesen sei, die Staatsanwaltschaft voll aus der Kontrolle der UntersuchungsrichterInnen herauszunehmen.

In seine Kritik an der Entwicklung in der Justiz schloss Abgeordneter Stadler auch das Parlament insofern ein, als seinen Aussagen zufolge das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung im Hohen Haus über ein Büro verfügt, von wo aus Ermittlungen gegen Abgeordnete geführt werden. Es stelle sich nicht die Frage, zu welchen Räumen die Beamten Zugang haben, sondern eher, zu welchen sie keinen Zugang haben, sagte Stadler abschließend.

Der vorsitzführende Zweite Präsident des Nationalrats Fritz NUGEBAUER reagierte auf den zuletzt erhobenen Vorwurf Stadlers und stellte fest, dass dieser Sachverhalt aufgeklärt werden müsse. Die Vorwürfe sollten auch Thema der morgigen Präsidiale sein, sagte Neugebauer.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) argumentierte, man wolle gesetzliche Schritte gegen Cyber-Grooming deshalb nicht gleich beschließen, weil diese Bestimmungen EU-konform sein sollen und man daher die EU-Richtlinie abwarten wolle. Kinder nützten heute vielfältig das Internet und setzten sich so großen Gefahren aus. Anna Franz begrüßte das Übereinkommen und bekräftigte den gesetzlichen Anspruch der Kinder auf umfassenden Schutz. Auch sie äußerte Skepsis gegenüber dem BZÖ-Antrag, insbesondere gegen die darin geforderte Aufhebung der Verjährungsfristen, und erinnerte an die zwei Gewaltschutzpakete.

Abgeordneter Johann MAIER (S) erklärte, seine Fraktion unterstütze die geplante Vorgangsweise zur Überprüfung der Vorwürfe, die vom Abgeordneten Stadler in Richtung des Innenministeriums erhoben wurden. Hinsichtlich der Strafrechtsreform begrüßte der Redner den in Aussicht gestellten Evaluierungsbericht. Weiter setzte sich der Redner mit dem Problem Kinderpornographie im Netz auseinander.

Abgeordneter Jochen PACK (V) ging auf das Thema Cyber-Grooming ein, das eine erhebliche Gefahr vor allem für junge Internetnutzer darstelle. Dagegen müsse unbedingt etwas getan werden, und er sei überzeugt, dass die nötigen Entscheidungen in Bälde getroffen würden.

Bei der Abstimmung wurde der Bericht des Justizausschusses einstimmig zur Kenntnis genommen.

Keine Schutzwesten für Justizbeamte

Abgeordneter Christian LAUSCH (F) zeigte Unverständnis über die Ablehnung seines Antrages durch die Regierungsparteien. Die Einsatzausrüstung der betroffenen Justizwachebeamten sei gegenwärtig mangelhaft, und dieser Missstand müsse behoben werden. Die Beamten bräuchten nämlich keine Danksagungen, sondern konkrete Unterstützung.

Abgeordneter Franz GLASER (V) meinte, der Antrag seines Vorredners sei von seiner Intention her durchaus verständlich, man sei auch gerne bereit, den Beamten für ihre Arbeit Dank und Anerkennung auszusprechen. Man habe versucht, für die erforderliche Zahl an Personal zu sorgen, und auch flankierende Maßnahmen seien gesetzt worden, sodass für eine spürbare Entlastung der Beamten gesorgt werde.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) sagte hingegen, der Antrag sei hundertprozentig zu unterstützen. Diese Schutzwesten seien unabdingbar, wolle man die Kollegen der Justizwache wirklich ausreichend schützen. Es könne nicht sein, dass die Beamten selbst für ihren Schutz sorgen müssten, hier habe der Arbeitgeber, also der Staat, seine Aufgabe wahrzunehmen, schöne Worte allein reichten nicht.

Abgeordneter Otto PENDL (S) vertrat die Ansicht, die Rede seines Vorredners wäre vor einigen Jahren passend gewesen, in den letzten Jahren habe es jedoch grundlegende Verbesserungen gegeben, die auch entsprechend fortgeschrieben werden müssten.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) erklärte, die angespannte Situation im Strafvollzug werde nicht durch die Anschaffung von Schutzwesten allein zu beheben sein. Hier brauche es weitreichendere Maßnahmen, denn es herrsche auf diesem Gebiet eine Mangelwirtschaft, der man mit einem entsprechenden Konzept Herr werden müsse.

Abgeordneter Hannes FAZEKAS (S) unterstrich die Bedeutung des Schutzes der Exekutivbeamten. In diese Richtung sei schon einiges geschehen, weitere Schritte müssten gleichwohl folgen.

In einer zweiten Wortmeldung erläuterte Abgeordneter Christian LAUSCH (F) nochmals die Intentionen seines Antrags.

Der negative Bericht des Justizausschusses wurde mehrheitlich zur Kenntnis genommen, der Antrag ist damit abgelehnt.

Abgeordnete wegen hoher Kopierkosten bei Gericht für Ausbau der EDV  

 

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) stand seitens seiner Fraktion zur derzeit geübten Praxis, räumte aber ein, dass die Kosten mitunter zu groß sein könnten. Diesem Umstand habe man mit einem eigenen Entschließungsantrag Rechnung getragen, um für beide Seiten eine zufriedenstellende Lösung anzubieten.

Abgeordneter Gerhard KÖFER (S) nannte den eben erwähnten Antrag einen Schritt in die richtige Richtung. Man habe damit eine gewisse Kundenfreundlichkeit erzielt und komme auch sozial Schwächeren entgegen, weshalb die angestrebte Lösung zu begrüßen sei.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) sagte, die Initiative sei richtig, eine Verminderung dieser Kosten anzustreben. Der in Rede stehende Entschließungsantrag sei hingegen eigenartig, da die darin geforderten Schritte ja bereits umgesetzt würden. Da aber der Inhalt des Antrags im Prinzip sinnvoll sei, werde man ihm dennoch zustimmen.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) regte an, die geltende Kopiergebühr zu reduzieren, denn in dieser Höhe könne man nur von einer Ausplünderung der Rechtssuchenden sprechen, die besonders auf Kosten der sozial Schwächeren gehe. Diesem Missstand müsse Abhilfe geschaffen werden.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) vertrat die Ansicht, es wäre am klügsten, vernünftige Beträge für das Kopieren festzusetzen. Nirgendwo würde 1 Euro pro Blatt für eine Kopie eingehoben, und eine solche Summe sei nicht einzusehen. Der Staat müsse einen vernünftigen Umgang mit den Rechtsunterworfenen pflegen, solche Tarife zählten fraglos nicht zu einem solchen Umgang.

Bundesministerin Claudia BANDION-ORTNER beleuchtete die Thematik aus der Sicht ihres Hauses und verwies dabei vor allem auf die elektronische Form des Aktes, die in Bälde Kopien überflüssig machen werde.

Die dem Bericht des Justizausschusses beigedruckte Entschließung mit der Aufforderung an die Ressortleiterin, den Einsatz der EDV in der Justiz voranzutreiben, wurde einstimmig verabschiedet. (Schluss/Forts. NR)