Parlamentskorrespondenz Nr. 968 vom 01.12.2010

Auf der Suche nach einem sozial gerechten Weg aus der Krise

Abgeordnete diskutieren die Sparpläne der Regierung

Wien (PK) – Im Mittelpunkt der heutigen Nationalratssitzung stand die Erste Lesung der Regierungsvorlage zum Bundesfinanzgesetz für 2011. Der gestern vorgelegte Budgetentwurf sieht für das kommende Jahr im Allgemeinen Haushalt des Bundes Ausgaben von 70,1263 Mrd. € und Einnahmen von 62,5546 Mrd. € vor. Das Bundesdefizit soll 7,5717 Mrd. € betragen. In dem ebenfalls gestern vorgelegten Budgetbericht für das kommende Jahr beziffert die Bundesregierung das zu erwartende "Maastricht"-Defizit des Gesamtstaates (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen) für 2011 mit 3,2 % des BIP und die gesamtstaatliche Verschuldungsquote mit 71,3 % des BIP.

Cap: Die Krise wird in Österreich sozial gerecht bewältigt

      

Abgeordneter Josef CAP (S) meinte, die Opposition wisse nicht, was sie wolle, sondern nur, was sie nicht wolle. Das Budget müsse jedenfalls vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise gesehen werden. Die Regierung habe darauf mit einer Steuerreform, Konjunkturpaketen, Bankenhaftungen und Infrastrukturprojekten reagiert. Damit habe man es in Österreich geschafft, dass die Bewältigung der Krise nicht wie in anderen Ländern zu Lasten der Armen gegangen sei. Mit dem jetzt vorliegenden Budget gehe man diesen Weg weiter.

Der Großteil der ASVG-Pensionisten erhalte eine Inflationsabgeltung, man investiere in die Bildung und setze wichtige Signale auf der Einnahmenseite durch eine Konzernsteuer und Bankenabgaben. Dies seien erste Schritte, denen sicher noch weitere folgen müssten. Im Bereich der Verwaltungsreform etwa sei noch vieles umzusetzen, sagte Cap. Ansetzen müsse man bei der Beseitigung von Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung und durch die Herstellung von Kostenwahrheit, etwa im Bildungs- und Gesundheitsbereich. Die "apokalyptischen Prophezeiungen" der Opposition im Vorfeld des Budgets seien jedenfalls nicht eingetroffen. Die Regierung werde weiterhin alles für eine sozial gerechte Bewältigung der Krise tun, bekräftigte Cap.

Kopf: Sparen aus Solidarität mit künftigen Generationen

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) stellte einen Vergleich zwischen der Bewältigung der Finanzkrise durch Österreich und der Situation anderer Länder Europas an. Österreich stehe zwar besser da, wende aber derzeit schon 11 % des Budgets für Zinsen auf. Es gelte daher jetzt zu handeln, um einen weiteren Anstieg dieses Budgetpostens zu vermeiden. Österreich zähle zu den Ländern, die am meisten für Familien, Senioren, Bildungs- und Sozialsystem ausgeben. Wo jetzt Kürzungen vorgenommen würden, geschehe dies ausgehend von einem hohen Niveau und im Sinne der Solidarität mit der nächsten Generation. Kopf verteidigte damit Kürzungen u.a. bei der EZA und im öffentlichen Dienst. Man fordere einen Beitrag von Banken und Privatstiftungen ein und werde auch Steuerbetrüger nicht ungeschoren lassen, kündigte Kopf an. In bestimmten Bereichen wie den Universitäten, der Kinderbetreuung, der thermischen Sanierung sowie bei Forschung und Entwicklung investiere man auch. Kopf wies aber auch nachdrücklich darauf hin, dass die Nachhaltigkeit des Pensionssystems noch nicht gesichert sei. "Hier ist eine Reform dringend notwendig". Weitere Steuererhöhungen seien aber für Österreich, das bereits jetzt ein Hochsteuerland sei, nicht der richtige Weg. "Es gibt keine Alternative zum Sparbudget", stellte ÖVP-Klubobmann Kopf abschließend fest.

