Parlamentskorrespondenz Nr. 803 vom 21.10.2010

Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Form der Behinderung

Abgeordnete fordern bessere Information über Versicherungsprodukte

Wien (PK) – Die Sozialdebatte im Nationalrat wurde mit einer Diskussion um die Verbesserung der Situation behinderter Menschen fortgesetzt. Dabei ging es um Anträge der FPÖ, die sich für eine Schulung in Gebärdensprache für Eltern gehörloser Kinder und für eine audiopädagogische Förderung für hörbehinderte Kinder aussprechen. Beide Anträge fanden nicht die erforderliche Mehrheit. Hingegen sprachen sich die Abgeordneten einhellig für die Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Art der Behinderung aus, eine Initiative der Grünen.  

Fünf-Parteienantrag zur Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Behinderung

Abgeordneter Norbert HOFER (F) zeigte sich darüber erfreut, dass Taubblindheit nun als eigenständige Form der Behinderung anerkannt werden soll. Dass man die beiden Anträge seiner Fraktion, die darauf abzielen, behinderten Kindern und ihren Angehörigen Förderung zukommen zu lassen, im Ausschuss abgelehnt hat, illustriere jedoch, wie der Sozialstaat im Zuge der Budgetverhandlungen unter Druck gerät. Hofer sprach sich überdies gegen finanzielle Einschnitte beim Pflegegeld aus. Solche Maßnahmen träfen unter anderem auch die Pflegenden und damit vor allem Frauen, stellte der Redner fest. Vor diesem Hintergrund brachte Hofer einen Entschließungsantrag unter dem Motto "Hände weg vom Pflegegeld!" ein.

Auch S-Abgeordneter Erwin SPINDELBERGER freute sich, dass ein 5-Parteien-Antrag zur Anerkennung von Taubblindheit zustande gekommen ist. Gemeinsam an wesentliche Problemstellungen heranzugehen, sei ein guter Weg, den es auch in Hinblick auf andere Materien einzuschlagen gelte, meinte er.

G-Mandatar Karl ÖLLINGER schloss an die Wortmeldung von F-Abgeordnetem Norbert Hofer an und stellte fest, auch die Grüne Fraktion werde gegen Einschnitte beim Pflegegeld protestieren. Einsparungen im Bereich jener Pflegeleistungen vorzunehmen, die im familiennahen Bereich erbracht würden, könne, so Öllinger, auch nicht im Sinne der "Familienpartei" ÖVP sein. Es brauche im Gegenteil mehr finanzieller Mittel für den Pflegebereich, stand für den Redner fest. Der gemeinsame Antrag betreffend Anerkennung von Taubblindheit gebe Anlass zur Freude, man müsste aber auch die beiden F-Anträge genauer betrachten. Diese zielten nicht zuletzt darauf ab, Eltern zur Kommunikation mit ihren behinderten Kindern zu befähigen – ein Anliegen, das man nicht ablehnen dürfe, stand für Öllinger fest.

Abgeordnete Ridi Maria STEIBL (V) gab zu bedenken, wie beschwerlich es sein müsse, mit einer Behinderung zu leben. Es sei deshalb Aufgabe der Politik, diesen Menschen entgegenzukommen. Das habe man mit dem gemeinsamen Antrag betreffend Anerkennung von Taubblindheit auch getan, betonte Steibl, die beiden F-Anträge müsse man hingegen ablehnen, da sie Länderkompetenzen ansprechen. Die Rednerin hoffte, dass nach den Budgetverhandlungen der Weg erneut für gemeinsame Beschlüsse offen sein möge.

Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER griff die Mutmaßungen der Oppositionsparteien betreffend Pflegegeld auf und stellte klar, dass es auch möglich sei, dass Pflegestufen erhöht werden. Er skizzierte, dass derzeit rund 1,5 Mrd. € in den Familien der PflegegeldbezieherInnen blieben und 58 % dieser Menschen keine sonstigen Pflegedienste in Anspruch nähmen. Ob dieses System zukunftsträchtig sei, müsse im Rahmen von Diskussionen geklärt werden. Hundstorfer sprach sich in diesem Zusammenhang für die Einrichtung eines Pflegefonds aus. Was die beiden abgelehnten F-Anträge zur Förderung von Kindern mit Behinderung anbelange, so könne man sie durchaus unterstützen. Die zur Umsetzung erforderlichen Kompetenzen lägen jedoch bei den Ländern.

B-Mandatar Sigisbert DOLINSCHEK hielt die von F-Abgeordnetem Hofer eingebrachten Anträge für unterstützenswert. Eltern gehörloser Kinder sollten die Gebärdensprache perfekt lernen, um ihrem Nachwuchs unter anderem bei Erledigung der Hausaufgaben behilflich sein zu können, führte der Redner aus. Was in anderen Ländern bereits Realität ist, solle, so Dolinschek, auch in Österreich umgesetzt werden. Den 5-Parteien-Antrag betreffend Anerkennung von Taubblindheit begrüßte der Mandatar ausdrücklich.

Auch S-Abgeordneter Johann HELL bewertete die Zielrichtung der beiden F-Anträge als grundsätzlich positiv. Nach derzeit geltender Rechtslage lägen die hierfür erforderlichen Kompetenzen aber bei den Ländern, gab der Redner zu bedenken. Es gelte vor allem auch, den 10.000 gehörlosen Menschen in Österreich entgegenzukommen, resümierte Hell, der bei dieser Gelegenheit G-Abgeordneter Helene Jarmer Dank für ihren unermüdlichen Einsatz für die Förderung gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben aussprach.

Im Zuge einer zweiten Wortmeldung stellte Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) klar, dass eine Budgetlösung, die Einsparungen in Höhe von 70 Mio. € beim Pflegegeld vorsehe, von den Grünen nicht mitgetragen werde. Bundesminister Hundstorfer sei Recht zu geben, wenn er sich für eine Professionalisierung der Pflege ausspreche. Mittelfristig käme man aber nicht ohne Pflegeleistungen, die im familiennahen Bereich erbracht werden, aus.

S-Abgeordneter Oswald KLIKOVITS attestierte Österreich eine im Großen und Ganzen gut funktionierende Sozialpolitik. Das illustriere auch der heute zur Diskussion stehende 5-Parteien-Antrag betreffend Taubblindheit.

Die beiden Entschließungsanträge der FPÖ wurden mit S-V-Mehrheit abgelehnt.

Die dem Ausschussbericht zum G-Entschließungsantrag (Taubblindheit) angeschlossene 5-Parteien-Entschließung wurde mit Stimmeneinhelligkeit verabschiedet.

Der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend "Hände weg vom Pflegegeld" fand nur die Zustimmung der Oppositionsparteien und blieb damit in der Minderheit.

Information über Versicherungsprodukte – nur auf EU-Ebene?

Für Versicherungskunden soll es eine standardisierte  Produktinformation geben. Das sieht ein Antrag der Koalitionsparteien vor, der ebenfalls einstimmig angenommen wurde.

Abgeordneter Johann MAIER (S) informierte im Rahmen seiner Wortmeldung über die Vorteile, die die geforderte "Klipp-und-Klar-Information" für die KonsumentInnen von Finanz- und Versicherungsprodukten haben würde. Da die herkömmlichen AGB teils intransparent seien, gelte es, so Maier, auf europäischer Ebene für standardisierte, kurze und prägnante Zusatzinformationen einzutreten.

Dieser Auffassung schloss sich auch V-Mandatar Johann RÄDLER an. Was man heute für Finanz- und Versicherungsprodukte fordere, sei bei den Verbraucherkrediten bereits implementiert, stellte der Redner fest. Dass man auf diesem Gebiet tätig werden müsse, zeige auch eine Untersuchung der Arbeiterkammer, deren Ergebnisse darauf hinwiesen, dass Rechtsschutzversicherungsverträge häufig den Interessen der KonsumentInnen zuwiderliefen.

