Parlamentskorrespondenz Nr. 1018 vom 14.12.2010

Radioaktive Abfälle: EU will einheitliche Sicherheitsstandards

UVP-Richtlinie soll überarbeitet werden

Wien (PK) – Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung und ein Richtlinienvorschlag der Kommission zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle standen heute ebenfalls auf der Tagesordnung des EU-Unterausschusses des Nationalrats. Die EU-Kommission will damit hinsichtlich der Entsorgung einheitliche Sicherheitsstandards schaffen. Die Initiativen wurden weitgehend begrüßt, wobei vor allem seitens der Opposition kritische Anmerkungen gemacht wurden.

SPÖ, ÖVP und Grüne nahmen zu beiden Themen jeweils einen Antrag auf Ausschussfeststellung an, in dem die AntragstellerInnen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ersuchen, den Unterausschuss zeitgerecht vor einer Entscheidung im Rat über den Stand der Verhandlungen auf europäischer Ebene zu unterrichten.

Die UVP funktioniert gut, Verbesserungen sind dennoch nötig

Laut gegenständlichem Bericht über die Umsetzung der UVP-Richtlinie wurden die Ziele der europäischen UVP-Richtlinie im Allgemeinen erreicht. Dennoch ortet die Kommission einen Verbesserungsbedarf, weshalb sie eine Weiterentwicklung der Richtlinie in Aussicht stellt.

Konkret zeigt der Bericht auf, wie Bundesminister Nikolaus Berlakovich erläuterte, dass der bestehende Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Feststellung der UVP-Pflicht eines Vorhabens (Einzelfallprüfung) insofern zu Problemen führt, als EU-weit Schwellen und Kriterien verschiedenster Art und Größe festgelegt wurden. Außerdem konstatiert die Kommission große Qualitätsunterschiede - sowohl zwischen Mitgliedstaaten als auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst - bei den UVP-Unterlagen. Auch hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit besteht kein einheitliches Verfahren. So sind beispielsweise der Zeitpunkt der Einbeziehung der Öffentlichkeit, der Zeitrahmen für die öffentlichen Konsultationen, die Zugänglichkeit öffentlicher Informationen sowie der Zugang der Öffentlichkeit zu Überprüfungsverfahren unterschiedlich geregelt. Verbesserungspotential ortet die Kommission ferner bei den Regelungen für Konsultationen mit Nachbarländern betreffend grenzüberschreitende Auswirkungen eines Projektes bzw. betreffend Auswirkungen eines Projektes, das sich über mehrere Staaten erstreckt. Mangelnde Koordination zwischen UVP-Richtlinie und anderen Richtlinien, die damit in Zusammenhang stehen, führt zu einem weiteren Kritikpunkt.

Die UVP-Richtlinie der EU soll nicht nur weiterentwickelt werden, die Kommission beabsichtigt auch, diese mit den drei bisherigen Novellen formal zusammenzuführen. Ein Vorschlag dazu wird frühestens 2012 vorliegen, heißt es in der Information des Umweltministeriums. Hinsichtlich der Berücksichtigung des Klimawandels und der Biodiversität in der UVP-Richtlinie stellt die Kommission die Erstellung eines EK-Leitfadens bis 2011 in Aussicht. Wesentlich für Berlakovich ist es auch, Regelungen bei grenzüberschreitenden Projekten festzulegen.

Berlakovich machte auch darauf aufmerksam, dass in der letzten UVP-Novelle in Österreich die Energieeffizienz verankert worden sei. Man habe versucht, bei der Novellierung eine Balance zwischen Umwelt und Wirtschaft zu erreichen, stellte er fest.

Während sich die anderen Fraktionen für die Notwendigkeit einer EU-weiten Regelung aussprachen, meinte Abgeordneter Johannes Hübner seitens der FPÖ, er könne hier keine Kernaufgabe der EU erkennen. Bürgerbeteiligung müsse nationale Sache bleiben und daher sei hier das Subsidiaritätsprinzip zu wahren. Dem widersprach Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) mit aller Vehemenz. Die Frage stelle ein europäisches Thema dar, konstatierte er, weil es Wettbewerbselemente beinhalte. Man brauche einheitliche Standards und Vorschriften, sonst komme es zu einem Dumping. Schüssel begrüßte ausdrücklich eine Vereinfachung und Vereinheitlichung im Sinne der Balance zwischen Umwelt und Wirtschaft. Auch Bundesminister Nikolaus Berlakovich bekräftigte sein Ziel, Umweltorganisationen und Wirtschaft einzubinden, um gemeinsame Lösungen anzustreben. Dies sei bislang auch geglückt, sagte er.

