Parlamentskorrespondenz Nr. 858 vom 04.11.2010

Verkehrsunternehmen unter der Lupe des Rechnungshofausschusses

ÖBB, Austro Control, Wiener Linien

Wien (PK) – In einer mehrstündigen Sitzung hat der Rechnungshofausschuss heute unter der Verhandlungsleitung seines Obmannes Werner Kogler Ereignisse bei verschiedenen Unternehmen im Verkehrssektor unter die Lupe genommen: verlustreiche Finanzgeschäfte bei den ÖBB (III-152 d.B.), eine um 23,92 Mio. € zu geringe Bemessung der Flugsicherungsgebühren bei der Austro Control im Jahr 2007 (III-38 d.B.) und Mängel im Projektmanagement der Wiener Linien bei der Verlängerung von U1 und U2 (III-96 d.B. ). Außerdem informierte Rechnungshofpräsident Josef Moser die Abgeordneten in einem Follow-up-Bericht, wie die ÖBB RH-Empfehlungen zum Dauerthema "externe Berater" umgesetzt haben (III-64 d.B. ). Von Seiten der Regierung war Verkehrsministerin Doris Bures im Ausschuss erschienen. Für Auskünfte standen den Abgeordneten der Generaldirektor der ÖBB-Holding Christian Kern,ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker und Austro Control-Chef Heinz Sommerbauer zur Verfügung. Die Berichte wurden jeweils einstimmig zur Kenntnis genommen.

Verlustreiche Finanzgeschäfte der ÖBB mit der Deutschen Bank 

Corporate Treasury – das ist der Name jener Organisationseinheit der ÖBB–Holding AG, die eigenmächtig und unter Verletzung bestehender Regelungen Derivatverträge (Hybrid–CDO2) abschloss, die im Jänner 2010 mit einem Verlust von 295 Mio. € für ÖBB–Gesellschaften aufgelöst wurden. Ende 2008 hatten die – buchmäßigen - Verluste sogar 578,16 Mio. € betragen. Der Rechnungshof hat dieses ÖBB-"Investment" auf Initiative der Grünen geprüft und wirft den verantwortlichen ÖBB-Vorständen vor, es verabsäumt zu haben, rechtzeitig aus dem Vertrag auszusteigen und so die Verluste zu mindern. Statt dessen wurde durch Absicherungsversuche weiterer Schaden von 1,88 Mio. € verursacht, liest man im Bericht des Rechnungshofs.

Angesichts der Verluste aus dem Hybrid–CDO2 und ungerechtfertigter Absicherungsvereinbarungen sollen die ÖBB-Aufsichtsräte nach Möglichkeit Schadenersatzansprüche gegen verantwortliche Vorstandsmitglieder geltend machen.

Hinsichtlich der Abfindung von Vorständen bei der Auflösung ihrer Verträge empfiehlt der RH, eine Organhaftung des Aufsichtsratspräsidiums der ÖBB–Holding zu prüfen. Kritik üben die Prüfer auch an Konsulentenverträgen für ehemalige Vorstandsmitglieder. Die Schuld von MitarbeiterInnen, die  beim Erwerb des Hybrid–CDO tätig waren, sollte dienstrechtlich bewertet werden.

Zudem berichtete der Rechnungshof den Abgeordneten über risikoreiche Cross Border Leasing–Verträge, die den ÖBB zunächst zwar einen Liquiditätsvorteil von 272,4 Mio. € brachten, aber Besicherungskosten und Bewertungsverluste von 56,81 Mio. € nach sich zogen und die ÖBB bei der wirtschaftlich sinnvollen Verfügung über ihre Anlagen (Veräußerung, Belastung) beschränkten.  

Der Rechnungshof empfiehlt den ÖBB, Finanzgeschäfte künftig nur in Verbindung mit Bahngeschäften und nur auf der Basis von internem Know–how abzuschließen. Der RH warnt nachdrücklich vor intransparenten Finanzprodukten und regt an, Spezialvollmachten für MitarbeiterInnen betraglich zu beschränken und nur nach Beurteilung eines Geschäfts sowie vorbehaltlich der Genehmigung durch die zuständigen Organe und unter Wahrung des Vier–Augen–Prinzips auszustellen.