Auch F-Abgeordneter Gerhard DEIMEK kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zum Vorschlag an. Die Implementierung einer solchen Kurzinformation mache Sinn und sollte auch für Anlageprodukte angedacht werden.

Grundsätzlich positiv zum vorliegenden Antrag äußerte sich auch G-Abgeordnete Birgit SCHATZ. Sie wollte eine solche Informationspflicht aber auch auf nationalstaatlicher Ebene verankert wissen. Warum man eine innerstaatliche Verankerung unter Hinweis auf Wettbewerbsverzerrung ablehne, könne sie angesichts der Tatsache, dass Deutschland über eine solche nationalstaatliche Regelung verfüge, nicht verstehen. Sie brachte deshalb einen diesbezüglichen Abänderungsantrag ihrer Fraktion ein.

Abgeordneter Sigisbert DOLINSCHEK (B) schloss sich der Forderung seiner Vorrednerin an. Auch er hielt es für notwendig, solche Standards auf nationalstaatlicher Ebene zu implementieren. Der vorliegende S-V-Antrag sei begrüßenswert, man wisse aber nicht, ob man innerhalb der EU mit diesem Vorschlag erfolgreich sein werde.

Für S-Abgeordneten Erwin KAIPEL beinhaltet der vorliegende Antrag ein durchaus berechtigtes Anliegen: Eine seriöse und umfassende Information der KonsumentInnen sei in jedem Fall zu begrüßen.

Abgeordnete Gertrude AUBAUER (V) gab zu bedenken, dass die wenigsten Personen, die eine Haushaltsversicherung abgeschlossen haben, wüssten, gegen was sie genau versichert seien. Schließlich würde das Kleingedruckte nur selten gelesen. Folge sei, dass Menschen jahrelang Prämien einzahlten, die Versicherung sich im Schadensfall aber weigere, den Schaden zu bezahlen. Aubauer forderte daher klare und übersichtliche Informationen über Versicherungsprodukte.

Abgeordneter Harald JANNACH (F) erachtet es ebenfalls als höchst an der Zeit, auch den Versicherungen korrekte Produktinformationen vorzuschreiben. Man müsse "Trickser- und Täuscher-Methoden" ein Ende bereiten, bekräftigte er. Jannach kündigte in diesem Sinn die Zustimmung der FPÖ zur vorliegenden Entschließung an.

Abgeordneter Erwin PREINER (S) machte anhand eines konkreten Beispiels auf die Notwendigkeit klarer Produktinformationen im Versicherungsbereich aufmerksam. Er zitierte einen kaum verständlichen Text aus dem Kleingedruckten einer Lebensversicherung. Es müsse "ein Aus für Versicherungschinesisch" kommen, forderte Preiner.

Abgeordneter Michael PRASSL (V) hielt fest, es könne nicht sein, dass man Jurist sein müsse, um Versicherungsurkunden zu verstehen. In Deutschland habe sich im Hinblick auf verständlichere Produktinformationen bereits einiges getan, sagte er. Auch in Österreich sei es höchst an der Zeit, für mehr Transparenz und lesbare Versicherungsverträge zu sorgen.

Abgeordneter Erwin SPINDELBERGER (S) wies ebenfalls darauf hin, dass für viele Konsumentinnen und Konsumenten Versicherungsverträge nur schwer verständlich seien. Oft komme man erst im Schadensfall drauf, dass der Schaden durch die Polizze nicht gedeckt sei, skizzierte er.

Die dem Bericht des Konsumentenschutzausschusses angeschlossene Entschließung wurde vom Nationalrat einstimmig angenommen. Der Abänderungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit. (Fortsetzung Nationalrat)