Parlamentskorrespondenz Nr. 925 vom 23.11.2010

Grünes Licht für neue Kronzeugenregelung im Justizausschuss

Teilnahme an Terror-Camps wird unter Strafe gestellt

Wien (PK) – Grünes Licht gab der heutige Justizausschuss für das von Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner geschnürte strafrechtliche Kompetenzpaket (918 d.B.), mit dem nicht nur eine neue Kronzeugenregelung implementiert wird: Es zielt auch darauf ab, kriminell erwirtschaftetes Vermögen wirkungsvoll zugunsten des Staatshaushalts einziehen zu können, mehr Transparenz in die Tätigkeit staatsanwaltschaftlicher Organe zu bringen und Strukturen zur bundesweiten, spezialisierten und zentralisierten Bekämpfung von schwerer Wirtschaftskriminalität und Korruption zu schaffen. Im Rahmen einer getrennten Abstimmung und unter Berücksichtigung eines S-V-F-Abänderungsantrags wurde die Regierungsvorlage teils mehrheitlich, teils einstimmig angenommen.

Eine Ausschussfeststellung betreffend Berichtspflicht der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen angenommen, eine weitere betreffend Terrorcamps mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ mehrheitlich verabschiedet.

Außerdem ebnete man den Weg zur Ratifizierung des Übereinkommens zur Errichtung der Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg bei Wien als internationaler Organisation (924 d.B.). Die diesbezügliche Regierungsvorlage passierte den Ausschuss mit Stimmeneinhelligkeit.

Terrorismusprävention und Kronzeugenregelung im Fokus

Im Zentrum der Diskussion über das von Justizministerin Bandion-Ortner präsentierte strafrechtliche Kompetenzpaket stand – neben Fragen betreffend der Neugestaltung der Kronzeugenregelung – auch der per Abänderungsantrag in die Paketlösung eingefügte Terrorcamp-Paragraf 278e.

Abgeordneter Johannes Jarolim (S) bezeichnete die Regierungsvorlage als guten und richtigen Schritt. Was den Bereich des Sozialabgabenbetrugs anbelange, wollte er unterstrichen wissen, dass besonders komplizierte Fälle dieser Art von der WKStA aufgegriffen werden.

G-Mandatar Albert Steinhauser konnte vor allem der neuen Kronzeugenregelung einiges abgewinnen. Und auch die Berichtspflicht bei Einstellung von Verfahren sei ein positiver Schritt, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt. Was die WKStA anbelange, gelte es aber sicherzustellen, dass diese unbeeinflusst arbeiten könne. Steinhauser verwies in diesem Zusammenhang auf die von seiner Fraktion unterstützte Ausschussfeststellung. Problematisch bewertete er die mit der Verlagerung nach Wien verbundenen Erschwernisse für AnwältInnen, ZeugInnen und Beschuldigte – ein Punkt, den auch V-Abgeordnete Anna Franz aufgriff. Ihr Fraktionskollege Peter Ikrath bezeichnete die Regierungsvorlage dennoch als "großen Wurf", zumal damit Versäumnisse in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität aufgeholt würden.

Kritik am Kompetenzpaket – und der damit verankerten Kronzeugenregelung - kam von Seiten der FPÖ: Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) kündigte schlussendlich aber die Zustimmung seiner Fraktion zur Regierungsvorlage an. Bei der Abwägung sei man zum Entschluss gekommen, dass man zustimmen müsse, zumal es doch um Verbesserungen gegenüber dem Status quo gehe. Die FPÖ werde außerdem auch dem Abänderungsantrag zustimmen, hielt der Redner fest.

B-Mandatar Herbert Scheibner bewertete die Regierungsvorlage als grundsätzlich positiv. Auch die von Seiten der Grünen kritisch beäugte Bündelung von Wirtschaftsstrafsachen in Wien sei ein vernünftiger Schritt, sagte er. Kritik müsse man daran üben, dass bei der Anwendung der Kronzeugenregelung große Ermessensspielräume zum Tragen kämen, was mit Unsicherheit für den Betroffenen verbunden sei. Was den Abänderungsantrag, mit dem der Terrorparagraf verankert wird, anbelange, so könne man ihn nachvollziehen. Kritik müsse man vielmehr an der Ausschussfeststellung betreffend Terrorcamps üben, in der man die ursprüngliche Intention der Einführung eines solchen Straftatbestands aushöhle, meinte Scheibner. So sei es etwa nicht zu begrüßen, dass man hier auf das Kriterium der Wissentlichkeit – die es wiederum zu beweisen gelte – abstelle.

Auch G-Abgeordnete Daniela Musiol konnte Abänderungsantrag und Ausschussfeststellung keine Zustimmung erteilen. Wie man mit dem Widerstand gegen das Terrorpräventionsgesetz umgehe, sei schlicht nicht korrekt. Schließlich gelte es die heute in die Paketlösung integrierten Paragrafen unter Einbeziehung von ExpertInnen zu diskutieren, anstelle ein "Flickenwerk" herzustellen, stand für sie und ihren Fraktionskollegen Albert Steinhauser fest.