Für bestehende Cross Border Leasing–Geschäfte legt der Rechnungshof den ÖBB die Entwicklung einer Exit-Strategie nahe. Zu prüfen sei, ob bei vorzeitiger Vertragsbeendigung günstigere als die vertraglich vereinbarten Ausstiegskonditionen ausverhandelt werden können. Bei der ÖBB-Holding sieht der Rechnungshof Bedarf an mindestens zwei MitarbeiterInnen, die über transaktionsspezifische Kenntnisse verfügen. Außerdem sollte ein funktionstüchtiges Vertragscontrolling gewährleistet und ein aussagekräftiges Berichtswesen zum Cross Border Leasing aufgebaut werden.

ÖBB-Verluste durch Spekulationen - fassungslose Abgeordnete

Die Abgeordneten gaben ihrer Empörung über die "verantwortungslosen Spekulationen" (Günther Kräuter, S), eine "unvorstellbare Kriminalgeschichte und Steuergeldvernichtung größten Ausmaßes" (Alois Gradauer, F) Ausdruck, fragten "fassungslos, wie das geschehen konnte" (Abgeordneter Konrad Steindl, V) oder sprachen von einem "Saustall ÖBB", der "systempermanent" Skandale produziere (Abgeordneter Gerald Grosz, B). "Warum haben die ÖBB nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen, um die Verluste zu minimieren", fragte schließlich Abgeordnete Gabriela Moser (G). Ganz im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage nach Konsequenzen für die verantwortlichen ÖBB-Manager und MitarbeiterInnen sowie für das Aufsichtsratspräsidium, das ÖBB-Chef Huber und Finanzvorstand Söllinger bei deren Ausscheiden aus dem Unternehmen hohe Abfertigungen genehmigte, obwohl es um deren Verantwortung für die Verluste wusste.

Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker räumte Rechtsverstöße ein und berichtete, dass der Vorstand im April 2006 die "Reißleine" hätte ziehen können, man damals aber die Kosten von 30 Mio. € gescheut und lieber auf die Hoffnung gesetzt habe, dass sich das bis 2015 abgeschlossene Geschäft doch noch rechnen werde. Die zweite Gelegenheit, aus dem Geschäft auszusteigen, habe man 2008 versäumt, als zwei Verfahren gegen den Geschäftspartner Deutsche Bank verloren gingen. Zur Forderung nach Schadenersatzklagen machte der Aufsichtsratspräsident darauf aufmerksam, dass das Geschäft im April 2006 durch eine Entlastung der Vorstände "geheilt" wurde.

ÖBB-Holding-Generaldirektor Christian Kern zeigte sich beeindruckt vom Rechnungshofbericht und schloss sich den Ausführungen der Abgeordneten an. Kern hielt es aber für angebracht, in der Frage nach den Chancen von Schadenersatz- und Organhaftungsklagen moralische und rechtliche Dimensionen des Falles zu trennen. Sorgfaltspflichtverletzungen seien juristisch nicht zwingend relevant, sagte Kern mit Bezug auf diesbezügliche Rechtsgutachten und wies insbesondere auf die Entlastung des ÖBB-Vorstands für den Abschluss des Geschäfts hin. Die ÖBB beabsichtigen keine Klage, weil sie die hohen Kosten des Verfahrens angesichts der geringen Erfolgsaussichten nicht rechtfertigen könnten. Er sei aber selbstverständlich bereit, sich als Privatkläger einem Strafverfahren anzuschließen, wenn die Staatsanwaltschaft ein solches Verfahren einleitet. Die Aussichten darauf halte er aber für gering, hielt Kern in der Debatte wiederholt fest.

Die Cross-Border-Leasingverträge im Umfang von zwei Mrd. € haben den ÖBB Vorteile im Umfang von 282 Mio. € gebracht, berichtete Kern. Das Risiko eines Ausfalls der Tilgungsträger sei vorhanden, aber als gering einzuschätzen. Eine Auflösung der Verträge wäre juristisch schwierig und hätte wirtschaftlich wenig Sinn, da dies Kosten von 470 Mio. € mit sich bringen würde, erfuhren die Abgeordneten.