F-Mandatar Hübner räumte zwar ein, dass in Bezug auf grenzüberschreitende Projekte eine EU-Regelung greifen sollte, für Hübner geht es aber auch zu weit, in die Beurteilung den Klimawandel mit einzubeziehen. Diese Aussage stieß auf heftige Reaktionen anderer Abgeordneter. So meinte etwa Abgeordneter Robert Lugar (B) anhand des Beispiels von Wasserkraftwerken, dass hier ein globaler Ansatz und damit die Berücksichtigung des Klimawandels und der CO2-Reduktion von besonderer Bedeutung seien. Gehe man nämlich nach den derzeitigen Kriterien, so würden Gaskraftwerke umweltfreundlicher eingestuft als die Wasserkraft. Auch die Abgeordneten Christiane Brunner (G) und Petra Bayr (S) sprachen sich dezidiert für die Hereinnahme des Klimawandels als Kriterium aus. Bayr bedauerte, dass man es verabsäumt hat, den Klimawandel in die heimische Umweltverträglichkeitsprüfung aufzunehmen, denn damit hätte man Vorbildwirkung erzielen können. Brunner wiederum übte allgemein Kritik an der innerstaatlichen UVP, da diese ihrer Meinung nach zu hohe Schwellenwerte enthält und die BürgerInnen und NGOs zu spät einbindet. Die UVP stellt laut Brunner auch keine Transparenz bei der Einladung sicher.

Radioaktive Abfälle – Endlagerung ist dringende Frage

Der Richtlinienvorschlag über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle reagiert auf die Tatsache, dass die internationalen Übereinkommen über die diesbezüglichen Sicherheitsstandards nicht rechtsverbindlich und keine Sanktionen bei Nichteinhaltung vorgesehen sind.

Das gilt auch für das "Gemeinsame Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle". In Österreich wurde das Übereinkommen am 11.9.2001 in Kraft gesetzt, in der Folge wurden dann im Strahlenschutzgesetz und in der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung weitergehende Festlegungen im Sinne der Vereinbarungen getroffen.

Die EU-Kommission beabsichtigt nun die Festlegung eines Gemeinschaftsrahmens für die verantwortliche Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, wobei sichergestellt werden soll, dass die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene geeignete Vorkehrungen für ein hohes Sicherheitsniveau treffen und die Unterrichtung und Beteiligung der Öffentlichkeit beibehalten und fördern. Für Bundesminister Nikolaus Berlakovich stellt diese Initiative einen wichtigen Fortschritt im Sinne eines umfassenden Konzepts dar.

Der Richtlinienvorschlag beinhaltet drei wichtige Punkte. Zunächst geht es um die Schaffung einheitlicher EU-Standards für die Sicherheit und Nachhaltigkeit betreffend die Behandlung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente. Deshalb sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, einen nationalen Rahmen für die langfristige Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zu erstellen und eine Regulierungsbehörde, die für den Bereich der sicheren Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle zuständig ist, einzurichten. Die Verantwortung für die Sicherheit liegt laut Gesetzesentwurf in erster Linie beim Genehmigungsinhaber. Notwendig ist auch eine entsprechende Aus- und Fortbildung, um die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten, und die erforderliche Transparenz bei der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sicherzustellen.

Wegen der besonderen Merkmale der Entsorgung radioaktiver Abfälle werden außerdem spezielle Verpflichtungen eingeführt. Dazu zählen ein Sicherheitsnachweis und eine Sicherheitsbewertung von Anlagen und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle sowie ausreichende Finanzmittel für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle.

Von jedem Mitgliedstaat werden überdies nationale Programme für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente gefordert, wobei der Richtlinienentwurf die grundlegenden Anforderungen und den Inhalt derartiger nationaler Programme darlegt. Die nationalen Programme müssen bei der Kommission genehmigt werden.