Kritik an der Ausschussfeststellung betreffend Terrorcamps kam auch von V-Abgeordneter Karin Hakl. Sie zeigte Befremden über die Legitimation von Terrorcamps, sofern die beabsichtigte Straftat auf die (Wieder-)Herstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse, die Unterstützung gesetzlich anerkannter Schutzziele oder die Ausübung bzw. Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet ist. Das könne man aus demokratiepolitischen Gründen nicht gutheißen, stand für Hakl fest.

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kam zunächst auf die Vorteile zu sprechen, die mit der Bündelung der großen Wirtschaftsstrafverfahren in Wien einhergingen. Dazu zähle, so die Ministerin, nicht zuletzt die Möglichkeit, an einem Standort beste infrastrukturelle Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen zu können. Für Aussagen nach Wien zu reisen, sei ZeugInnen und Beschuldigten durchaus zumutbar, doch gebe es auch die Möglichkeit von Video-Konferenzen, räumte sie ein. Zu Planstellenverlagerungen werde es nicht kommen, denn das Ressort habe neue Planstellen für den Ausbau dieser Einheit erhalten.

Was die Informationspflicht der WKStA anbelange, so könne man durchaus darauf vertrauen, dass es bei einer reinen Informationspflicht bleibe. Die Kronzeugenregelung sei außerdem so angelegt, hielt Bandion-Ortner in Richtung Abgeordnetem Scheibner fest, dass man nicht jeder Person, die als Kronzeuge fungieren möchte, versichern könne, ob sie auch tatsächlich frei gehen werde. Hier gelte es, den Einzelfall zu prüfen.

Oppositionsanträge zum Themenbereich Strafrecht

Auf der Tagesordnung des Justizausschusses stand zudem eine Reihe von Oppositionsanträgen, die sich mit einzelnen strafrechtlichen Bestimmungen auseinandersetzten.

So soll nach Auffassung der Freiheitlichen die strafrechtliche Verantwortlichkeit krimineller Bank- und Finanzdienstleistungsmanager gewährleistet werden (317/A[E]). Wer im Rahmen einer Versammlung an einer Schlägerei oder einem Angriff mehrerer tätlich teilnehme, sei überdies mit einer bis zu einjährigen Freiheitsstrafe zu bedrohen, stand für F-Abgeordneten Herbert Werner fest. Da auch Unbeteiligte bei solchen Schlägereien schon zu Schaden gekommen wären, fordere man eine diesbezügliche Novellierung des Strafgesetzbuchs (536/A) – ein Ansinnen, das G-Mandatarin Daniela Musiol nicht verstehen konnte, zumal diese Forderung nicht mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit vereinbar sei. Und auch S-Abgeordneter Hannes Fazekas wollte die Versammlungsfreiheit nicht unter gewisse Bedingungen gestellt wissen.

In einem weiteren Antrag spricht sich die FPÖ außerdem dafür aus, Personen, die einen Beamten wissentlich falsch verdächtigen, mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zu belegen (539/A). Justizministerin Bandion-Ortner konnte hier aber keinen Regelungsbedarf feststellen, zumal der Straftatbestand der Verleumdung bereits bestehe. Die Anträge der FPÖ wurden nur von Seiten des BZÖ unterstützt und blieben damit in der Minderheit.

Eine Änderung im Strafgesetzbuch forderte auch die Grüne Fraktion: Die Definition des Begriffs Folter soll an die Definition der UN-Konvention angeglichen, die Anwendung von Foltermitteln mit bis zu zehn Jahren – und im Falle von Dauerfolgen oder Tod des Opfers mit bis zu 15 Jahren – bedroht werden (878/A). Der diesbezügliche Entschließungsantrag wurde unter Hinweis auf eine bereits angelaufene Überarbeitung der Folterdefinition mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

Die Anträge des BZÖ betreffend verbesserter Kampf gegen Wirtschaftskriminalität (1240/A[E]) und Verankerung des Tatbestands der "Terrorismusausbildung" im Strafgesetzbuch (775/A) wurden abgelehnt. Ebenso erging es einem weiteren durch das Kompetenzpaket obsolet gewordenen Entschließungsantrag (1289/A[E]) der Abgeordneten Martin Strutz, Josef Jury und Maximilian Linder.

Kinder müssen vor sexueller Ausbeutung geschützt werden

Desweiteren sprach sich der Ausschuss einstimmig für die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (881 d.B.) aus. Ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit wurde der Ratifizierung des Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung mit der Republik Mauritius (877 d.B.) der Weg geebnet.

Der Antrag des BZÖ betreffend Abschaffung der Verjährungsfristen von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige (1083/A[E]) fand hingegen keine Mehrheit.

Die beiden F-Entschließungsanträge betreffend Gepäckscanner in der Justizanstalt Wien Josefstadt (353/A[E]) und sinnvolle Sparmaßnahmen für die Budgeteinsparungen 2011 (1062/A[E]) wurden vertagt. Was den ersten Antrag betreffe, so sei er hinfällig, da bereits ein Gepäckscanner installiert wurde, erläuterte Justizministerin Bandion-Ortner. Über Einsparungspotentiale im Justizbereich wolle man außerdem erst nach Vorliegen des Budgetbegleitgesetzes sprechen, hielt S-Abgeordneter Peter Wittmann F-Mandatar Christian Lausch entgegen. (Schluss)