Verkehrsministerin Doris Bures schloss sich der Einschätzung der Abgeordneten an, die angesichts der Spekulationsgeschäfte, die bei den ÖBB im Jahr 2005 abgeschlossen wurden, von einem "Skandal" sprechen. Die verantwortlichen Manager hätten verantwortungslos für das Unternehmen und für den Wirtschaftsstandort Österreich gehandelt. Sie habe daher Maßnahmen gesetzt, die es in Zukunft verhindern werden, dass solche Geschäfte abgeschlossen werden. Bures erinnerte an personelle Veränderungen bei den ÖBB, an die Auflösung von Dienstverträgen und an den Vergleich mit der Deutschen Bank, der die Risiken auf 300 Mio. € reduziert habe. Die Ministerin erinnerte auch an die Strukturreform bei den ÖBB, mit der jene Doppelgleisigkeiten und intransparenten Verhältnisse beendet wurden, die zu den Rahmenbedingungen für die Spekulationen zu zählen seien. Und nicht zuletzt machte Bures auf eine neue Konzernrichtlinie mit klaren Vorgaben für Transaktionen aufmerksam.

Rechnungshofpräsident Josef Moser führte dem gegenüber unmissverständlich aus, dass es für ihn nicht ausreiche, Sorgfaltspflichtverletzungen in der Zukunft auszuschließen. Moser drängte vielmehr auf Organhaftungs- und Schadenersatzklagen. Er begründete seine Empfehlung mit einer detaillierten Schilderung der Ereignisse vom Frühjahr 2005 bis zum März 2009, in deren Rahmen er die Sorgfaltspflichtverletzungen und Verstöße gegen das Aktienrecht im Einzelnen darlegte. Unter anderem sei der Aufsichtsrat unrichtig und unvollständig informiert, erhebliche Risiken seien verschwiegen worden. Auch der wirkungslose Versuch, die Risiken durch Absicherungen zu minimieren, sei mit erheblichen Verstößen gegen das Aktienrecht verbunden gewesen und haben zudem einen Schaden von 1,88 Mio. € verursacht. Trotz all dieser Sorgfaltspflichtverletzungen habe das Aufsichtsratspräsidium den Vorständen Huber und Söllinger ungerechtfertigte Abschlagszahlungen genehmigt, stellte der Rechnungshofpräsident fest und knüpfte daran die Empfehlung, ein Organhaftungsverfahren gegen das Aufsichtsratspräsidium einzuleiten. Gegenüber den Darstellungen der Verkehrsministerin und der ÖBB-Spitze zitierte der Rechnungshofpräsident seinerseits aus Rechtsgutachten, die es für ihn aussichtsreich erscheinen lassen, Haftungs- und Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Eine weitere Verhandlungsrunde leitete Abgeordneter Peter Pilz (G) mit der Frage ein, ob die Berichterstattung "schwarz-blauer" Vorstände an "schwarz-blaue" Kapitalvertreter im Vorfeld einer ÖBB-Aufsichtsratssitzung im März 2008 dem Versuch gedient habe, ein für das Unternehmen ÖBB schädliches Geschäft hinter dem Rücken der "roten" Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat fortführen zu können. Zur Frage des Abgeordneten Pilz, warum der Rechnungshofbericht an dieser Stelle vom Text des Rohberichts abweiche, sagte RH-Präsident Moser, der Vorgang habe sich bei der aktienrechtlichen Beurteilung als irrelevant herausgestellt, weil dem Aufsichtsrat als Organ des Unternehmens nichts von dem berichtet wurde, was die Kapitalvertreter vorweg besprochen hatten.

Abgeordneter Pilz wertete diese Information als Argument, das Verhalten der Vorstände und Kapitalvertreter nicht nur aktienrechtlich, sondern darüber hinausgehend juristisch zu untersuchen und regte eine Entschließung des Nationalrats an, mit der die Ressortleiterin aufgefordert werden soll, ein Strafverfahren einzuleiten. Außerdem sollte man die aufgedeckten Vorgänge in einem Unterausschuss des Rechnungshofausschusses klären, meinte Pilz. Auch Abgeordneter Ferdinand Maier (V) zeigte sich interessiert an den Rohberichten des Rechnungshofs.