Strache: Der Budgetentwurf 2011 ist ein Dokument des Scheiterns

 

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) kritisierte das Budget als "konzept-, ideen- und hoffnungslos". Es sei ein Dokument des Scheiterns. Er kündigte in diesem Zusammenhang eine Verfassungsklage der FPÖ zusammen mit der FPK an, da das Budget den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Strache beschuldigte die Regierung, einen saloppen Umgang mit den Steuergeldern der Bevölkerung zu pflegen und Bankenlobbying zu betreiben. Sein Vorschlag zur Bewältigung der Krise sei es, die Gruppenbesteuerung abzuschaffen und sich nicht an den Rettungsschirmen der EU zu beteiligen, durch die man nur Banken und Konzernen Vorteile verschaffe.

Das Experiment Euro sei gescheitert, die südeuropäischen Volkswirtschaften sollten daher aus dem Euro-System entlassen werden. Abgeordnetem Kopf hielt er vor, die ÖVP trage selbst die Verantwortung dafür, dass Österreich ein Hochsteuerland sei. Das Budget nannte Strache ein "Knebel- und Plünderungsbudget für den Mittelstand". In den kommenden vier Jahren werde der Staat durch höhere Steuern zusätzlich 7 Mrd. € einnehmen. Es sei vielmehr dringend notwendig, die Verwaltungsreform endlich durchzuführen. Die Vorgaben des Rechnungshofs dazu seien längst bekannt, es gelte nun, sie umzusetzen. Strache schloss seine Rede mit der Forderung, endlich den rot-schwarzen Proporz zu zerschlagen, anstatt die Bevölkerung weiter zu belasten.

Kogler: Regierung hat es verabsäumt, die Chancen der Krise zu nutzen

Abgeordneter Werner KOGLER (G) bedauerte aus seiner Sicht, die Regierung habe die Krise nicht als Chance begriffen, sondern ein Budget vorgelegt, das "familienfeindlich, frauenfeindlich und fortbildungsfeindlich" sei. Freundlichkeit lasse man lediglich gegenüber den Bundesländern sowie gegenüber den Reichen und Superreichen walten, kritisierte der G-Abgeordnete und warf Faymann und Pröll dezidiert "Feigheit" vor.

Man sei zunächst zu feige gewesen, rechtzeitig ein Budget vorzulegen, was Kogler als Verfassungsbruch und Rücktrittsgrund bezeichnete. Dieser bedenkliche Schritt sei für den "Murks aus Loipersdorf" gesetzt worden, womit sich die Regierung letztendlich selbst ein Bein gestellt habe.

Feige, unintelligent und herzlos bezeichnete Kogler auch die Einsparungsmaßnahmen, da diese nur dort gesetzt würden, wo sich die Leute am wenigsten wehren können. Feige sei die Regierung auch vor den Lobbys der Stiftungsprivilegierten und der Agrarindustrie in die Knie gegangen, setzte der Redner seine Mängelliste fort. Die selbe Feigheit hätte die Regierung gegenüber den Landeshauptleuten hinsichtlich der Struktur- und Verwaltungsreform gezeigt, sagte er. Selbstverständlich brauche man für derartige Reformen Zeit, aber man müsse sie endlich einmal angehen.

Schließlich gehe auch im Bereich der Schulen und Universitäten finanzmäßig nichts weiter. Zu behaupten, es gebe dafür mehr Geld, sei falsch, weil man dort zuvor wesentlich mehr weggenommen habe. "Dieser Sparkurs ist unannehmbar", sagte Kogler. Der Regierung habe letztendlich auch der Mut gefehlt, einige der in Loipersdorf beschlossenen Maßnahmen zurückzunehmen. Die so genannten "Abschleifungen" führen laut Kogler nur zu einer aufgeblähten Bürokratie.