Die Inhalte des Richtlinienentwurfs werden von österreichischer Seite begrüßt. Österreich als "Nichtnuklearland" ist dabei nur bezüglich des radioaktiven Abfalls aus Industrie, Medizin und Forschung betroffen. In Österreich anfallende radioaktive Abfälle werden von der Nuclear Engineering Seibersdorf (NES) am Standort des Forschungszentrums Seibersdorf gesammelt, konditioniert und zwischengelagert. Seit Anfang 2009 wird ein mehrjähriges Modernisierungsprogramm an den am Standort Seibersdorf befindlichen Abfallbearbeitungs- und -lagereinrichtungen durchgeführt, das planmäßig umgesetzt wird. Dadurch ist eine dem Stand der Technik entsprechende Abfallbehandlung sowie eine sichere Langzeitzwischenlagerung der Abfallfässer zumindest bis zum Jahr 2030 gewährleistet, heißt es in der Information des Umweltministeriums.

In Hinblick auf die geringen anfallenden Mengen an radioaktiven Abfällen ist laut Umweltministerium die Errichtung eines Endlagers in Österreich, insbesondere eines geologischen Tiefenlagers, und der Betrieb über viele Jahre in Hinblick auf die hohen Kosten unter sachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu hinterfragen, zumal ja auch in Österreich keine hochaktiven Abfälle anfallen.

Die Umsetzung der Richtlinie würde eine Änderung des Strahlenschutzgesetzes und der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung erfordern.

Bei diesem Richtlinienvorschlag zeigten sich die Grünen unzufrieden. Abgeordnete Christiane Brunner begründete ihre Ablehnung damit, dass die Richtlinie keine klaren Vorgaben für Betriebe enthält und auch der Atomausstieg selbst nicht angesprochen wird.

Abgeordneter Robert Lugar (B) thematisierte das Zwischenlager Seibersdorf und meinte, man müsse sich auch in Österreich grundsätzlich die Frage stellen, was man mit den radioaktiven Abfällen, die inzwischen auf 10.000 Fässer angewachsen sind, mache. Nur wenn man die Frage des Endlagers löse, dann könne man abschätzen, ob sich die Atomkraft überhaupt auszahlt. In diesem Zusammenhang erläuterte Minister Berlakovich, in Seibersdorf laufe ein Modernisierungsprogramm, um die Anlage auf den höchsten technischen Stand zu bringen. Er habe dafür auch entsprechende finanzielle Mittel vorgesehen. Grundsätzlich stellte er fest, dass für den österreichischen radioaktiven Abfall in den nächsten 20 bis 30 Jahren kein geologisches Endlager nötig ist. Abgeordnetem Johannes Hübner (F) gegenüber versicherte er, dass alle Staaten nationale Konzepte vorlegen müssten, wie sie ihre Brennelemente behandeln und entsorgen. Es gebe aber keinerlei Verpflichtung, ein Endlager zu errichten. Es sei auch verboten, Brennelemente zu exportieren, bemerkte er auf eine Frage der Abgeordneten Marianne Hagenhofer (S), die befürchtet hatte, die Staaten würden bestrebt sein, in Entwicklungsländern Endlager zu errichten.

Abgeordnete Petra Bayr (S) wiederum monierte, dass die Betreiber ausreichende Finanzmittel für die Entsorgung sicherstellen sollten, denn dann würde sich die Atomkraft eigentlich nicht mehr rechnen. Hinsichtlich der Endlagerung sah auch Abgeordnete Christine Muttonen (S) Handlungsbedarf, auch wenn in Österreich vergleichsweise geringe Mengen anfallen. Sie begrüßte jedoch den Vorstoß der Kommission, da er über die Frage der Lagerung hinausgehe und vor allem die Sicherheit für ArbeitnehmerInnen und die Bevölkerung zum Inhalt hat. Damit werde ein sinnvoller Beitrag zur Gefahrenprävention geleistet, meinte sie.

Abgeordneter Wolfgang Schüssel (V) warf ein, kein einziges Land verfüge derzeit über eine Lösung dieser dringenden Frage. Der Druck auf die Länder, die Atomenergie verwenden, steige jedoch rasant. Die Probleme seien vielfältig und würden ständig mehr, da an die fünfzig neuen Länder in die Atomenergie hineindrängen. Die Kommission reagiere daher mit der Zielsetzung, verbindliche Sicherheitsstandards festzulegen, was unumgänglich sei. Minister Berlakovich sollte in Brüssel auf höchstmögliche Standards drängen, forderte Schüssel.

Abschließend bekräftigte Umweltminister Berlakovich einmal mehr, dass Österreich gegen die Atomkraft ist und eine Unterstützung der Initiative der Kommission in keinster Weise eine Akzeptanz der Atomkraft bedeutet. (Schluss EU-Unterausschuss)