Abgeordneter Ewald Sacher (S) konzentrierte sich auf die Feststellung der politischen Verantwortung der Verkehrsminister Gorbach, Schmid und Forstinger, kritisierte parteipolitisch motivierte Managerbestellungen und eine ÖBB-Struktur, die die Bedingungen für die Spekulationsgeschäfte geschaffen habe. Die SPÖ habe im Jahr 2006 unverzüglich damit begonnen, die Verhältnisse bei den ÖBB zu sanieren, was sich als ein enorm mühsamer Prozess herausstelle. Er erwarte sich, dass sich Generaldirektor Kern einer Klage anschließe, um Schadenersatzforderungen durchzusetzen.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Aussage des Abgeordneten Alois Gradauer (F), der Bundeszuschuss zu den ÖBB betrage 6,5 Mrd. € pro Jahr, was Verkehrsministerin Doris Bures entschieden zurückwies und darauf aufmerksam machte, welche gemeinwirtschaftlichen Leistungen die ÖBB erbringen. Außerdem erinnerte die Ressortleiterin daran, dass die ÖBB bei ihrer Ausgliederung aus der Bundesverwaltung nicht entschuldet wurden, sondern Schulden aus früheren Investitionen mit in die wirtschaftliche Selbständigkeit "mitgenommen" haben.

Die Abgeordneter Alois Gradauer (F) und Gerald Grosz (B) schlossen sich der Forderung des Abgeordneten Pilz an, Schadenersatzklagen einzuleiten, nicht zuletzt auch deswegen, um eine abschreckende Wirkung für Leute auszuüben, "die sich künftig aus dem Steuertopf bedienen wollen". Außerdem gehe es um eine rückhaltlose Aufklärung der Vorkommnisse. In diesem Sinn schlug Abgeordneter Gerald Grosz die Einsetzung eines ÖBB Untersuchungsausschusses vor.  

Abgeordnete Gabriela Moser (G) wandte sich gegen die Aussage der Verkehrsministerin, die gemeint hatte, Anzeigen gegen die verantwortlichen Manager seien aussichtslos, weil ihre, Mosers Anzeige, bereits gescheitert sei. Ihr Verfahren sei wegen mangelnder Nachweisbarkeit einer wissentlichen Verfehlung eingestellt worden, eine Begründung, die seit dem Vorliegen des Rechnungshofberichts nicht mehr gelten könne, sagte Moser und hielt es für inakzeptabel, keine Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen, obwohl klar sei, dass auch Aufsichtsratspräsident Pöchhacker alles gewusst habe und trotzdem keine Handlungen gesetzt habe.

ÖBB-Generaldirektor Kern unterstrich, dass er sich an einem Verfahren als Privatkläger beteiligen werde, sah aber wenig Chancen, dass es zustande komme, weil nicht alles, was der Rechnungshof als Sorgfaltspflichtverletzung darstelle, nachweisbar sei. "Es gibt die Entlastung", sagte Kern und zitierte noch einmal Experten, die einen Versuch, Schadenersatzansprüche durchzusetzen, für juristisch aussichtslos halten.

Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker machte auf die hohe Verantwortung des Aufsichtsrats für das Unternehmen aufmerksam und riet dazu, die Tätigkeit des Aufsichtsrats per Saldo in seiner Gesamtverantwortung für eines der größten Unternehmen Österreichs zu beurteilen.

Verkehrsministerin Doris Bures listete abschließend alle Maßnahmen des Eigentümers auf, die darauf gerichtet sind, die "systematische Schädigung des Unternehmens" durch Spekulationsgeschäfte in der Zukunft auszuschließen.

Rechnungshofpräsident Josef Moser untermauerte seine Empfehlung auf Geltendmachung von Schadenersatz- und Haftungsansprüchen mit dem Hinweis darauf, dass die oft zitierte Entlastung der verantwortlichen Vorstände juristisch wirksam zurückgenommen werden könne. Moser versicherte den Abgeordneten, dass zwischen dem Text des Rohberichts und dem Endbericht keine wesentlichen Unterschiede bestehen.

