Parlamentskorrespondenz Nr. 810 vom 22.10.2010

Vorlagen: Justiz

Strafrechtliches Kompetenzpaket ist geschnürt

Mit dem nun vorliegenden strafrechtlichen Kompetenzpaket (918 d.B.) soll nicht nur kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll zugunsten des Staatshaushalts eingezogen werden können: Die damit verbundenen Gesetzesänderungen zielen auch darauf ab, die Transparenz der Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe zu erhöhen und Strukturen zur bundesweiten, spezialisierten und zentralisierten Bekämpfung von schwerer Wirtschaftskriminalität und Korruption zu schaffen. Außerdem wird mit dem Entwurf eine Regelung verankert, die ausreichend Anreize bietet, als Kronzeuge zu fungieren.

Als Zeitpunkt des Inkrafttretens wird der 1. Juni 2011 veranschlagt. Was den Bereich der Einziehung kriminell erwirtschafteten Vermögens betrifft, so sollen die zuständigen Strafverfolgungsbehörden aber bereits per 1. Jänner 2011 aus den verbesserten Instrumenten Nutzen ziehen können. Die Kronzeugenregelung wird zunächst auf eine Dauer von sechs Jahren befristet und vor der Entscheidung über die Übernahme in den endgültigen Rechtsbestand einer umfassenden Evaluierung unterzogen.

Kriminell erwirtschaftetes Vermögen wird leichter konfiszierbar

Laut geltender Rechtslage ist die Einziehung von Gegenständen, die entweder bei der Ausübung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet oder durch diese hervorgebracht wurden als vorbeugende Maßnahme vorzusehen. Hierzu muss die Beschaffenheit des Gegenstandes aber von solcher Gefährlichkeit sein, dass die Einziehung geboten erscheint, um der Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung entgegenzuwirken. Die diesbezüglichen Artikel im Strafgesetzbuch sollen – vor dem Hintergrund eines entsprechenden EU-Rahmenbeschlusses (2005/212/JI) – nunmehr dahingehend verändert werden, dass diese Güter dann der Konfiskation unterliegen, wenn sie zur Zeit der Entscheidung im Eigentum oder Miteigentum des Täters oder eines anderen an der Tat Beteiligten stehen. Wesentliche Voraussetzung ist, dass die Tat vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde. Von einer Konfiskation ist nur dann abzusehen, wenn sie zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis steht.

Der Entwurf sieht überdies eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Systems der vermögensrechtlichen Anordnungen vor: Alle Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, sind für verfallen zu erklären. Bislang galt es, eine "unrechtmäßige Bereicherung" abzuschöpfen, ihr Ausmaß nach dem "Nettoprinzip" festzustellen und die zugeflossenen Vermögenswerte um den vom Täter dafür angestellten Aufwand zu vermindern. Wesentlicher Punkt des Entwurfs ist überdies die Klarstellung, dass sich der Verfall auch auf Nutzungen (z. B. Zinsen) und Ersatzwerte (z. B. Verkaufserlös) der für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte erstreckt. Auch wird ein Wertersatzverfall für jene Fälle, in denen der Vermögenswert nicht aufgefunden wurde, ermöglicht. Dritte, die solche Vermögenswerte in Unkenntnis der mit Strafe bedrohten Handlung entgeltlich erworben haben, bleiben vom Verfall von Nutzungen und Ersatzwerten sowie vom Wertersatzverfall ausgeschlossen.

Unter dem Titel "erweiterter Verfall" sollen im Strafgesetzbuch außerdem jene besonderen Fälle zusammengefasst werden, in denen es keines ausdrücklichen Nachweises bedarf, aus welcher konkreten strafbaren Handlung die Vermögenswerte stammen. Hierunter fallen die schon bisher eingeräumte Möglichkeit des Verfalls von Vermögenswerten, die der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation oder einer terroristischen Vereinigung unterliegen oder als Mittel der Terrorismusfinanzierung bereitgestellt bzw. gesammelt wurden.

Die zusätzlichen Einnahmen, die mit einer effektiveren Einziehung kriminell erworbenen Vermögens einhergehen, sind laut Entwurf nicht seriös prognostizierbar. Man geht bislang davon aus, dass der mit der Neuregelung verbundene Mehraufwand im Ermittlungsbereich durch die höheren Einnahmen aufgewogen werde.

Mehr Transparenz der Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe

Die Öffentlichkeit über Straffälle bedeutender Art zu informieren, darf, so der Entwurf, nicht den Zufälligkeiten der politischen und medialen Entscheidung überlassen werden, sondern ist als Aufgabe der Staatsanwaltschaften gesetzlich zu verankern. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund rezenter Kritik an der Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe in öffentlich wirksamen Ermittlungsverfahren schien es geboten, mehr Transparenz in diesen Bereich zu bringen. Wo diese im Widerspruch zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten steht, habe sie aber auch weiterhin zurückzustehen.

