Parlamentskorrespondenz Nr. 807 vom 22.10.2010

Ermittlungen im Fall Kampusch beschäftigen Nationalrat

F-Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgelehnt

Wien (PK) – Am Ende des Sitzungstags des Nationalrats standen die Umstände der Ermittlungen im Fall Kampusch im Zentrum der Diskussion. Die FPÖ vermutet, dass dabei gravierende Fehler begangen wurden, weshalb die F-Abgeordneten Werner Neubauer und Walter Rosenkranz am Beginn der Sitzung einen Antrag auf "Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung im Zusammenhang mit den staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren im Abgängigkeitsfall Natascha Kampusch" eingebracht hatten. Der Antrag wurde schließlich mehrheitlich abgelehnt.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) führte aus, der Sachverhalt sei klar: Im Jahr 2008 sei eine Evaluierungskommission eingerichtet worden, um die seinerzeitigen Ermittlungen im Fall Kampusch zu prüfen. Dieser Kommission habe unter anderem der ehemalige VfGH-Präsident Ludwig Adamovich, der Kriminalpsychologe Thomas Müller und der ehemalige OGH-Präsident Johann Rzeszut angehört. Rzeszut habe sich nun an die Klubobleute der fünf Nationalratsfraktionen gewandt und übe dabei scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft und der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Demnach seien unter anderem polizeiliche Ermittlungsergebnisse konsequent und beharrlich vernachlässigt, Ermittlungen verzögert und Berichte ignoriert worden. Außerdem habe man Druck auf Beamte ausgeübt und Beweisgrundlagen unter dem Tisch verschwinden lassen. Rosenkranz erachtet es für notwendig, den erhobenen Vorwürfen in Form eines Untersuchungsausschusses nachzugehen.

Abgeordneter Otto PENDL (S) sprach sich dem gegenüber dafür aus, das Thema "am Boden der Realität" zu diskutieren. Er sehe zur Stunde keine Notwendigkeit für einen Untersuchungsausschuss, bekräftigte er, man solle zunächst einmal die beauftragte Staatsanwaltschaft Innsbruck arbeiten lassen. Pendl gab außerdem zu bedenken, dass Untersuchungsausschüsse mehr politische Kampfbühne seien, als sie der Wahrheitsfindung dienten, wie sich ihm zufolge auch bei einem Besuch im Deutschen Bundestag herauskristallisiert habe. Grundsätzlich hob Pendl die Notwendigkeit hervor, die Strafprozessordnung zu novellieren.

Auch Abgeordneter Werner AMON (V) wandte sich gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, trat gleichzeitig aber dafür ein, die Vorwürfe sehr ernst zu nehmen. In diesem Sinn begrüßte er die in Auftrag gegebenen neuerlichen Untersuchungen durch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Was die StPO-Reform betrifft, meinte Amon, er sei schon sehr gespannt auf den Evaluierungsbericht des Justizministeriums.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) äußerte Zweifel am Selbstmord des seinerzeit im Fall Kampusch ermittelnden Beamten Franz Kröll und stellte den Verdacht des Mordes in den Raum. Auch die Einzeltätertheorie ist seiner Meinung nach zu hinterfragen. Der Vorwurf der "Politshow" gegenüber der Opposition geht Neubauer zufolge ins Leere.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) zeigte kein Verständnis für die zögerliche Haltung der Koalitionsparteien zur Frage eines Untersuchungsausschusses. Wer "nur einen Funken Verantwortung" habe, müsse nach Lesen des von Rzeszut vorgelegten Konvoluts für eine parlamentarische Prüfung des Sachverhalts eintreten, meinte er und wertete das Argument, dass die Sache ein Fall für die Justiz sei, als nicht nachvollziehbar.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) führte aus, seine Zuversicht, dass die Staatsanwaltschaft hinreichend Energie aufbringe, um den Fall ohne begleitende Kontrolle des Parlaments aufzuklären, sei "enden wollend". Wie Neubauer stellte auch er die Einzeltätertheorie in Frage. "Hier steckt mehr dahinter", ist Stadler überzeugt und forderte im Interesse aller Eltern eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts. Seiner Ansicht nach geht es nicht nur um den Fall Kampusch.

Der Antrag der FPÖ auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft im Fall Kampusch fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.

Eine weitere (82.) Sitzung des Nationalrats diente in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen und Zuweisungen.

(Schluss Nationalrat)