Ausschussobmann Werner Kogler fasste die Debatte mit der Erwartung zusammen, dass beim nächsten Nationalratsplenum der ständige Unterausschuss des Rechnungshofausschusses mit den ÖBB-Finanzgeschäften betraut werden wird.

Follow-up-Bericht über externe Berater bei den ÖBB

In einer Follow-Up-Überprüfung der Unternehmensgruppe Österreichische Bundesbahnen stellte der Rechnungshof fest, dass der überwiegende Teil seiner Empfehlungen erst teilweise umgesetzt worden sei. Insbesondere übte der Rechnungshof Kritik am Abschluss eines Beratungsvertrags mit einer Rechtsanwaltskanzlei über ein Auftragsvolumen von 4,5 Mio. € bis 2017, bei dem die ÖBB-Holding AG ungünstige Vertragsbedingungen akzeptierte. Daher habe sie an die 2,9 Mio. € auch dann zu leisten, wenn von der Rechtsanwaltskanzlei keine Leistungen abgerufen oder erbracht werden. Kritisiert wird auch, dass nicht alle Dienstleistungen nach den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbs ausgeschrieben wurden. Insgesamt ist der Gesamtaufwand der ÖBB für externe Beratungsleistungen nach einem Spitzenwert von 25,7 Mio. € im Jahr 2005 in den Folgejahren wieder zurückgegangen. Umgesetzt wurden die Empfehlungen, vorrangig auf im Unternehmen vorhandene Ressourcen zurückzugreifen sowie Kosten-Nutzen-Rechnungen und überprüfbare Zeitangaben für Beratungstätigkeiten einzuführen.

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) fragte nach den Auswirkungen der RH-Empfehlungen und ob man in Zukunft Beratungsleistungen benötigen werde bzw. wie man sie zu minimieren gedenke. Abgeordneter Ferdinand Maier (V) schloss sich diesen Fragen an und erkundigte sich nach Details abgeschlossener Beratungsverträge. Abgeordneter Gerald Grosz (B) warf Ministerin Bures vor, im Unterschied zu ihren Vorgängern den Abgeordneten des Nationalrats keine Auskünfte über externe Beraterverträge bei ÖBB und ASFINAG zu geben. Er wollte außerdem wissen, ob es im BMVIT noch Beraterverträge gibt, die mit den ÖBB im Zusammenhang stehen. Bezugnehmend auf Medienberichte und Untersuchungen der Staatsanwaltschaft in Ungarn thematisierte Grosz weiters die Vorgänge um den Kauf der MAV Cargo, in deren Vorfeld überhöhte Beraterhonorare gezahlt wurden. Abgeordneter Roman Haider (F) erkundigte sich, ob es weitere Rahmenverträge gibt, die Vereinbarungen eines Mindesthonorars enthalten, und wie sich die Zusammenarbeit der ÖBB mit der Finanzprokuratur gestalten werde.

ÖBB-Holding-Chef Christian Kern betonte, dass ein Unternehmen von der Größe der ÖBB sicher nicht ohne externe Beratungsleistungen auskommen könne. Zweifellos müsse man aber eigene Ressourcen besser nutzen. Ab 2011 wolle man eine Halbierung der Rechtsanwaltsleistungen erreichen. Das Volumen der Beratungsleistungen entspreche der Größe des Unternehmens, doch habe man Maßnahmen gesetzt, um hier "totale Transparenz" zu erreichen, denn es gehe letztlich um die Glaubwürdigkeit der ÖBB. Es gebe mehrere Rahmenverträge, wie den bereits angesprochenen, man habe aber den Empfehlungen des Rechnungshofs entsprochen und einen Rahmenvertrag mit der Finanzprokuratur abgeschlossen, also einer Einrichtung des Bundes, die dem Unternehmen sehr günstige Konditionen biete. Nur mehr in Ausnahmefällen würden andere Berater beauftragt.

ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzender Horst Pöchhacker erläuterte zum Zustandekommen des Beratungsvertrags im Zusammenhang mit dem Erwerb der MAV Cargo, es habe sich um einen durchaus üblichen Lobbying-Vertrag gehandelt. Bundesministerin Doris Bures wies darauf hin, dass Verträge über Beratungsleistungen in der Verantwortung des Unternehmens liegen. Für Beraterverträge im BMVIT gebe es klare Regelungen, die eingehalten würden. RH-Präsident Josef Moser betonte, dass sich der Rechnungshof über die Zusagen des Unternehmens, alle Empfehlungen umzusetzen, zufrieden zeige.

In einer weiteren Fragerunde kamen Abgeordneter Gerald Grosz (B) und Abgeordnete Gabriela Moser (G) nochmals auf die MAV Cargo und die in diesem Zusammenhang beauftragte Beraterfirma in Ungarn zu sprechen und vermuteten hier zweifelhafte Vorgänge. Christian Kern sah die für die Beratungsleistung gezahlte Summe ebenfalls als überzogen an, meinte aber, daraus allein lasse sich nicht ableiten, dass hier kriminelle Vorgänge stattgefunden hätten. Die Auswahl des ungarischen Lobbyisten habe sich auf Informationen von Insidern gestützt. Abgeordnete Moser wollte in einer Zusatzfrage wissen, ob die ÖBB aus dem kritisierten Rahmenvertrag mit einer Rechtsanwaltskanzlei hätte aussteigen können und dies versäumt habe, was RH-Präsident Moser verneinte. Im Zusammenhang mit dem Ankauf der MAV Cargo vermutete Abgeordnete Moser außerdem die Zahlung von Bestechungsgeldern und vermisste dazu eine deutliche Stellungnahme von Bundesministerin Bures. Abgeordneter Grosz wiederum meinte, es handle sich nicht um Bestechungsgeld, sondern um Kick back-Zahlungen für eine große österreichische Partei. Dies wies ÖBB-Holding-Chef Kern zurück, die Behauptungen entbehrten jeder Grundlage. Auch Bundesministerin Bures betonte, dass selbstverständlich das Parlament einen wichtigen Kontrollauftrag erfülle, sie erteile im Rahmen der Geschäftsordnung stets ausführlich und pünktlich Auskunft auf Anfragen. Falls es zu kriminellen Vorgängen gekommen sei, werde jedenfalls der Rechtsweg zu beschreiten sein.

Austro Control - zu wenige Flugsicherer leisten zu viele Überstunden

Hinsichtlich der zu geringen Bemessung der Flugsicherungsgebühren bei der Austro Control im Jahr 2007, die zu einer Unterdeckung beim Flugsicherungsaufwand von 23,92 Mio. € führte, erinnerte der Rechnungshof an das gesetzlich fixierte Kostendeckungsprinzip und empfahl eine genauere Planung der Flugsicherungskosten.

Lob enthält der Bericht des Rechnungshofs für die Umsetzung von Rationalisierungsmaßnahmen in der Flugsicherung, durch die die Austro Control bis 2006 international überdurchschnittliche Produktivitätskennzahlen erreichte. Die Erhöhung des Personalaufwands im Jahr 2007 um 10,6 % sieht der Rechnungshof kritisch und regt - angesichts eines hohen Überstundenaufwands - die Bereinigung der Personalunterdeckung bei den Fluglotsen an. Auch der Pensionskassenvertrag jener MitarbeiterInnen, die vor dem 1. Jänner 1997 bei der Austro Control gearbeitet haben, soll von einem leistungs– auf ein beitragsorientiertes System umgestellt werden. Der Rechnungshof drängt auch auf Umsetzung des Unternehmenskonzepts MOVA NEU, wendet sich gegen die Ausschüttung von Bilanzgewinnen aus der Flugsicherung, schlägt die Einbindung der Austro Control in das Finanz– und Beteiligungscontrolling vor und tritt für regelmäßige Berichte über behördliche Tätigkeiten der Austro Control ein.

Nach wie vor spricht sich der Rechnungshof für eine Zusammenlegung der österreichischen Wetterdienste, für eine Konzentration auf die Kernaufgaben der Flugmeteorologie und für verstärkten EDV-Einsatz unter Beachtung international geforderter Qualitätsstandards aus.