Kogler übte jedoch nicht nur Kritik am Budgetentwurf, sondern unterstützte explizit die geplante Besteuerung von Aktiengewinnen, die Flugticketabgabe, die Abschaffung der Kreditgebühren sowie die Offensive bei der thermischen Sanierung. "Hören Sie endlich mit der Klientelpolitik auf und sparen Sie mit Herz", so der Appell Koglers.

Bucher: Das ist kein Zukunftsbudget

Hart ins Gericht ging auch Abgeordneter Josef BUCHER (B) mit dem Budgetentwurf der Regierung und attackierte dabei insbesondere die ÖVP. Statt neue Wege zu gehen, beschreite die Volkspartei den alten Schuldenpfad, sagte Bucher und charakterisierte die Politik Prölls als Schuldenmachen um jeden Preis und auf Kosten der nächsten Generation. "Ein schlechter Tag beginnt mit einem ruinierten Budget", lautete das Resümee vom Klubobmann des BZÖ. Die Budgetrede empfinde er als einziges Jammerklagen, alle seien schuld, nur nicht die Bundesregierung. Mit diesem Budgetentwurf seien die schlimmsten Befürchtungen übertroffen worden.

Die Regierung hätte in den letzten Jahren Zeit gehabt, ihre Hausaufgaben zu machen und man hätte wissen müssen, dass die Gelder für die Banken irgendwann einmal abgehen werden. Der Amtsschimmel sei bald nicht mehr zu finanzieren, es fehle aber der Mut, Verwaltungsebenen abzuschaffen. Bucher warf der Regierung vor, das Land zu verschulden und die Zukunft zu verpfänden. Banken und EU-Ländern würde ein Schutzschirm zugesichert, nicht aber der österreichischen Bevölkerung. Die ÖVP betreibe eine "Tiefkühlpolitik", indem sie sozial schwachen Familien und Pflegebedürftigen das Geld wegnehme und den Banken zuführen. Der Finanzminister steht in den Augen Buchers ausschließlich im Sold der Banken und der EU, er mache aus BürgerInnen Bürgen und aus SteuerzahlerInnen SchuldnerInnen der Republik.

Bucher kündigte in auch eine Verfassungsklage an, da die Familien ein Recht auf Planbarkeit haben. Er forderte darüber hinaus auch, die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern zu beenden sowie weitere Privatisierungen, etwa bei der ÖBB. Alles in allem ist der vorgelegte Budgetentwurf für den BZÖ-Klubobmann alles andere als ein Zukunftsbudget.

Faymann: Der vorliegende Budgetentwurf ist ein Baustein der Reform

Bundeskanzler Werner FAYMANN (S) konterte, ein guter Tag beginne auch mit der Nachricht einer geringen Arbeitslosigkeit und eines Beschäftigungsrekords von 3,299 Millionen Menschen. Das sei ein Plus von 60.000 Personen. Diese Zahl sei deshalb so erfreulich, weil man vor der Wirtschaftskrise eine wesentlich geringere Beschäftigungsquote zu verzeichnen hatte, warf Faymann ein.

Der Bundeskanzler widersprach jenen, die gemeint hatten, man solle sich nicht mit anderen vergleichen. Internationale Vergleiche geben Gelegenheit darzustellen, wie Österreich und wie andere Länder ihre Aufgaben bewältigen, und dabei zeige sich, dass es in Österreich die geringste Arbeitslosenquote gibt und dass unser Land sowohl bei den Spar- und Konsolidierungszielen als auch bei den Wachstumsprognosen bei den Besten liegt. Dies habe nur deshalb gelingen können, weil die Bundesregierung in Arbeitsmarkt, Bildung sowie in Forschung und Entwicklung investiert. "Diese Rahmenbedingungen werden durch das vorliegende Budget verstärkt", stellte Faymann fest.