Die im Entwurf vorgeschlagenen Bestimmungen zielen u. a. darauf ab, mehr verfahrensrechtliche Transparenz in besonders bedeutende staatsanwaltschaftliche Enderledigungen durch deren Veröffentlichung und Begründung zu bringen. Transparenz soll aber auch über Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten gewährleistet werden: Dieser erhält mit dem Entwurf die Ermächtigung, das Gericht mit einem Fortführungsantrag gegen die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zu befassen und damit eine unabhängige gerichtliche Kontrolle auszuüben. Opfer können - unter Einhaltung einer Frist von 14 Tagen – eine ausführliche Begründung für die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens verlangen.

Ausbau der Korruptionsstaatsanwaltschaft

Durch die Schaffung einer zentralen Staatsanwaltschaft mit Zuständigkeit für komplexe Großverfahren in den Bereichen Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (und die Einrichtung entsprechender Gerichtsabteilungen beim Landesgericht für Strafsachen in Wien) wird ein weiterer Schritt zur effizienten und kompetenten Verfolgung von ökonomisch motivierten Verbrechen gesetzt. Mit der Einbeziehung der bereits bestehenden Korruptionsstaatsanwaltschaft fördere man aber nicht nur Synergieeffekte, heißt es in den Erläuterungen: Man trete auch dem Problem der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Wirtschafts- und Korruptionsverfahren entgegen und vermeide damit Zuständigkeitskonflikte.

Was die Festlegung des Zuständigkeitsbereichs der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) betrifft, wurde eine Kombination aus gesetzlich festgelegter Zuständigkeit (Deliktskatalog) und der Möglichkeit, bestimmte Verfahren nach vorhersehbaren Kriterien an sich ziehen zu können, gewählt. In den Zuständigkeitskatalog fallen u. a. qualifizierte Fälle der vorsätzlich begangenen Delikte gegen fremdes Vermögen, in denen die Schadenssumme voraussichtlich 5 Mio. € überschreitet. Desweiteren wird die WKStA auch für alle Verfahren verantwortlich zeichnen, die bislang in den Zuständigkeitsbereich der Korruptionsstaatsanwaltschaft fielen.

Mit dem Aufbau einer schlagkräftigen WKStA wird laut Entwurf eine mittel- und langfristige Entlastung für die übrigen Staatsanwaltschaften und Gerichte einhergehen. Für die Bereitstellung der sieben ExpertInnen, die Fachkenntnis zur Bearbeitung besonders komplexer Ermittlungsverfahren bereitstellen, das innerhalb der Justiz nicht vorhanden ist, wurde finanziell bereits Vorsorge getroffen: Im Justizbudget sind 700.000 € für diesen Zweck gebunden.

Einführung einer Anreiz bietenden Kronzeugenregelung

Da die derzeit praktizierte "außerordentliche Strafmilderung" – ganz im Gegensatz zum im Wettbewerbs- und Kartellrecht angewandten Kronzeugenprogramm – nicht die gewünschten Wirkungen entfaltet hat, soll mit vorliegendem Entwurf dem Wunsch nach einer Gesamtlösung der Problemstellung entsprochen werden. Die nunmehr vorgestellte Kronzeugenregelung zeichne sich nicht nur durch einen Ressourcen schonenden Vollzug und ein hohes Maß an Berechenbarkeit, sondern auch durch einen hohen Grad an Transparenz aus, heißt es im Entwurf. Anzuwenden wird dieses Instrument ausschließlich im Bereich der Staatsanwaltschaft sein, wodurch zum Ausdruck komme, dass auf eine Erledigung nach dieser Bestimmung kein subjektives Recht bestehe.

Wer in die Stellung eines Kronzeugen kommen will, muss der Staatsanwaltschaft aus freien Stücken sein Wissen über Tatsachen offenbaren, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sind. Die Kenntnis dieser Tatsachen muss wiederum die Aufklärung einer Straftat entscheidend fördern, die in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht oder der WKStA fällt oder zur Ausforschung einer Person angetan sein, die in einer kriminellen Vereinigung oder einer kriminellen bzw. terroristischen Organisation führend tätig war, bzw. ist. Generell ausgeschlossen bleibt die Anwendung der Kronzeugenregelung, wenn die begangene Tat den Tod eines Menschen zur Folge hatte.

Liegen aber alle entsprechenden Voraussetzungen vor, soll die Staatsanwaltschaft ihren vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung erklären können, wobei sie dem Beschuldigten auch die Leistung eines Geldbetrags auftragen darf, der einer Geldstrafe von 240 Tagesätzen entspricht. Um sicherzustellen, dass nur jene in den Genuss der Kronzeugenregelungen gelangen, die auch tatsächlich Beweiskräftiges und Stichhaltiges aussagen, soll die Staatsanwaltschaft nach Erbringung der Leistungen nicht endgültig von der Verfolgung zurücktreten, sondern einen Vorbehalt der späteren Fortsetzung erklären können, heißt es im Entwurf. Die Frist zur möglichen Wiederaufnahme werde aber verkürzt, um den Kronzeugen ein erhöhtes Maß an Sicherheit zu gewähren. (Schluss)