Geringe Erfolgsaussichten bescheinigt der Rechnungshof dem Projekt CEATS (Central European Air Traffic Services). Er empfiehlt Austro Control deswegen die einvernehmliche Auflösung des Vertrags und statt dessen alternative Kooperationen im Rahmen des "Single European Sky". Außerdem rät der Rechnungshof zu einer Zertifizierung der Austro Control als Ausbildungsanbieter und zu Verhandlungen mit anderen Flugsicherungsorganisationen über Haftungsregelungen und Aufsichtsrechte.

Verkehrsministerin Doris Bures informierte auf eine diesbezügliche Frage der Abgeordneten Gabriela Moser (G) und des Abgeordneten Erwin Kaipel (S) zunächst darüber, dass sich das CEATS-Projekt als nicht umsetzbar herausgestellt habe, weil einzelne Staaten nicht bereit seien, einen gemeinsamen europäischen Luftraum zu schaffen. Gute Chancen sieht die Ressortleiterin aber im für das 2008 vereinbarte Projekt "European Sky" mit neuen Lufträumen, wobei Österreich Teil des Zentraleuropäischen Raumes wäre, der der Luftfahrt mehr Sicherheit bei geringeren Sicherungskosten und kürzeren Flugzeiten bringen wird. Haftungsfragen zwischen den Teilnehmerländern seien nicht zu klären, teilte Bures mit.

Um die Kostendeckung bei der Flugsicherung zu erhöhen, wurde 2009 auf Basis der gesetzlichen Vorgaben eine neue Verordnung mit höheren Gebühren erlassen. Nach sinkenden Gebühren bewege sich das Gebührenniveau auf jenem des Jahres 2003.

Austro Control-Chef Heinz Sommerbauer teilte den Abgeordneten Wolfgang Zanger (F) sowie Josef Lettenbichler (V) und Ferdinand Maier (V) mit, dass der Fluglotsenmangel der letzten Jahre auf die falsche Erwartung zurückzuführen sei, der Flugverkehr werde zurückgehen. Daher habe man den Betrieb nur mit zunehmenden Überstundenleistungen der Lotsen bewältigen können. Schon 2009 konnte durch forcierte Ausbildung die Zahl der Überstunden um 17 % reduziert werden. 2012 werde die Personalsituation bei der Austro Control wieder dem Bedarf entsprechen.

Die neue Gebührenverordnung habe die Kostendeckung auf 36 % erhöht, von einer Volldeckung sei man aber noch weit entfernt. Ab 2012 werde das Gebührensystem nach europäischen Vorgaben völlig neu gestaltet werden müssen, teilte der Austro Control-Chef mit.

Rechnungshofpräsident Josef Moser sprach von einem positiven Bericht, der erfolgreiche Rationalisierungsmaßnahmen dokumentiere, aber auch Probleme infolge der steigenden Personalkosten ab 2007, insbesondere durch hohe Überstundenkosten bei den Fluglotsen und große Rückstellungen für das in den 90iger Jahren vereinbarte Vorruhestandsmodell, aufzeige. Mit Nachdruck trat der Rechnungshofpräsident für die Zusammenführung aller zivilen Wetterdienste ein. Andere Länder zeigten, dass ein Wetterdienst ausreiche.

In einer weiteren Verhandlungsrunde informierte Austro Control-Chef Sommerbauer die Abgeordnete Erwin Hornek und Gabriel Obernosterer (beide V) sowie Gerald Grosz (B) darüber, dass das Vorruhestandmodell für Fluglotsen europäischen Vorbildern und medizinischen Notwendigkeiten entspreche, weil die Aufmerksamkeitsleistung von Fluglotsen nach dem 55. Lebensjahr nachlasse. Es sei auch sinnvoll gewesen, die Wochenarbeitszeit der Fluglotsen auf 32,5 Stunden zu reduzieren, auch wenn dies die Personalkosten verteuert habe. Austro Control, AUA und Flughafen Schwechat arbeiteten konstruktiv zusammen, um den Flughafen Wien – den pünktlichsten Europas – konkurrenzfähig zu erhalten, sagte Sommerbauer und wies auf die hohe Produktivität seines Unternehmens hin.