Der Bundeskanzler räumte ein, dass mit der Vorlage des Budgets nur ein Teil der Aufgaben bewältigt wird, es sei ein Teilschritt im Prozess der Budgetkonsolidierung, ein Baustein für die Reform. Ausständig seien unter anderem der Stabilitätspakt mit den Bundesländern und die Bildungsreform. Österreich stehe gut da, gegen unser Land haben Finanzhaie keine Chance, unterstrich Faymann mit Vehemenz.

Der Bundeskanzler machte in diesem Zusammenhang aber wenig Hoffnung, dass eine Verwaltungsreform zu Einsparungen führen wird. Vielmehr gehe es bei diesem Ziel um eine Effizienzsteigerung, um einen Einsatz der Mittel dort, wo sie nötig sind, etwa in der Pflege.

Faymann warb auch für den Budgetentwurf, indem er darauf hinwies, dass er bei den Vermögenssteuern eine Richtungsänderung vorgibt. Durch höhere Abgaben von Banken, Stiftungen, Konzernen sowie Wertpapier- und Aktiengewinnen sollen bis 2014 3,7 Mrd. Euro ins Budget fließen. Den Forderungen nach Senkung der Unternehmenssteuern erteilte der Bundeskanzler eine Absage und verwies auf Beispiele in anderen Ländern, die damit nicht gut gefahren sind. Man müsse von jenen mehr Beiträge holen, die sich mehr leisten können, bekräftigte Faymann, das sei der richtige Weg.

Der Opposition rief der Bundeskanzler in Erinnerung, dass in vielen Ländern wesentlich härtere Einschnitte nötig sind, während in Österreich derartig rigorose Maßnahmen aufgrund der guten Situation nicht vorgenommen werden müssen. "Nutzen wir die Chancen", lautete der abschließende Appell des Bundeskanzlers.

Pröll: Reden wir das Land nicht schlecht

Vizekanzler und Finanzminister Josef PRÖLL (V) knüpfte daran an und betonte, Österreich sei jenes Land in der EU gewesen, das aufgrund der gesetzten Maßnahmen früher aus der Krise kommen konnte. Mitgeholfen hätten vor allem Investitionen, Exporte und der private Konsum. Mit einer Gesamtverschuldung von 70 % des BIP liege man im europäischen Spitzenfeld und die derzeitige Neuverschuldung von 4 % soll bis 2014 deutlich unter 3 % gedrückt werden. Auch hinsichtlich der Arbeitslosigkeit stehe Österreich bestens da, sagte Pröll und forderte die Opposition auf, die Sache nicht schlecht zu reden, denn das sei wirtschaftspsychologisch ein schwerer Fehler.

Der Finanzminister setzte sich sodann mit den geäußerten Vorwürfen am Bankenpaket auseinander und erinnerte daran, dass die Opposition diesem zugestimmt hat. Das Paket habe zur Stabilisierung der Banken und zu Sicherstellung der Kreditkreisläufe und Sparguthaben geführt, merkte er an. Lediglich eine Bank bereite ihm große Sorgen, und zwar jene, wo PolitikerInnen der FPÖ und des BZÖ das Sagen haben.

Pröll beschönigte auch nicht die Situation in Europa, die er als "dramatisch aber beherrschbar" bezeichnete. Er warnte aber davor, hier mit Emotionen und politischem Populismus zu spielen, denn gerade damit gefährde man den Euro. Was OppositionspolitikerInnen forderten, nämlich die nationale Abgrenzung, habe im Jahr 1929/1930 zu Katastrophe geführt. Er sehe daher seine Verantwortung nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa, weil er den Kindern ein stabiles Europa sichern möchte. Er nehme auch die Verantwortung für die Sparmaßnahmen und die Ziele des Budgets auf sich, schloss Pröll. (Fortsetzung NR)

HINWEIS: Fotos von der Ersten Lesung zum Budgetentwurf 2011 finden Sie auf der Website des Parlaments (www.parlament.gv.at) im Fotoalbum.