Wiener Linien – Managementmängel beim U-Bahnbau

Der Rechnungshof stellte fest, dass bei der Verlängerung der U-Bahn-Linien U1 und U2 das interne Kontrollsystem der Wiener Linien versagt hat. Fehler in der Projektabwicklung der drei kontrollierten Bauabschnitte führten zu erheblichen Mehrkosten und Fehlverrechnungen im Ausmaß von rund 8,95 Mio. €. Außerdem bemängelte der Rechnungshof, dass die Wiener Linien dem Bund und der Stadt Wien Kosten von mindestens 6,18 Mio. € verrechnet haben, die nicht der Herstellung der Verkehrsinfrastruktur zurechenbar waren, wie etwa die Errichtung von Geschäftslokalen in U-Bahn-Stationen. Positiv hebt der RH-Bericht hervor, dass trotz des Termindrucks durch die Fußballeuropameisterschaft EURO 2008 die Verlängerungen der U1 bis nach Leopoldau und der U2 bis zum Praterstadion zeitgerecht fertiggestellt werden konnten. 

Die Fragerunde der Abgeordneten eröffnete Abgeordneter Heinz-Peter Hackl (F). Er listete eine Reihe von Mängeln auf, die der RH-Bericht in der Durchführung des U-Bahn-Ausbaues festgestellt hatte und wollte wissen, wie sich die zum Teil erheblichen Mehrkosten erklären ließen. B-Mandatarin Martina Schenk meinte, die 32 Empfehlungen des Rechnungshofs sprächen für sich und seien ein "starkes Stück". Sie erkundigte sich daher nach den Konsequenzen, die seitens der Wiener Linien aus ihnen gezogen würden.

Auch Abgeordneter Ferdinand Maier (V) wollte wissen, welche Maßnahmen gesetzt würden, um der Entstehung eines solchen Problems in Hinkunft entgegenzuwirken. Außerdem erkundigte er sich nach der Größenordnung, in der sich das Budget bewegen werde, das man seitens des Bundes zukünftig für den Bereich der U-Bahnen aufzuwenden gedenke. Desweiteren interessierte sich Maier für die Höhe der Rückforderungen, mit denen nun zu rechnen ist.

Ausschussobmann Hermann Gahr (V) wollte außerdem wissen, welche Veränderungen im Kontrollbereich vor dem Hintergrund des RH-Berichts vorgenommen wurden.

Verkehrsministerin Doris Bures hielt fest, dass es nicht sinnvoll sei, jedes Einzelprojekt nochmals einer Prüfung zu unterziehen, zumal dies einer doppelten Verwaltungstätigkeit aufgrund der Überschneidung mit Prüfkompetenzen anderer Institutionen gleichkäme. Es gelte, so Bures, vielmehr die Grundsätze der Förderung einer Überprüfung zu unterziehen. Die von Seiten der Abgeordneten angesprochene Rückabwicklung, die derzeit im Gang sei, bewege sich in der Größenordnung von knapp 3 Mio. €, informierte die Verkehrsministerin. Mit diesem Vorgehen entspreche sie auch den beiden an das BMVIT gerichteten Feststellungen, konstatierte Bures. Was das Volumen der Mitfinanzierung des Bundes in der näheren Zukunft anbelange, wolle man diese auf ein Niveau von 80 Mio. € absenken.

Rechnungshofpräsident Josef Moser konstatierte, dass die angefallenen Mehrkosten auf Mängel bei der Kontrolle zurückzuführen seien. Was die Wiener Linien betreffe, wurde aus den begangenen Fehlern aber gelernt – man bemühe sich nun um Schadensminimierung. Moser plädierte außerdem dafür, in Zukunft klar zwischen verschiedenen Maßnahmen und Zuständigkeiten abzugrenzen. Durch den aufgetretenen negativen Kompetenzkonflikt zwischen BMVIT und BMF habe "unterm Strich niemand kontrolliert", was weitreichende Konsequenzen gezeitigt habe. Das Stellen von Rückforderungen bewertete Moser als positiven Schritt. (Schluss Rechnungshofausschuss)